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Werbung: einige volkswirtschaftliche und soziale Auswirkungen, Teil 2/2

Dies ist der zweite Teil des Artikels „Werbung: Einige volkswirtschaftliche und soziale Auswirkungen“ von Prof. Dr. Christian Kreiß der Hochschule Aalen. Den ersten Teil findet Ihr HIER.

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V. Werbung und Medien
Haupteinnahmequelle der privaten Fernseh- und Rundfunksender sind Werbeeinnahmen. (vgl. Geschäftsbericht Pro7Sat.1 Group für 2011, S.162: Von Gesamteinnahmen in Höhe von etwa 2,75 Mrd. Euro entfielen 85,7% bzw. etwa 2,35 Mrd. Euro auf direkte Werbeeinnahmen, die verbleibenden 14,3% bzw. knapp 0,4 Mrd. Euro im Wesentlichen auf indirekte Werbeeinnahmen wie Vermarktung von Rechten, Distributionsvereinbarungen, Telefonmehrwertdiensten und Verkäufen von Programmrechten) Aber nicht nur die privat- und zu einem guten Teil auch die öffentlich-rechtliche Fernseh- und Rundfunklandschaft, sondern auch ein großer Teil der Presse ist stark von Werbeeinnahmen abhängig. Im Durchschnitt der deutschen Zeitungen wurden 2008 etwa „zwei Drittel der Umsätze […] mit Anzeigen und Werbung und ein Drittel mit dem Verkauf erzielt“. (Bundesverband deutscher Zeitungsverleger, 27.8.2009: Bei Gesamteinnahmen der deutschen Tageszeitungen von 9,09 Mrd. Euro 2008 betrug allein der Werbeumsatz 4,37 Mrd. Euro.) Welche Folgen hat dies für die berichteten Inhalte?

In den 1980er Jahren gab es bei einem seinerzeit kleineren Pharmaproduzenten in München einen umweltschädlichen Vorfall, der Greenpeace München bekannt wurde. Als Greenpeace München sich daraufhin an eine große Tageszeitung wandte mit der Bitte um Berichterstattung erhielt es die Antwort, der Pharmaproduzent sei ein wichtiger Anzeigenkunde, man wolle von einer Berichterstattung Abstand nehmen. (Der Autor war seinerzeit aktives Mitglied bei Greenpeace München und hat diesen Vorfall selbst miterlebt.)

Durch die Abhängigkeit fast aller Medien von Werbe- und Anzeigeneinnahmen ist eine kritische Berichterstattung über die Werbekunden nicht zu erwarten, da sich die Medien sonst von ihren wichtigsten Geldgebern abschneiden würden. Man kann daher davon ausgehen, dass bei einem maßgeblichen Teil der deutschen (und internationalen) Medien auf bestimmten Gebieten einseitige Berichterstattung stattfindet: Halb-, Dreiviertel- oder Neunzehntel- Wahrheiten zu Gunsten der Industrie bzw. der Werbe- und Anzeigengeldgeber. Negative Aspekte oder tiefer gehende Kritik an den Werbekunden werden auf Grund der ökonomischen Abhängigkeitsverhältnisse häufig stillschweigend übergangen.

Laut einer Studie der Marquette University, Wisconsin gaben 90 aller befragten Nachrichtenjournalisten an, bereits mindestens einmal Druck seitens Werbekunden auf redaktionelle Inhalte erlebt zu haben. Mehr als ein Drittel sei einmal eingeknickt. (Vgl. Lasn, S.48)

Am 8.6.2013 berichtete die „Süddeutsche Zeitung“, dass der geschichtsträchtige Platz „Sol“ in Madrid umbenannt wurde in „Vodafone Sol“, weil Vodafone bereit war, hierfür 3 Mio. Euro zu bezahlen. Dies habe zu erheblichem Unmut in der spanischen Bevölkerung geführt, Madrids Herz sei nun verkauft worden. Unter der Überschrift „Zeitungen schweigen aus Angst“ führt die Süddeutsche Zeitung aus: „Die beiden großen Zeitungen El País und El Mundo haben die beispiellose Neuerung nicht kommentiert, geschweige denn bejubelt. Redakteure geben hinter vorgehaltener Hand zu verstehen, dass ihnen die Umbenennung überaus peinlich ist. Doch andererseits ist Vodafone ein potenter Anzeigenkunde, den man angesichts der finanziellen Schieflage der Verlage nicht vergrätzen dürfe.“

VI. Werbung und Gesundheit

Süßigkeitenwerbung für Kinder
Der Zentralverband der deutschen Werbewirtschaft arbeitet in einer 29 Seiten umfassenden Broschüre heraus, dass Werbung nicht schuld an Übergewicht oder Fehlernährung von Kindern sei und dass statt gesetzlicher Werbeeinschränkungen Selbstverantwortung der Werbetreibenden der bessere Weg sei. Dies wird an Hand mehrerer wissenschaftlicher Studien belegt. (Vgl. ZAW, Kinder/ Werbung/ Ernährung) Auch sei der Einfluss von Werbung auf das Leben von Kindern allgemein stark überschätzt. (Vgl. ebd., S.12)

