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Amt für Werbefreiheit und Gutes Leben

Wunderbar, dass es solche Initiativen gibt – in Berlin hat sich vor einer Weile das sog. „Amt für Werbefreiheit und Gutes Leben“ gegründet, das mit dem Ziel antritt, den öffentlichen Raum vom Übermaß an marktschreierischer Reklame zu befreien. Damit rennt man bei mir natürlich offene Türen ein!

Das Amt für Werbefreiheit und Gutes Leben wird derzeit von rund 40 Aktiven aus ganz Deutschland geführt. Das Amt bearbeitet Fragen der Störung und Belästigung durch Werbung und fördert die gemeinschaftliche Umgestaltung des öffentlichen Raums. Darüber hinaus zählen sämtliche Belange rund um das Gute Leben – abseits der vorherrschenden Vorstellungen von Fortschritt und Wohlstand – zum Zuständigkeitsbereich des Amtes.

Unser Amtssitz befindet sich in Berlin, engagierte Beamt*innen arbeiten jedoch bereits in ganz Deutschland für die gemeinsame Sache.

Was wir wollen

  • selbst bestimmen was für uns das Gute Leben heißt – ohne ständig unterschwellig von Werbung beeinflusst zu werden
  • gesellschaftliche Strukturen, die genügsame, Ressourcen schonende Lebensweisen ermöglichen – nicht immer wieder durch Werbung zum Kaufen aufgefordert werden
  • UNSEREN öffentlichen Raum selbst gestalten – ihn nicht an Konzerne und deren Werbeplakate abgeben

Deshalb sagen wir: Schluss mit der stetigen Werbeflut! Wir setzen uns für einen öffentlichen Raum ohne kommerzielle Außenwerbung ein. Wir wollen Möglichkeitsräume schaffen, in denen es um Handeln statt um Konsumieren geht. Alternativen zum Geldausgeben und neue Formen des Wohlstands. Mit Muße im Moment leben dürfen. Nicht immer mehr Hetzen, Kaufen, Besitzen.

Was wir tun

Zentraler Auftrag des Amts für Werbefreiheit und Gutes Leben ist es den Berliner Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg so weit wie möglich werbefrei zu machen. Dazu

Amt für Werbefreitheit und Gutes Leben from Amt für Werbefreiheit on Vimeo.

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Lesetipp: Total vergnügt. Die Eventisierung der Städte

Langjährige Leser meines Blogs – und/oder diejenigen, die das Buch „Culture Jamming“ von Kalle Lasn gelesen haben – wissen, dass das Thema Verödung/Veränderung der Stadt durch Reklame und Kommerz einem unumgänglich begegnet, wenn man sich mit Konsumkritik und der kritischen Hinterfragung der Entwicklung des öffentlichen Raumes beschäftigt. So habe ich auch schon früher beklagt, dass die pestilenzartige Ausbreitung der großen Handelsketten, bei gleichzeitiger Verdrängung gewachsener Strukturen und individueller Angebote, zu einer Monoformisierung der (Innen-)Städte führt die langweilig ist und zu einer weiteren Marktmachtkonzentration führt. Zum anderen, und das ist vielleicht noch gefährlicher, wird immer mehr öffentlicher Raum privatisiert und damit einer demokratischen Gestaltung entzogen. In Einkaufszentren herrschen die Regeln der Betreiber, so dass Proteste oder kritische Äußerungen unerwünscht oder sogar verboten sind und aus solchen Malls verdrängt werden. Siehe dazu auch meinen Beitrag „Die Stadt in der Stadt – Wie Einkaufszentren Innenstädte zerstören“.

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Werbung am Rande der Apokalypse (Teil 3)

Und hier kommt der dritte Teil meiner Übersetzung des Artikels „Advertising at the Edge of the Apocalypse“ von Prof. Sut Jhally über die üblen Auswirkungen der Reklame auf unsere Gesellschaft. Teil 1 findet Ihr HIER, Teil 2 HIER.

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„So etwas wie eine ‚Gesellschaft‘ gibt es nicht“

Eine Kultur, die von kommerziellen Botschaften dominiert wird, die den Individuen sagt, dass der Weg zum Glück über das Konsumieren von am Markt gekauften Dingen führt, gibt eine sehr sepezielle Antwort auf die Frage „Was ist Gesellschaft“, also was uns in einer bestimmten Art und Weise kollektiv zusammenhält, welche Sorgen oder Interessen wir teilen. Margaret Thatcher, die frühere konservative britische Premierministerin, gab uns die knappste Antwort auf diese Frage aus der Sicht des Marktes. In einem ihrer vermutlich berühmtesten (und berüchtigsten) Zitate sagte sie: „So etwas wie eine ‚Gesellschaft‘ gibt es nicht.“ Nach Frau Thatcher gibt es keine Basis, die wir Gesellschaft nennen können, keine gemeinsamen Werte, keine kollektiven Interessen – Gesellschaft ist nur eine Menge von Individuen, in der jeder für sich handelt.

Genau so spricht auch die Reklame zu uns. Sie spricht uns nicht als Mitglieder einer Gesellschaft an, die über kollektive Themen diskutieren, sondern als Einzelpersonen. Sie redet über unsere individuellen Bedürfnisse und Begierden. Sie spricht nicht über die Dinge, die wir kollektiv angehen müssen, wie Armut, Gesundheitswesen, Wohnungsbau und Obdachlosigkeit, die Umwelt etc. Der Markt apelliert an die schlimmsten Wesenszüge in uns (Gier, Selbstsucht) und entmutigt unsere besten Teile (Mitgefühl, Großzügigkeit).

Dies sollte uns wiederum nicht überraschen. In den Gesellschaften, in denen der Markt dominiert, werden die Dinge gefördert/herausgestellt, die der Markt liefern kann – und Werbung ist die Hauptstimme des Marktes –, so dass Diskussionen über kollektive Themen an die Ränder der Kultur gedrängt werden. Sie sind im Mittelpunkt des Hauptkommunikationssystems unserer Gesellschaft vorhanden. Es ist kein Zufall, dass die Marktvision, die man mit Neo-Konservativen verbindet, genau zur gleichen Zeit dominant wurde, als die Reklame die selben Werte in jede Ecke der Kultur verbreitete. Die weitverbreitete Desillusionierung über die „Regierungen“ (und damit das Denken über Dinge in einer kollektiven Art und Weise) fand in den Bereichen der kommerziellen Kultur extrem fruchtbaren Boden.

