Sep
14
2010
6

Lesetipps: „Die Legende vom nachhaltigen Wachstum“ / „Aktionismus – immer die falsche Idee“ / „Überteuerte Alltagsgegenstände – die man trotzdem kauft“

© Ambrozio, stock.xchng

In den letzten Tagen sind mir wieder einige interessante Artikel im Netz begegnet, die ich Euch nicht vorenthalten möchte. Besonders spannend und den Tenor meines Blogs treffend ist Niko PaechsDie Legende vom nachhaltigen Wachstum – ein Plädoyer für den Verzicht“ in Le Monde diplomatique. Hier erklärt der Wirtschaftswissenschaftler noch einmal seine Thesen, dass unser Wirtschaftssystem auch mit einer LOHASigen Begrünung des Wachstums nicht vom Weg in den Abgrund wird abzubringen sein – vielmehr sind grundlegende Prämissen zu ändern, die nicht durch Elektroautos und Bio-Äpfel aus Neuseeland zu erreichen sind. Ich empfehle UNBEDINGT die Lektüre des kompletten Textes! Hier ein paar Auszüge:

(…) Tagtäglich muss sich der zeitgenössische Konsument seinen Weg durch ein dichtes Gestrüpp käuflicher Selbstverwirklichungsangebote bahnen. Auf dem Rummelplatz der glitzernden Verführungen den Überblick zu behalten, kostet vor allem eines: Zeit. Alles will zur Kenntnis genommen, betrachtet, geprüft, abgewogen, verglichen, zum Gegenstand einer Kaufentscheidung und eines Kaufakts werden und schließlich auch noch genutzt werden. Dabei wird auch die Zeit immer knapper, die den vielen Konsumobjekten gewidmet werden muss, damit sie überhaupt Genuss stiften können. Dies liegt sowohl an der Reizüberflutung, die unsere Aufmerksamkeit und Zeit stiehlt, als auch daran, dass wir uns immer mehr Dinge leisten können, auf die wir unsere Zeit verteilen müssen.

Inzwischen braucht man schon einen gewissen Selbstschutz, um in diesem Hamsterrad nicht die Orientierung zu verlieren. Ein möglicher Ausweg bestünde in einem entschleunigten Lebensstil, angefangen mit einer Entrümpelung: Von welchen Energiesklaven, Konsumkrücken und Komfort verheißenden Infrastrukturen könnte sich die Gesellschaft und jeder Einzelne freimachen? Der Abwurf von Wohlstandsballast wirkt befreiend. Es gilt, sich auf das Wesentliche zu konzentrieren, statt sich in einer frustrierenden Vielfalt von Glücksversprechen zu verlieren. (…)

(…) Der innovationsgetriebene Fortschritt – auch der zwecks Nachhaltigkeit forcierte – löst soziale und kulturelle Veränderungen aus, die im vorhinein schwer einzuschätzen, oft kontraproduktiv und außerdem unkorrigierbar sind. Vor allem aber ist die Innovationsorientierung im Kern strukturkonservativ. Umweltfreundliche Produkte und Technologien wie der Dreiwegekatalysator, der Hybridantrieb, der Brennstoffzellenantrieb oder die Elektromobilität immunisieren maßlose Mobilitätsansprüche gegen jede Kritik. Passivhäuser legitimieren das unausgesprochene “Menschenrecht”, nach Lust und Laune Einfamilienhäuser in die Landschaft zu bauen. Und dass die Erneuerbaren emissionsfrei sind, wird als Rechtfertigung herangezogen, um unbequemes Energiesparen zu vermeiden. (…)

(…) Angenommen, es würde sich herausstellen, dass Mobilfunk als Teil jener digitalen Revolution, der einst hohe Dematerialisierungspotenziale zugetraut wurden, doch krebserregend ist. Wie könnte dann die Handykommunikation, von der sich die Menschheit inzwischen vollständig abhängig gemacht hat, unterbunden werden? Das mobile Telefon ist längst Teil der Alltagskultur, keine Macht der Welt könnte es per Rückrufaktion wieder aus dem Verkehr ziehen. Es bliebe nur eine nächste Innovationswelle, die wie ein Gegengift die negativen Folgen der vorherigen Technologie neutralisieren würde – ohne diese zu entfernen. (…)

(…) Nachhaltige Entwicklung kann indes nur eine Kunst der Reduktion sein. Deshalb zielt eine Postwachstumsökonomie darauf, Expansionszwänge zu überwinden. Der wichtigste besteht in einem Lebensstil, der vollständig von geldvermittelter und global arbeitsteiliger Fremdversorgung abhängig ist. Wenn Bedürfnisse, die einst durch Handwerk, Eigenarbeit, Subsistenz, lokale Versorgung und soziale Netzwerke befriedigt wurden – oder auf deren Befriedigung man schlicht verzichtete -, durch käufliche Produkte, Dienstleistungen und eine komfortable Automatisierung/Mechanisierung erfüllt werden, ist die Existenzsicherung einer Geld speienden Wachstumsmaschine ausgeliefert.

Mit zunehmender Spezialisierung, die eine immer größere Distanz zwischen Verbrauch und Produktion schafft, steigt die Anzahl der Wertschöpfungsstufen, deren Investitions- und Kapitalbedarf zur Notwendigkeit ökonomischen Wachstums beiträgt. Eine Postwachstumsökonomie beginnt daher mit einer Genügsamkeitsstrategie. Sie konfrontiert die verzweifelte Suche nach weiteren Steigerungen von Güterwohlstand mit einer Gegenfrage: Welcher Plunder, der nur wachstumsabhängig macht, ließe sich über Bord werfen?