Unabhängige Untersuchungen wie beispielweise von foodwatch oder der Deutschen Gesellschaft für Kinder- und Jugendmedizin (DGKJ) kommen jedoch zu entgegengesetzten Resultaten (So lautet eine Überschrift im Foodwatch Report 2012: „Werbung und Marketing für Kinderlebensmittel – Wie die Lebensmittelkonzerne Kinder verführen, Eltern manipulieren und Familien belästigen“ Foodwatch Report, S. 29; Vgl. DGKJ 2010): Fernsehwerbung für Kinder funktioniere und führe zu Fehlernährung und Übergewicht; Firmen und Hersteller sprächen daher immer jüngere Altersgruppen an (auch 2- bis 5-Jährige), um das Essverhalten frühzeitig zu prägen; Werbung preise nicht das frische Obst, sondern Produkte, die kaum wertvolle Inhaltsstoffe, sondern viel zu viel Zucker, Fett und Salz enthielten. (Auf bei Kindern besonders beliebten Kanälen (MTV Pro7, Nickelodeon) fand sich 2010 ein Anteil von rund 98% ungesunder Produkte unter den beworbenen Lebensmitteln… „TV- Werbung für zweifelsfrei unbedenkliche Lebensmittel wie Obst und Gemüse sei mit einem Anteil von 1% „praktisch unsichtbar“, so Children Now.“ Foodwatch Report 2012, S.37.) Die Deutsche Gesellschaft für Kinder- und Jugendmedizin (DGKJ) bezieht sich hierbei auf über 200 Erhebungen und Studien weltweit und setzt sich für ein Werbeverbot für Kinder unter zwölf Jahren wie in Norwegen und Schweden ein. Die Aussagen der DGKJ werden in der Broschüre des Zentralverbandes der deutschen Werbewirtschaft nicht erwähnt.
Grundsätzlich stellt sich die Frage: Wenn Werbung wirklich so wenig Einfluss hat, wie der Zentralverband der deutschen Werbewirtschaft sagt: Weshalb umwerben dann die Hersteller von Süßigkeiten so stark und immer mehr gerade die Zielgrupe kleiner Kinder? (Vgl. DGKJ 2010: ein fernsehendes Kind sieht pro Jahr 20.000 bis 40.000 Werbespots. „Gut die Hälfte aller Spots vermarkten Süßwaren, Limonaden und Knabberartikel“. „Wir beobachten sogar die Tendenz, dass die Firmen und Hersteller immer jüngere Altersgruppen ansprechen.“ (Prof. Dr. Berthold Koletzko, Leiter der Ernährungskommission der DGKJ)) Warum entfällt dann der größte Teil der Werbeaufwendungen im Lebensmittelbereich, 23%, gerade auf die besonders ungesunden Süßwaren? (ZAW 2011, S.208)

Werbung und Pharmaindustrie
Die großen Pharmakonzerne geben weltweit deutlich mehr Geld für Werbung aus als für Forschung und Entwicklung. (Vgl. Angell, Der Pharma- Bluff, S. 37f) Auch die Gewinne der großen Pharmahersteller übersteigen die Ausgaben für Forschung Entwicklung bei weitem. Dennoch versucht die Branche nach Aussage der renommierten Ärztin und Journalistin Marcia Angell (Marcia Angell, Ärztin für innere Medizin und Pathologie war „Chefredakteurin des New England Journal of Medicin, der bedeutendsten medizinischen Fachzeitschrift der Welt“, Angell, S.2 ) durch geschickte Werbung gerade die gegenteilige Ansicht zu verbreiten: Dass die hohen Arzneimittelpreise an den hohen Ausgaben für Forschung und Entwicklung lägen. (Vgl. Angell, S.59ff.) Die hohen Werbebudgets der Branche, die diese Ansicht verbreitet, führen zu einer Fehlwahrnehmung in der Öffentlichkeit. Statt die reichlich zur Verfügung stehenden Gelder für die Erforschung wirklich innovativer Medikamente einzusetzen, wird ein großer Teil des Geldes laut Angell stattdessen für Marketing verwendet. Statt guter neuer Medikamente bzw. statt Gesundheit erhalten wir Verbraucher bunte Bilder und Werbespots über Gesundheit. Eine tragische Fehlverwendung von Ressourcen. (Vgl. Angell, S.72ff.)

In Deutschland führten gezielt Sorge hervorrufende Werbemaßnahmen der Pharmaindustrie mit der Absicht, Eltern zum vermehrten Impfen ihrer Kinder zu bringen dazu, dass Eltern die Gefahren von Zeckenbissen auf einer Skala der Wichtigkeit auf Rang 2, von Menengitis (Gehirnhautentzündung) auf Rang 4, von Kinderkrankheiten auf Rang 6 und von Hepatitis auf Rang 7 setzten – Risiken, die bei den Werbemaßnahmen eine große Rolle spielen. (Vgl. Hirte S.22. Hirte bezieht sich hierbei auf eine Studie des bayerischen Landesamtes für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit von 2005.) Dagegen gaben Experten, im Wesentlichen Ärzte, „den entsprechenden Risiken lediglich die Ränge 19, 20, 29 und 36 auf der Risikoskala.“ Diese interessante Beeinflussung der Wahrnehmung in der Bevölkerung zeigt anschaulich, wie Werbung die Meinung in die gewünschte Richtung lenken kann – zum Wohle der Pharmaindustrie. Die möglichen nachteiligen Folgen des Impfens für Kinder wie Allergien, rheumatischen Erkrankungen und Abwehrschwäche werden hingegen in der Regel kaum erwähnt. (Vgl. Hirte S.85 und 88)

VII. Politische Folgerungen

Wie in obigen Ausführungen aufgezeigt, hat Werbung diverse nachteilige Folgen auf verschiedenen gesellschaftlichen Ebenen. Entsprechend hätte eine Reduzierung von Werbung positive wirtschaftliche und soziale Auswirkungen.