Leider befinden wir uns nun sowohl global wie auch national in einer Situation, in der Lösungen für nukleare und Umweltprobleme nur in kollektiver Form gefunden werden können. Der Markt kann nicht mit den Problemen umgehen, denen wir uns im neuen Jahrtausend zu stellen haben. Beispielsweise kann er nicht mit der Bedrohung nuklearer Auslöschung umgehen, die uns auch in der Zeit nach dem Kalten Krieg begleitet. Er kann nicht mit der Erderwärmung umgehen, mit der dünner werdenden Ozonschicht oder der Ressourcenerschöpfung. Die Auswirkungen dessen, wie wir unserem „Business“ nachgehen, sind nicht mehr lokal beschränkt, sie sind nun global und wir müssen internationale und kollektive Wege finden, ihnen zu begegnen. Individuelles Handeln wird nicht ausreichen.

Wie finden wir im eigenen Land einen Weg, mit Themen umzugehen wie den alptraumhaften Innenstädten, dem Ausbreiten von Armut, der Vernachlässigung von einer Gesundheitsversorgung für die verletztlichsten Schichten der Bevölkerung? Wie können wir realistisch und leidenschaftlich eine Lösung für solche Probleme finden, wenn wir in einer Kultur leben, deren zentrale Botschaft lautet: „Don’t worry, be happy“ (Mach dir keine Sorgen, sei glücklich)? Wie Barbara Ehrenreich sagt:

Fernsehwerbung bietet uns Lösungen für hunderte von Problemen, von denen wir nicht mal wussten, dass wir sie hatten – vom „Morgen-Mundgeruch“ bis zur Shampooaufrüstung –, aber nirgendwo in der Konsumkultur finden wir irgendjemanden, der uns solch profanen Notwendigkeiten wie Gesundheitsvorsorge, Kinderpflege, Betreuung oder akademische Bildung anbietet. Die Kehrseite des Konsumenten-Spektakels… ist der sterbende und verarmte öffentliche Sektor. Wir haben Teenage Mutant Ninja Turtles, finden aber keine Möglichkeit, das Fünftel der amerikanischen Kinder auszubilden, die in Armut aufwachsen. Wir haben Dutzende von Frühstücksflockenvariationen, aber keine Hilfe für die Hungrigen. (Ehrenreich 1990, S. 47)

In diesem Sinne verlagert Werbung systematisch die sozialen Schlüsselthemen an den Rand der Kultur und spricht statt dessen in kraftvollen Worten von individuellen Wünschen, Fantasien, Vergnügen und Bequemlichkeit.

Zum Teil liegt dies an der Monopolisierung des kulturellen Lebens durch die Werbung. Es gibt keine Räume mehr für unterschiedliche Arten von Diskussionen, keinen Platz in der Mitte der Gesellschaft, in der alternative Werte ausgedrückt werden könnten. Aber es liegt auch in dem Versagen derjenigen, die sich um kollektive Themen bemühen, alternative Visionen zu erschaffen, die  es in irgendeiner Art und Weise mit den kommerziellen aufnehmen können. Die wichtigsten Alternativen, die bisher angeboten wurden, waren grauer und trübseliger Staatsdirigismus. Dies geschah nicht nur in den westlichen Gesellschaften, sondern auch in den ehemaligen sog. „sozialistischen“ Gesellschaften Europas. Diese repressiven Gesellschaften fanden nie einen Weg, sich auf angenehme Art mit den Menschen zu verbinden, sie verbannten Fragen des Genusses und individuellen Ausdrucks zu den nicht-wichtigen und ablenkenden Aspekten des sozialen Lebens. Dies war eines der Kernversagen des Kommunismus in Osteuropa. Ehrenreich erinnert uns daran, dass er nicht nur unfähig war, materielle Güter zu liefern, sondern genauso nicht dazu in der Lage, eine wirklich menschliche „ideologische Erwiderung auf die kraftvollen vertführerischen Botschaften der kapitalistischen Konsumkultur.“ (Ehrenreich 1990, S. 47) Die Probleme sind hierzulande nicht weniger schwerwiegend.

Alles Verführerische und Ansprechende wird in dem (sorgfältig privatisierten) Konsumentenspektakel verortet. Im Gegensatz dazu zeichnet sich der öffenliche Sektor als ein Bereich bar jeder erotischen Versprechungen ab – es ist die Heimat des IRS (in etwa den deutschen Finanzämtern entsprechend), der DMV (Department of Motor Vehicles = Kraftfahrzeugbundesamt) und anderer verwirrender, nerviger Bürokratien. Aus dem Grund kämpfen nur wenige Menschen auf politischer Ebene für eine bundesweite Krankenversicherung und Elternurlaub, obwohl viele diese Dinge wollen. „‚Notwendigkeit‘ ist nicht genug; wir müssen einen Weg finden, die Möglichkeiten eines aktivistischen öffentlichen Sektors attraktiver zu machen und die Möglichkeiten von öffentlichem Aktivismus glamouröser darzustellen.“ (Ehrenreich 1990, S. 47)

Die zwingend erforderliche Aufgabe für all jene, die andere Werte verbreiten wollen (als die der kommerziellen Kultur), besteht darin, den Kampf für soziale Veränderungen unterhaltsam und sexy zu machen. Damit meine ich nicht, dass wir sexuell aufgeladene Bilder einsetzen, sondern dass wir einen Weg finden müssen, über den ganzen Kampf gegen Armut, Obdachlosigkeit, für ein Gesundheitswesen, Kinderpflege und Umweltschutz in Begriffen zu denken, die mit Wohlgefühl, Vergnügen und Glück zu tun haben.

