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McDonald’s, Criteo, Black Friday

Der YouTube Kanal Walulis (früher „Walulis sieht fern”) beschäftigt sich seit jeher mit Ühänomenen rund ums Web und die Medienwelt. Dabei sind gerne auch mal komzern- und konsumkritische Beiträge dabei wie beispielsweise diese drei aus den letzten Monaten:

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Mein Leben als Werbefläche: Youtube und die Generation Z

Heute habe ich wieder einmal eine kleine Doku für Euch, die zeigt, wie sich Kommerz und Reklame auch Dank Internet immer tiefer in den Alltag vor allem jüngerer Menschen graben – Arte berichtete in „Mein Leben als Werbefläche: Youtube und die Generation Z“ über den Einfluss von YouTubern auf die junge Zielgruppe. Sehr zur Freude mancher Konzerne, die auf diese Weise, auf dem Weg einer vorgegaukelten „Authentizität“ eine neue Nähe zu potentiellen Kunden aufbauen.

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Daten her!

Für alle Freunde von Smartphones, Whatsapp, Facebook & Co. hat der WDR am Montag eine interessante Doku gezeigt – „Daten her! Was du im Netz wert bist“. Sie zeigt, wie weit die (z.T. vom User freiwillig bzw. leichtsinnig eingeleitete und hingenommene, manchmal aber auch unbekannte) Überwachung jedes Einzelnen in seinem Alltag schon fortgeschritten ist. Dass man z.B. allein anhand der Facebook-Likes mit Hilfe eines Programms ein relativ zutreffendes Persönlichkeitsprofil erstellen kann, ist schon bedenklich. Noch schlimmer ist natürlich die Weitergabe der Bewegungsdaten an Apple & Co. Es türmt sich ein gewaltiges Missbrauchspotential an…

Wie viel geben wir von uns im Netz preis? Und wie gläsern werden wir dadurch? DATEN HER! zeigt, wie Du im Netz überwacht wirst. DATEN HER! macht den Versuch: Mensch gegen Maschine. DATEN HER! verrät, wie Dich das Netz analysiert und in Schubladen steckt. Und DATEN HER! zeigt, wie Dein Tablet Deine Stimmung erkennt…

 

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Native Ads: Werbung oder Journalismus?

Über Schleichwerbung, PR, Advertorials, Sponsoring und Ähnliches, welches das mediale Angebot und das öffentliche Leben immer stärker durchziehen und vergiften, habe ich mich hier im Blog ja schon des Öfteren kritisch geäußert. Nun kommt ein neuer Reklametrend aus (natürlich) den USA – Native Ads. Und damit der Versuch, Inhalt und Reklame im Internet noch stärker miteinander verschmelzen zu lassen, die das NDR-Medienmagazin ZAPP berichtet – „Native Ads: Werbung oder Journalismus?“:

Schöne neue Online-Werbe-Welt: Der aktuelle Trend heißt Native Advertising, kommt natürlich aus den USA und soll 2014 auch Deutschland erobern. Anders als bei klassischer Online-Werbung wie Bannern oder den wenig beliebten “Pop-Up”-Werbefenstern, bettet sich Native Advertising als natürliches Element in den Website-Inhalt ein und wird thematisch integriert. Das bedeutet der Nutzer wird nicht durch sich plötzlich öffnende Anzeigenflächen gestört. Die Werbung wirkt vielmehr, als gehöre sie zum redaktionellen Angebot – nur, dass die betreffenden Beiträge durch einen kleinen Sponsorenhinweis gekennzeichnet sind.

Native Advertising ist dabei nicht auf reine Online-Medien wie die “Huffington Post” oder BuzzFeed beschränkt. Auch ein Traditionstitel wie die “Washington Post” setzt bei ihren Online-Angeboten auf Native Advertising. Die “New York Times” plant die Einführung im nächsten Jahr. In Deutschland sind spezialisierte Blogs bislang in Sachen Native Advertising aktiv. Doch laut Werber Marcel Hollerbach interessieren sich auch deutsche Regionalzeitungen für den neuen Trend.

Kritiker wie Stefan Plöchinger, Online-Chef der “Süddeutschen Zeitung”, warnen vor Native Advertising: “Was ich bisher gesehen habe, ist für mich nichts anderes als verkappte Werbung im Redaktionsmantel”. Und das, so Plöchinger, habe negative Folgen für die Glaubwürdigkeit des gesamten Angebots: “Auf lange Sicht werden es die Nutzer jedem Medium übel nehmen, wenn sich die Grenzen zur Werbung so verwischen.”

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Lesetipps: Materialismus macht krank | Heile Bio-Welt? | Nespresso-Müll | Werbevideos | Filmeverschenken

Der Sonntag ist ein prima Tag, um mal wieder ein paar Lesetipps auf Euch loszulassen – also Artikel, die mir in den letzten Wochen positiv aufgefallen sind. Da wäre zunächst „Wie Konsum und Materialsmus unglücklich machen“ von Katharina Tempel. Die oft einseitige Fokussierung auf Marken und Besitz, die uns auch durch Reklame und Medienwelt vorgelebt und eingetrichtert werden, kritisiere ich im Konsumpf bekanntlich seit jeher. Auch wissenschaftlich wurden die negativen Auswirkungen dieser Entwicklung mittlerweile bestätigt:

(…) Materialismus macht krank

Die amerikanischen Psychologen Tim Kasser und Richard M. Ryan haben in einer Vielzahl von Untersuchungen festgestellt, dass Menschen mit sehr materialistischen Werten ein geringeres psychisches und physisches Wohlbefinden aufweisen, als Menschen, denen materialistische Werte weniger wichtig sind. In ihren Studien arbeiten sie mit dem so genannten „Aspiration Index“.  Dieser Fragebogen führt eine Vielzahl verschiedener Ziele auf und bittet die Versuchspersonen anzugeben, welche Ziele wie wichtig für sie sind. Genannt werden u.a. das Bedürfnis nach Sicherheit, nach guten Beziehungen mit anderen Personen, aber eben auch materialistische Werte wie finanzieller Erfolg oder ein hoher Status.

Im Ergebnis zeigte sich, dass diejenigen, für die beispielsweise finanzieller Erfolg ein zentraler Wert war, weniger Selbstverwirklichung und Lebensfreude und mehr depressive Symptome und Ängstlichkeit aufwiesen als Personen, für die gute Beziehungen oder ein gesellschaftlicher Beitrag wichtige Werte waren.