Ein Weg in diese Richtung könnte die Einführung von Werbeeinschränkungen für diverse Branchen nach skandinavischem Vorbild sein. (Dies fordern viele unabhängige Fachleute dezidiert für Kinderwerbung: „Der Frankfurter Zukunftsrat setzt sich aufgrund der vorliegenden Erkenntnisse, Daten und Fakten für ein Verbot von an Kinder gerichteter TV- Werbung für ungesunde Lebensmittel ein, wie es in ähnlicher Weise auch von medizinischen Fachgesellschaften gefordert wird.“ Foodwatch Report, S. 45) Selbstverständlich sollte nicht sämtliche Werbung davon betroffen sein, da es auch gute Hinweise auf sinnvolle Dinge gibt, etwa für sozial, ökologisch oder kulturell förderliche Produkte.

Besser als Verbote wäre unter marktwirtschaftlichen Aspekten vermutlich ein Einwirken auf die ökonomischen Anreizstrukturen. So könnte man einen erhöhten Mehrwertsteuersatz auf alle Werbeaktivitäten von anfangs etwa 25% einführen, der in einem angekündigten Stufenplan Jahr für Jahr erhöht wird. Diese allmähliche Verteuerung der Werbung würde dazu führen, dass sie langsam, aber sicher reduziert würde. Das hätte den Vorteil, dass die Werbebranche viel Zeit hätte, ihre Aktivitäten systematisch und sozialverträglich abzubauen.
Durch den allmählichen Abbau der unseren realen Wohlstand vermindernden Werbeaktivitäten würden viele Produkte und Dienstleistungen für uns Konsumenten langsam billiger, die Reallöhne würden steigen und Lebensstandard sowie Lebensqualität in unserem Land würden sich erhöhen.

Literatur

  • Angell, Marcia, Der Pharma- Bluff Wie innovativ die Pillenindustrie wirklich ist, Bonn/ Bad Homburg 2005
  • Bundesverband deutscher Zeitungsverleger (Hg.), Agnes Pasquay, Zur Lage der Zeitungen in Deutschland 2009, 27.8.2009, www.bzdv.de
  • Bundesverband der freien Berufe (BFB), Werbung in den freien Berufen, Berlin 20.1.2005
  • Danoritzer, Cosima, Kaufen für die Müllhalde, Dokumentationsfilm, arte, 2011 Deutsche Gesellschaft für Kinder- und Jugendmedizin e.V. (DGKJ), Werbung schauen macht Kinder dick. Kinderärzte fordern Werbebeschränkungen, Berlin, 20. Okt. 2010
  • Die Welt in Zahlen 2012, brand eins Verlag, Hamburg 2011
  • Foodwatch Report 2012, Kinder kaufen Wie die Lebensmittelindustrie Kinder zum falschen Ernährung verführt, Eltern täuscht und die Verantwortung abschiebt, Berlin Februar 2012
  • Greenpeace Magazin, Hamburg 4/ 2010
  • Hirsch, Fred, Social Limits to Growth, London 2005
  • Hirte, Martin, Impfen Pro und Contra Das Handbuch für die individuelle Impfentscheidung, München, 2. Auflage 2008
  • Homburg, Christian und Krohmer, Harley, Marketingmanagement Strategie – Instrumente – Umsetzung – Unternehmensführung, Gabler- Verlag, Wiesbaden, 2. Auflage 2006
  • Kirsch, Guy, Neue Politische Ökonomie, Stuttgart, 5. Auflage, 2004
  • Lasn, Kalle, Culture Jamming – Das Manifest der Anti-Werbung, orange press, Mailand, o.D., deutsche Ersterscheinung 2005, englischsprachige Originalausgabe 1999
  • Lindstrom, Martin, Buy-ology Warum wir kaufen, was wir kaufen, Frankfurt 2009
  • Lorenz, Konrad, Das sogenannte Böse Zur Naturgeschichte der Aggression, München, 11. Auflage 1984
  • Mueller, Dennis C., Public Choice III, New York 2008
  • Pro7Sat.1 Group, Geschäftsbericht 2011
  • Reischauer, Claudia, Vermarkten für den Müll?, in: Absatzwirtschaft, Verlagsgruppe Handelsblatt, Düsseldorf 12/2011, S. 18–25
  • Reuß, Jürgen, Dannoritzer, Cosima,
  • Schridde, Stefan und Kreiß, Christian (unter Mitarbeit von Winzer, Janis) (2013), Geplante Obsoleszenz, Entstehungsursachen, Konkrete Beispiele, Schadensfolgen, Handlungsprogramm, Gutachten im Auftrag der Bundestagsfraktion Bündnis 90/Die Grünen, Berlin 20.3.2013
  • Slade, Giles, Made to Break – Technology and Osolescence in America, Cambridge und London 2007
  • Zentralverband der deutschen Werbewirtschaft ZAW, Werbung in Deutschland 2011, Berlin, April 2011
  • Zentralverband der deutschen Werbewirtschaft ZAW, Kinder/Werbung/Ernährung Fakten zum gesellschaftlichen Diskurs, Berlin Oktober 2010