Um diese „Glamourösisierung“ der kollektiven Themen möglich zu machen, ist es erforderlich, dass das derzeitige kommerzielle Monopol der Kommunikationskanäle zugunsten eines demokratischeren Zugangs aufgebrochen wird, wo schwierige Diskussionen über wichtige und relevante Themen möglich werden. Obwohl die Situation hoffnungslos erscheinen mag, sollten wir uns daran erinnern, für wie wichtig der Kapitalismus sein Monopol auf die Fantasien/Vorstellungen hält. Die schrittweisen Kampagnen der US-Regierung gegen die kubanische Revolution und die Besessenheit unserer nationalen Sicherheitseinrichtungen mit der Sandinistischen Revolution in Nicaragua in den 1980er Jahren zeigten deutlich die Wichtigkeit, die der Kapitalismus dem Zerschlagen alternativer Modelle beimisst. Und obwohl die US-Regierung fortfährt, die barbarischsten, brutalsten und mörderischsten Regime in der ganzen Welt zu unterstützen, hat sie es speziell auf die Regierungen abgesehen, die versucht haben, den Reichtum zu den Ärmeren umzuverteilen und die kollektive Werte den Werten von Eigennutz und Gier vorzogen. Das Monopol auf die Vision der Menschen zu haben ist zentral, und der Kapitalismus weiß das.

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Alsbald geht es weiter mit dem nächsten Teil (insgesamt wird es fünf Teile geben).

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Werbung am Rande der Apokalypse (Teil 1)

Über die vielen negativen Auswirkungen der Reklameindustrie und der gesamten Marketingmaschinerie, die sich in immer mehr Lebensbereiche der Menschen ausbreitet, habe ich hier im Blog ja schon des öfteren geschrieben. Dennoch ist dieses Thema so wichtig – und da es immer noch viel zu viele Leute gibt, die Werbung bloß für ein notwendiges Übel oder sogar für etwas Wertvolles halten, werde ich nicht müde, die Schädlichkeit der Reklame zu betonen. Deshalb war ich auch sehr erfreut, als ich neulich den Artikel „Advertising at the Edge of the Apocalypse“ von Prof. Sut Jhally aus dem Jahre 1999 entdeckte, der seitdem natürlich nichts an Aktualität verloren hat. Mit seiner freundlichen Erlaubnis präsentiere ich Euch seinen Text hier in der von mir übersetzten Fassung – da er sehr lang ist, werde ich ihn hier in mehreren Teilen veröffentlichen. Ich beginne heute – ganz überraschend – mit Teil 1:

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Werbung am Rande der Apokalypse

In diesem Artikel möchte ich eine einfache Behauptung aufstellen: die Werbung des 20. Jahrhunderts ist das mächtigste und dauerhafteste Propaganda-System in der menschlichen Geschichte und seine kumulierten kulturellen Auswirkungen werden mitverantwortlich dafür sein, die Welt, wie wir sie kennen, zu zerstören. Wenn sie dies erreicht, wird sie verantwortlich für den Tod Hundertausender von Menschen sein und die Menschen der Welt daran hindern, glücklich zu werden. Einfach ausgedrückt hängt unser Überleben als Spezies davon ab, die Gefahren der Werbung und der Kommerzkultur, die sie ausgelöst hat, zu minimieren. Ich habe diese Behauptung dick gedruckt, damit niemand Zweifel darüber haben kann, was in unseren Diskussionen über Medien und Kultur auf dem Spiel steht, während wir das neue Jahrtausend betreten.

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Lesetipps: Kommerzialisierung | Fußball | Palmöl aus dem Regenwald | Alternative Ökonomie | Guttenberg

Im think. care. act.-Blog habe ich neulich einen interessanten Beitrag gefunden, der thematisch perfekt in den Konsumpf passt – es geht um die Vereinnahmung einer „Szene“, einer „Bewegung“ oder eines „Trends“ durch die Konzerne und damit auch durch Marketing und Kommerzialisierung. Wie bereits Packard Jennings in seiner Einleitung zur Destuctables-Website schrieb (siehe HIER) ist dieses Sich-Aneignen von gewissen Idealen durch die Wirtschaft ein immer wieder zu beobachtendes und sehr unangenehmes Handlungsmuster, da es die Räume für wirklich alternatives Handeln immer weiter einschränkt. Cara beschreibt in „Die Kommerzialisierung der veganen Szene“ diese Entwicklung ebenfalls:

(…) Was mir sauer aufstößt sind Blogs die offensichtlich gezielt und professionell Marketing betreiben. Und das nicht in der Form, dass etwas zur Verfügung gestellt wird und man das dann eben mit allen Vorzügen und Schwächen testet, sondern die wie plakatartige Werbeeinblendungen schlicht auf besonders “tierfreundliche” “schicke” Produkte hinweisen und diese verlinken, meistens mit dem Bildchen eines Teils das der Blogbetreiber aus der Kollektion besitzt (geschenkt bekommen hat?). Penetrantes, unreflektiertes Vorstellen von Must-Haves für den mehr oder weniger modernen Veganer auf einer professionellen Basis, die kaum mehr Raum zu Spekulationen offen lässt, wie freiwillig und objektiv der Text geschrieben wurde. Dass gekaufte Blogger in den Zeiten von Social Media gang und gäbe sind, ist eigentlich nichts neues und nichts was einen verwundern sollte, trotzdem regt es mich auf, wenn sich so etwas breit macht. (…)

Wieso mich das nervt? Weil man damit einen “Veggie-Lifestyle” kreiert, voll von must haves in rosa, passend für die 15-jährige Neuveganerin, der man so gekonnt vormachen kann, dass sie nur dies und jenes zu kaufen hätte und schon wäre sie schick, nachhaltig und “kawaii-veggie”. Oder bestimmte Bücher, die man gelesen haben MUSS um mitreden zu können (ja ich meine ein ganz bestimmtes) und ohne das Wissen aus der grünen Bibel wäre man allerhöchstens ein halber Veganer ohne Liebe in Kühlschrank und Herz.