Apropos Konsumismus – dazu passt auch dieser Artikel, den ich zufällig bei Yahoo entdeckte: „Überteuerte Alltagsgegenstände – die man trotzdem kauft“. Einige erstaunlich kritische Momente tauchen in dem Text durchaus auf:

(…) Pro Jahr trinkt jeder Deutsche 123 Liter Wasser und hat dabei die Qual der Wahl zwischen rund 600 Mineralwasser-Marken. Mineralwasser ist das beliebteste alkoholfreie Getränk in Deutschland. Noch vor rund 30 Jahren sah das anders aus: Damals war abgefülltes Trinkwasser kaum üblich. Mittlerweile greifen laut der internationalen Studie „Greendex“ 65 Prozent der Deutschen täglich zum Wasser aus der Flasche, mehr als in jedem anderen Land der Erde. Die Mineralwasser-Branche freut sich: Unternehmen wie der Nestlé-Konzern verdienen jährlich Milliarden damit, Wasser um die ganze Welt zu karren. (…)

Vor allem stille Wässer sind in. Dabei ist gerade stilles Wasser eine der am häufigsten vorkommenden Ressourcen in der Welt – und zumindest in Deutschland aus zahlreichen Quellen viel preiswerter oder sogar kostenlos erhältlich: aus dem Wasserhahn. Obwohl das Wasser aus der Leitung laut Experten in der Regel genauso gesund ist wie das abgefüllte, sind jedoch viele Menschen noch immer bereit, bis zu 3 Euro für eine Flasche zu bezahlen und ihr Wasser regelmäßig kistenweise nach Hause zu schleppen. Dabei ist Flaschenwasser nicht nur verhältnismäßig teuer, sondern wirkt sich auch negativ auf die Umwelt aus: Schließlich kosten Transport, Abfüllung und die Herstellung der Flaschen jede Menge Energie. Ganz zu schweigen davon, dass viele leere Flaschen nicht recycelt werden.

(…) Bei vielen Alltagsgegenständen lohnt es sich, die Folgekosten genauer unter die Lupe zu nehmen – oder deren Anschaffung gänzlich zu hinterfragen. (…)

Der naturgetr.eu-Blog, der sich ja auch kritisch zum Konsumismus und dem „Green New Deal“ der LOHAS äußert, geht auch in einem seiner aktuellen Beiträge, „Aktionismus – immer die falsche Idee“ genau der Frage nach, inwieweit viele „neue Grüne“ davon ausgehen, dass etwas grüner schon grün und damit gut sei:

Umweltschutzorganisationen wie z.B. (aber nicht nur!) Greenpeace setzen auf Aktion – wie die Gruppe selbst in ihrer Broschüre zum 30jährigen Bestehen von Greenpeace Deutschland (PDF) zeigt: es wird besetzt, in der Welt herumgereist und über die Weltmeere getuckert. Kurz: Es wird Aufwand betrieben, der Energie und andere Ressourcen kostet. Und immer mit dabei ist natürlich die Quasi-Uniform so vielen Natur- und Umweltschützer, die Marken-Outdoor-Klamotte. Ich bezweifle, dass diese meist auf medienwirksamkeit getrimmten Aktionen außer der Medienpräsenz tatsächlich etwas bewirken, zumal langfristig betrachtet. Mag sein, dass durch solche Aktionen veraltete Technologien und Verfahrensweisen etc. angeprangert werden und diese dadurch umgeformt werden.

Aber auch die dann aufkommenden “alternativen” Produkte und neuen Technologien sind keine wirkliche Abhilfe, sondern mehr ein “linke Hand – rechte Hand”-Spiel. Energie und Rohstoffe, die an der einen Stelle eingespart werden, werden für die Produtkion dieser Pseudo-Alternativen gebraucht: Akkus statt Öl, Giftstoffhaltige Energiesparlamen statt Glühbirnen, energie- und wasserintensive erzeugung von Sojaprodukten statt Fleisch und – die neueste Unsäglichkeit – Elektrisch angetriebene Fahrräder statt Autos (damit man auch in Zukunft Kurzstrecken nicht aus eigener Kraft zurücklegen muss…). Immer wieder – anders kann man das nicht sagen – wird grüner mit grün verwechselt. (…)

(…) Problemlösungen sind dementsprechend immer technische Lösungen – egal ob im Umweltschutz, in der Medizin, in der Sicherheits- oder Sozialpolitik.
Lösungen, die auf soziokulturellen Veränderungen beruhen, werden weder diskutiert noch in Betracht gezogen. Wie auch! Schließlich bestimmen mittlerweile nicht mehr Kultur und Gesellschaft die Technik, sondern die Technik bestimmt Kultur und Gesellschaft. Wir stolpern auch im letzten verbleibenden Rest gesellschaftlichen und kulturellen Lebens noch blind dem erlösenden Heiland Technik hinterher, die mehr und mehr unseren Alltag vereinnahmt, unsere Lebenswelt grau und steril macht.

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Jun
29
2010
5

Monoformisierung der Innenstädte

Ich weiß gar nicht, ob ich mich hier im Blog schon oft genug darüber ausgelassen habe, wie sehr die totale Gleichförmigkeit, ja Gleichschaltung der Innenstädte weltweit eine traurige Entwicklung darstellen und ein Spiegelbild der Marktmachtkonzentration bei immer weniger Konzernen sind. Jedenfalls hat es mich schon lange, bevor ich mir wirklich konsumkritische Gedanken machte, gestört, wie langweilig und austauschbar Städte mit der Zeit wurden. In Kiel gibt es mittlerweile im Abstand von vielleicht einem Kilometer gleich 4 H&M-Geschäfte, dazwischen 1€-Läden usw. usf. Regionale Besonderheiten verrschwinden, werden eingeebnet. Florian Kuhlmann hat sich dieses Themas bereits 2004 angenommen und in seinem Fotografie-Projekt „Neue Ehrlichkeit“, das er jetzt weiterführt, anhand von Aufnahmen aus verschiedenen Einkaufsstraßen dieses Bild auf seine Weise kommentiert – „Holy shit, überall das gleiche Bild“. (Ich empfehle, sehr genau hinzuschauen/zu lesen und sich auch die anderen Fotos auf seiner Website zu Gemüte zu führen. ;-)


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Jun
15
2010
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Lesetipps: „Stumme Werbetafeln – Botschaft des totalen Versagens“ / Adidas verstößt gegen eigene Standards / „Alles gut eingeölt!“

Auch die Süddeutsche Zeitung widmete sich neulich mal den Thema Außenwerbung/Reklamewände – eine Thematik, die ich hier im Blog bereits einige Male angesprochen habe und die vor allem in den USA für rege Diskussionen sorgt und dort auch aktiven Widerstand hervorruft. Denn der Wildwuchs durch Reklameflächen, das Überhandnehmen von Werbebotschaften in den Stadtbildern der Vereinigten Staaten und auch an Schnellstraßen (wobei die Gefährdung der Verkehrsteilnehmer durch die Werbetreibenden billigend in Kauf genommen wird) hat dort erschreckende Ausmaße angenommen – und konnte erst einmal nur durch die Wirtschaftskrise gebremst werden. „Stumme Werbetafeln – Botschaft des totalen Versagens“ titelt die SZ und wirft die berechtigte Frage auf:

[…] ob die Menschen nicht das Recht auf einen freien Blick haben, wenn sie auf einem Highway unterwegs sind, den sie ja letztlich mit ihren Steuern bezahlt haben? Sind Werbetafeln nicht letztlich eine Form der Umweltverschmutzung, die man verbieten sollte, wie man es im Bundesstaat Vermont schon vor 42 Jahren getan hat?