Zusammenfassung:
Der vorliegende Aufsatz zeigt auf, welche negativen Auswirkungen Werbung auf verschiedene gesellschaftliche Gebiete hat: Sie führt zu Fehlverwendung von Ressourcen, desinformiert, fördert geplante Obsoleszenz, vermindert die Pressefreiheit, macht unsere Kinder krank und führt zu höheren Medikamentenpreisen. Der Autor empfiehlt als politische Gegenmaßnahmen Werbeeinschränkungen und einen erhöhten Mehrwertsteuersatz auf Werbung.

Angaben zum Autor:
Der Autor studierte Volkswirtschaftslehre und promovierte in München über die Große Depression 1929 bis 1932. Nach neun Jahren Berufstätigkeit als Bankier in verschiedenen Geschäftsbanken, davon sieben Jahre als Investmentbanker, unterrichtet er seit 2002 als Professor an der Hochschule Aalen Finanzierung und Wirtschaftspolitik. 2004 und 2006 hielt er an der University of Maine, USA, Master of Business Administration (MBA)- Vorlesungen über investment banking. Zahlreiche Veröffentlichungen, Vorträge, Rundfunk- und Fernsehinterviews zur aktuellen Finanzkrise, geplantem Verschleiß und Wegen in eine menschengerechte Wirtschaft.

Homepage: www.menschengerechtewirtschaft.de.

Adresse:
Hochschule für Wirtschaft und Technik Aalen
Beethovenstr. 1 73430 Aalen

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Aldi u.a. Konzerne nutzen Bürgerentscheide zu ihren Gunsten

Heute gleich, wie schon angekünigt, noch ein zweiter Beitrag aus der quer-Sendung von letzter Woche. Bürgerentscheide und -begehren gelten ja als probates Mittel der Basisdemokratie, ermöglichen sie doch den von einer Entscheidung Betroffenen, ihre Meinung kundzutun und mehrheitsfähig zu machen, anstatt dass von oben herab über ihre Köpfe entschieden wird. So weit, so gut. Die Befürchtung, die Skeptiker von Bürgerentscheiden hegen, ist, dass diese von mächtigen Playern genutzt werden, um Dinge zu ihren Gunsten umzubiegen – z.B. mit Hilfe von medialem Einfluss o.ä. Solch einen Fall zeigte quer – Aldi will in einem Naturschutzgebiet ein Logistikzentrum für ihren ganzen billigen Plunder errichten und nimmt offenbar Einfluss auf die kommunale Politik, und die Bürger. „Volkes Wille? Spekulanten nutzen Bürgerentscheid“:

Bürgerentscheide werden im Allgemeinen als das letzte Mittel der Bürger begriffen, um etwas notfalls auch gegen den Willen gewählter Volksvertreter durchzusetzen. Doch in Bayern scheint es inzwischen mitunter so, als würde das Prinzip Volksentscheid umgekehrt: Beim Versuch, den Willen von Firmen oder Spekulanten durchzusetzen. Sollte das funktionieren, dann könnte in Gilching schon bald ein Logistikzentrum mitten ins Landschaftsschutzgebiet gebaut werden.

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PR in der Schule

So, nachdem ich am Freitag auch mal ein Beispiel für positive Ideen in meinen Blog gewuchtet habe, muss ich Euch heute leider wieder mit den unschönen Seiten unseres Systems konfrontieren. Anlass ist der Beitrag „Lehrmittel – PR in der Schule“ in der NDR-Sendung ZAPP. Schon vor einer Weile hatte ich ja über die besonders perfide und verabscheuungswürdigen Machenschaften gewisser PR-Agenturen und Konzerne berichtet, die sich ihre Kunden bereits im Kindesalter an Land ziehen wollen, indem sie Kinder und Jugendliche dort beeinflussen, wo sie es am wenigsten erwarten und auch am wenigsten wehren können, nämlich in der Schule (siehe z.B. meinen Artikel „Propaganda im Klassenzimmer“). Dies ist bereits schlimm genug, wenn es sich um plumpe Markenreklame handelt, mit denen die Hirne junger Menschen verkleistert werden, wird aber fast schon kriminell, wenn ideologische Ideen wie die der Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft (INSM) in die Klassenräume gebracht werden sollen.