Verdammt! Veganismus ist keine uniformierte Massenerscheinung, in der jeder das gleiche zu denken, zu fühlen oder zu meinen hat. Man darf auch aus unterschiedlichen Gründen vegan sein. Und dieser Dreck der da  fabriziert wird erzeugt einen modernen Veggie-Trend, der nichts anderes ist als Uniformierung, Verdummung. Veganer sind nicht die kleinschreibenden mit den rosafarbigen Polkadotsachen, sondern die, die keine Tierprodukte essen und nutzen, Punkt.
Man kann hervorragend ohne 500€-Küchengeräte kochen, man muss sich keinen Bananenseideschal kaufen und man muss auch nicht eine bestimmte Kosmetikmarke ausprobiert haben um sich vegan nennen zu dürfen.

(…) Was mich allerdings massivst nervt ist Greenwashing, sei es bei Nestlé, Unilever oder dem WWF (aktuell wieder eine spannende Palmöl-Debatte auf Facebook) und der Versuch sich durch “gesunde pflanzliche Produkte” beim veganen Publikum anzubiedern.

Nein. Ich werde es trotzdem nicht kaufen, AUCH wenn es vegan ist. Andere vermutlich schon, nicht jeder ist neben vegan auch noch Konsumkritiker, das ist okay.

Belogen werden möchte ich trotzdem nicht. (…)

Apropos Palmöl – dazu hatte die Süddeutsche Zeitung auch gleich den passenden Bericht – „Handelskonzerne im Test – Palmöl aus dem Regenwald“. Wieder einmal heißt das, dass man den großen Konzernen einfach nicht über den Weg trauen kann und sie im Bereich der Lebensmittel sogar schädlich sind:

(…) Eine reine Erfolgsgeschichte ist der Aufstieg der Ölpalme trotzdem nicht, denn der Pflanze haftet ein schlechtes Image an. Umweltschützer machen den exzessiven Anbau für die Zerstörung der letzten Regenwälder dieser Erde verantwortlich, denn die Pflanze mit dem lateinischen Namen Elaeis guineensis wächst nur in tropischen Regionen. Seit Jahren ist bekannt, das ein wesentliche Anteil des weltweit verkauften Palmöls zweifelhafter Herkunft ist und von illegal gerodeten Urwaldflächen in Indonesien und Malaysia stammt. Beide Länder liefern 87 Prozent der Weltproduktion.

Edeka, Aldi und Lidl scheren aus

In Handel und Industrie kennt man das Problem. Viele Firmen unterstützen inzwischen eine internationale Initiative mit dem komplizierten Namen “Runder Tisch für den nachhaltigen Anbau von Palmöl” (RSPO). Dies zeigt eine noch nicht veröffentlichte Studie der Umweltschutzorganisation World Wide Fund For Nature (WWF), die der Süddeutschen Zeitung vorliegt.

Doch ausgerechnet drei der größten deutschen Handelskonzerne, Edeka, Aldi und Lidl, scheren aus. Sie unternehmen nach Recherchen der Umweltschützer keinerlei Anstrengungen, um Waren zu beziehen, die mit Palmöl aus sauberen Quellen hergestellt wurden. Im WWF-Firmenranking der europäischen Handelskonzerne sind Edeka, Aldi und Lidl die Schlusslichter. (…)

Um eine „Szene“ der etwas anderen Art kommt man heutzutage und hierzulande eh kaum herum, vor allem nicht in den geraden Jahren, in denen die Großereignisse EM und WM stattfinden. Ja, ich rede vom Fußball. Spektakel- und Eventkultur, wie man sie sich als Culture Jammer und Guy Debord-Leser beispielhaft vorstellt. Nun erwartet man vermutlich bei Fußballübertragungen keine großartige Tiefe und auch keine allzu große Ankopplung an die reale Welt drumherum, dennoch hat sich der Hyperbaustelle-Blog einmal so seine Gedanken über die „Feierabendparallelwelt Fußball“ gemacht:

(…) Beim Championsleaguespiel Piräus gegen Dortmund entschuldigte sich nun Herr Fuss über die in das Fußballevent eindringende Realität: “Meine Damen und Herren, ich kann Ihnen nicht versprechen, dass dieser Fußballabend störungsfrei verlaufen wird.” Damit waren die Demonstrationen gemeint, die überall in Athen stattfanden und den Fußballfans das Leben schwer machten. Ja, Herr Fuss, darüber muss man sich natürlich empören. Schließlich kämpfen die Menschen in Griechenland ja nur um ihre Existenz. Wie kommen die da nur drauf, mit einem CL-Spektakel wetteifern zu können? Früher wiesen Kommentatoren der Öffentlich-Rechtlichen wenigstens noch darauf hin, dass Fußball nicht das Wichtigste auf der Welt sei. In der radikal kommerzialisierten Sphäre von heute braucht man sich mit solchen Floskeln gar nicht mehr aufzuhalten, insbesondere, wenn das Spiel in einem Staat stattfindet, der seinen Kredit bereits vollkommen verspielt hat.

Stattdessen werden idiotisch durch Europa reisende Fußballfans von T-Online-Schreibern zu Helden gestempelt: “Zur Pause waren die gut 800 Dortmunder Fans, die sich trotz aller Widrigkeiten auf den Weg nach Griechenland gemacht hatten, bedient …  einige der mutigen Dortmunder …  saßen tagsüber stundenlang in ihrem Hotel in der Nähe des Parlamentsgebäudes fest. Dort hatten sich radikale Demonstranten und die Polizei eine Straßenschlacht geliefert.” Frechheit, möchte man hinzufügen, müssen die ihren Existenzkampf gerade dann führen, wenn sich deutsche Fans gerne einen völlig sinnlosen geliefert hätten.

Mich ärgert an dem Ganzen vor allem die Rolle der Medien, wie sie nur darauf konzentriert sind, einen Medienevent perfekt verkaufen und dabei ungleich wichtigere Ereignisse nur noch auf eine äußerst verschrobene Weise als Störgröße wahrnehmen. Das Schlimme dabei ist, dass man gar nicht sagen kann, sie würden ihrer Verantwortung nicht gerecht werden. Denn sie sind im Prinzip nur ihrem Sender, den Geldgebern und Einschaltquoten verantwortlich. Umso mehr, Herr Fuss, braucht es hier Fingerspitzengefühl von den einzelnen Mitarbeitern, um nicht komplett einfältig zu werden.

