Meme Warfare – der Guerrillakrieg der Informationsgesellschaft (1/2)

© vassiliki, stock.xchng

Vor ca. drei Jahren stieß ich zum ersten Mal auf die Theorie des „Meme Warfare“, des „Kriegs der Gedankengene“ – Kalle Lasn, der Gründer der kanadischen Zeitschrift Adbusters beschrieb in seinem Buch „Culture Jamming“ plastisch, wie man mit den richtigen Ideen und Glaubenssätzen Veränderungen in den Köpfen der Menschen und damit in der Gesellschaft bewirken kann. Wem dies ein zunächst zu esoterisch anmutender Gedanke ist, der sei darauf verwiesen, dass wir seit jeher von „Meme Warfare“ umgeben und beeinflusst werden – Religionen, Politik, Ideologien arbeiten im großen Stil auf dieser Basis, und auch heutzutage sieht man dies an vielen Beispielen, allen voran der Gehirnwäsche per excellence, der Reklame. Warum wohl geben die Konzerne Abermilliarden aus, um ihre Botschaften Tag und Nacht ins Bewusstsein der Menschen zu transportieren? Weshalb stellt sich eine Bundesarbeitsministerin werbewirksam vor ein eigens für diesen Auftritt angefertigtes Plakat, auf dem „unter 3 Mio. Arbeitslose“ steht, wohlwissend, dass die Realität anders aussieht? Warum gibt es auf Infokrieger- und „Wahrheits“-Websites mantrahaft wiederholte Slogans von „Klimaschwindel“ und „New World Order“? Wieso jubelt die BILD einen Politiker oder Hetzautoren permanent hoch und bringt tendenziöse Interviews mit ihm, während gleichzeitig andere Leute einseitig abgewertet werden? All dies sind Prozesse, um die Meinungen von Menschen Stück für Stück in eine gewünschte Richtung zu bewegen – was an und für sich natürlich erst einmal völlig wertneutral ist.

Auch die Ideen z.B. von Culture Jamming und Adbusting bauen auf diesen Prinzipien auf: man will diese von den Unternehmen auf uns einströmenden Programmierungen („kaufe Marke X und dann wirst du glücklich“, „das Fahren eines Autos der Marke Y ist ein aktiver Beitrag zum Umweltschutz“, „nur Turnschuhe von Marke Z lassen dich cool erscheinen“) unterbrechen, sichtbar machen und auflösen – und durch kritischere „Meme“ ersetzen. Von daher arbeitet auch mein Blog daran, Meme zu beeinflussen, in eine hoffentlich sinnvolle Richtung. Der Amerikaner Stephen DeVoy hat eine längere Abhandlung zu diesem Thema geschrieben – „Meme warfare. How to overthrow the powers that be on a low budget“, die man sich hier als PDF-Datei herunterladen kann: http://portland.indymedia.org/media/media/2005/03/314249.pdf.

Und er hat einen wie ich finde recht guten einführenden Artikel dazu verfasst – „Meme warfare is the guerrila warfare of the information society“ – den ich Euch heute und morgen als Übersetzung präsentieren möchte (auch wenn ich mit den dort auftauchenden Begriffen von „herrschender Klasse“ und „Arbeiterklasse“ nicht so glücklich bin, da diese Rhetorik des letzten Jahrhunderts zu sehr nach Klassenkampf im althergebrachten Sinne klingt).

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Meme Warfare – der Guerrillakrieg der Informationsgesellschaft (Teil 1)

Dieser kurze Artikel hat nicht die Absicht, das Thema der Meme-Theorie in erschöpfender Tiefe zu behandeln. (…) Dennoch, nachdem ich im Bereich des Meme Warfare über einen längeren Zeitraum aktiv war, denke ich, dass es an der Zeit ist, meine Beobachtungen und Techniken mit anderen innerhalb des Widerstands zu teilen (Anm. PM: DeVoys Website geht in eine anarchistische Richtung). Ich glaube, dass Meme Warfare das wichtigste und effektivste Mittel des ideologischen Ringens in unserem Jahrhundert darstellt. Das Lernen der Macht des Meme Warfare ist entscheidend für den Erfolg jeder Bewegung, die sich darum bemüht, die herrschenden Paradigmen zu Fall zu bringen.

Meme Warfare existiert so lange, wie die Menschheit in der Lage ist, zu kommunizieren und zu imitieren. Wie viele existierende Phänomene blieb es über viele Jahrhunderte unbemerkt, trotz der grundlegenden Rolle, die es spielte. Dies sollte niemanden verwundern und der Umstand, dass man erst jetzt Meme Warfare bewusst zu erkennen beginnt, bedeutet keine Absage an die Effektivität dieser Prozesse. Biologische Evolution existierte Milliarden von Jahre bevor Darwin sie erkannte/entschlüsselte. Und trotz des späten Zeitpunkts der Entdeckung war diese eine sehr bedeutsame.