In einer anderen Studie zeigte sich, dass Menschen, die nach Ruhm, Geld und Ansehen streben auch mehr physische Symptome aufwiesen; also häufiger unter Kopfschmerzen, Magenprobleme etc. litten als weniger materialistische Versuchspersonen. Daneben scheint eine stark materialistische Haltung auch die Qualität unserer tagtäglichen Erfahrungen zu verringern, da materialistische Studenten in der Summe weniger positive Emotionen erlebten als Menschen, die sich nicht so viel aus Geld und Besitz machen. Je wichtiger uns materialistische Werte sind, desto geringer ist also unsere Lebensqualität. (…)

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Prism, Tempora & Co. – das Ende der Privatsphärenillusion

Ja, okay, geahnt hat man so etwas vielleicht schon ein wenig. Also dass unsere sog. „Privatsphäre“ nicht ganz so privat ist. Und dass wir uns im Internet nicht unbeobachtet wähnen können. Dass Facebook oder Google (z.B. über Gmail) unser Surfverhalten protokollieren und speichern, ist ja auch schon länger bekannt. Das Ausmaß, in dem nun aber die Überwachungsprojekte Prism und Temproa von Amerikanern und Briten den gesamten Datenverkehr belauschen, ist schon beachtlich. Zu dem Thema ist von vielen Leuten schon so einiges geschrieben worden – in dem Zusammenhang muss man Spiegel Online tatsächlich mal lobend erwähnen; es werden sogar Anleitungen, wie man seine E-Mails fortan verschlüsselt (HIER, gegeben) –, deshalb möchte ich nur ein paar kurze Schlaglichter auf die Angelegenheit werfen.

Zu den gelungenen SpOn-Artikel zählt zum Beispiel „Überwachungsskandale: Alles, was man über Prism, Tempora und Co. wissen muss“ von Christian Stöcker und Judith Horchert:

(…) Die USA betreiben in etwa das, was in Europa Vorratsdatenspeicherung heißt. Nur nicht bei den Providern, sondern direkt bei der NSA. Und nicht befristet, sondern unbegrenzt. Diese Daten sind enorm aussagekräftig: Beziehungsgeflechte und Bewegungsprofile von Menschen lassen sich damit darstellen. Metadaten geben auch Antworten auf Fragen wie die, wer wann mit einem Journalisten gesprochen hat, welche Firmen miteinander im Gespräch sind – oder welche Politiker. (…)

(…) Der britische Geheimdienst GCHQ und die NSA kooperieren den geleakten Dokumenten zufolge im Rahmen eines Programms namens Tempora. In dessen Rahmen werden demnach derzeit 200 Glasfaserkabel angezapft, die von Großbritannien aus ins Meer führen, darunter vermutlich auch das aus Deutschland kommende TAT-14-Kabel. Dabei werden Inhalte bis zu drei Tage zwischengespeichert, Meta-, also Verbindungsdaten bis zu 30 Tage.

Außerdem speichert die NSA nach SPIEGEL-Informationen auch Telefon- und Internetverbindungsdaten aus Ländern rund um den Globus. Das Programm zur Auswertung dieser Verbindungsdaten heißt Boundless Informant (grenzenloser Informant). Im Fokus stehen dabei Regionen wie der Nahe Osten, Pakistan und Afghanistan. In Europa aber ist Deutschland das Land, in dem die NSA besonders viele Datensätze über Telefonate und Internetnutzung erfasst – bis zu 500 Millionen pro Monat. Wo und wie diese gewaltigen Datenmengen abgezweigt und wo sie gespeichert werden, ist bislang unklar. Für diese Daten gilt das Gleiche wie oben beschrieben: Sie sind sehr viel aussagekräftiger, als das auf den ersten Blick scheinen mag. (…)

Oder „Überwachungsskandal: Wer lesen kann, kann auch schreiben“, wiederum von Sascha Lobo:

Die Phalanx der Abwiegler, Herunterspieler und Ungerührten formiert sich. Ist doch nicht schlimm, wenn die Geheimdienste uns überwachen, sagen Sie. Dabei verkennen Sie die Dimension dessen, was uns droht: Wer Daten abzweigt, kann sie auch manipulieren.

(…) Für Prism- und Tempora-Verteidiger gibt es offenbar kein Zuviel an Überwachung, solange sie von der “richtigen” Seite ausgeht. Wirtschaftsspionage wird dabei bizarrerweise ausgeblendet, und zwar von exakt den Leuten, die sonst keine Gelegenheit auslassen, dem Standort Deutschland ein Tempelchen aus pathetischen Worten zu errichten.

Es geht bei diesem Grundrechteskandal nicht um konservative oder progressive Einstellungen und auch nicht mehr um die Abwägung zwischen Sicherheit und Freiheit. Die ausufernde Spionagemaschinerie ist keine Krise des Internets, sondern eine Krise der Demokratie, die sich am Internet entzündet hat. (…)

Und dieser Kommentar von Gregor Peter Schmitz ist ebenfalls lesenswert – „Obama und der NSA-Spähskandal: Der unheimliche Zuhörer“:

(…) Das wäre fatal. Gewiss, wir Europäer werden nicht schlagartig aufhören, bei Amazon zu shoppen, uns auf Facebook zu verbinden, mit Google zu suchen. Und doch drohen tiefe Risse im transatlantischen Verhältnis: Bürger, denen bereits vor amerikanischem Genmais graust, könnten noch lauter gegen ein geplantes Freihandelsabkommen zwischen Europa und den USA rebellieren, wenn sie auch noch um ihre Privatsphäre fürchten müssen. Frankreichs Präsident François Hollande, ohnehin kein Freund des Abkommens, schürte mit seiner scharfen Amerika-Kritik bereits gezielt solche Bedenken. (…)

Persönlicher und direkter geht Blogger Peter A. Rehbein im Schallgrenzen-Blog mit „Willkommen in der Realität – Datenschutz im Blümchenland“ zu Werke (der aber auch Verständnis für die Vorratsdatenspeicherung aufbringt):

