Während sich im politischen Berlin über Firlefanz wie die PKW-Maut für Ausländer oder eine Mietpreisbremse gestritten wird, werden anderswo in der Politik entscheidende Weichen für unser aller Zukunft gestellt. Leider eher unbemerkt von der medialen Aufmerksamkeit, auch wenn es immer wieder Berichte darüber gibt. Die Rede ist vom geplanten Freihandelsabkommen TTIP zwischen der EU und den USA. Sollte dieses tatsächlich in die Tat umgesetzt werden, werden den Konzernen weitreichende Rechte eingeräumt und der einzelne Bürger weiter in seinen Freiheiten beschnitten. Alles natürlich im Namen des „freien Marktes“. Bruno Kramm von der Piratenpartei hat in einem lesenwerten Artikel einmal aufgelistet, was einige der Knackpunkte von TTIP sein würden – „Freihandelsabkommen TTIP: Wie Unternehmen stärker als Staaten werden“:
Das Netz ist voll mit Informationen über TTIP. Die »Stakeholder«, also alle relevanten Interessengruppen, sind an den Verhandlungen beteiligt. Die Webseite der EU versichert, dass man sich verpflichtet fühle, der Öffentlichkeit »ein Maximum an Information darüber« bereitzustellen. Alles in Butter also?
Nein! Denn in der Tat veröffentlicht die EU auf ihrer Webseite Unmengen nebensächlicher Informationen, vorwiegend Absichtserklärungen, dass Bürgerrechte, Umwelt- und Verbraucherschutz selbstverständlich nicht beeinträchtigt werden. Den gegenwärtigen Verhandlungsstand findet man dort allerdings nicht. Man kann vermuten, warum das so ist: Würden die Details bekannt, könnte das Abkommen in starke Kritik geraten und – wie um den Jahrtausendwechsel die »Gesamtamerikanische Freihandelszone« FTTA – schließlich untergehen. Jedenfalls vermutete das der ehemalige amerikanische Handelsvertreter Ron Kirk in einem Reuters-Interview. (…)
(…) TTIP soll unnötige Handelshindernisse abbauen und Handels- und Industrieunternehmen eine Klagemöglichkeit einräumen, um gegen Staaten vorzugehen, die solche Hindernisse aufbauen.
Praktisch wird daraus:
TTIP führt dazu, dass Unternehmen und Konzerne in anderen Ländern nicht stärker in ihrer Handels- und Investitionsfreiheit (Trade and Investment – das »TI« in TTIP) eingeschränkt werden als in ihren Heimatländern. So werden sich die Regeln zum Umwelt-, Verbraucher- und Arbeitnehmerschutz auf den kleinsten gemeinsamen Nenner einpendeln. Staaten mit hohen Standards wie Deutschland müssten sich drastischen Strafzahlungen aussetzen, wenn sie ihr Niveau aufrechterhalten wollen.
Am Beispiel:
Die amerikanische »Lone Pine Resources« verklagt Kanada aufgrund des »Nordamerikanischen Freihandelsabkommens« NAFTA auf 250 Millionen US-Dollar, weil Kanada ihnen »beliebig, unberechenbar und ungesetzlich das Recht entzieht, unter dem St. Lawrence River Öl und Gas zu fördern«. Das Unternehmen möchte dort Bohrungen mit »Hydraulic Fracturing« durchführen. Das Verfahren ist hier besser unter dem Namen »Fracking« bekannt und beruht auf dem Einpressen von gefährlichen Chemikalien in den Boden, um dort enthaltenes Gas und Öl herauszutreiben. (…)
Dazu passt auch der interessante Artikel von Vandana Shiva „Wie Wirtschaftswachstum zum Feind wurde“, der auf TLAXCA nachgelesen werden kann:
Die Bessenheit nach Wachstum hat unsere Rücksicht auf Nachhaltigkeit in den Schatten gestellt. Aber Menschen sind nicht zum Wegwerfen da – der Wert des Lebens liegt außerhalb der ökonomischen Entwicklung. Unbegrenztes Wachstum ist die Phantasie von Ökonomen, Geschäftsleuten und Politikern. Es wird als Maßstab für den Fortschritt angesehen. Als Ergebnis ist das Bruttonationalprodukt (BNP), das angeblich den Reichtum der Nationen messen soll, zur mächtigsten Ziffer und dem wichtigsten Konzept in unserer Zeit geworden. Doch versteckt ökonomisches Wachstum die Armut, die es schafft durch die Zerstörung der Natur, was wiederum Gemeinschaften schafft, die ihre Fähigkeit verlieren, für sich selbst zu sorgen.
Das Wachstums-Konzept wurde als eine Maßnahme entwickelt, um während des 2. Weltkrieges Ressourcen freizusetzen. Das BNP beruht darauf, eine künstliche und fiktive Grenze zu schaffen, was voraussetzt, dass wenn man produziert, was man verbraucht, man nicht wirklich produziert. Tatsächlich misst das „Wachstum“ die Verwandlung von Natur in Bargeld und von Gemeineigentum in Ware.