Es gibt eine sehr starke Ähnlichkeit/Parallele zwischen der „Memetik“ und der Genetik. Tatsächlich wurde der Begriff „Mem“ vom Begriff „Gen“ abgeleitet. Meme sind, wie Gene, Teil der Evolution. Während Gene die biologische Evolution bestimmen, bestimmen Meme die Entwicklung von Ideen, Kulturen, menschlichen Aktivitäten und menschlichem Denken. Meme kann man sich am besten als Grundbaustein des intellektuell motivierten Verhaltens vorstellen. Meme sind mentale Rezepte für Verhalten, die sich sowohl im äußeren Verhalten wie auch inneren Denkmustern manifestieren. Wie ihre bioligischen Cousins vermehren sich Meme. Während die Umwelt der biologischen Gebilde die äußere Welt ist, ist die Umwelt der memetischen Gebilde das Gehirn. Meme reproduzieren sich, indem sie von einem Geist zum nächsten wandern. Sie werden durch Kommunikation und/oder Nachahmung kopiert. Beim Kopierprozess können sie verändert werden. Veränderte Meme, die ihre Vorgänger verdrängen, nennt man weiterentwickelt. Das mentale Universum der Menschheit kann man sich dann als ein permanentes Streben von Memen nach Ressourcen vorstellen. Die Ressourcen sind natürlich die menschlichen Gehirne.

Im Laufe eines menschlichen Lebens werden viele Meme reproduziert und entwickeln sich. Deshalb haben Meme das Potential, sich schneller zu entwickeln als die physikalische Welt, also der biologische Mensch. Da Meme einen großen Teul des menschlichen Verhaltens steuern, kann das Verhalten eines jeden Menschen sich im Laufe seines Lebens radikal ändern. Wir alle kennen solche Beispiele. Einige Leute treten einer Sekte bei oder nehmen eine Religion an und ändern sich für immer. Ihr Körper bleibt der gleiche, während sich ihr Verhalten ändert.

So, wie komplexe biologische Organismen aus den Anleitungen/Beschreibungen vieler Gene gebildet werden, so werden auch komplexe Verhaltensmuster aus den Anweisungen vieler einzelner Meme gebildet. Diese Meme-Gebilde stehen in symbiotischer Verbindung zueinander, die den mit ihnen verbundenen Memem helfen, zu überleben und sich gegen konkurrierende Meme-Gebilde durchzusetzen. Diese komplexen Meme-Gebilde nennt man „Memeplexe“.

Ideologien und Religionen sind Beispiele für Memeplexe. Als komplexe memetische Gebilde bestehen sie aus Memen und Untergebilden von Memen, die dazu dienen, das Überleben und die Reproduktionsfähigkeiten des Memeplexes zu verbessern. Besonders erfolgreiche Memeplexe bestehen aus Memen, die Menschen dazu bewegen, sich so zu verhalten, dass der Memeplex sich verbreiten kann und verteidigt wird. Deshalb sehen wir bei vielen Religionen, wie Mitglieder zu den „Unüberzeugten“ predigen und diejenigen verfolgen, deren Verhalten die Ausbreitung des Memeplexes behindern. Scientology predigt zum Beispiel aktive Angriffe auf Lästerer, einige Teile des Islam predigen aktiven Widerspruch gegenüber „Ungläubigen“, Zionisten veranstalten Schmutzkampagnen gegen Gegner und Christen haben zuweilen Kinder von Ungläubigen umgebracht.

Die Beziehung von einem einzelnen Menschen zu seinem oder ihrem „Set“ an Memeplexen ist analog zu der Wirt/Parasit-Beziehung. So, wie Gene nur danach trachten, sich zu vermehren, versuchen auch Meme sich immer zu vermehren. Wenn die Entwicklung und Verbreitung eine Sets von Genen zur Voraussetzung hat, das Leben des Lebewesens, das durch dieses Netz aus Genen beschrieben ist, zu verkürzen oder sein/ihr Leben ins Elend gleiten zu lassen, so wird das Gen diesen Weg gehen. Das heißt, das Gen „schert“ sich nicht um das Lebewesen, das es kodiert, sondern nur um seine eigene Vermehrung. Gene werden deshalb manchmal als egoistisch bezeichnet. Das selbe gilt auch für Meme. Meme werden ihre Wirte zerstören, wenn dies ihre Fähigkeit erhöht, sich zu verbreiten. Deshalb verbreitet sich Selbstmord oft memetisch, genauso wie Krieg und andere zerstörerische Verhaltensweisen.

Die meisten Menschen, die in die Fänge eines selbstzerstörerischen Mems geraten sind, verbringen einen Großteil ihrer Zeit und Energie damit, diesem Mem zu dienen. Wir alle kennen religiöse Fanatiker, die ein angenehmes Leben aufgeben und sich statt dessen dazu entscheiden, sich für ihren Memeplex einzusetzen. Das gleiche gilt für politische Ideologien. Ein Republikaner aus der Arbeiterklasse ist ein gutes Beispiel für jemanden, dessen Memeplex seinen Wirt dazu zu einem diesen Memeplex verteidigendem Verhalten bewegt.

>> Morgen geht es weiter mit Teil 2 meiner Übersetzung

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2 Kommentare

  1. Vielen Dank für den Hinweis auf diesen Text und fürs Übersetzen!

    Ich muss mal gestehen, dass ich mit dem Begriff “Klasse” zwar auch meine Schwierigkeiten habe, aber wenn man bedenkt, dass er sich im Grunde dadurch definiert, ob ich im Besitz von Produktionsmitteln und fremder Arbeitskraft bin, dann ergibt diese – zugegeben etwas gealtert wirkende – Rhetorik nach wie vor Sinn…

    Es könnte ja auch ein clever gesetztes Mem der kapitalistischen Klasse sein, dass es Klassen angeblich gar nicht mehr gibt. :D

  2. sinsumpf

    Vielen Dank für’s Übersetzten!!!
    endlich mal ein Text der etwas Licht in die Theorie der Memes bringt >>in deutsch!!!
    (englisch ist halt doch nur meine Zweitsprache)

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