Im Lichte der gegenwärtigen Wirtschaftskrise kann man sie allerdings auch als Metaphern für einen Aufruf verstehen, eben kein Geld mehr auszugeben. Das wäre ein radikaler Bruch mit den Grundlagen der amerikanischen Gesellschaft. In den USA betragen die Verbraucherausgaben 70 Prozent des Bruttosozialprodukts. Auch wenn das Gesundheitswesen einen großen Teil dieses Werts ausmachen, so zeigt das, dass die Wirtschaft nicht nur stagnieren würde, wenn die Bürger aufhören würden, Unmengen zu konsumieren. […]

Einige schöne Bilder angenehm leerer, dem Geist wieder Raum gebender Plakatwände in Brooklyn begleiten den Artikel.

Zwei weitere interessante Artikel, die mir in den letzten Tagen aufgefallen sind und die gut in meinen Blog passen, stammen aus der taz. Die beschäftigt sich in einer 12seitigen Sonderbeilage mit dem lieben Öl: „Alle gut eingeölt! Die tägliche Ölkatastrophe ist unsere Abhängigkeit von diesem Stoff. Können wir davon lassen?“:

[…] Dabei ging es uns nicht darum, das offensichtliche Versagen der Verantwortlichen zu beschreiben und zu kritisieren. Das haben wir getan und werden es weiter tun. Doch allein mit dem Finger auf andere zu zeigen, reicht nicht. Die Ölpest im Golf von Mexiko ist nur ein weiterer Kollateralschaden, den unsere vom Öl abhängige Wirtschaft in Kauf nimmt. […]

[…] Wir sind als Konsumenten Teil dieses Wirtschaftssystems. Wir hängen am Öl, egal ob wir mit dem Auto, dem Bus oder – geschützt von Mikrofasern und Plastikhelm – Fahrrad fahren. Und damit das weitergehen kann, muss das Öl aus immer tieferen Schichten herausgeholt werden – mit entsprechendem Risiko. So gesehen ist dieses Loch im Golf auch unser Loch, und wir sind nicht nur Opfer, sondern Teil einer jeden Ölpest.

Geht es auch anders? Es wird gehen müssen, denn schon jetzt ist Öl, global gerechnet, zu knapp und teuer, um weiterhin diese zentrale Rolle spielen zu können. […]

Im zweiten taz-Text, den ich hier empfehlen möchte, geht es, passend zur WM, um Adidas und die jüngst bekannt gewordenen Vorfälle hinsichtlich der Arbeitsbedingungen bei Zulieferern des Konzerns – „Adidas verstößt gegen eigene Standards“. Letztlich zeigt der Beitrag, dass Firmen, selbst wenn sie sich durchaus (in kleinem Rahmen) um fairere Verhältnisse bemühen, doch im Zuge dieser profitmaximierenden Globalisierung mitsamt ihrem immensen Kostendruck auf dem Rücken der Menschen prosperieren können. Wer seine ganzen Arbeitsplätze dorthin auslagert, wo man besonders billig und ohne störende Sozialstandardsproduzieren kann, hat bereits damit die Tür aufgestoßen zu solchen Bedingungen, wie sie in dem Artikel beschrieben werden.

Wie fair produziert der WM-Ausrüster Adidas? ArbeiterInnen eines Zulieferers in Südchina sagen, sie leisteten viel mehr Überstunden als der Konzern eigentlich zulassen möchte. […]

Zusätzlich zum Mindestlohn würden die ArbeiterInnen Akkordzuschläge und Überstundenbezahlung erhalten. „Die Mindestbedarfe der Beschäftigten in China sind durch den Lohn abgedeckt“, sagte Frank Henke, oberster adidas-Manager für soziale und ökologische Fragen. Mehr Lohn könne man den ArbeiterInnen in den Zulieferfirmen nicht zahlen, weil adidas seinen „Aktionären gegenüber verpflichtet“ sei, „eine Wertschöpfung zu erzielen“. […]

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Jun
09
2010
4

Fußball-WM: Sponsoren in der Kritik

© JR3, stock.xchng

Versprochen: heute wird das einzige Mal sein, dass ich in einem meiner Blogs die Fußball-Weltmeisterschaft in Südafrika erwähne. Natürlich geht es mir nicht um das Sportliche, nicht mal um den Spektakel-Eventcharakter so eines Großereignisses (dazu ließe sich schon die eine oder andere Überlegung anstellen, beispielsweise wie süchtig unsere heutige Gesellschaft offenbar nach medial hochgeputschten Massenemotionen ist), sondern um die Durchkommerzialisierung durch die ewig gleichen Sponsoren. Denn wie schon vor 4 Jahren gehört z.B. Coca Cola zu den Hauptsponsoren, und wieviel, besser gesagt wenig Cola-Konsum mit Gesundheit und Sport zu tun hat, ist klar.