(…) Geheimdienste machen so was, seit einigen jahren aber fast ohne Sinn und Verstand. Geheime Dokumente belegen, dass die NSA seit Jahren gewaltige Mengen an E-Mail-Daten sammelt und analysiert. In Zukunft sollen es noch viel mehr werden. Und so einiger Sache werden wieder klar wie Kraftbrühe. Für die USA ist die ganze Welt Feindesland und Angriffsziel. Abgesehen von ein paar befreundete englischsprachigen Staaten erster Güte (siehe auch Echolon via Wikipedis) ist niemand allein. Und es wird immer deutlicher, die angebliche Terrorbekämpfung als Grund der gigantischen Abhöraktion ist erstunken und erlogen. Die nun belegte Überwachung der Europäischen Union oder eines Gipfeltreffens der wichtigsten Nationen der Welt hat mit Terrorbekämpfung null zu tun. Nichts gegen Terrorismusbekämpfung, aber diesemArgumentation von NSA und amerikanischen Regierung stimmt vorne und hinten nicht. Industriespionage! Hoheit über alle Informationen dieser Welt! Das sind die wahren Gründe. Wütend macht auch, das unsere Regierung, insbesondere Mutti und der ansonsten so scharfe Innenminster Friedrich (demnächst wird er sich in den USA neue Order (Neudeutsch Briefing) abholen) den Ball flach halten anstatt gegen diesen Angriff in schärfster Form zu protestieren und noch wichtiger, technische Gegenmaßnahmen in die Wege zu leiten. Warum auch? Mit Sicherheit weiß der BND (oder die Leute dort sind struntzdoof) genau Bescheid.Europaparlament belegte schon 2001: Politisch Verantwortliche müssen von Überwachung gewusst haben. (…)

Ausgerechnet vom Stern stammt einer der flammendsten Aufrufe, sich gegen diese ganzen Zumutungen zur Wehr zu setzen – „Jetzt empört Euch endlich!“:

(…) Hallo? Deutschland? Ist jemand zu Hause? Das hier ist gerade eine historische Zeit. Nicht so schillernd und toll wie die Widervereinigung. Eher ein dunkler, modriger Moment Zeitgeschichte. Und wir machen nichts. Ein bisschen Empörung auf Twitter, Protest light via Facebook. Verbrüderung mit Snowden und ansonsten andächtiges Schweigen. Geht’s noch?

Nie gab es in Deutschland einen breiteren Angriff auf die Grundrechte. Freiheit? Die haben sich die Geheimdienste genommen, nämlich pauschal alle unter Generalverdacht zu stellen und alles zu scannen, was sie erwischen können. Vorratsdatenspeicherung im XXL-Volumenpaket. Höchste Zeit also sich zu empören. Aufzustehen. Stopp zu rufen. Allen voran die Politiker, die diesen Rechtsstaat auch schützen sollen. Doch die Reaktionen aus dem Kanzleramt und dem Innenministerium tröpfeln wie ein defekter Wasserhahn. Man müsse Fakten prüfen, es gehe um Verhältnismäßigkeit. Bitte? Hier wäre der Platz gewesen, um zu intervenieren, klar Stellung zu beziehen. Von mir aus auch mal mit der flachen Hand auf den Tisch zu hauen. Das ist kein Wahlkampfsscharmützel, das ist ein überdeutlicher Angriff auf die Freiheit der Bürger. Eurer Bürger, liebe Regierung. Aber vielleicht kommt der Termin so kurz vor den Sommerferien auch echt ungelegen.

Trauriger Fakt: Wir tun ja auch nichts. Dieser Text hier steht, natürlich, im Internet. Ich telefoniere, verschicke SMS, surfe und gurke durch die sozialen Netzwerke – alles wie immer. Warum sind wir nicht längst auf der Straße? Weil die Regierung auch wartet – auf den Bus, eine Lösung, den Sommerurlaub? Haben wir uns anstecken lassen von der merkelschen Lethargie? (…)

Klar ist – ob nun schwarz-gelb durch schwarz-rot oder schwarz-grün ersetzt wird im September, wird nichts an den ganzen Geschichten ändern. Zumal insbesondere CDU, SPD und auch die FDP (und in gewissem Ausmaß die Grünen) in den letzten Jahrzehnten wenig Probleme damit hatten, die Überwachung der Bürger durch entsprechende Gesetze weiter voranzutreiben, wie diese Grafik der Piratenpartei anschaulich zeigt:

Hier hilft also auch nur das Motto „Selbst ist der Mann/die Frau“ – auf der Website prism-break.org findet Ihr eine umfassende Auflistung von Alternativen zu Internetsoftware großer Konzerne und auch für Programme zur Verschlüsselung u.ä..

Andererseits, wenn die Meldung des Postillon wahr werden sollte, hat das ganze Abhören auch sein Gutes – denn die Gema will Gebühren auf mitgeschnittene Telefongespräche erheben, was gerade die Vieltelefonierer unter uns reich werden lassen könnte ;-):

(…) Karlsruhe begründete die Entscheidung kurz und knapp. “Wo ein Mitschnitt ist, ist auch ein Urheber”, lautet der Urteilsspruch. “Dessen Rechte macht – wie auch bei anderen Tonträgern – die GEMA geltend.”
Die GEMA begrüßte das Urteil und will sich nun umgehend an die Arbeit machen. “In einem Ferngespräch per Telefon oder Skype steckt eine Menge Mühe. Diese Mühe soll nicht umsonst gewesen sein”, heißt es auf der Webseite der Gesellschaft. (…)

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Der Würgegriff der Reklame

Getreu dem Motto „Kenne deinen Feind“ schadet es nicht, hin und wieder mal zu schauen, was sich so in der schillernden, ätzend-bunten Welt der Reklamemacher tut. Denn selbstverständlich ist  – in den Augen der Werbefuzzis zumindest – der öffentliche Raum und unser Leben noch längst nicht genug mit kommerziellen Botschaften durchsetzt, immer noch gibt es Momente, in denen der Konsument aus Versehen nicht mit den neuesten Produktanpreisungen infiltriert wird. Das muss geändert werden! Und so gibt es beispielsweise die Tendenz, die im Internet als Schutz vor Spambots bei vielen Blogs & Kommentarspalten vorgeschalteten Captchas nicht etwa mit etwas Sinnvollem zu verbinden (wie bei reCaptcha), sondern auch dort Reklame zu zeigen, zu der der User anschließend eine Frage beantworten muss. Perfider geht es kaum noch, wieviel Lebenszeit wird den Usern damit geraubt – aber lassen wir die Anbieter solcher „Services“ doch mal selbst zu Wort kommen:

Die ganze Absurdität solcher Maßnahmen wird einem dann bewusst, wenn man bedenkt, dass inzwischen ja zum Lösen solcher Captchas von der Spamindustrie eigene Sweatshops betrieben werden, wo unterbezahlte Menschen diese Captchas beantworten, um anschließend ihre Spambotschaften hinterlassen zu können… (via De-Branding)