Folglich werden die erstaunlichen Zyklen der Natur zur Erneuerung des Wassers und der Nährstoffe als Nicht-Produktion definiert. Die Bauern der Welt, die 72 % der Nahrung liefern, produzieren nicht, Frauen, die anbauen und die meiste Hausarbeit tun, passen auch nicht in dieses Muster von Wachstum. Ein lebender Wald trägt auch nicht zum Wachstum bei, aber wenn die Bäume abgehauen werden und als Bauholz verkauft werden, dann haben wir Wachstum. Gesunde Gesellschaften und Gemeinschaften tragen nicht zum Wachstum bei, aber Krankheit schafft Wachstum durch, zum Beispiel, den Verkauf von Medizin. (…)
Selbst auf N24, die ich jetzt nicht gerade als Hort übermäßig kritischer Berichterstattung ansehen würde, gab es neulich einen Beitrag darüber, wie sehr unsere Ex-und-Hopp-Gesellschaft und das Discount-Unwesen zu immer mehr Umweltproblemen führt – „Deutscher Kaufrausch bei Billigprodukten“:
Die Deutschen kaufen immer mehr kurzlebige Billigprodukte. Die Müllberge wachsen weiter. Das Umweltbundesamt schlägt Alarm und setzt sich für eine verschärfte Abgabe bei Plastiktüten ein.
Der Präsident des Umweltbundesamtes, Jochen Flasbarth, hat eine “neue Ex- und Hopp-Mentalität” der Verbraucher in Deutschland beklagt. Diese kauften immer mehr kurzlebige Billigprodukte, die das Hauptproblem bei der Abfallentstehung seien, sagte Flasbarth dem Deutschlandradio Kultur. Das Müllaufkommen sei in Deutschland in den vergangenen Jahren von 441 Kilogramm pro Jahr und Einwohner auf 527 Kilogramm im Jahr 2010 gestiegen. (…)
Dagegen muss etwas getan werden, haben sich drei Berlinerinnen gesagt und den Laden „OriginalUnverpackt“ ins Leben gerufen, wie das Stadtteilmagazin Qiez schreibt – „Drei Berlinerinnen sagen dem Müll den Kampf an“. Zur Nachahmung empfohlen!
Kommendes Jahr soll in Berlin der erste Supermarkt entstehen, der weitgehend auf Einwegverpackungen verzichtet.
Konzipiert wird der neue Laden von drei jungen Berlinerinnen, die mit dem OriginalUnverpackt-Supermarkt zeigen wollen, dass nachhaltiges Konsumieren sexy sein kann. “16 Millionen Tonnen Verpackungen wandern jedes Jahr allein in Deutschland in den Müll. Anstatt die Welt zu bereichern, machen wir sie voller”, so Milena Glimbovski, eine der drei Günderinnen von OriginalUnverpackt. Statt verwendete Verpackungsmaterialien zu recyceln, soll in dem neuen Supermarkt Müll von Anfang an vermieden werden.
Und das funktioniert so: Bezahlt wird im neuen Laden nur für die eigentlichen Produkte, nicht für die Verpackungen. Jeder Kunde bringt eigene Behältnisse (Tüten, Tupper-Dosen o.ä.) in die OriginalUnverpackt-Filiale mit oder kauft bzw. leiht im Laden die passenden Verpackungen aus. Angeboten werden Bio-Produkte, aber auch konventionelle Lebensmittel und sogenannte “Misfits”, also Obst und Gemüse, das wegen seiner unkonventionellen Form eigentlich nicht in den Handel kommt. (…)
Ebenfalls Vorbildcharakter kann der Freiburger Stadtteil Vauban haben, in dem man autofrei lebt, wie KarmaKonsum berichtet – „Vauban – autofrei und glücklich“ (auch wenn das Ganze etwas nach Vorstadtidylle für Besserverdiener klingt):
In Vauban, ein junger Stadtteil von Freiburg mit rund 4.800 Einwohnern, sind die Bewohner stolz, emanzipiert und des vierrädrigen Untersatzes so überdrüssig, dass diese dort am Rande der autofreien Zonen abgestellt werden und der Weg mit Bahn und Fahrrad weiter beschritten wird.
“Als ein Resultat dessen besitzen 70 Prozent der Familien in Vauban kein Auto und 57% verkauften ihres, um hier herzuziehen” – so die New York Times (engl.).
Und auf Wikipedia liest man vom Initiator Matthias-Martin Lübke: “Insgesamt kann man feststellen, dass das Verkehrskonzept trotz vieler Bedenken erstaunlich gut funktioniert. Es wird sich zeigen und zeigt sich schon heute (nicht nur angesichts der vielen Besucher aus aller Welt), dass Vauban bezüglich Verkehrsplanung vorbildlich für Stadtplanungen im Zeitalter der aufkommenden Klimakatastrophe ist.” (…)
Und zum Abschluss noch das ebenfalls mutmachende NO-AD-Projekt des Künstlers Vermibus in Berlin, basierend auf dem Buy Nothing Day:
NO-AD is an anti-consumerism project organised by the artist Vermibus.
The goal of the project is to reduce the advertisement impacts citizens are exposed to, by removing the advertising graphic.
Based on the project Buy Nothing Day, founded by the artist Ted Dave, where participans abstain from buying anything in 24 hours.
Vermibus goes a step backwards in the consumption process, reducing the advertisement impact by releasing the space intended to show it and leaving them empty.
The team formed by two photographers and two video cameras documented the whole ten-hour intervention, where more than 30 posters were removed from one of the most consumer areas of Berlin, altough these spaces remained free of advertisement for several days due to the lack of stock of the advertiser “Wall Decaux”.
NO-AD Project from Vermibus on Vimeo.
Okay, zum endgültigen Abschluss noch dieser Verweis auf die hübsche Fotostrecke „15 Plakate, die von Adbustern verschönt wurden“ bei Upcoming.
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