Und die Realität sieht halt nicht immer so rosig aus wie bei einer Fußballübertragung… Der passende Lesetipp dazu scheint mir zum Beispiel das in folgender Buchbesprechung auf der Das Dossier-Website vorgestellte Werk zu sein – „Richtiges Leben im Falschen? Theorie und Praxis alternativer Ökonomie“:

Angesichts der aktuellen Wirtschaftskrise, aber auch aufgrund der fatalen Konsequenzen neoliberaler Politik wächst das Interesse an Alternativen zum herkömmlichen marktwirtschaftlichen System. Gisela Notz unternimmt den Versuch, solche Ideen und konkreten Umsetzungsversuche knapp und allgemeinverständlich vorzustellen. Ein interessantes Thema für all jene, die auf der Suche nach der »konkreten Utopie« sind. Aber auch lesenswert für Menschen, die einfach keine realistische Option sehen neben dem Altbekannten und Konventionellen. (…)

(…) Damit kommen wir auch zu einem Kernthema des Buches. Theodor Adorno zitierend fragt Notz: Gibt es ein richtiges Leben im falschen? Macht es also Sinn, mit alternativen Praktiken schon im Hier und Jetzt anzufangen? Oder sind solche Versuche zwangsläufig zum Scheitern verurteilt? Die Autorin gibt darauf eine differenzierte Antwort. Ein Allheilmittel, eine alleinige Lösung auf die drängenden Probleme könne davon nicht erwartet werden, das bedeute eine Überforderung ihrer Möglichkeiten. Zugleich sind sie aber auch als „gelebte Gegengesellschaften“ mehr als nur kuschelige Nischen, sie sind erste Schritte hin zu einer besseren Welt. Daraus schöpfen die Akteure ihre Motivation und Berechtigung. Wie diese Einflussnahme konkret aussehen soll, bleibt jedoch weitgehend unklar. Die Vorbildfunktion allein, also gleichsam als Schaufenster in die Zukunft zu dienen, reicht sicher nicht aus. Schon allein deswegen nicht, weil ihre Wahrnehmung durch die Gesellschaft überaus begrenzt ist. Es bleibt also in absehbarer Zeit offen, ob diese Projekte mehr sein können als eben jene kleinen Nischen für Aussteiger. (…)

Und zum Abschluss noch dies aus der weiten bunten Welt des Showbiz… oder jedenfalls könnte man fast den Eindruck bekommen, dass es sich bei KTz Guttenberg gar nicht um einen Politiker, sondern um einen Showstar handelt, wenn man sieht, wie in der Klatschpresse so über ihn berichtet wird. Sollte dieser Herr, der nachweislich in seiner Doktorarbeit getäuscht und betrogen hat und zudem politisch ebenfalls nur nach der Devise „Mehr Schein als Sein“ agierte, tatsächlich wieder in höhere Ämter gelangen, so muss man wohl endgültig an der Vernunft der Menschen zweifeln. Dieses „Comeback eines Blenders“, wie Peter Weber im Kritischen Netzwerk schreibt, gilt es zu verhindern! Sehr interessant sind in besagtem Artikel auch die Links zu anderen Medien, die sich mit Karl-Theodor befasst haben:

Der Blender bereitet sein Comeback vor – unterstützt von einflußreichen politischen sowie wirtschaftlichen Kräften und sogar mit Starthilfe der Justiz.

Zunächst die aktuellste Meldung: Das Strafverfahren gegen Karl-Theodor (ff.) zu Guttenberg wurde von der Staatsanwaltschaft Hof eingestellt. Die einzige Auflage war die Zahlung einer Summe von 20.000 (!!!) Euro an die Kinderkrebshilfe. Folgende Kriterien waren für die prüfenden Staatsanwälte für die Einstellung des Verfahrens maßgebend:

  • der Schaden durch Urheberrechtsverletzung sei „marginal“, d. h. durch seine Plagiate sei niemand in nennenswertem wirtschaftlichen Umfang geschädigt worden
  • aus seiner Doktorarbeit bzw. der Anerkennung des akademischen Titels seien Guttenberg keine ökonomischen Vorteile entwachsen
  • das Zutreffen der bei uns gängigen Verfahrensweise für die Einstellung eines Verfahrens, die voraussetzt, daß eine Geldzahlung das öffentliche Interesse an einer Strafverfolgung beseitigt und „der Einstellung die Schwere der Schuld nicht entgegen steht“

Wir vom KRITISCHEN NETZWERK sind weder Juristen noch Moralisten noch haben wir das Recht auf Verurteilung. Aber trotzdem bewerten wir die Hintergründe aus unserer Sicht, wobei  hinter allem die Absichten bzw. Spekulationen über eine Rückkehr Guttenbergs in die Politik stehen. So schreibt die TAZ in diesem Zusammenhang „Eine in strafrechtlicher Hinsicht saubere Weste ist dafür eine bessere Voraussetzung. Ob die Staatsanwaltschaft diese Überlegungen in ihre Entscheidung einfließen ließ, ist wahrscheinlich, wird aber öffentlich nicht ausgesprochen.“ (…)

Was uns am meisten am Menschen Guttenberg stört, das sind seine Arroganz, Demagogie und der nicht zu leugnende Narzißmus. Für seine Verfehlungen, Fehlleistungen und sein straftatwürdiges Verhalten zeigt er nicht einmal den Anflug von Reue. Durch Wechsel seiner Maskierung „Designerbrille mit Gelfrisur“ zu „biederer Mittelstandsfrisur ohne Brillenattribut“ soll eine positivere Persönlichkeitsstruktur vorgetäuscht werden. Es handelt sich bei all dem um eine strategisch vorbereitete Inszenierung mit dem Ziel der Machtausweitung mit der Spekulation auf die Vergeßlichkeit der Bürger. Wer sich unserer Verhältnisse bewußt ist, muß befürchten, daß er damit durchkommt …