Mindestens genauso bedenklich ist ja auch der Trend hin zum Product Placement. Kennt man dieses bisher vor allem aus Filmen oder dem Fernsehen, so hat es längst auch verseucht, wie man am Beispiel von YouTube sieht. Dieses Videoportal ist für viele (vor allem jüngere Menschen) fast schon zum vollwertigen Fernseh-Ersatz geworden, und Clips, die dort gezeigt werden, erhalten weltweit immense Aufmerksamkeit. So haben sich immer mehr Kreative mit eigenen YouTube-Kanälen und eigenen Shows ein finanzielles Standbein aufgebaut. Aber wie das so ist, wenn irgendwo Erfolg lockt, kommen natürlich auch sofort die Reklamehaie um die Ecke und durchsetzen diese Angebote vermehrt mit ihren Produkten – und sorgen damit zu einer schleichenden Entwertung der gezeigten Sendungen. Das NDR-Medienmagazin ZAPP hat sich in „YouTube – Unterschätzte Medienkonkurrenz“ genau mit diesem Thema beschäftigt:

 Die Macher der YouTube-Netzwerke laden die Werbetreibenden ein ins Neuland der fast unbegrenzten Möglichkeiten – unbegrenzt und unbeaufsichtigt.


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Gegen-GEMA und alternative Netzöffentlichkeit

Immer wieder informativ, erfrischend und interessant, was der ZDF-Videopodcast Elektrischer Reporter mit Marius Sixtus zu berichten weiß. Die gestrige Folge war besonders spannend und passt thematisch überwiegend hervorragend zu meinem Blog. Es geht um Alternativen zur GEMA und zu Facebook, also um das Aufbrechen von (Quasi-)Monpolen.

Netzöffentlichkeit – Das Forum Romanum, der römische Marktplatz, war im alten Rom das Zentrum des wirtschaftlichen, politischen und kulturellen Lebens. Im 21ten Jahrhundert sind Firmen wie Facebook und Twitter auf dem besten Wege, eine ähnliche Position einzunehmen. Ob allerdings nach Gewinn strebende Unternehmen die richtigen Anbieter solch eines Forums sind, daran zweifeln viele.

Gegen-GEMA – Die GEMA verwaltet die Rechte von Musikern und Textdichtern und sorgt dafür, dass sie für die Nutzung ihrer Werke angemessen entlohnt werden. Nur tut sie das mit einem Alleinvertretungsanspruch – was nicht mehr allen Künstlern gefällt. Einige der Kreativen sind aus der GEMA ausgetreten, um mit der “C3S” eine eigene Organisation zur Vertretung ihrer Rechte zu gründen.

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Lesetipps: Überwachungsstaat USA | Freiheit | Anarchismus | Arbeit | Faire Klamotten | Unnütze Geschenke

Das Jahr 2012 ist vorüber, und so mancher von mir gebookmarkte Artikel ist nicht in meinen Lesetipps aufgetaucht. Da es um einige Beiträge schon ganz schade wäre, will ich mal einige vor der „Jahresklippe“ retten. Den Anfang macht allerdings etwas ganz aktuelles – die Zeit berichtet über den Kongres des Chaos Computer Club, und dort über drei Whistelblower aus den USA, die aufzeigen, wie weit die Überwachung dort inzwischen gediehen ist. „Die USA haben ohne Not auf die dunkle Seite gewechselt“:

Der Überwachungsstaat ist keine Fiktion, sagen drei, die für US-Regierung und NSA arbeiteten. Beim Kongress des CCC erzählen sie, warum sie Whistleblower wurden.

(…) Sie reden über ihre Angst, dass in den USA und anderen Ländern Überwachungsstaaten errichtet werden, die jeden verdächtigen und die keine Rechte mehr achten. Sie reden darüber, dass sie verfolgt wurden wie Kriminelle, weil sie auf Rechtsbrüche und Gefahren aufmerksam machten und darüber, dass diese unselige Verwandlung von Staaten längst geschieht. (…)

Drake berichtet, dass die NSA nach dem 11. September 2001 begann, ihre Augen und Ohren auf die eigenen Bürger zu richten. Unterstützt vom Weißen Haus habe der Geheimdienst die Verfassung gebrochen und begonnen, alles und jeden zu überwachen. Drake gehörte zu jenen, die eines dieser geheimen Spionageprogramme publik machten, das sogenannte Projekt Trailblazer. Fortan war auch er ein Krimineller, der sich einer zehn Punkte langen Anklage gegenüber sah. (…)

Dazu passt auch der Beitrag „Freiheit auf dem Prüfstand“ aus Le Bohémien, in dem es um die Sicherheitsvorstellungen der Deutschen und dem alten Spannungsfeld von Freiheit zu Sicherheit geht:

Gibt es noch Zweifel? Wir erleben eine Renaissance des Ordnungs- und Überwachungswahns. Die Meldung, dass 80 Prozent der Bundesbürger eine Ausweitung der Videoüberwachung an Bahnhöfen und öffentlichen Plätzen befürworten, die – wen wundert es – auch Innenminister Hans-Peter Friedrichs durchsetzen will, bestätigt da nur einen Trend. Das Ergebnis dieser Umfrage fügt sich nahtlos ein in die Tendenz zunehmender Reglementierung und schärferer Verbote. (…)

(…) Dieser Zeitgeist offenbart sich in Form von Vorratsdatenspreicherung, Fingerabdrücken auf biometrischen Ausweisen, der unkontrollierten Verwertung persönlicher Daten und einer immer kleiner werdenden Privatsphäre bei gleichzeitig wachsenden Gated Communities. Neben einer wieder steigenden Tendenz behördlicher Verdordnungen, Verboten oder Überwachungen also (auch im Internet), erleben wie die Rückkehr einer Form des Biedermeiertums, die genau dies wünscht – und zwar quer durch alle Milieus und Schichten. Zustände wie in Orwells “1984″ mögen uns noch nicht bevorstehen, doch in einer Epoche der Restauration befinden wir uns allemal – die Zeiten sozialliberaler Befindlichkeiten sind entgültig vorbei.