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Spin-Doktoren – Marionettenspieler der Macht

Die Arte-Dokumentation, die ich Euch heute vorstellen will, ist schon etwas älter und wurde auch schon mal in einem Kommentar hier im Blog erwähnt. Aber irgendwie habe ich es bisher nie geschafft, sie mal unterzubringen. Nun aber! Es geht um „Spin-Doktoren – Die Marionettenspieler der Macht. Von Medien, Marktforschern und Meinungsmachern: über die jüngste Geschichte des Polit-Marketings“, eine Sendung, die zeigt, wie weit mittlerweile Marketingsgesuchtspunkte in der Politik und vor allem im Wahlkampf vorgedrungen sind. Heutzutage müssen sich Parteien übers Image, über eine schillernde Oberfläche, über einen schicken und hippen (oder seriösen, je nach Zielgruppe) Schein positionieren – genau wie Hundefutter, Softdrinks oder Fernsehstars müssen Politiker angepriesen und beworben werden.

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Lobbykratie – Die inoffizielle Macht

Das Thema Lobbyismus begleitet mich ja nun schon von den Anfängen des Konsumpfs an. Man kann eigentlich auch kaum über die Zustände in der Welt, über das Wirtschaftssytem, seine Folgen für Umwelt und Menschen, über mediale Kampagnen und Beeinflussung im Sinne der großen Konzerne referieren, ohne quasi automatisch über den Begriff „Lobbykratie“ zu stolpern. Dieses Schlagwort bezeichnet meines Erachtens sehr gut und treffend, wie sehr wir uns gerade in den westlichen Staaten von den einstigen idealen der Demokratie entfernt haben und wie immer mehr Entschiedungsgewalt von den sogenannten Volksvertretern in die Hände der Vorstandsvorsitzenden der Unternehmen übergeht. Natürlich nicht offiziell und auch nicht unbedingt sofort zu erkennen, aber spätestens seit dem Siegeszug der Public Relation-Industrie, die die Wünsche der Wirtschaft so geschickt verpackt und mit Zuckerguss versieht, dass die Bürger und Politiker sie möglichst widerstandslos schlucken.

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Kunstaktion Goebbels.info

Sind Nazivergleiche und -bezüge nicht längst überholt, ewiggestrig und ausgelutscht? Nun, der serbische Künstler Aleksandar Maćašev dachte sich – nicht zu Unrecht –, dass gerade in der heutigen Zeit, wo die Medienlandschaft immer stromlinienförmiger wird und sich im Mainstream wenige große Konzerne um die Meinungshheit balgen, ein Verweis auf den NS-Propagandaminister Joseph Goebbels aktueller ist denn je. Man denke nur an die einseitige Berichterstattung rund um den Libyen-Konflikt und an viele andere globalpolitische Entwicklungen, die erstaunlich unisono an die Massen vermittelt werden. Und so erstellte Maćašev im Rahmen seiner Aktion goebbels.info u.a. große Plakate, die er 2005 während des Belgrad Sommer-Festivals BELEF in der Stadt verteilte, bei denen das Goebbels-Konterfei aus vielen kleinen Konzernlogos zusammengesetzt ist und die zum näheren Hinschauen animieren sollen. Ich zitiere mal die offizielle Pressemitteilung:

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The Century of Self – Das Jahrhundert von Propaganda und Beeinflussung

Man kann auf das Fernsehen und die Sender ja (durchaus berechtigterweise) schimpfen, soviel man will, aber es gibt doch immer wieder einige wirklich hervorragende Beiträge, die helfen, Licht ins Dunkel der heutigen Welt und ihrer Entwicklung zu bringen. Hierzulande tut sich bekanntlich vor allem Arte mit fundierten Dokumentationen und auch kritischen Beiträgen zum Weltgeschehen und sozialen Entwicklungen hervor, in England ist dies seit jeher die BBC. Vor einigen Jahren sendete sie die vierteilige Serie „The Century of Self”, die ich Euch unbedingt empfehlen möchte, weil sie auch gut zum Thema meines Blogs passt und zudem von zeitloser Aktualität ist.

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Meme Warfare – der Guerrillakrieg der Informationsgesellschaft (1/2)

© vassiliki, stock.xchng

Vor ca. drei Jahren stieß ich zum ersten Mal auf die Theorie des „Meme Warfare“, des „Kriegs der Gedankengene“ – Kalle Lasn, der Gründer der kanadischen Zeitschrift Adbusters beschrieb in seinem Buch „Culture Jamming“ plastisch, wie man mit den richtigen Ideen und Glaubenssätzen Veränderungen in den Köpfen der Menschen und damit in der Gesellschaft bewirken kann. Wem dies ein zunächst zu esoterisch anmutender Gedanke ist, der sei darauf verwiesen, dass wir seit jeher von „Meme Warfare“ umgeben und beeinflusst werden – Religionen, Politik, Ideologien arbeiten im großen Stil auf dieser Basis, und auch heutzutage sieht man dies an vielen Beispielen, allen voran der Gehirnwäsche per excellence, der Reklame. Warum wohl geben die Konzerne Abermilliarden aus, um ihre Botschaften Tag und Nacht ins Bewusstsein der Menschen zu transportieren? Weshalb stellt sich eine Bundesarbeitsministerin werbewirksam vor ein eigens für diesen Auftritt angefertigtes Plakat, auf dem „unter 3 Mio. Arbeitslose“ steht, wohlwissend, dass die Realität anders aussieht? Warum gibt es auf Infokrieger- und „Wahrheits“-Websites mantrahaft wiederholte Slogans von „Klimaschwindel“ und „New World Order“? Wieso jubelt die BILD einen Politiker oder Hetzautoren permanent hoch und bringt tendenziöse Interviews mit ihm, während gleichzeitig andere Leute einseitig abgewertet werden? All dies sind Prozesse, um die Meinungen von Menschen Stück für Stück in eine gewünschte Richtung zu bewegen – was an und für sich natürlich erst einmal völlig wertneutral ist.