(EDIT: In der ZEIT findet sich der lesenswerte Artikel „Fußball-Weltmeisterschaft: Am Ende gewinnt immer die Fifa“, der isch ebenfalls kritisch mit dem ganzen Zirkus auseinandersetzt:

Alle sollen von der WM profitieren, versprach die Fifa den Südafrikanern. Das große Geschäft aber machen westliche Konzerne, asiatische Firmen und der Fußballverband selbst. […]

[…] Der Weltverband aus Zürich schützt seine milliardenschweren Sponsoren, deshalb darf außer ihnen niemand die Symbole, Slogans und Logos des Weltcups verwenden. “Wir haben sogar unsere Nationalflagge an die Fifa verkauft”, schimpft eine Kolumnistin. Eine Art “Markenpolizei” kontrolliert im geheimdienstlichen Stil, ob jemand das Vermarktungsmonopol verletzt. Die Handelskette Metcash musste sogar einen Lollipop aus den Regalen nehmen.

Es war ein kleiner Ball, auf dem 2010 stand. Ausländische Firmen verdienen dafür umso besser. Ein Großteil der Fähnlein, T-Shirts, Kappen, Bälle und all der anderen WM-Artikel wird billig in asiatischen sweatshops produziert und in Südafrika zu horrenden Preisen verkauft. Selbst Zakumi, der kleine grünhaarige Leopard, ist “Made in China”. Die Gewerkschaften drohten, das WM-Maskottchen zu boykottieren, weil es dem Gastland keinen einzigen Arbeitsplatz gebracht hat. […])

Johannes Pernsteiner von Pressetext Austria gab denn gestern auch eine interessante und passende Pressemeldung zu diesem Thema heraus: „Fußball-WM: Sponsoren im Kreuzfeuer der Kritik“, die ich hier ebenfalls veröffentlichen möchte:

Fußball-WM: Sponsoren im Kreuzfeuer der Kritik
Experten: “FIFA verpasst Chance, für gesundes Leben zu werben”

London/Georgia/Wien (pte/07.06.2010/13:45) – Der internationale Fußballverband FIFA hat sich mit der Auswahl seiner Sponsoren für die Fußball-WM in Südafrika ein Eigentor geschossen. So lautet die Kritik des World Cancer Research Fund WCRF http://www.wcrf.org, in deren Mittelpunkt besonders die Sponsoren Coca Cola, McDonalds und Budweiser stehen. “Würde die FIFA mit gutem Beispiel vorangehen und verkünden, dass sie künftig keine Sponsoren akzeptiert, die für ungesunde Produkte stehen, könnte das der Gesundheit der Menschheit starken Auftrieb geben”, so Teresa Nightingale, Geschäftsführerin der Organisation, gegenüber der BBC.

Verpasste Chance für Kampf gegen Übergewicht

Dass dem Fußball Sponsoren gut täten, die für Gesundheit und aktiven Lebensstil stehen, betont auch Andrea Hofbauer, Vorsitzende des Diätologenverbandes http://www.diaetologen.at gegenüber pressetext. “Fußball erreicht genau die breite Zielgruppe, die sonst nur schwer für Gesundheitsbotschaften angesprochen werden können. Es wäre gelebte Corporate Social Responsibility, wenn auch einzelne Verbände und Sportvereine, die teils bis zu Millionen Fans hinter sich haben, in ihren Grundregeln niederschreiben, dass sie für gesunde Werte stehen.”
Die Kritik sollte zum Nachdenken anregen, welchen Einfluss Werbung für Fastfood und gezuckerte Getränke auf Kinder hat, informiert der WCRF per Blogeintrag. Umgehend antwortete der Internationale Werbeverband IAA http://www.iaaglobal.org , dass Werbung meist nur marginalen Einfluss auf die Ernährung von Kindern habe. Doch selbst in diesem Fall sei, so die WCRF-Retourkutsche, schon ein kleiner richtiger Schritt wichtig, um etwa Übergewicht zu bekämpfen. Für die WM 2014 in Brasilien wird sich freilich noch wenig ändern, denn die Verträge der drei kritisierten Sponsoren reichen noch bis dorthin.

Fernsehwerbung zeigt zuviel Zucker und Fett
TV-Werbung allgemein ist jedoch eher ungesund. Forscher der Atlantic State University http://www.armstrong.edu haben aus 100 Stunden Fernsehprogramm die Werbungen für Nahrung herausgenommen, die Nährwerte der Produkte analysiert und berechnet, wie die tägliche Zufuhr von 2.000 Kalorien auf dieser Basis aussehen würde. Im Vergleich mit offiziellen Empfehlungen enthielt diese Kost 25mal zuviel Zucker und 20mal zuviel Fett, was fatal für Diabetes, Fettsucht und Herzkrankheiten wäre. Zudem erreichte sie nicht einmal die Hälfte der empfohlenen Menge an Gemüse, Obst und Milchprodukten.
Die Ernährungsexpertin Hofbauer gibt zu bedenken, dass das Fernsehen nicht nur über die Werbung auf das Essverhalten einwirkt. “Sehr viele Sendeformate enthalten Botschaften zur Ernährung, auch etwa Spielfilme oder Zeichentrickserien. Das ist ein Problem, kann aber auch eine Chance sein. Ruft etwa Sponge Bob ‘Lecker, es gibt Spinat!’, so hat das nachweisbar Einfluss auf Kinder”, so Hofbauer. Vorteilhaft sei es, wenn Massenmedien die Mündigkeit der Bürger für Nahrungsentscheidungen förderten. Diesbezüglich hofft die Expertin auch auf eine baldige Umsetzung der Kennzeichnungspflicht für Lebensmittel.

Aussender: pressetext.austria
Redakteur: Johannes Pernsteiner
email: pernsteiner@pressetext.com
Tel. +43-1-81140-316

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Mai
18
2010
8

flattr – der Selbstversuch

Neulich erzählte ich an dieser Stelle ja schon mal vom Micropaymentdienst flattr, der auf der „Thank you economy“ aufbaut. Nachdem ich nun einen flattr-Einladungscode erhalten habe und sich auch keiner der Leser darüber empörte, die Geschichte hier im Blog mal auszuprobieren, habe ich mich entschlossen, einfach mal an der Beta-Phase teilzunehmen. Von nun an findet Ihr also in meinen Postings (zumindest in einigen) diesen flattr-Button, so dass jeder, dem mein Geschreibsel gefällt und selbst bei flattr ist, draufklicken kann.

