Die Arte-Dokumentation, die ich Euch heute vorstellen will, ist schon etwas älter und wurde auch schon mal in einem Kommentar hier im Blog erwähnt. Aber irgendwie habe ich es bisher nie geschafft, sie mal unterzubringen. Nun aber! Es geht um „Spin-Doktoren – Die Marionettenspieler der Macht. Von Medien, Marktforschern und Meinungsmachern: über die jüngste Geschichte des Polit-Marketings“, eine Sendung, die zeigt, wie weit mittlerweile Marketingsgesuchtspunkte in der Politik und vor allem im Wahlkampf vorgedrungen sind. Heutzutage müssen sich Parteien übers Image, über eine schillernde Oberfläche, über einen schicken und hippen (oder seriösen, je nach Zielgruppe) Schein positionieren – genau wie Hundefutter, Softdrinks oder Fernsehstars müssen Politiker angepriesen und beworben werden.

Dies erscheint nur logisch in einer Welt, in der jeder eine Ich-AG ist und Reklame und Marketing, das permanente Sich-Verkaufen zur Norm geworden sind. Alles muss kommerzialisiert werden, alles muss in dem Sinne gewisser „Changemaker“ und „Leading Edge Surfer“ professionalisiert werden – und verliert dadurch genauso an Identität und Profil wie Innenstädte, Firmen, Medien. Nun kann man darüber den Kopf schütteln und die Schultern zucken, weil man meint, dass es dräuendere Probleme gibt, als sich zur Schau stellende und inszenierende Politiker. Leider ist es aber so, dass die Inhalte immer weiter in den Hintergrund treten, was im politischen Bereich alles andere als positiv zu sehen ist. Bestes Beispiel für die neue Generation der „Medien-Politiker“ ist sicherlich der Freiherr und Ex-Doktor von & zu Guttenberg, der keinerlei politische Leistungen aufzuweisen hatte, aber Dank einer offenbar für gewisse Menschen attraktiven Außendarstellung, gepusht duch gewisse Medien, zum „Superstar“ aufstieg und ähnliche Jubelreaktionen hervorrief wie manche Pop-Sänger.

Diese Trivialisierung und Banalisierung ist quasi der Cross-Over-Effekt, der sich ergibt, wenn man die ausschließlich auf schönen Schein bauende Hinters-Licht-führ-Maschine der Reklame auf andere Lebensbereiche anwendet. Die passenden Personen für diesen Job, aus farblosen Politikern Stars zu machen, nennen sich Spin Doktoren.

Der erste Teil der Dokumentation schildert das Aufkommen und die Entwicklung der “Spin Doctors” vor dem Hintergrund der amerikanischen und europäischen Geschichte. Der erste bekannte “Spin Doctor” war Edward Bernay, ein Neffe Sigmund Freuds. Er interessierte sich für massenpsychologische Erscheinungen und entwickelte in den 20er Jahren das, was heute unter dem Begriff Public Relations bekannt ist.

Aber erst Ende der 60er Jahre erfährt das Polit-Marketing in den USA mit der Verbreitung des Fernsehens seinen Aufschwung. Zunächst mit John F. Kennedy, der, von Joe Napolitan beraten, Richard Nixon bei einem Fernsehduell schlug. Dann mit Lyndon B. Johnson, der seinen Konkurrenten Barry Goldwater dank der Erfindung der Negativ-Werbung im Jahr 1964 mit einem nur wenige Sekunden dauernden Spot des talentierten Tony Schwartz besiegte.

Der Film stützt sich auf die Aussagen der wichtigsten Beteiligten und zeigt die ständigen Verbesserungen der Berechnungsverfahren, der Umfragetechniken und die zunehmende Bedeutung der Medien, die den Politikern neue Perspektiven bieten. Der Erfinder der politischen Meinungsumfragen, John Gorman, erzählt, wie seine Umfragen den Nobody Jimmy Carter ins Weiße Haus gebracht haben. Aber auch wie sein Partner Pat Caddell falsche Daten lieferte, die Jimmy Carter zu einer Rede veranlassten, die seine Präsidentschaft ruinierte.

Seit den 80er Jahren verfügen die Spin-Doktoren über großen Einfluss. Mehrere Länder begriffen schnell, wie wichtig diese PR-Manager sein können. Zum Beispiel Frankreich: Der französische PR-Berater Jean-Luc Aubert spricht über seine Arbeit in der geheimen Polit-Marketing-Abteilung von François Mitterrand. Lord Bell, der berühmte britische PR-Berater, erzählt von den vertraulichen Gesprächen mit Jacques Chirac beim Präsidentschaftswahlkampf 1988 und der PR-Spezialist Jacques Séguéla erklärt, warum Lionel Jospin bei den Wahlen im Jahr 2002 scheiterte.

Auch in Großbritannien werden die Anweisungen der Spin-Doktoren ganz genau befolgt – auch wenn sie im Widerspruch zum Parteiprogramm stehen. Tony Blair hat ihnen – inzwischen zum dritten Mal – seinen Erfolg zu verdanken. Dabei ist es unerheblich, dass die New-Labour-Bewegung nicht wenige Anleihen bei den Konservativen machte. Genauso handelt Gerhard Schröder in Deutschland. Bodo Hombach, Wahlkampfberater des deutschen Kanzlers, schildert im Detail, wie er die SPD davon überzeugt hat, eine Negativ-Kampagne gegen den populären Helmut Kohl zu fahren. Und auch in Russland ging der unglaubliche Erfolg von Boris Jelzin bei den Präsidentschaftswahlen 1996 auf PR-Unternehmungen zurück. Wenige Monate vor der Wahl gaben bei Umfragen lediglich vier Prozent der Befragten an, Jelzin wählen zu wollen. Seine PR-Berater erzählen, mit welchen Tricks, Manipulationen und Falschinformationen es gelang, Jelzin im Kremlin zu halten – trotz einer Herzattacke mitten im Wahlkampf.

Das Aufkommen der Nachrichtensender zu Beginn der 90er Jahre in den USA stellte für die Spin-Doktoren eine neue Herausforderung dar. Es galt nunmehr, die Sender rund um die Uhr mit Informationen zu versorgen. Clintons Berater Joe Lockhart erfindet die politische Öffentlichkeitsarbeit neu. Statt die Fragen von Journalisten zu beantworten, gibt man Themen vor. Wenn die entsprechend vorbereitenden Informationen dann sofort weitergegeben werden, wird eine echte Geschichte daraus. Kennt die Macht der Spin-Doktoren keine Grenzen? Angesichts der Affäre um die Massenvernichtungswaffen im Irak ist diese Frage berechtigt. Doch diese große Lüge wird zum Ausgangspunkt einer breiten Gegenbewegung, der sich die PR-Berater der Demokratischen Partei sofort annehmen. – The spin must go on!

Hier Teil 1, die anderen Teile findet Ihr ebenfalls bei YouTube.

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