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Schwarz wie Milch – Kurzfilm über Manipulation in den Medien

Den wunderbaren Kurzfilm „Schwarz wie Milch“ von Stefan Kempas, der seine Abschlussarbeit an der seine Bachelorarbeit an der Hochschule Ulm darstellt, habe ich gerade in Michael Wenzls Blog entdeckt. Er befasst sich – durchaus mit einem ironischen Zungenschlag – mit der Beeinflussung unserer Meinung und Weltsicht durch Medien und Reklame:

[…] Wenn die Welt nur noch aus Lügen besteht, dann wird die Wahrheit das Ein- zige sein, was niemand mehr glaubt. Ein schöner Satz, oder? Drehen wir ihn mal um. Wenn die Welt nur noch aus Wahrheiten besteht, erkennt niemand mehr die Lüge. Funktioniert auch. Nur weil man einen Satz mit „Ja“ beant- worten kann, bedeutet es nicht, dass er deiner Meinung entsprechen muss. Wir leben in keiner schwarz weißen Welt. Manipulation funktioniert aber nach diesem stupiden Prinzip. Wer sich informiert wird eine eigene Meinung haben. […]

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L.A. Law – Wie Hollywood unser Rechtssystem formt, Teil 2/2

exekutDies ist die Fortsetzung meiner gestern begonnenen Übersetzung des Artikels „L.A. Law: How Hollywood is shaping our legal system“ von Julie Scelfo, der unter dem Titel „When law goes Pop“ im Stay Free Magazin #18 erschien. Es ist ein sehr interessantes und in Bezug auf den Einfluss, den das Fernsehen mittlerweile auch auf unsere Rechtssprechung hat, enthüllendes Interview mit dem Juraprofessor Richard Sherwin.

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Julie Scelfo (J.S.): Im amerikanischen Rechtssystem sollen Anwälte sich auf Rechts-Argumente stützen, nicht auf Gefühle. Was passiert mit Verhandlungen, die auf dieser Art von nicht greifbaren – und in manchen Fällen unterbewussten – Methoden basieren, im Gegensatz zu den traditionellen mündlichen Argumenten, die auf Fakten beruhen?

Richard Sherwin (R.S.): Die größte Angst, die mit visuellen Überzeugungsmethoden verbunden ist, ist die Vorstellung, dass das Ideal der rationalen Überzeugung kurzgeschlossen wird mit einer eher emotionalen Form der Beurteilung. Die Furcht ist, dass einige Formen von Vorurteilen, die bei einer mündlichen Präsentation nicht zum Tragen kommen, auf der visuellen Ebene funktionieren können, weil visuelle Bilder so überbestimmt sind. Irgendwo dort in den unbewussten Tiefen des Bildes schweben einige nützliche Assoziationen herum. Eine der Sachen, de ich mit meinem Buch erreichen möchte, ist, Richter über die Komplexität der visuellen Bilder aufzuklären, so dass sie mit diesen Gefahren der Vorurteile effektiver umgehen können.

J.S.: Lesen Richter das Buch?

R.S.: Ich stehe in Kontakt zu Richtern, und sie sind begierig darauf, solchen Input zu bekommen, weil sie mehr und mehr visuelle Medien im Gerichtssaal sehen, wie z.B. Überwachungsvideos, die bearbeitet wurden. Denken Sie an den Fall von Rodney King, wo Sie einen Staatsanwalt hatten, der absolut überzeugt davon war, dass es ein klarer Fall war, der auf dem George Holliday-Video fußte, das King zeigte, wie er von der Polizei verprügelt wurde. Er machte sich nicht bewusst, dass die Anwälte, die die L.A. Polizeibeamten verteidigten, durch Editierung der Bilder die ganze Geschichte geändert hatten.

J.S.: Wie haben sie das Video bearbeitet?

R.S.: Die Verteidiger verlangsamten es enorm, so dass man Bild-für-Bild-Sequenzen sah, die die Gewalt abmilderten. Aber noch viel schlimmer für die Anklage war eine Veränderung der Geschwindigkeit der Bilder im Zusammenhang mit der Verteidigungs-Theorie. Die Verteidigungs-Theorie war, das Rodney King alles unter Kontrolle hatte und dass er, wenn er die vorgeschriebene Bauchlage eingenommen hätte, nichts weiter passiert wäre. Der einzige Grund, weshalb er geschlagen wurde, so ging die Argumentation, war, dass er sich der Festnahme widersetzte. Und was die Bilder in der verlangsamten Form zeigten, war Rodney King, wie er sich nach oben bewegte, und ein Schlagstock, der niedersauste.