Selbstverständlich gibt es vor allem zwei Überlegungen, die mich selbst schwanken lassen, ob das Ganze eine gute Idee ist:

Erstens, natürlich, der obligatorische Vorwurf der Kommerzialisierung – dies wird beispielsweise aktuell auch auf netzwertig.com diskutiert (wobei ich mit der Meinung der Autoren nicht unbedingt überein stimme). Aber stellt solch ein Micropaymentsystem überhaupt eine Kommerzialisierung dar? Ich weiß es nicht genau, halte so etwas wie flattr aber für eine recht gute Alternative zu Werbeschaltungen/Sponsoring (kommt für mich grundsätzlich nicht in Frage) oder einem Abo (was für meine Blogs auch keine Option ist), da es auf Freiwilligkeit basiert. Natürlich besteht die Gefahr, dass man als Blogschreiber beginnt, seine Artikel darauf auszurichten, was am meisten Interesse und Zustimmung und deshalb auch „Spendierfreudigkeit“ weckt (das bestünde der Erfahrung nach in meinem Falle dann darin, vemehrt auf Sauereien einzelner Firmen hinzuweisen als grundsätzliche Artikel zu bringen, die bei der Leserschaft tendenziell eher weniger Resonanz hervorrufen). Ich denke (hoffe), dass dies aber nicht passieren wird. Falls doch, werde ich das flattr-Experiment schnellstens wieder einstellen! Denn das Ziel, das ich seit jeher mit meinem Blog verfolge, ist ja, wichtige Informationen über Konsum(kritik), Reklame und Wirtschaftssystem zu verbreiten, und nicht, Geld zu verdienen.

Der zweite Kritikpunkt ist, dass derzeit alle Zahlungen bei flattr über PayPal abgewickelt werden, die natürlich ordentlich Gebühren kassieren, so dass man also einen Großkonzern (Ebay) mit seinen „Blogspenden“ mit füttert. Das gefällt mir gar nicht und hier müsste überlegt werden, ob es möglich ist, weniger krakige Firmen mit ins Boot zu holen oder gar etwas ganz eigenes, vielleicht Dezentrales, aufzuziehen. Letztlich verdienen natürlich Banken irgendwie immer mit an jeglichen finanziellen Transaktionen…

Nach wie vor bin ich über Anregungen und Feedback zu diesem Experiment von der geneigten Leserschaft (Euch) höchst dankbar!

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Mai
10
2010
1

Was ist mit Werbung nicht in Ordnung? (What’s wrong with advertising?) Teil 2: Eindringen/Einmischung

Heute setze ich endlich meine Übersetzung der Texte von Prof. Hugh Rank von der Governors State University in Illinois fort, in denen es um Persuasion Analysis, und darin speziell um Werbung geht. Teil 1 war ein Übersichtsartikel, der die vielen möglichen Kritikpunkte an Werbung auflistete. Im heutigen Artikel geht es um den ersten Punkt – „Eindringen/Einmischung („… zu viele Anzeigen“)“.


Was ist mit Werbung nicht in Ordnung?
Eindringen/Einmischung

Viele Menschen beklagen sich über das nervige Eindringen von Werbung in „ihre Zeit“, weil Anzeigen permanent ihr Fernsehprogramm unterbrechen: „zu viel, zu oft, zu viel Reklame“.

„Das wachsende Eindringen von Marketing und Werbung hat zu einem übersättigten Markt geführt und hebt den Widerstand der Konsumenten auf ein Allzeit-Hoch…“ (Yankelovich Report, April 2004)


tsq

© O. Fischer, pixelio

Typische Kommentare von Studenten über die Zudringlichkeit von (TV-)Werbespots:

„… zu viele Spots… sie unterbrechen das Spiel… wiederholen sich zu sehr… Sie spielen die selben Werbeclips immer wieder und wieder… Man kann ein gutes Fernsehprogramm nicht genießen, wenn man andauernd unterbrochen wird… Werbung nervt einen die ganze Zeit… Werbung nimmt zu viel Platz ein… Reklame nimmt zu viel Zeit innerhalb eines Programms in Anspruch… Ich habe Kabelfernsehen, um Werbung zu vermeiden, aber sie ist immer noch da… zu lang… sie unterbrechen das Programm immer an den interessanten Stellen… gerade wenn der Film spanennd wird… Werbung ist zu laut… die selben Spots werden so oft wiederholt, bis man sie nicht mehr ertragen kann… ein Großteil meiner E-Mails besteht aus Spam… Firmen geben zu viel Geld für Werbung aus… Ich hasse diese langen Infomercials… Werbung ist überall… Es werden so viele Werbespots hintereinander gebracht, dass man vergisst, worum es in der Sendung überhaupt ging… Radiowerbung ist langweilig, wenn ich darauf warte, Musik zu hören… Übersättigung… Ich fühle mich von Werbung überschwemmt… Eindringen in mein Privatleben… Sie ist überall…“


Viele dieser Klagen sind naiv, egozentrisch und fußen auf Ignoranz, auf einem fehlenden Verständnis dafür, dass:

– Kommerzfernsehen der Hauptmarktplatz unserer Gesellschaft ist.
– Fernsehprogramme hauptsächlich deshalb existieren, um Werbetreibenden ein Publikum zu bieten.
– „Wer die Band bezahlt, bestimmt die Musik.“


Verstopfung/Zumüllung

Auch Werbetreibende machen sich Sorgen über „zu viele Anzeigen“. Aber sie befürchten eher, dass ihre Werbung, ihr Produkt, in der Verstopfung durch all die anderen Anzeigen untergeht. Vor dem Amtsantritt von Ronald Reagan gab es eine Verordnung, die die maximal zulässige Sendezeit von Werbung begrenzte. Dann wurden diese Beschränkungen aufgehoben. Heutzutage können Fernsehstationen so viel Werbung senden wie sie wollen, beschränkt nur durch die Gefahr, ihre Zuschauer zu verlieren.

Deshalb hat bis zum Jahr 2000 die Sendezeit für Werbung auf inzwischen 13 Minuten (25–30 Spots) pro Stunde in der Hauptsendezeit zugenommen. Andere Programme mit einem „gefesselteren Publikum“ (wie Samstagvormittags-Kindersendungen und Spätfilme) weisen noch mehr Spots pro Stunde auf. Wenn Sie 7 Stunden Fernsehen am Tag schauen (wie Nielsen es für die „Durschnittsfamilie“ herausfand) sehen Sie täglich über 182 Werbespots (7 x 13 Minuten = 91 Minuten x 2 durch 30 Spots = 182).

