Zwei interessante Artikel wurden mir in den letzten Tagen von Lesern empfohlen, die ich Euch auf jeden Fall auch darreichen möchte. Zum einen ein Bericht im Schweizer Tagesanzeiger über die gesellschaftliche Entwicklung Russlands, in der der Konsumismus nun offenbar besonders schlimme Blüten zu treiben beginnt – „Alles haben, ohne irgendwas zu tun“:
Der Materialismus zerstört Russlands Wesen. Einfacher Wohlstand ist nicht mehr erstrebenswert, alle wollen den märchenhaften, irrealen Reichtum wie Oligarchen und Popstars. (…)
(…) Die letzte Idee, die wir nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion vom Westen übernommen haben, ist die Konsum-«Philosophie», die den materiellen Wohlstand zu einem unumstösslichen Wert des Seins erklärt. Auf russischen Boden gelangt, wurde diese Idee sofort zum Idol, verwandelte sich vom eigentlich normalen menschlichen Wunsch nach einem Leben in Komfort in einen Kult des Geldes, des Reichtums und des schnellen Profits.
Für die meisten Menschen im heutigen Russland bemisst sich der Sinn des Lebens in Dollar. Im Westen, scheint mir, ist die Konsumgesellschaft aus der protestantischen Ethik der Arbeit hervorgegangen, wo Verdienst und Arbeit in unmittelbarem Bezug zueinander stehen. In Russland dagegen traf die Ideologie des materiellen Wohlstands auf die in der Sowjetgesellschaft entstandene Abneigung gegen jegliche Arbeit, ja, deren Verachtung. (…)
Und dann fand sich noch dieser Informationssplitter beim MDR – eine Entwicklung, die zumindest etwas erfreulicher ist, da das Protzen mit riesigen Autos offenbar bei der Jugend nicht mehr so angesagt ist (trotzdem wird der eigene Wert der Persönlichkeit immer noch mit nach außen vorzeigbaren Besitztümern bemessen) – „Multimedia ist neues Statussymbol“:
(…) Demnach hat die junge Generation keine emotionale Bindung mehr an das Statussymbol Auto. Für sie ist es nur noch ein Verkehrsmittel. (…)
Laut der Wirtschaftswoche sind Laptop, Smart- oder iphone einfach hipper als polierte Karossen. Möglicherweise wird dieser Trend durch immer bessere Nahverkehrsnetze unterstützt.
Anatoli B.
also ich bin mit dem ersten Artikel so gar nicht einverstanden. Es wird so berichtet als ob es etwas total russisches wäre einen Wunsch nach “Super-Reichtum” zu versppüren. Dabei ist es überhaupt nichts neues und schon gar nicht etwas russisches. Bei uns und vor allem in den USA gibt es auch genug junge Leute, die von nichts anderem träumen und im Artikel wird beschrieben, dass alle nur noch BWL und VWL studieren wollen um reich zu werden und dabei benötigt die Wirtschaft angeblich nicht so viele Manager =D
BWLer und VWLer sind nicht gleich Manager, sondern sie können in so vielen verschiedenen Berufsfeldern eingesetzt werden, dass man sich das alles gar nicht merken kann und außerdem ist der meistbesuchte Studiengang in Deutschland, in der EU und in den USA auch BWL und VWL – wo ist da also was besonderes ? :D
Je mehr BWLer und VWLer ausgebildet werden, desto mehr wird die Wirtschaft auch wachsen, denn Russland braucht im Moment gute Geschäftsleute und BWLer sind nichts anderes als akademisch ausgebildete Geschäftsleute und nur ein kleiner Teil arbeitet später als Manager. Es ist genau richtig, wenn die Leute alle das studieren, wo man am meisten Geld verdienen kann, denn so funktioniert nun Mal die Wirtschaft. Wenn es einen Mangel an Architekten geben wird, dann werden auch die Löhne von diesen steigen und dann werden und ein Paar Leute Architektur studieren.
xenos
“Good Boys Go to Heaven and Bad Boys go to Europe”
Tomsk, the “Athens” of Siberia. 2008.
Oleg, 28, is about to move to Europe with his wife Anya. He is getting ready to leave his lifelong friends, family and the city where he has spent his whole life.
Meanwhile, students and young artists are developing themselves in the city: the flirty Tunisian student, the female entrepreneur, the saturday-night-car-game aficionados, the underground musicians…
Gibts überall, legal. Inner Röhre als Flashtrash, als *torrent, wasauchimmer…
Florian Peters
Meiner Meinung nach ist der Artikel teilweise rassistisch. Es wird so getan als wäre der Wunsch nach “Super Reichtum” etwas typisch russisches. Dabei gibt es diesen in allen Ländern der Welt. Deutschland eingeschlossen. Mit Pauschalisierungen wie dieser wird der Problematik Materialismus nicht recht getan…
Peter M.
Hm, das kann ich nicht erkennen, ehrlich gesagt. Es scheint mir halt (nach der Lektüre des Artikels, der übrigens von einer Russin geschrieben wurde) nur so, dass sich in Russland derzeit eine besonders extreme Form des Materialismus entwickelt hat; noch schlimmer als in den westlichen Nationen, wo der Materialismus eben seit vielen Jahrzehnten schon (leider) selbstverständlich geworden ist und sich auch vermehrt Gegenbewegungen gebildet haben (siehe Konsumkritik, Öko-Landbau etc.). Ich glaube nicht, dass es unbedingt an den Russen als solches liegt, wenn sich da aktuell so etwas entwickelt, eher am “Nachholbedarf” nach der Zeit des Kommunismus…