Sein neuer Arbeitgeber sitzt in Washington – es handelt sich um das Zentrum für Strategische und Internationale Studien CSIS – das sich um die Intensivierung der transatlantischen Beziehungen bemüht, also mit anderen Worten darum, die Nibelungentreue der nützlichen Idioten der europäischen Staaten gegenüber den USA aufrecht zu erhalten. Mit dieser Institution im Rücken tritt Guttenberg nun als „angesehener Staatmann (distinguished statesman) mit neuem Outfit auf den Plan und fühlt sich berufen, die europäische Politik zu maßregeln. Es quellen dort solche Sätze aus seinem Mund wie: “Es ist nicht nur eine Eurokrise oder eine Schuldenkrise” oder “Es ist vor allem eine Krise des Verständnisses und eine Krise der politischen Führung.” Wen wundert es, daß die eigentliche Ursache aller heutigen Krisen, der gierhafte systemimmanente Charakterzug von Mensch und Gesellschaft  zusammen mit dem unregulierten inhumanen marktradikalen Kapitalismus, nicht  einmal erwähnt wird. Von entsprechenden zwingenden Reformen, die ein Auseinanderbrechen von Gesellschaft und natürlichem Systemen verhindern können, ist ebenfalls nicht die Rede. (…)

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Buchbesprechung: Erich Fromm „Haben oder Sein – Die seelischen Grundlagen einer neuen Gesellschaft“

Ich muss gestehen, dass ich, obwohl ich schon vor zwei Jahren durch einen Kommentar hier im Blog auf das Werk von Erich Fromm aufmerksam gemacht wurde, erst jetzt dazu gekommen bin, mir eins seiner Bücher zu Gemüte zu führen. Und das, obwohl Fromm bereits in den 60ern und 70ern messerscharfe konsum- und systemkritische Analysen vorlegte, die auch in der heutigen Zeit (leider) noch absolut zureffend sind. „Haben oder Sein – Die seelischen Grundlagen einer neuen Gesellschaft“ soll sein zugänglichstes Buch sein, in dem er viele seiner Gedanken und Ansatzpunkte nachvollziehbar umreißt und darlegt. Und nach der Lektüre kann ich dem durchaus zustimmen und eine unbedingte Leseempfehlung aussprechen!

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Not in our name, Marke Hamburg!

© thoursie, stock.xchng

Folgendes Manifest von Hamburger Künstlern und Freischaffenden, die sich gegen die Durchvermarktung der Stadt und ihrer Viertel aussprechen, über das ich erst jetzt im Netz gestolpert bin, will ich hier einfach mal in ihrer Gänze zitieren – treffender kann man die Malaise von Gentrifizierung, Standortwettbewerb etc. nicht auf den Punkt bringen! Auf der Website „Not in our name, Marke Hamburg!“ könnt Ihr auch den Aufruf unterzeichnen und somit signalisieren, dass Ihr die aktuelle Stadtentwicklung hin zu einer Marke ebenfalls nicht gutheißt.

Ein Gespenst geht um in Europa, seit der US-Ökonom Richard Florida vorgerechnet hat, dass nur die Städte prosperieren, in denen sich die „kreative Klasse“ wohlfühlt. „Cities without gays and rock bands are losing the economic development race“, schreibt Florida. Viele europäische Metropolen konkurrieren heute darum, zum Ansiedelungsgebiet für diese „kreative Klasse“ zu werden. Für Hamburg hat die Konkurrenz der Standorte mittlerweile dazu geführt, dass sich die städtische Politik immer mehr einer „Image City“ unterordnet. Es geht darum, ein bestimmtes Bild von Stadt in die Welt zu setzen: Das Bild von der „pulsierenden Metropole“, die „ein anregendes Umfeld und beste Chancen für Kulturschaffende aller Couleur“ bietet. Eine stadteigene Marketing-Agentur sorgt dafür, dass dieses Bild als „Marke Hamburg“ in die Medien eingespeist wird. Sie überschwemmt die Republik mit Broschüren, in denen aus Hamburg ein widerspruchfreies, sozial befriedetes Fantasialand mit Elbphilharmonie und Table-Dance, Blankenese und Schanze, Agenturleben und Künstlerszene wird. Harley-Days auf dem Kiez, Gay-Paraden in St. Georg, Off-Kunst-Spektakel in der Hafencity, Reeperbahn-Festival, Fanmeilen und Cruising Days: Kaum eine Woche vergeht ohne ein touristisches Megaevent, das „markenstärkende Funktion“ übernehmen soll.

Liebe Standortpolitiker: Wir weigern uns, über diese Stadt in Marketing-Kategorien zu sprechen. Wir sagen: Aua, es tut weh. Hört auf mit dem Scheiß. Wir lassen uns nicht für blöd verkaufen. Wir wollen weder dabei helfen, den Kiez als „bunten, frechen, vielseitigen Stadtteil“ zu „positionieren“, noch denken wir bei Hamburg an „Wasser, Weltoffenheit, Internationalität“ oder was euch sonst noch an „Erfolgsbausteinen der Marke Hamburg“ einfällt. Wir denken an andere Sachen. An über eine Million leerstehender Büroquadratmeter zum Beispiel und daran, dass ihr die Elbe trotzdem immer weiter zubauen lasst mit Premium-Glaszähnen. Wir stellen fest, dass es in der westlichen inneren Stadt kaum mehr ein WG-Zimmer unter 450 Euro gibt, kaum mehr Wohnungen unter 10 Euro pro Quadratmeter. Dass sich die Anzahl der Sozialwohnungen in den nächsten zehn Jahren halbieren wird. Dass die armen, die alten und migrantischen Bewohner an den Stadtrand ziehen, weil Hartz IV und eine städtische Wohnungsvergabepolitik dafür sorgen. Wir glauben: Eure „Wachsende Stadt“ ist in Wahrheit die segregierte Stadt, wie im 19. Jahrhundert: Die Promenaden den Gutsituierten, dem Pöbel die Mietskasernen außerhalb.