Zum Zeitpunkt seines Grundschuleintritts hat ein 6jähriges Kind in Amerika bereits über eine Viertelmillion an Werbebeiträgen im Fernsehen geschaut.

Mehr über diese Zumüllung finden Sie im 2005er PBS-Programm „Frontline – The Persuaders“.


Ausmaß an Toleranz

Menschen ertragen mehr Anzeigen in Printmedien (Zeitungen und Zeitschriften), weil sie die Anzeigen leichter überfliegen und so diejenigen, die sie nicht interessieren, überblättern können. Außerdem suchen sich manche Leute gewisse Zeitschriften (Modehefte, Hochzeitsmagazine, Kochen, Dekoration) und lokale Zeitungen speziell wegen der Anzeigen darin aus.

Zuschauer tolerieren Werbung eher im kommerziellen Fernsehen (wo sie Kommerz erwarten) als im Kabelfernsehen oder auf öffentlich-rechtlichen Sendern. Zu Beginn waren alle kommerziellen Fernsehsender in den USA „frei“ für die Zuschauer (finanziert durch Werbung), anders als in anderern Ländern, wo eine jährliche Gebühr erhoben wird, um werbefreies Fernsehen zu finanzieren. Als das Kabelfernsehen aufkam, versprach es seinen bezahlenden Kunden werbefreie Spezialprogramme, doch bald erschienen Reklamespots auch auf den meisten dieser Sender.

Zu Beginn des öffentlich-rechtlichen Fernsehens (und Radios) waren diese werbefrei (finanziert durch parteienneutrale Regierungsstellen). Doch schon bald „zwangen“ die Politik und Unterfinanzierung die Sender, auch Gelder von Firmen-„sponsoren“ zu akzeptieren, die viele „weiche“, „Wohlfühl“-Anzeigen schalteten und solche, die das Konzernimage stärken sollten. (Wie können Sie sich über die Ölfirmen aufregen, wenn sie so ein gutes Programm sponsorn?) Zuerst zielte solche Werbung nur auf Erwachsene ab (Sonntagmorgens, Talkshows), aber nun attackieren viele Sponsoren Vorschulkinder in ihren Kinderprogrammen; z.B. die Juicy-Juice „Wohlfühl“- und Markenerkennungs-Spots, so dass 4- oder 5jährige, die mit ihrer Mutter einkaufen gehen, diese Produkte wählen.

Leute ertragen Werbung, die in Filmen eingebettet ist („Product Placement“), eher in Hintergrundszenen als in Großaufnahmen, wenn der Filmheld eine Dose eines Softdrinks hochhält, die von dem Konzern produziert wird, der beides (Filmstudio & Getränkeproduktion) besitzt.

Pop-Ups und blinkende Werbebanner im Online-Bereich entwickeln sich rasch zu der störendsten Form des Eindringens der Werbung.


Allgegenwart

Werbung ist praktisch überall in unserer Gesellschaft. Man kann Reklame nicht ausweichen. [Anm. PM: Zwar nicht komplett, aber einen Großteil der Kommerzpropaganda kann man schon aus seinem Leben verbannen: kein Privat-TV oder -Radio, Adblocker im Browser, keine werbefinanzierten Zeitschriften, kein Flanieren in Shopping-Centern.] Werbung wird nicht verschwinden.

Beispiele für viele neue Techniken finden Sie hier: „Zipping and zapping ads works with VCRs, but not in reality“ (Wegzappen von Werbung geht beim Videorecorder, aber nicht im realen Leben)


Geräuschbelästigung

Glücklicherweise gibt es in den meisten amerikanischen Städten Gesetze gegen Lastwagen, die mit ihren plärrenden Lautsprechern umher fahren, aber diese Wagen sind in anderen Ländern ohne solch strengen Gesetze oder Konsumentenschutz, durchaus üblich.


Visuelle Verschmutzung

Im Jahre 1965 leitete die Frau von Präsident Lyndon Johnson (Lady Bird Johnson) eine Kampagne für den „Highway Beautification Act“, um die 600.000 Plakatwände loszuwerden, die schnell am Rande des neuen Interstate-Autobahnnetzes entstanden waren. Unter großem öffentlichen Druck verabschiedete der Kongress schließlich das Gesetz.

Aber nachdem das öffentliche Interesse wieder eingeschlafen war, überzeugten die Werbetafel-Lobbyisten im Stillen genügend Mandatsträger, um den Etat zu begrenzen, der jedes Jahr nötig war, um den Besitzern der existierenden Plakatwände die „Entschädigung“ zu zahlen. Deshalb stehen auch 40 Jahre später noch über 200.000 Plakatwände an den Straßen.

Viele Städte verkaufen heutzutage Werbefläche (Bänke, Bushaltestellen) und „Sponsor“rechte für öffentliche Erholungseinrichtungen, und erlauben so das zeitweise Aufstellen von Plakaten und Werbebanner bei Konzerten, Festivals, Rennen oder jeglicher Versammlung größerer Menschenmengen im öffentlichen Raum.

In den Schulen verspricht Channel One seinen Werbekunden, dass sie keine Überfüllung zu befürchten habe, keine andere Werbung, im wertvollen „Tagesteil“ (9 Uhr morgens bis 3 Uhr nachmittags), während sie ein Zielpublikum von über 8 Millionen Schülern in 15.000 Schulen liefern. [Anm. PM: Zum Glück gibt es inzwischen immer mehr Initiativen an Schulen, die diesen Sender aus dem Unterricht verbannen.]

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Apr
27
2010
3

Zott „gewinnt“ den Goldenen Windbeutel 2010 und die Komplett-Kommerzialisierung der Sozialen Netzwerke

monte-drink_windbeutel_186x4101Da trifft es auf jeden Fall den Richtigen – der überzuckerte Monte Drink von Zott hat die Wahl zum Goldenen Windbeutel 2010, der dreistesten Werbelüge, „gewonnen“ – herzlichen Glückwunsch!