Erst auf den zweiten Blick fällt das wirklich verstörende an der gegenwärtigen Debatte um mehr Videoüberwachung auf: Es geht gar nicht mehr um das “Ob”, sondern nur noch um das “Wie” der Ausweitung. Aus Reihen der Regierungskoalition äußerte sich einzig und allein Justizministerin Leutheuser-Schnarrenberger, immer wieder eine der wenigen Zeitgenossen ihrer Partei, die den Liberalismus noch ernst nehmen, skeptisch. (…)

Und auch der Focus brachte mit „Die geheimen Mächte im Internet“ einen Artikel, in dem es um die das Internet bestimmenden Großkonzerne und ihre Verbindungen zu Regierungen und sogar Geheimdiensten geht (auch wenn die reißerische Überschrift ein bisschen nach Verschwörungstheorie riecht):

Fast eine Milliarde Menschen posten bei Facebook mittlerweile, wen sie kennen, was ihnen gefällt, was sie gerne tun, welche Pläne sie für die Zukunft haben und was sie über aktuelle Entwicklungen in Politik und Gesellschaft denken. Das ist ein Siebtel der Menschheit. Facebook besitzt also die größte Ansammlung privater Daten aller Zeiten – und jeder Nutzer gibt diese Daten freiwillig her. Vielen dürfte inzwischen bewusst sein, dass dies der eigentliche Preis ist, den sie für das soziale Netzwerk und andere Dienste im Netz bezahlen. Und solange Firmen wie Facebook und Google die exklusiven Informationen nur dazu nutzen, individuell zugeschnittene Werbung zu produzieren, scheint dies für viele Nutzer ein angemessener Preis zu sein.

Doch was, wenn es nicht bei Werbung bliebe? Was, wenn die Facebook-Daten in die falschen Hände gerieten? Zum Beispiel in die Hände staatlicher Einrichtungen und Sicherheitsbehörden. Würden die meisten Menschen einem Geheimdienst genauso freiwillig über ihr Privatleben berichten, wie sie es gegenüber Facebook und Google tun? Wohl kaum. Doch genau das geschieht bereits.
(…)

Nun aber mal zu etwas Schönem – Weihnachten. Geschenken. Konsum. Ich hoffe, Ihr habt die Feiertage diesbezüglich eher ruhig angehen lassen? Dass das Problem mit übersteigertem Kaufverhalten nicht erst eins der modernen Konsumgesellschaft ist, zeigte die Zeit in ihrem Text über die „SPUG – Die Gesellschaft zum Schutz vor unnützen Geschenken“:

Vor 100 Jahren kämpfte Eleanor Belmont in den USA dafür, Weihnachten vom übermäßigen Konsum zu befreien. Ihre Botschaft ist heute so aktuell wie damals. (…)

Im November 1912 hielt der ehemalige Broadway-Star Eleanor Belmont, geborene Robson, in New York eine Rede, die das Leben von Arbeitnehmern “nicht nur in den Großstädten, sondern auch in den Städten und Weilern” der USA verändern sollte. Ihre Rede führte zur Gründung der Society for the Prevention of Useless Gift Giving, der Gesellschaft zum Schutz vor unnützen Geschenken – kurz SPUG. Belmont hatte es sich in den Kopf gesetzt, die Welt vom Konsumterror zu befreien. (…)

Das Thema fairer Konsum ist mittlerweile auch in den großen Medien angekommen, wie man am Artikel der Süddeutschen Zeitung sehen kann – „Tipps zum Klamottenkauf – Fair einkaufen leicht gemacht“. Ich finde es durchaus erfreulich, wenn auf diese Weise auch größere Bevölkerungsschichten wenn schon nicht grundlegend sensibilisiert, so doch wenigstens ab und an mal damit konfrontiert werden, ihre Einkaufsgewohnheiten kritisch zu beleuchten.

Made in China, made in Indonesia, made in Bangladesh: So steht es auf den meisten Etiketten. Darüber, unter welchen Bedingungen die Kleidung hergestellt wird, sagt das nichts aus. Der Kunde kann trotzdem herausfinden, wie die Ware produziert wurde – sogar mit relativ wenig Aufwand. (…)

Beim Online-Shopping hilft zum Beispiel die Browser-Erweiterung “Avoid”, in dem sie Hosen und Hemden ausblendet, die durch Kinderarbeit entstanden sind. Ob bei Asos oder Amazon: Die App lässt alle Angebote von Firmen verschwinden, die nach der Liste des gemeinnützigen Vereins “Earthlink” in Verbindung mit Kinderarbeit gebracht werden. Statt des neuen Kleids erscheint im Shop dann ein weißes Feld – in manchen Online-Shops führt das zu erschreckender Leere.

Auf Websites wie dem Future Fashion Guide helfen spezielle Suchmasken beim Einkauf. Kunden können hier zwischen verschiedenen Kriterien wie “lokal produziert”, “sozial engagiert” oder “Bio-Materialien” wählen und gleichzeitig angeben, nach welchem Kleidungsstil sie suchen. Auf der Seite erscheinen dann mehrere Shops, die den ausgewählten Eigenschaften entsprechen. (…)

Der Kauf Dir Deine Welt-Blog zeigte, was passiert, wenn in der Kleidungsproduktion nur auf Preise und niedrige Kosten geschaut wird und die Qualität auf der Strecke bleibt – „Krebs in der Manteltasche – Probleme unseres Kleidungskonsums“:

(…) Doch mit unserem Klamottenkonsum ist noch ein weiteres Problem verbunden – eins, das auch diejenigen kümmern sollte, denen fairer Konsum eigentlich egal ist: Die Kleidungsstücke zahlreicher bekannter Marken enthalten krebserrengende Stoffe. Das hat Greenpeace in einem umfangreichen Test herausgefunden: “141 Kleidungsstücke aus 29 Ländern hat Greenpeace auf Nonylphenolethoxylate (NPE), Weichmacher und krebserregende Amine untersuchen lassen. Veröffentlicht wurden die Ergebnisse heute mit einer Pressekonferenz und Modenschau in Peking. […] Die getesteten Kleidungsstücke – Jeans, Hosen, Kleider, T-Shirts und Unterwäsche – stammen von Armani, Benetton, C&A, Calvin Klein, Diesel, Esprit, Gap, H&M, Jack&Jones, Levi’s, Mango, Metersbonwe, Only, Tommy Hilfiger, Vero Moda, Victoria’s Secret und Zara. Sie wurden in mindestens 18 Ländern hergestellt.”

