Legale Verbrauchertäuschung

In ihrem Beitrag „Fleisch in vegetarischem Essen und anderen Produkten“ thematisierte die N3-Sendung Markt am Montag dieser Woche eine Form von legaler Verbrauchertäuschung, wie wir sie von der Nahrungsmittelindustrie mittlerweile ja fast schon gewöhnt sind (Stichworte Analog-Käse, Mogelpackungen etc.) – dass nämlich vielen Produkten, die wir so im Supermarkt kaufen und die auf den ersten Blick als vegetarisch zu bezeichnen wären, tierische Fette, Gelatine etc. beigemengt werden. In der Regel, weil sie billiger sind als andere Ersatzstoffe, oder weil die Hersteller damit gewisse Geschmackswirkungen erzielen wollen.

Täuschende Verpackungen: In der Zucchinipfanne, der Grießklößchensuppe oder der Zwiebelsuppe stecken oft tierische Fette. Zu finden ist das für den Kunden nur im Kleingedruckten. Die Verpackung suggeriert häufig ein rein vegetarisches Produkt. Doch die Bilder auf der Verpackung sagen häufig sehr wenig darüber aus, was wirklich in den Produkten enthalten ist, erläutert Silke Schwartau von der Verbraucherzentrale Hamburg. Food-Stylisten täuschen die Verbraucher oft darüber hinweg, wie das Produkt wirklich zusammengesetzt ist.

(…) In vielen Produkten, die aussehen, als hätten sie gar nichts mit Tier zu tun, ist zum Beispiel Gelatine enthalten. Sie wird aus Haut und Knochen von Schweinen und Rindern hergestellt. Gelatine befindet sich häufig im Fruchtgummi, kann aber auch im Gebäck sein, im Frischkäse, Gebäck oder Wackelpudding. Auch in Fruchtjoghurt, Schokoladen-Pudding oder den Frühstücks-Toppas von Kellogg’s ist Gelatine enthalten. Die Gelatine soll laut Kellogg’s ein “positives Mundgefühl” erzeugen.

(…) Thilo Bode von der Organisation Foodwatch ärgert diese Form der “legalen Verbrauchertäuschung”. Wenn nicht alles auf der Zutatenliste erscheint, kaufe der Verbraucher Produkte, deren Inhalt er nicht wirklich kennt. So ist es legal, wenn Gelatine vom Tier verwendet wird, ohne dass der Verbraucher es merkt. Nicht nur im Herstellungsprozess, sondern auch im Endprodukt – als Trägerstoff zum Beispiel. An der Gelatine bleiben Vitamine und Farbstoffe hängen und können so ins Getränk gebracht werden. Viele Getränkehersteller verwenden Gelatine als Trägerstoff, zum Beispiel Eckes-Granini und Coca Cola.

Die Verbraucherzentrale Hamburg hat die Tabelle Vegetarisch Einkaufen zusammengestellt (leider inzwischen offline; HIER findet man zumindest Auszüge der Liste), die einen Überblick darüber gibt, welche tierischen Inhaltsstoffe in den verschiedenen, vermeintlich vegetarischen Produktarten so enthalten sind. Eigentlich unglaublich, wenn man sich diese Liste so durchliest. [Andererseits sollte man nun auch nicht päpstlicher als der Papst sein – sooo schlimm sind teils kleine Beimengungen dann m.E. auch wieder nicht (es sei denn, man ist Allergiker). Jedenfalls nicht ganz so schlimm wie einige andere der Verbrauchertäuschungen, die uns jeden Tag begegnen.]

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Zwei Lesetipps zum aktuellen digitalen Leben

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© ilco, stock.xchange

Internetzensur (von der Regierung mehr schlecht als recht getarnt als „Kampf gegen Kinderpornographie“) und Urheberrechtsschutz sind zwei brandaktuelle Themen, wenn es um das Internet bzw. um moderne Medien und Mediendemokratie geht. Zu beiden Thematiken fand ich dieser Tage interessante, höchst lesenswerte Artikel, die ich Euch unbedingt auch ans Leseherz legen möchte. Denn tatsächlich ist die Freiheit, an die wir uns im Internet gewöhnt haben, akut in Gefahr, den Überwachungsfantasien einiger Interessensgruppen geopfert zu werden.

Der Blog Pandoras Kekzdose befasst sich in seinem ArtikelMissbrauch missbrauchen sehr eingehend und auch kritisch mit der von Familienministerin von der Leyen angeleierten Internetzensur, die ja angeblich nur gegen Kinderpornographie gerichtet sein soll. Wer’s glaubt…

Es ist eine schöne Welt, von der man da in den Tageszeitungen liest. Dass endlich auch das Internet, bekannte Anlaufstelle für Pädophile, Nazis und Terroristen, nicht mehr sicher ist, vor dem harten linken Haken des Gesetzes. Bald können wir auch wieder unsere Kinder allein ins Internet gehen lassen, ohne Angst haben zu müssen, dass sie sich ein Trauma fürs Leben einfangen. Bald ist auch endlich das Internet ein Teil der großen Demokratie der westlichen Zivilisation. Endlich all die Gesetze, die unsere Freiheit in der realen Welt regeln, auch im Internet. Ein Traum wird wahr. Ein Hoch auf die Ursula. Auf den Wolfi. Und auf den BKA.