Und deshalb sind wir auch nicht dabei, beim Werbefeldzug für die „Marke Hamburg“. Nicht, dass ihr uns freundlich gebeten hättet. Im Gegenteil: Uns ist nicht verborgen geblieben, dass die seit Jahren sinkenden kulturpolitischen Fördermittel für freie künstlerische Arbeit heutzutage auch noch zunehmend nach standortpolitischen Kriterien vergeben werden. Siehe Wilhelmsburg, die Neue Große Bergstraße, siehe Hafencity: Wie der Esel der Karotte sollen bildende Künstler den Fördertöpfen und Zwischennutzungs- Gelegenheiten nachlaufen – dahin, wo es Entwicklungsgebiete zu beleben, Investoren oder neue, zahlungskräftigere Bewohner anzulocken gilt. Ihr haltet es offensichtlich für selbstverständlich, kulturelle Ressourcen „bewusst für die Stadtentwicklung“ und „für das Stadt-Image“ einzusetzen. Kultur soll zum Ornament einer Art Turbo-Gentrifizierung werden, weil ihr die üblichen, jahrelangen Trockenwohn-Prozesse gar nicht mehr abwarten wollt. Wie die Stadt danach aussehen soll, kann man in St. Pauli und im Schanzenviertel begutachten: Aus ehemaligen Arbeiterstadtteilen, dann „Szenevierteln“, werden binnen kürzester Zeit exklusive Wohngegenden mit angeschlossenem Party- und Shopping-Kiez, auf dem Franchising- Gastronomie und Ketten wie H&M die Amüsierhorde abmelken.

Die Hamburger Kulturpolitik ist längst integraler Bestandteil eurer Eventisierungs-Strategie. Dreißig Millionen Euro gingen an das Militaria-Museum eines reaktionären Sammlerfürsten. Über vierzig Prozent der Ausgaben für Kultur entfallen derzeit auf die Elbphilharmonie. Damit wird die Kulturbehörde zur Geisel eines 500-Millionen-Euro-Grabes, das nach Fertigstellung bestenfalls eine luxuriöse Spielstätte für Megastars des internationalen Klassik- und Jazz-Tourneezirkus ist. Mal abgesehen davon, dass die Symbolwirkung der Elbphilharmonie nichts an sozialem Zynismus zu wünschen übrig lässt: Da lässt die Stadt ein „Leuchtturmprojekt“ bauen, das dem Geldadel ein Fünf-Sterne-Hotel sowie 47 exklusive Eigentumswohnungen zu bieten hat und dem gemeinen Volk nur eine zugige Aussichtsplattform übrig lässt. Was für ein Wahrzeichen!

Uns macht es die „Wachsende Stadt“ indessen zunehmend schwer, halbwegs bezahlbare Ateliers, Studio- und Probenräume zu finden, oder Clubs und Spielstätten zu betreiben, die nicht einzig und allein dem Diktat des Umsatzes verpflichtet sind. Genau deshalb finden wir: Das Gerede von den „pulsierenden Szenen“ steht am allerwenigsten einer Stadtpolitik zu, die die Antwort auf die Frage, was mit städtischem Grund und Boden geschehen soll, im Wesentlichen der Finanzbehörde überlässt. Wo immer eine Innenstadtlage zu Geld zu machen ist, wo immer ein Park zu verdichten, einem Grünstreifen ein Grundstück abzuringen oder eine Lücke zu schließen ist, wirft die Finanzbehörde die „Sahnelagen“ auf den Immobilienmarkt – zum Höchstgebot und mit einem Minimum an Auflagen. Was dabei entsteht, ist eine geschichts- und kulturlose Investoren-City in Stahl und Beton.

Wir haben schon verstanden: Wir, die Musik-, DJ-, Kunst-, Theater- und Film-Leute, die Kleinegeile-Läden-Betreiber und Ein-anderes-Lebensgefühl-Bringer, sollen der Kontrapunkt sein zur „Stadt der Tiefgaragen“ (Süddeutsche Zeitung). Wir sollen für Ambiente sorgen, für die Aura und den Freizeitwert, ohne den ein urbaner Standort heute nicht mehr global konkurrenzfähig ist. Wir sind willkommen. Irgendwie. Einerseits. Andererseits hat die totale Inwertsetzung des städtischen Raumes zur Folge, dass wir – die wir doch Lockvögel sein sollen – in Scharen abwandern, weil es hier immer weniger bezahlbaren und bespielbaren Platz gibt. Mittlerweile, liebe Standortpolitiker, habt ihr bemerkt, dass das zum Problem für euer Vorhaben wird. Doch eure Lösungsvorschläge bewegen sich tragischerweise kein Jota außerhalb der Logik der unternehmerischen Stadt. Eine frische Senatsdrucksache etwa kündigt an „die Zukunftspotenziale der Kreativwirtschaft durch Stärkung ihrer Wettbewerbsfähigkeit zu erschließen“. Eine „Kreativagentur“ soll zukünftig u.a. „Anlaufstelle für die Vermittlung von Immobilienangeboten“ sein. Wer sich die Mieten nicht leisten kann, muss sich als „künstlerischer Nachwuchs“ einsortieren lassen und bei der Kreativagentur um „temporäre Nutzung von Leerständen“ ersuchen. Dafür gibt es sogar einen Mietzuschuss, allerdings nur, wenn „die Dringlichkeit des Bedarfs und die Relevanz für den Kreativstandort Hamburg“ gegeben sind. Unmissverständlicher kann man nicht klarstellen, was „Kreativität“ hier zu sein hat: Nämlich ein Profi t Center für die „Wachsende Stadt“.

Und da sind wir nicht dabei. Wir wollen nämlich keine von Quartiersentwicklern strategisch platzierten „Kreativimmobilien“ und „Kreativhöfe“. Wir kommen aus besetzten Häusern, aus muffigen Proberaumbunkern, wir haben Clubs in feuchten Souterrains gemacht und in leerstehenden Kaufhäusern, unsere Ateliers lagen in aufgegebenen Verwaltungsgebäuden und wir zogen den unsanierten dem sanierten Altbau vor, weil die Miete billiger war. Wir haben in dieser Stadt immer Orte aufgesucht, die zeitweilig aus dem Markt gefallen waren – weil wir dort freier, autonomer, unabhängiger sein konnten. Wir wollen jetzt nicht helfen, sie in Wert zu setzen. Wir wollen die Frage „Wie wollen wir leben?“ nicht auf Stadtentwicklungs- Workshops diskutieren. Für uns hat das, was wir in dieser Stadt machen, immer mit Freiräumen zu tun, mit Gegenentwürfen, mit Utopien, mit dem Unterlaufen von Verwertungs- und Standortlogik.