Auch wenn darauf hingewiesen wird, dass daraus nicht unmittelbar Gefahren für die Geundheit entstehen, ist das Ergebnis doch erschreckend: “Alle Markenprodukte enthielten NPE, die zu giftigem Nonylphenol abgebaut werden. Die Kleidungsstücke mit den höchsten NPE-Konzentrationen stammen von den Marken C&A und Mango, Levi’s, Calvin Klein, Zara, Metersbonwe, Jack & Jones und Marks&Spencer. Fortpflanzungsschädigende Weichmacher (Phthalate) wurden in hohen Konzentrationen in bedruckten T-Shirts von Tommy Hilfiger und Armani festgestellt. Produkte von Zara enthielten sowohl hormonell wirksame, als auch krebserregende Chemikalien: Hohe NPE-Rückstände fanden sich in einer Kinderjacke aus China, karzinogene Amine aus Azofarbstoffen in Zara-Jeans, hergestellt in Pakistan.” Doch nicht nur in den Klamotten sind die Chemikalien ein Problem, durch Abwasserkanäle gelangen die Stoffe auch in Flüsse und belasten so die Umwelt. (…)

Zum Abschluss noch zwei Grundsatz-Artikel über unser Wirtschafts- und Gesellschaftssystem. Da wäre zum einen „Die Wirtschaft ist ein grausames Spiel“ von Konrad Hausner in The Intelligence:

Auf den ersten Blick wirkt alles so selbstverständlich: Jeder Mensch geht einer Arbeit nach, wird dafür bezahlt und bestreitet mit dem erhaltenen Geld seine Lebenshaltungskosten. Dabei geben wir uns der Illusion hin, dass der Wert der erbrachten Leistungen zumindest annähernd mit denen korrespondiert, die wir im Gegenzug in Anspruch nehmen. Obwohl der technische Fortschritt den Produktionsprozess deutlich vereinfacht und gleichzeitig Unmengen an Energie verbraucht werden, nimmt der allgemeine Komfort regelmäßig ab. Wir stecken in einer Schulden- und Wirtschaftskrise. In der westlichen Welt sind die Märkte mit praktisch allem übersättigt. Doch gleichzeitig fehlt es an Kaufkraft. Gleicht dies nicht dem sprichwörtlichen „Verhungern vor der vollen Schüssel“?

Immer wieder werden wir mit denselben Schlagworten konfrontiert: Das Schaffen von Arbeitsplätzen! Das Beleben der Märkte! Das Befriedigen der internationalen Investoren! Was steckt hinter diesen Konzepten?

Der Arbeitsplatz wird grundsätzlich mit Gelderwerb gleichgesetzt, was wiederum zur Befriedigung der Bedürfnisse vonnöten ist. Stellt jemand die Frage, warum jedes Mitglied einer hochtechnisierten Gesellschaft den größten Teil seiner Lebenszeit arbeitend verbringen muss, setzt er sich erst einmal der Gefahr aus, als „faul“ eingestuft zu werden. Ungeachtet der tatsächlichen Arbeitslosenraten, die offiziellen Zahlen werden sogar noch als „notwendiges Minimum“ bezeichnet. Es bedarf einiger Millionen Arbeitssuchender, um der Wirtschaft jederzeit die gewünschten Arbeitskräfte zuführen zu können. Gegen eine entsprechend niedrige Entlohnung, versteht sich, dass es auch ja niemandem erspart bleibt, einer Vollzeitbeschäftigung nachzugehen. Wir kommen noch darauf zu sprechen, dass schon lange viel zu viel gearbeitet wird. (…)

Und Ad Sinistram sinniert über „Anarchismus oder der beste aller möglichen Staaten“:

(…) Und die Neoliberalen sind genau solche Nihilisten. Sie glauben an nichts, nur an Profite; der Weg zum Profit ist gepflastert mit dem Nichts, denn nichts ist ihnen heilig, nur das Ziel ist der Weg. Braucht man Mord dazu, toleriert man den Mord und nennt ihn Sachzwang; geht es mit Geschenken, schenkt man; ist Aushungern nötig, hungern sie eben aus – winkt bei reichlicher Verpflegung mehr Gewinn, verpflegen sie einen mit einer Fürsorge, dass man vor Ergriffenheit weinen möchte. Dass die Mittel immer mit dem Zweck vereinbar sein müssen, schrieb Stowasser übrigens auch, sei ebenfalls anarchistisches Ideal. Mit Bomben Befriedung zu schaffen sei unsinnig und nicht vertretbar, ganz zu schweigen davon, dass man so keinen Frieden macht, sondern nur Verstümmelungen. Neoliberale sind da nicht wählerisch, sie sind sicherlich pragmatischer als solche, die sich Ideale eingemeißelt haben. Mehr aber auch schon nicht.

Anarchisten haben immer, und tun dies heute noch, die geistige Veränderung der Menschheit postuliert. Die einen meinten, der Anarchismus sei praktikabel, wenn die Menschheit endlich eine neue geistige Entwicklungsstufe erklommen habe, die anderen glaubten: Erst der Anarchismus, dann der menschliche Fortschritt. Zweifelsohne bedarf es einer materiellen Basis. Da ist er sich mit Marx einig. Vor dem Sozialismus kommt der Kapitalismus und die industrielle Massenfertigung. Erst das Fressen, dann die Moral. Die Frage wird jedoch sein, ob wir nicht zu evolutionsgläubig sind. Ist der geistige Fortschritt im Sinne eines Weltethos überhaupt programmiert? Woher nimmt man die Zuversicht, dass der Mensch als Menschheit denken lernt? Scheitert daran der Anarchismus? So wie jedes System wird er das. Der Anarchismus scheitert am ihm immanenten Guten, daran dass er gutgläubig ist – der Neoliberalismus wird daran scheitern, nur an das Schlechte zu appellieren. Am Menschen scheitert es immer, weil er ist, was er ist. (…)

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Lesetipps, Internet-Edition: 4 Sheriffs zensieren das Internet | Die Debatte ums Leistungsschutzrecht

© ilco, stock.xchng

© ilco, stock.xchng

In der sog. Netzgemeinde geht seit einer Weile ein neues Unwort um: das Leistungsschutzrecht oder #lsr (für die Twitteruser unter uns). In diese unselige Debatte, die von den großen Medienhäusern auf der einen und Google sowie Leuten mit Ahnung vom Netz auf der anderen Seite geführt wird, will ich mich gar nicht großartig einmischen, zu absurd, zu durchsichtig ist hier der Versuch von Verlagen & Co., das Rad der Geschichte zurückzudrehen und sich mit einer von Lügen gespickten Kampagne bei der schwarz-gelben Regierung ein ihnen genehmes Gesetz schreiben zu lassen. Wie schon beim antiquierten Urheberrecht, wo versucht wird, mit Gesetzen aus der Postkutschenzeit den Flugverkehr zu regeln, haben auch diesmal die Medienschaffenden in Deutschland den Schuss nicht gehört. Spannend ist auf jeden Fall, dass wir wieder einmal live & in Farbe auf breiter Front miterleben können, wie die mediale Propaganda des sog. „Qualitätsjournalismus“ funktioniert. Stefan Niggemeier seziert in seinem Blog die ganzen ans Peinliche grenzenden Versuche einiger Verlagsanstalten, Leser durch schiere Desinformation zu blenden. Besonders schön fand ich seinen Post von vorgestern „Zwischenstand im Presse-Limbo zum Leistungsschutzrecht“:

Das Wettrennen um die verlogenste, einseitigste, falscheste und irrste Berichterstattung in der deutschen Presse über das Leistungsschutzrecht ist noch im vollen Gang. Insofern wäre es voreilig, heute schon einen Gewinner küren zu wollen, selbst wenn man sich kaum vorstellen kann, dass die bisherigen Teilnehmer noch zu übertreffen sind.