Das Ergebnis ist eindeutig: 81.451 Verbraucher beteiligten sich an der Wahl zur dreistesten Werbelüge des Jahres, und 37,5% stimmten für den „Monte Drink“ von Zott. Damit erhält die Großmolkerei aus dem bayerischen Mertingen den Goldenen Windbeutel 2010. Und das aus gutem Grund, denn Zott suggeriert Verbrauchern, bei Monte handele es sich um ein gesundes und ausgewogenes Produkt und einen „idealen Begleiter für Schule und Freizeit“. In Wahrheit aber steckt in dem „Milchmischgetränk“ vor allem eines: jede Menge Zucker. Umgerechnet 8 Stück Würfelzucker enthält ein Fläschchen Monte – mehr als die gleiche Menge Cola. Den Hersteller stört das nicht: Zott jubelt Eltern eine Zuckerbombe, die dazu noch mit Aroma und Zusatzstoffen aufgepeppt ist, als Zwischenmahlzeit für Kinder unter – unverschämter kann man nicht täuschen.

Am 23. April 2010 hat Zott anlässlich der Verleihung des Goldenen Windbeutels angekündigt, Rezeptur und Aufmachung von Monte Drink ändern zu wollen.

Die mittlereweile nicht mehr ganz so neuen großen Websites des Web 2.0-Zeitalters – allen voran Facebook, Twitter und Myspace – boomen wie nie zuvor. Es gehört immer stärker zum „guten Ton“, auch eine Facebookseite zu haben (wozu auch immer die gut sein soll). Im Hintergrund dieser ganzen Usereuphorie spielen sich allerdings die in unserem Wirtschaftssystem üblichen Prozesse ab: es geht um das kommerzielle Ausschlachten der Userinteressen, darum, möglichst früh einen möglichst großen Marktanteil zu sichern und auch in diesem Medium eine weitere Plattform zu entwickeln, die dem Abverkauf von Produkten und Images dient. Deshalb kann es gar nicht schaden, mal einen Blick auf die „andere Seite“ zu werfen, beispielsweise in den erfrischend offenherzigen Artikel „Kurzreklame: Das Vöglein Twitter wird flügge“ in der Financial Times Deutschland. Natürlich erwartet man von der FTD keine Analyse der sozialen Komponenten des Internets, dennoch lese ich solche Texte mit großem Unbehagen und Befremden:

[…] Die Werbebranche erkennt langsam den Nutzen der bisher wenig profitablen Netzwerke, zu denen etwa auch Myspace gehört. […] Investoren sind daher überzeugt, dass den reichweitenstarken Netzwerken künftig ein Milliardengeschäft sicher ist. […]

Pepsi und Co. setzen verstärkt auf das sogenannte virale Marketing, auf eine Werbeform also, bei der sich Botschaften allein über die Kommunikation der Nutzer wie ein Lauffeuer verbreiten. “Auf Twitter und anderen Netzwerken geht es weniger um die direkte Produktwerbung als um Imagepflege” […]. Das seien teilweise neue Formen der Unternehmenskommunikation. […]

[…] Marktneuling Twitter, geschätzter Unternehmenswert bislang rund 1 Mrd. $, hat nun am Dienstag erste Pläne für das Onlinewerbegeschäft veröffentlicht – und dabei gleich eine Reihe namhafter Kunden präsentiert: Die weltweit größte Kaffeehauskette Starbucks , der größte US-Elektronikhändler Best Buy sowie die Fluggesellschaft Virgin America bezahlen Twitter ab sofort für den Vertrieb ihrer Botschaften. […]

Bei der Gelegenheit, als  kleiner Kontrast zur Totalreklame noch ein Fernsehtipp: heute Abend von 20:15–21:45 Uhr im ZDF der Doku-Spielfilm „Dutschke“.

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Apr
18
2010
4

Blick durchs Netz: Der Materialismus zerstört Russland und Autos keine Statussymbole mehr

luxZwei interessante Artikel wurden mir in den letzten Tagen von Lesern empfohlen, die ich Euch auf jeden Fall auch darreichen möchte. Zum einen ein Bericht im Schweizer Tagesanzeiger über die gesellschaftliche Entwicklung Russlands, in der der Konsumismus nun offenbar besonders schlimme Blüten zu treiben beginnt – „Alles haben, ohne irgendwas zu tun“:

Der Materialismus zerstört Russlands Wesen. Einfacher Wohlstand ist nicht mehr erstrebenswert, alle wollen den märchenhaften, irrealen Reichtum wie Oligarchen und Popstars. (…)

(…) Die letzte Idee, die wir nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion vom Westen übernommen haben, ist die Konsum-«Philosophie», die den materiellen Wohlstand zu einem unumstösslichen Wert des Seins erklärt. Auf russischen Boden gelangt, wurde diese Idee sofort zum Idol, verwandelte sich vom eigentlich normalen menschlichen Wunsch nach einem Leben in Komfort in einen Kult des Geldes, des Reichtums und des schnellen Profits.

Für die meisten Menschen im heutigen Russland bemisst sich der Sinn des Lebens in Dollar. Im Westen, scheint mir, ist die Konsumgesellschaft aus der protestantischen Ethik der Arbeit hervorgegangen, wo Verdienst und Arbeit in unmittelbarem Bezug zueinander stehen. In Russland dagegen traf die Ideologie des materiellen Wohlstands auf die in der Sowjetgesellschaft entstandene Abneigung gegen jegliche Arbeit, ja, deren Verachtung. (…)

Und dann fand sich noch dieser Informationssplitter beim MDR – eine Entwicklung, die zumindest etwas erfreulicher ist, da das Protzen mit riesigen Autos offenbar bei der Jugend nicht mehr so angesagt ist (trotzdem wird der eigene Wert der Persönlichkeit immer noch mit nach außen vorzeigbaren Besitztümern bemessen) – „Multimedia ist neues Statussymbol“:

(…) Demnach hat die junge Generation keine emotionale Bindung mehr an das Statussymbol Auto. Für sie ist es nur noch ein Verkehrsmittel. (…)

Laut der Wirtschaftswoche sind Laptop, Smart- oder iphone einfach hipper als polierte Karossen. Möglicherweise wird dieser Trend durch immer bessere Nahverkehrsnetze unterstützt.