S.J.: In der Reihenfolge?

R.S.: In der Reihenfolge. Als Kings Gliedmaßen nach unten gingen, ging der Knüppel nach oben und ein anderes Körperteil ging nach oben und ein anderer Schlagstock sauste nieder. Und genau das haben die Geschworenen gesehen. Mit anderen Worten, sie lasen Kausalzusammenhänge in die Bilder. Die Verteidigung orchestrierte das Video so, dass die Geschworenen Kausalität ableiteten.

S.J.: Was gegen die Intuition ist. Man würde denken, dass das Videoband die Geschworenen zu dem Schluss bringen würde, dass die Beamten, die King schlugen, schuldig waren.

hallwR.S.: Der Staatsanwalt forderte die Geschworenen unablässig dazu auf, sich das Band anzuschauen, ohne mehr zu sagen. „Sehen Sie sich nur das Band an.“ Aber was ihm nicht klar war: die andere Seite hatte die Bedeutung der Bilder okkupiert, indem sie die Geschichte in einer anderen Weise erzählten, so dass, wenn die Leute das Videoband sahen, sie es durch die Augen der Verteigungs-Geschichte betrachteten. Der Staatsanwalt bot keine eigene Erzählung an, und deshalb war dies die einzige Geschichte, die die Geschworenen hatten. Sie benutzen sie, um die Informationen, die sie auf dem Video sahen, zu ordnen. Kognitive Psychologen haben gezeigt, dass die Art, wie Menschen zu Beurteilungen in Rechtsfällen gelangen, ist, indem sie eine Geschichte erzählen, wie alles geschah. Anwälte gewinnen Prozesse, indem sie die beste Geschichte erzählen – diejenige, die die meiste Glaubwürdigkeit versammelt, diejenige, die am meisten Sinn ergibt, diejenige, die am anziehendsten wirkt. Und wenn man selbst keine Geschichte erzählt, und die Gegenseite eine eigene Story bietet und man selbst nur Bruchstücke von Argumenten, wird man es bedeutend schwerer haben, die Geschworenen zu überzeugen.

J.S.: Ich weiß nicht, wie Sie in Bezug auf den King-Prozess fühlen, aber würden Sie den Einsatz visueller Technologie als Erfolg werten?

R.S.: Ich bin ein unbedingter Verteidiger des Systems der Prozessgegner, aber nur, wenn es wirklich funktioniert. Wenn ein Anwalt oder ein Richter nicht ausreichend in einem Medium geschult ist, wie z.B. in den visiuellen Medien, dann sollte dieses Medium nicht für das Kreuzverhör verwendet werden. Und wenn es nicht in dieser Weise angewendet wird, ist das System der Prozesgegner nicht wirklich funktionsfähig. Das Problem, das ich mit dem King-Fall habe, ist, dass es die Verteidigung zu einfach hatte. Wenn ein Staatsanwalt mit der selben Fähigkeit, Geschichten zu erzählen und der selben Medienkompetenz um das Urteil der Geschworenen gekämpft hätte, dann hätten wir meiner Ansicht nach einen anderen Prozessausgang erlebt.

J.S.: In anderen Ländern, vor allem in Kanada, ist Medienkompetenz bereits seit langer Zeit Teil der Ausbildung. Medienkritiker in diesem Lande haben sich längst dafür stark gemacht. Wann werden wir dies also auch in den USA sehen?

R.S.: Die USA hinkten der Welt in punkto Medienkompetenz schon immer hinterher. Leute mit paranoiden Fantasien mögen hier Erklärungen anbringen, wieso dies der Fall ist und wer hier die Kontrolle besitzt. Ich weiß es nicht. Für mich ist eine der Zielvorstellungen, dass, wenn man in einer Demokratie lebt, man einen sinnstiftenden Informationsfluss benötigt. Einen bedeutungsvollen Austausch. Dies war seit jeher einer der Grundsätze der Regierung seit der Staatsgründung. Sie können keine florierende Demokratie haben, wenn die Menschen nicht ausreichend informiert sind. Insbesondere wenn man den verzerrenden Einfluss des Fernsehens berücksichtigt, denke ich, dass Medienkompetenz grundlegend für eine informierte Wählerschaft ist, und informierte Geschworene. Und wenn Sie auf Bilder reagieren, weil sie Sie an einen Film erinnern oder sie eine gefühlsmäßige Reaktion hervorrufen, die auf einer Werbung basiert, die Ihnen gefällt, dann steht das nicht im Einklang mit dem Ideal eines abwägenden Diskurses, den wir anstreben sollten.

J.S.: Damit haben Sie einen weiteren Grund angeführt, wieso Medienkompetenz unterstützt werden sollte: sie befähigt Bürger, besser zur Rechtssprechung beizutragen.

R.S.: Das stimmt. Ich denke, dass der Konsum von Informationen der wichtigste Konsumakt ist, den es gibt. Und wenn wir ihn nicht in einer kritischen Art und Weise durchführen, ist unser politisches Schicksal völlig offen – und in Gefahr.