Bis vorhin zum Beispiel dachte ich, dass der »Mannheimer Morgen« unmöglich einzuholen sein würde. Der hat einen Kommentar von Rudi Wais veröffentlicht, der auch in »Augsburger Allgemeiner«, »Main Post«, »Straubinger Tagblatt« und »Landshuter Zeitung« erschienen ist und mit den Worten beginnt:

Diesen Kommentar gibt es nicht umsonst.

Das ist ein Satz, der auf den ersten Blick nicht sehr spektakulär wirkt, es sei denn, man liest den Kommentar auf den Internetseiten von »Mannheimer Morgen«, »Augsburger Allgemeine« oder »Main Post«. Dort gibt es ihn umsonst.

Diesen Kommentar gibt es nicht umsonst. Unsere Leser bezahlen am Kiosk oder im Abonnement für ihre Zeitung — und unser Verlag bezahlt den Autor, der diesen Kommentar schreibt, das Papier, auf dem der nachts gedruckt wird, die Druckmaschinen und natürlich auch Fahrer und Zusteller, die die Zeitungen dann in aller Frühe ausliefern. Im Idealfall haben am Ende alle fünf etwas von diesem Kommentar: Leser, Verlag, Journalist, Fahrer und Zusteller. Sie leben mit der Zeitung oder von ihr. Nur Google will nicht bezahlen.

Ich weiß nicht, wie es Ihnen geht, aber für mich verlieren diese Sätze ein bisschen ihre Überzeugungskraft dadurch, dass sie alle auf dem ersten Satz aufbauen, der so eindeutig falsch ist.

Wie übrigens auch der nächste:

Der amerikanische Internetriese sammelt Texte ohne Rücksicht auf Urheber– und Verlagsrechte in speziellen Nachrichtenportalen.

Nein. Was Google macht — Texte indizieren und mir kurzen Ausrissen verlinken — verstößt nicht gegen das Urheberrecht. Und wenn die Verlage es trotzdem nicht zulassen wollen, könnten sie es einfach verhindern, sogar ohne darauf verzichten zu müssen, über Google trotzdem gefunden zu werden. Die falsche Behauptung ist Teil der gezielten Desinformation der Leser durch die Verlage, was insofern ironisch ist, weil der Kommentator ein paar Sätze weiter schreibt, dass »unkundige Besucher« von Google »gezielt desinformiert« würden.

Der Kommentar endet mit den Worten:

Guter Journalismus kostet Geld — und deshalb darf ihn auch Google nicht umsonst bekommen.

Bevor Sie jetzt ein schlechtes Gewissen bekommen, falls Sie auf den Link geklickt und den Text umsonst gelesen haben: Keine Sorge. Es handelt sich ja nachweislich bei ihm nicht um »Guten Journalismus«. (…)

Dass der Bundestag die erste Lesung des Gesetzes, das natürlich von CDU und FDP mitgetragen wird (und auch in Teilen wohl von der gedanklich ebenfalls im Mittelalter feststeckenden SPD) spätnachts abhielt, wundert wohl keinen. Immerhin haben sich die Jugendorganisationen aller Parteien gegen dieses Schwachsinnsgesetz ausgesprochen – „Keine Einführung des Leistungsschutzrechts – gemeinsame Erklärung“ (Die Linke wurde hier, v.a. auf Betreiben der JU, außen vor gelassen, was einiges über das Demokratieverständnis im Lande sagt…)

(…) Derzeit stellen viele Verlage ihre Inhalte freiwillig kostenfrei und für jedermann zugänglich ins Netz. Sie tun dies, um öffentlich wahrgenommen zu werden und um Werbeeinnahmen zu generieren. Es gibt bereits jetzt die technischen Möglichkeiten, Inhalte im Netz dem Zugriff durch Suchmaschinen und News-Aggregatoren zu entziehen. Damit bleibt es den Verlagen unbenommen, den Zugriff und die Zugriffsbedingungen für ihre Inhalte zu steuern und auszugestalten. Eine Schutzlücke gibt es nicht. Es ist uns unbegreiflich, dass der Gesetzgeber der Argumentation der Verlegerverbände folgt, es müsse eine Lücke geschlossen werden.

Der Entwurf des Leistungsschutzrechts sieht die Pflicht zum Kauf von Lizenzen dann vor, wenn die Verlagsinhalte kommerziell genutzt werden. Unklar ist, wie mit den im Netz massenhaft vorhandenen Angeboten umgegangen werden soll, die nicht eindeutig als kommerziell oder privat zu werten sind – so etwa Blogs, die durch Werbung oder Micropayment-Dienste ebenfalls zu Erlösen führen können. Diese rechtliche Grauzone im Leistungsschutzrecht birgt für Bloggerinnen und Blogger sowie Nutzerinnen und Nutzer die Gefahr, von den Verlagen systematisch mit Klagen überzogen zu werden. Ein staatliches Eingreifen ist hier völlig unnötig und sogar schädlich.