Wir sagen: Eine Stadt ist keine Marke. Eine Stadt ist auch kein Unternehmen. Eine Stadt ist ein Gemeinwesen. Wir stellen die soziale Frage, die in den Städten heute auch eine Frage von Territorialkämpfen ist. Es geht darum, Orte zu erobern und zu verteidigen, die das Leben in dieser Stadt auch für die lebenswert machen, die nicht zur Zielgruppe der „Wachsenden Stadt“ gehören. Wir nehmen uns das Recht auf Stadt – mit all den Bewohnerinnen und Bewohnern Hamburgs, die sich weigern, Standortfaktor zu sein. Wir solidarisieren uns mit den Besetzern des Gängeviertels, mit der Frappant-Initiative gegen Ikea in Altona, mit dem Centro Sociale und der Roten Flora, mit den Initiativen gegen die Zerstörung der Grünstreifen am Isebek-Kanal und entlang der geplanten Moorburg-Trasse in Altona, mit No-BNQ in St. Pauli, mit dem Aktionsnetzwerk gegen Gentrifizierung und mit den vielen anderen Initiativen von Wilhelmsburg bis St. Georg, die sich der Stadt der Investoren entgegenstellen.

Ted Gaier, Melissa Logan, Rocko Schamoni, Peter Lohmeyer, Tino Hanekamp und Christoph Twickel  für die „Not in Our Name, Marke Hamburg“-Initiative

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Recherchen zur käuflichen Presse – Schleichwerbung auf dem Vormarsch

Reklame hat ja bekanntlich viele negative Auswirkungen auf Pressefreiheit und Gesellschaft – wie ich auch schon in meiner kleinen Serie „Werbung schadet“ vor einiger Zeit darstellte, gibt es nicht zuletzt auch den Einfluss auf reklamefinanzierte Medien, die aus Rücksicht auf Werbekunden pfleglich mit gewissen Unternehmen umspringen. Das NDR-Medienmagazin ZAPP berichtete nun über die Undercover-Recherche eines taz-Redakteurs zu diesem Thema – also ob Zeitungen sich in ihren Inhalten an die Wünsche von potentiellen Kunden anpassen oder Werbung als solche deutlich kennzeichnen. Die Ergebnisse sind teilweise erfreulich (weil es durchaus einige Medien gibt, die solche Vorgehensweisen strikt ablehnen), andererseits auch ernüchternd, weil sich eben auch diverse Medien gerne dazu bereit erklärten, bei solchen undurchschaubaren Deals mitzumischen. „Undercover: Recherchen zur käuflichen Presse“:

Reklame – schalten Sie da auch immer ab? Oder überlesen Werbeanzeige einfach? Für Unternehmen ist das bedauerlich. Schließlich wollen die Ihnen was verkaufen. Und finden dafür auch tatsächlich immer wieder Mittel und Wege. Einer führt direkt in die Redaktionen. Eigentlich sollen PR und journalistische Inhalte dort streng getrennt werden, doch das ist nicht immer der Fall. ZAPP über journalistische Mogelpackungen und gekaufte Inhalte.

Er hat aufgedeckt, was eigentlich kein Zeitungsleser erfahren soll. Der “taz”-Redakteur Sebastian Heiser hat ein heimliches Geschäft offen gelegt. Seine verdeckten Aufnahmen zeigen, wie bereitwillig sich manche Zeitung kaufen lässt.

Bei der “Frankfurter Rundschau” hieß es demnach: “Im Prinzip sind wir für alles offen. Wenn Sie heute mit dem Thema kommen Solarenergie, dann machen wir halt nächste Woche das Thema Solarenergie.” (…)

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Die Durchkommerzialisierung der digitalen Welt – Teil 2: Apple

© michaelaw, stock.xchng

Nachdem ich im ersten Teil meiner kleinen Serie über die Kommodifizierung und Konzernisierung der digitalen Medien (vor allem des Internets) Facebook und seine Auswirkungen auf die Art und Weise, wie wir mit dem Web umgehen, beleuchtet habe, ist heute ein anderer großer „Player“ an der Reihe – Apple. Apple sorgt in anderer Form dafür, dass sich das digitale Nutzungsverhalten der Menschen ändern kann und dem Kommerz Vorschub geleistet wird, denn das Unternehmen bringt mit dem iPhone und dem iPad Geräte auf den Markt, die proprietäre Software benutzen und bei denen Apple versucht, den Daumen auf die Datenströme zu haben. Dies könnte in letzter Konsequent eine Beschneidung der Meinungsfreiheit bedeuten, wie in den letzten Monaten in diversen Medien kritisiert wurde. Ein Beispiel für skeptische Berichte ist „Wenn Apple zensiert“ im Medien-Monitor:

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„Es war einmal…“ So fangen für gewöhnlich Märchen an. Hoffentlich werden nicht irgendwann unsere Enkel und Urenkel von Anfangstagen des Internets und des freien Informationsflusses so erzählen müssen: „Es war einmal eine Zeit, in der immer größeren Bevölkerungsschichten Informationen zugänglich wurden und politische und demokratische und kritische Meinungsbildung für viele Menschen erschwinglich und möglich wurde. Dann kamen die großen Konzerne, entdeckten die digitalen Medien für sich und nahmen sie fortan für sich in Beschlag.“ Der Trend zu immer mehr Kommerz im Netz ist ja nun schon seit Jahren in vollem Gange, und seitdem die Medienkonglomerate die Bedeutung des neuen Mediums erkannt haben, drängen sie immer stärker auf eine Art gewinnmaximierende Gleichschaltung. Natürlich versucht auch die Politik, zunehmend Einfluss auf das Internet und die dort vorhandenen Meinungs- und Informationsströme zu nehmen (nicht nur in Diktaturen wie Libyen etc., sondern auch im ach so demokratischen Westen, Stichwort „Netzsperren“), aber in meinem heutigen Artikel soll es um die wirtschaftlichen Interessen gehen, die zum Teil den politischen jedoch durchaus in die Hände spielen. Haben wir eh nur „Die Illusion vom freien Internet“, wie der Slow-Media-Blog vor einigen Monaten urteilte?

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