Das Geschäft mit dem Schwein

Ich denke, ich erzähle meinen Lesern hier nichts Neues, wenn ich mal wieder auf die unsäglichen Zustände in der Massentierhaltung hinweise. Anlass ist die Sendung von Panorama – die Reporter mit dem Titel „Das Geschäft mit dem Schwein“, in der deutlich wird, wie verheerend die Auswirkungen des Discount-Billigwahns auf die Qualität der Lebensmittel und auf die Lebensqualität von Tieren ist. Natürlich, es fällt, wie schon bei anderen Beiträgen zum Thema Turbomast in Niedersachsen, unangenehm auf, dass sich Leute erst dann darüber aufregen, wenn sie direkt davon betroffen sind, weil ihr Grundwasser verschmutzt wird oder es zu sehr stinkt – 99% dieser Menschen würden aber vermutlich bedenkenlos zu Billigfleisch greifen, wenn es nur 50 km weiter entfernt „angebaut“ werden würde. Das ist das „Not in my backyard“-Phänomen… Besser als ein Verschieben der Mastbetriebe in andere Regionen wäre natürlich eine Umstellung der eigenen Ernährungsgewohnheiten, weg vom Fleisch. Aber unabhängig davon kann ich den Panorama-Beitrag durchaus empfehlen – er ist derzeit (noch) in der Mediathek abrufbar – HIER.

In Niedersachsen leben 8 Millionen Menschen und 8 Millionen Schweine. Das hat Folgen: zu viel Gülle, zu viele Keime, belastete Böden, und unwürdige Tierhaltung.

(…) Doch die Nutztierhaltung hat die Region auch wohlhabend gemacht. Die sogenannte “Veredelungswirtschaft” ist wichtiger Teil der deutschen Agrarindustrie. Mehr als 50 Millionen Schweine werden in Deutschland jährlich geschlachtet – mehr als 16 Millionen davon allein in Niedersachsen. Die deutsche Schweinefleisch-Produktion gehört hinter den USA und China zur Weltspitze.

Auch der Landwirt Dirk Frahne ist Teil der Agrarwirtschaft. Er hält etwa dreihundert Sauen in Goldenstedt – knapp fünfzig Kilometer nordöstlich von Damme. Seine Tiere sehen zwar satt und sauber aus, doch sie stehen dicht gedrängt auf Betonboden, eingezwängt in massive Metallgitter – kein Stroh, keine Bewegung, kaum Tageslicht. Die Luft ist stickig. Es stinkt. Kot und Urin werden durch schmale Spalten im Boden gedrückt – in den darunter liegenden Güllekeller. Beißendes Ammoniak liegt in der Luft.

“Das Maximum aus den Sauen rausholen”

Dirk Frahne sagt, er müsse das Maximum aus seinen Sauen herausholen. Er müsse günstig produzieren, das wolle der Verbraucher so. Jeder Deutsche isst im Durchschnitt knapp vierzig Kilogramm Schweinefleisch im Jahr. Die meisten Schweine in der konventionellen Haltung haben keine Ringelschwänze mehr, die werden in der Regel gekürzt. Da die Tiere wenig Platz und kaum Beschäftigungsmöglichkeiten haben, würden sie sich sonst gegenseitig die Schwänze blutig beißen. Und das kann zu schweren Infektionen führen. (…)

Massentierhaltung auch eine Gefahr für die Gesundheit der Menschen

Kritiker der intensiven Tiermast sorgen sich allerdings nicht nur um das Wohl der Tiere, sondern inzwischen auch um die Gesundheit der Menschen. Der Tierarzt Hermann Focke, früher Amtsveterinär in der Region, warnt schon lange vor einem verantwortungslosen Einsatz von Antibiotika in der Nutztierhaltung. Ein Riesenskandal sei es, kritisiert der Veterinär, dass man bis heute nicht einmal wüsste, wie viele Antibiotika insgesamt in der Nutztierhaltung eingesetzt würden. Tiere und Menschen werden dadurch resistent, und Antibiotika helfen dann bei Infektionen nicht mehr.

Mit der Zeit konnte sich so ein gefährlicher Keim verbreiten: MRSA – das steht für Methicillin-resistenter Staphylococcus aureus. Dieser Keim ist gegen viele Antibiotika resistent und kommt auch häufig in Schweineställen vor. Dort kann er auch von Tier zu Mensch übertragen werden. Schweinehalter gehören deshalb zur Risikogruppe. Und wenn die ins Krankenhaus müssen, verbreiten sie den Keim dort möglicherweise weiter.

Tierindustrie boomt – auch in Mecklenburg-Vorpommern

Trotz Umweltschäden und drohender Gesundheitsprobleme boomt die intensive Schweinehaltung. Die Deutschen produzieren immer mehr Fleisch, die Discounter bieten es immer billiger zum Kauf an. Schon längst werden mehr Schweine geschlachtet, als in Deutschland gegessen werden. Immer mehr Fleisch wird deshalb exportiert. (…)

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4 Kommentare

  1. Amro Mohamed

    Mich überläuft eine extrem kalte Wut.

    Ich habe 50 Tage aus Dummeheit, Ignoranz und Geldgier über eine Zeitarbeitsfirma, unter richtig beschissenen Bedingungen, bei VION in Wunstorf bei Hannover gearbeitet, das war meine eigene Entscheidung. Meiner Meinung nach soll die Arbeitslosenzahl bitte steigen, um Ungerechtigkeiten und die dadurch entstandenen Schäden entgegenzuwirken, was wiederum ungweöhnliche Arbeitsplätze erfordert und ‘keine entartete Arbeit’.

    Wir sind dumme, sprechende Affen.
    Auf dass sich alles ändert.

  2. Vogel

    Moin, Peter
    /”Das ist das „Not in my backyard“-Phänomen…”/ Nö! Der durchschnittlich einssiebzig hochgestapelte Zellhaufen agiert immer so: Schlachthof – außerhalb meiner Sichtweite; Atomstrom – schön unter der runden Kuppel; Windstrom – am besten offshore, außerhalb meiner Sichtweite; Kindergarten – nicht bei uns; Heilanstalt – doch nich hier … Ich will von nix ‘was wissen, ich will nur bequem und billig und schön – und ich will FUN! Nachdenken, sich informieren: anstrengend *bäh* Das mit “Not in my backyard” zu umschreiben – der Begriff stammt ja nich von Dir – grenzt an Verblödung. (Ich weiß’ iss ‘n bisschen komplizierter – aber mir geht jedesmal das Messer in der Tasche auf, wenn über Symptome gegackert wird an Stelle der Ursache!)

  3. Das krasse dabei sind auch die Meinungen über die Qualität des Fleischs, denn viele halten ja Biofleisch automatisch für viel besser als solches aus konventioneller Massentierhaltung. Schaut man sich hingegen die rechtlichen Rahmenbedingungen an, so kommt man schnell ins Grübeln, wie realistisch die eigenen Vorstellungen von dieser Art der Fleisch”produktion” sind. Schaut mal bei uns unter http://fairbesserungswuerdig.blogspot.de/2013/11/biofleisch-oder-fleisch-aus.html vorbei!

  4. Das Problem ist, das es immer mehr große Unternehmen gibt, die anfangen mit riesen Ställen und kein Land Schweine zu halten. Die Fläche wird dann einfach durch überteuerte Preise Vorort gepachtet und somit den ansässigen kleineren Landwirten weggenommen werden.

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