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Apr
14
2010
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Adblocking

logo-adblock-plusLustig – angeregt durch die Zuschrift eines Lesers habe ich in meinem Firefox-Browser auch endlich das grandiose Adblock Plus-Plugin installiert, das mittlerweile eine Qualität erreicht hat, wie man sie sich wünscht. Wurde die Performance des Rechners durch den Adblocker früher eher noch verringert und manches an eigentlichem Inhalt weggeblockt, so kann man mit der Erweiterung in der Version 1.1.3 inzwischen wirklich ganz entspannt durchs Netz surfen, ohne dass einen nervige, bunte, blinkende Reklame den Blick verbaut (Ausnahme: die besonders lästigen Layer-Ads). Selbst Websites wie Myspace, die sonst zu 2/3 aus Kommerzpropaganda für McDoof und ähnliche Konzerne bestehen, werden nun plötzlich wieder halbwegs ansehnlich. Großartige Sache – hier gibt es das Plugin, natürlich kostenlos: https://addons.mozilla.org/de/firefox/addon/1865

Ich empfehle das Abonennement für Deutschland auszuwählen, dann werden die wichtigsten Websites hierzulande gleich richtig von den Reklameeinblendungen entkernt.

Das Lustige? Nun, ich hatte gerade vor, diesen Beitrag über das Add-on zu schreiben, da erreicht mich ein Hinweis einer Blogleserin, die mich auf einen Artikel im österreichischen Der Standard aufmerksam macht – „Werbeblocker gefährden Arbeitsplätze“ heißt es da. Bekanntermaßen kann man mit dem Erhalt von Arbeitsplätzen heutzutage ja alles rechtfertigen, also auch die visuelle Zumüllung des Gesichtsfeldes der Benutzer, und die omnipräsente Gegenwart von Kaufpropaganda und Dauerkommerz, an die wir uns mittlerweile fast schon gewöhnt haben, die aber nicht wirkungslos an uns vorüber geht, da sich gewisse Marken und Logos tief in uns einbrennen, wenn wir sie dauernd zu Gesicht bekommen. Okay, ich klicke sowieso nie auf einen Werbebanner, somit ist es für die Firmen eher von Vorteil ist, wenn ich sie nicht negativ mit Reklame in Verbindung bringe… :-)

Die Diskussion, die der Standard da anfacht, ist aus zweierlei Hinsicht aber nicht so einfach zu ignorieren – zum einen wegen der von mir schon angesprochenen einseitigen Präferierung des Kommerzgedankens gegenüber der Unbeschadetheit des eigenen Geistes durch Weglassung von Reklame. Gerade, weil Der Standard eine eher linke Zeitung ist, finde ich es schon bemerkenswert, dass dieser Adblocking-Trend nicht etwa als Anlass genommen wird, sich vielleicht zu überlegen, ob Geschäftsmodelle, die darauf aufbauen, Menschen mit etwas zu nerven was diese nicht wollen, was sie stört und ärgert, eventuell nicht nachhaltig und kontraproduktiv sind. Auf der anderen Seite muss man natürlich auch ganz klar sehen, dass in unserem heutigen System die Werbefinanzierung viele Angebote, die wir im Internet gerne und umsonst annehmen, erst ermöglicht und tatsächlich also Menschen davon leben. Eine zweischneidige Sache also, wenn man Reklame automatisch wegblockt. Der Preis für die kostenlosen Netzangebote ist aber  eben sehr hoch, nämlich die permanente Berieselung mit Reklame und das Weichkochen und allmähliche Einsickern ds Kommerz in jede Ritze des Lebens – man muss sich fragen, ob dieser Preis, den die Gesellschaft zahlt, letztlich nicht zu hoch ist. Die meisten User, die etwas zu dem Standard-Artikel schrieben, befürworteten die Adblocker und bekräftigten ihre Genervtheit von den Reklameeinblendungen, die ja teilweise in Richtung Nötigung gehen (gerade bei den von mri schon erwähnten Layer-Ads).

Diese Diskussion entbrannte unlängst auch im Blog von Brian Carper – sein Beitrag mit dem sympathischen Titel „Advertising is devastating  to my well-being“ spricht sich eindeutig für Adblocker aus, und in der anschließenden Debatte in den Kommentaren ging es dann wiederum hoch her! Carper verfolgt einen durchaus radikalen Ansatz:

(…) Here’s the state of the world today: I can’t drive down the street without seeing billboards everywhere. The radio is literally 25 to 50% ads, which is why I don’t listen to the radio. Television is what, 20 minutes of commercials per hour? Which is why I haven’t had television in 6 years. Newspapers and magazines are saturated with ads, and of course I don’t read them either. Even then, ads are nearly unavoidable. (…)

(…) Businesses are not your friends. Businesses are not ethical entities. Businesses do not deserve the benefit of the doubt. Businesses exist to milk you of as much of your money as possible. The only sane reaction for the average person is a similar one: I want to deprive businesses of my money. I want to get as much from them as I can, while giving up as little as possible.

If I politely suggested that it’s “unfair” for a business to have such a huge profit margin, and “if they cared about their customers, they would lower all their prices”, I’d be laughed at. Why would a company do anything less than the absolute most they can do to bleed money out of me, after all? I laugh at any business which says the same thing to me. I will bleed you of product, as far as it’s legal to do so. It so happens that advertisements are devastating to my well-being. (…)

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Mrz
26
2010
1

Logorama – Die Welt aus Logos

Reklamefritzen arbeiten ja weltweit daran, unseren Alltag so weit wie möglich mit Kommerzbotschaften, Logos und Slogans zu überschwemmen. Ganz so weit wie in dem Oscar-prämierten Kurzfilm von François Alaux, Hervé de Crécy und Ludovic Houplain sind sie dabei zum Glück noch nicht gekommen – „Logorama“ stellt eine bei aller Buntheit albtraumhafte Szenerie dar, die aus über 2000 Markenlogos produziert wurde. Noch omnipräsenter als hier können Konzerne nicht mehr sein… Auf Vimeo gibt es derzeit (noch) den ganzen Film zu bewundern, ansonsten kann man sich bei Adbusters den Trailer anschauen.

Logorama from Marc Altshuler – Human Music on Vimeo.

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