J.S.: Wir stehen am Beginn eines neuen Jahrtausends. Was müssen die Menschen jetzt tun, um zu verhindern, dass aus der Rechtssprechung Popkultur wird?

R.S.: Es hängt direkt mit dem zusammen, was wir gerade über die Kultivierung eines kritischeren Grundhaltung gesagt haben, also Fähigkeiten zu lernen, um das zu interpretieren, was wir sehen. Und natürlich muss der Wille da sein, hinter die bloße Oberfläche der Bilder zu schauen. Eine Sache, die an der postmodernen Ära stimmt, ist, dass es schwieriger wird, zwischen Fiktion und Realität, oder zwischen Fantasie und Realität zu unterscheiden. Bis zu dem Punkt, wo Menschen politische oder juristische Entscheidungen treffen, die keinen Bezug zum realen Leben haben, sondern deren Impuls sie aus dem Fernsehen oder von Filmen ziehen – das ist ein verstörender Gedanke. Einer der Gründe dafür, dass Matrix so ein erfolgreicher Film war, ist vielleicht, weil er diesen Nerv getroffen hat, das wir möglicherweise in einer Welt frei schwebender Bilder leben, und dass es vielleicht egal ist. Wenn es nur Bilder sind, die wir erzeugen und auf die wir reagieren, wenn es nichts weiter gibt, wo man ankommen kann, dann lasst uns einfach diese Reise tun. Es ist wie Quentin Tarantinos Welt in Pulp Fiction: Gewalt ist lustig. Das reale Leben schlussendlich von Unterhaltungswerten abhängig zu machen ist, für meinen Teil, eine erschreckende Sache, wenn es um Politik und Rechtssprechung geht. Im Kino vielleicht nicht, aber in der Politik und Justiz schon. (…)

J.S.: Sie sagen also, dass es irgendwo eine Art von Realität geben muss.

R.S.: Ich behaupte nicht, dass es eine Form von Realität im gewöhnlichen Sinne von beweisbaren objektiven Dingen geben muss. Aber es gibt Bedeutungen und Werte und Glaubenssätze, die wir unterstützen können, auch wenn wir wissen, dass sie konstruiert sind. Sie können einen Film sehen und ihn genießen, in eine Vorlesung gehen und ihn zerpflücken und ihn anschließend noch mehr genießen. Wenn Sie verstehen, wie er erstellt wurde und wie er funktioniert, können Sie ihn am nächsten Tag immer noch sehen und von seiner Kraft verzaubert werden. Irgendwann müssen Sie eine Art von Bedeutung bejahen. Irgendwann. Eine ständige Diät von Desillusionierung nährt einen nicht ausreichend, um ein gutes Leben zu führen. Wir müssen uns klar machen, was unsere Glaubenssätze und Überzeugungen und Werte sind und sie bekräftigen

J.S.: Was würden Sie Kritikern antworten, die sagen: „Nun, Sie sind halt ein Linker, Sie sagen, dass die Gesellschaft auseinanderfällt, dass Rechtssprechung und Medien und Unterhaltung und Realität alle durcheinandergewürfelt werden, aber eigentlich war es schon immer so. Menschen haben sich immer Fiktion und Fantasie zugewendet, um ihr eigenes Leben zu verstehen und zu interpretieren.“

R.S.: Ich denke, das ist richtig. Ich stimme zu. Aber wir müssen die verschiedenen Dinge, die wirken, kennen. Die Frage ist nicht: „Können wir die Fiktion aus unserem Leben tilgen?“. Die wichtigere Frage ist: Welche fiktionalen Interpretationen haben reale Konsequenzen in Politik und Rechtssprechung, wie beeinflussen sie das Leben um uns herum? Wir sollten uns nicht  der Selbsttäuschung hingeben, dass es „nur Fiktion“ ist, oder „nur ein Bild“, lasst uns die Reise antreten, weil es so eine tolle Erfahrung ist. Ich bin nicht gegen Stimulierung der Sinne, aber ich möchte nicht, dass das Leben eines Menschen in einem Mordprozess davon abhängt.

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Dazu passt auch der Artikel „The CSI Effect“ in U.S. News & World Report (2005), den ich dann Euren Englischkenntnissen anheim gebe. :-) Er verdeutlich auf jeden Fall noch mal, welch verheerende Wirkung die ganzen gescripteten und inszenierten Crime-Storys im Fernsehen auf die reale Rechtssprechung haben.

(…) Stoked by the technical wizardry they see on the tube, many Americans find themselves disappointed when they encounter the real world of law and order. Jurors increasingly expect forensic evidence in every case, and they expect it to be conclusive.

“Your CSI moment.” Real life and real death are never as clean as CSI’s lead investigator, Gil Grissom, would have us believe. And real forensics is seldom as fast, or as certain, as TV tells us. Too often, authorities say, the science is unproven, the analyses unsound, and the experts unreliable. At a time when the public is demanding CSI -style investigations of even common crimes, many of the nation’s crime labs–underfunded, undercertified, and under attack–simply can’t produce. When a case comes to court, “jurors expect it to be a lot more interesting and a lot more dynamic,” says Barbara LaWall, the county prosecutor in Tucson, Ariz. “It puzzles the heck out of them when it’s not.” (…)

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