Junge Union, Jusos, Grüne Jugend, Junge Liberale und Junge Piraten sind sich darin einig, dass dieser Eingriff in die freiheitliche Architektur des Internets nicht hinnehmbar ist. Es gibt keine Notwendigkeit für diese Innovationsbremse. Die Verlage müssen sich — wie andere Branchen auch — dem Strukturwandel stellen: Statt an analogen und nicht umsetzbaren Regelungen festzuhalten, sollten sie neue, an das Internet angepasste Geschäftsmodelle entwickeln. (…)

Traurig, dass die „gestandenen“ Politiker besagter Parteien oft so wenig Ahnung haben bzw. eben bewusst Wirtschaftsinteressen folgen. Was natürlich auch niemanden mehr wundert. Selbstredend hat es einen komischen Beigeschmack, dass man bei diesem Kampf gegen die Besitzstandswahrer in den Medienhäusern ausgerechnet mit Google in einem Boot sitzt, also einem Großkonzern, dessen Macht im Netz erklecklich ist und weidlich ausgenutzt wird. Die Zeit brachte vor  einiger Zeit einen höchst lesenswerten und erschreckenden Artikel über den Einfluss der vier großen Internetfirmen Apple, Google, Facebook und Amazon, die jede auf ihre Art für eine gefilterte Wahrnehmung der Welt sorgen – „Vier Sheriffs zensieren das Internet“. Lest Euch den Beitrag bitte in Gänze durch (geht über vier Seiten), es lohnt sich!

(…) Facebooks Schnüffelei ist nur ein Fall von vielen, in denen führende Konzerne den Internetnutzern mit fragwürdigen Methoden ihre Regeln aufzwingen. Etwa zeitgleich verweigerte Apple die Freigabe für ein satirisches Spiel, das Frederic Jacobs aus San Francisco für das iPhone programmiert hat. Es heißt Angry Syrians und kritisiert in bunter Comic-Optik das brutale Regime von Präsident Baschar al-Assad. Warum es bei Apple nicht erscheinen durfte? Weil es angeblich »diffamierend oder beleidigend« gewesen sei, berichtet der Programmierer.

Apple unterdrückt eine politische Meinungsäußerung. Wie oft wohl noch?

Oder Amazon: nahm Anfang Juni das Schwarzbuch WWF vorübergehend aus dem Programm. Der Autor Wilfried Huismann warf darin der Umweltorganisation große Nähe zur Industrie vor, ein juristischer Streit zeichnete sich ab. Amazon verbannte das Buch, noch bevor die Richter die Vorwürfe beurteilten. Aber bedeutet das angesichts der Marktmacht von Amazon nicht, dass faktisch ein einzelner Konzern im Wesentlichen entscheidet, was gelesen wird?

Oder Google: filtert die Ergebnisse seiner Suchmaschine weltweit mal nach politischen Vorgaben, mal nach unterstellten persönlichen Interessen der Nutzer. Jedenfalls nicht immer so neutral, wie es das schlichte Weiß der Internetseite suggeriert. (…)

Auch Jens Berger hatte sich auf den NachDenkSeiten gerade mit dem Thema befasst – „Facebook und die Zensur“:

Als die NachDenkSeiten-Unterstützerin Margareth Gorges vor wenigen Tagen Wolfgang Liebs Kommentar zur Wahl Katrin Göring-Eckardts auf die Facebook-Wall der Grünen postete, staunte sie nicht schlecht – kurze Zeit später war nicht nur ihr Post verschwunden, Frau Gorges wurde vielmehr von Facebook mitgeteilt, dass sie die nächsten 60 Tage nicht mehr auf die Walls anderer Nutzer schreiben darf und sie im Wiederholungsfall ganz vom Facebook-Angebot ausgesperrt wird. Man könnte dies als Lappalie abtun, schließlich besagt ein Facebook-Verbot „nur“, dass man die Seiten dieses Konzerns nicht mehr wie gewohnt nutzen kann. Wäre da nicht der Medienwandel – einige wenige große und gänzlich intransparente Konzerne beherrschen das Internet und bestimmen, welche Inhalte Nutzer zu sehen bekommen und welche Nutzer für andere sichtbar sind. Zensur gehört dabei nicht nur zur Tagesordnung, sondern auch zum Geschäftsmodell. (…)

Den Grünen kann man im konkreten Fall noch nicht einmal einen Vorwurf machen. Natürlich entscheidet jeder Facebook-Nutzer selbst, was auf „seiner“ Wall steht. Auch die NachDenkSeiten löschen (in seltenen Fällen) Nutzerkommentare auf ihrer Facebook-Seite, die beispielsweise einen fremdenfeindlichen Inhalt haben. Für die „Hygiene“ seiner Seite ist jeder Nutzer selbst verantwortlich. Facebook erlaubt seinen Nutzern sogar, anderen Nutzern das Posten auf der eigenen Seite generell zu verbieten. Wer dies wünscht, kann diese Option wählen. Nicht hinzunehmen ist jedoch, dass andere Nutzer vom Netzwerkbetreiber global gesperrt werden, wenn ein Nutzer der Ansicht ist, dass die betreffenden Kommentare inhaltlich „belanglos“ seien. Einem Redakteur einer Zeitung steht es beispielsweise frei, einen Leserbrief nicht zu veröffentlichen, wenn er den Inhalt für belanglos hält. Dies führt im analogen Leben jedoch nicht dazu, dass die Post 60 Tage lang keine Briefe des betreffenden Leserbriefschreibers mehr befördert. Im Netz gelten hier offenbar andere Regeln. (…)

Noch ein Nachtrag – Thomas Stadler schreibt auf Carta etwas über die erstaunliche Subjektivität der Medienberichterstattung über das Leistungsschutzrecht: „Beim Urheberrecht endet offenbar die redaktionelle Unabhängigkeit“:

(…) Aktuell lässt sich in den klassischen Zeitungsmedien erneut eine fast durchgehend einseitige Berichterstattung über das geplante Leistungsschutzrecht für Presseerzeugnisse feststellen. Zu einer ausgewogenen Berichterstattung würde es beispielsweise gehören, zumindest zu erwähnen, dass die Rechtswissenschaft das Leistungsschutzrecht – in seltener Einigkeit – ablehnt. Zu einer ausgewogenen Berichterstattung würde es zudem gehören, nicht nur den Lobbyismus von Google anzuprangern, sondern in gleichem Maße den Verlagslobbyismus zu hinterfragen, der dieses Gesetzgebungsvorhaben überhaupt erst auf den Weg gebracht hat. All das passiert aber nicht, oder bestenfalls unzureichend.

Man kann also ohne Weiteres konstatieren, dass bei diesem Thema eine objektive Berichterstattung schlicht nicht stattfindet. Stattdessen erleben wir Kampagnenjournalimus, der von Verlegerinteressen geleitet wird. Ob die Verlage unmittelbar Einfluss auf die Redaktionen nehmen, oder es sich um eine Form von vorauseilendem Gehorsam handelt, ist letztlich von untergeordneter Bedeutung, denn das Ergebnis bleibt dasselbe. (…)

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