Es ist fast zu schön um wahr zu sein. Quasi wie im Film. Am Ende siegt die Gerechtigkeit. Die Demokratie. Und was halt so dazugehört. Und keiner schreit mitten im Film “UNLOGISCH!”, keiner gibt in der Fernsehzeitung schlechte Kritiken ab und niemand zeigt mit dem Daumen runter. Einfach weil es alles so perfekt ist. Oder?…

Angefangen hat die neue, kritische und unzensierte Form des Journalismus mit den Blogs. Dabei geht es nicht um die HelloKittyEmoBlogs, die in der Blütezeit überall aus dem Boden sproßen. Es geht um die Blogs von Menschen aus Ländern, in denen freie Meinungsäußerung bestraft wird. Das Prinzip “ich schreib mal meinen Alltag ins Netz” wurde längst durch Twitter und Co. ersetzt. Mittlerweile wird richtig gebloggt. Über Politik, über Missstände, Gefahren, Ungerechtigkeit. Der Trend geht immer weiter zu einem virtuellen Protestschrei hin, der nun auch Deutschland erreicht hat. Die Blogs betrachten die aktuellen Geschehnisse aus einem neuen Blickwinkel. Aus einem Blickwinkel, der nicht nur wolkenlosen blauen Himmel und Sonnenschein widerspiegelt, sonder entsetzt auf die Gewitterwolken am Horizont zeigt, die immer näher kommen und alles in ein tiefes Schwarz tauchen.

(…) Zum Beispiel um weitere Sperrung von Seiten, wie zum Beispiel Pirate Bay und co., die der Unterhaltungsindustrie schon seit Jahren ein Dorn im Auge sind. Wäre die Welt nicht so viel schöner, wenn man diese ganzen bösen Copyrightverletzter mit einem Schlag ausradieren könnte? Wenn man mit ein paar Eingaben all die bösen Menschen von der Bildfläche bomben könnte, die unsere Welt so viel schlechter machen? Denn sein wir mal ehrlich – Kinderschänder, Killerspielspieler, Raubkopierer – wo ist denn da der Unterschied? Mittlerweile wird man sowieso schon härter fürs Raubkopieren als fürs Besitzen von Kinderpornografie bestraft. Wieso sollte man dann Kinderpornografie aus dem deutschen Web verbannen, Pirate Bay und Co. aber nicht?

Im Kampf um die E-Books, die nun den Markt erobern und plötzlich das Problem aufwerfen, dass man die ganzen Bücher nicht mehr im Bücherladen kaufen muss, sondern sich einfach bei Bedarf eben die Zipdatei aus dem Netz zieht, schaltet sich nun Christian Sprang, Leiter der Rechtsabteilung des Börsenvereins des deutschen Buchhandels ein. Er plädiert dafür, Seiten zu sperren, die das Urheberrecht verletzen.

In diesem Zusammenhang ist auch das Interview mit Ursula von der Leyen von Interesse, das vor einigen Tagen von Radio Eins geführt wurde [via ZAF – der dazugehörige Artikel ist ebenfalls gut]. Bezeichnend finde ich dabei nicht nur ihr bemerkenswertes Gestammel, das von wenig Sicherheit zeugt:

Moderatorin: Das heißt speichern?
Ursula von der Leyen: Na ja, speichern…äh, ich habe Ihnen jetzt mal eben die Zahlen am Tag genannt. Das können Sie gar nicht, und das ist auch nicht das Ziel. Aber wenn Sie manchmal die diff, die diffizirn…also die komplexen Vorgänge des Suchens der Polizei nach bestimmten Täterringen, ähm, und und, ja, Pornoringen eben, Kinderschänderringen, äh, beobachten und soweit, äh, dieses Handwerk dann auch sich aus einem, einem Puzzle zusammensetzt, gehört mit dazu die Frage zu stellen, ob jemand immer wieder versucht, äh, einschlägige Seiten aufzurufen, und, äh, sich dort zu tummeln…nur das große Massengeschäft…und, ähm, wie gesagt, da sind viele auch dabei, die völlig harmlos sind, ähm, das ist, da interessiert uns nur deutlich zu machen, hier geht’s nicht weiter. Stopp!

– sondern auch einige ihrer Aussagen über Internetbenutzer allgemein:

Ursula von der Leyen: Na ja, wir wissen, daß bei den vielen Kunden, die es gibt, rund 80 Prozent, die ganz normalen User des Internets sind. Und jeder, der jetzt zuhört, kann jetzt eigentlich sich selber fragen, wen kenn’ ich, wer Sperren im Internet aktiv umgehen kann. Die müssen schon deutlich versierter sein. Das sind die 20 Prozent, die sind z.T. schwer Pädokriminelle, die bewegen sich in ganz anderen Foren, die sind versierte Internetnutzer, natürlich auch geschult im Laufe der Jahre in diesem widerwärtigen Geschäft.

Soso, 20%, die technisch versierten, sind also die Schlimmen, quasi schon per se „Pädokriminelle“. Und so jemand sitzt hierzulande in der Regierung…!

kabelEbenso unerfreulich – die Versuche einiger Menschen, das Urheberrecht als Keule gegen die Entwicklung im Internet, gegen die Digitalisierung generell, einzusetzen. Der „Heidelberger Appell“ des Philologen Roland Reuß richtet sich direkt gegen „Open Access“, also freien Zugang zu Wissen und Daten im Netz. Fritz Effenberger kommentiert dies auf Telepolis in Geistiges Eigentum als Heidelberger Postkartenidylle sehr passend, denke ich:

Die Bundesregierung, so fordern Reuß und bisher über 1500 Unterzeichner (darunter Teile unserer nationalen Schriftsteller-Elite), müsse sicherstellen, dass keinerlei private oder Suchmaschinen automatisierte Verbreitung von geistigen Inhalten stattfinden könne, also letztlich ein Verbot von GoogleBooks, YouTube und anderen Internetplattformen dieser Art. “Das verfassungsmäßig verbürgte Grundrecht von Urhebern auf freie und selbstbestimmte Publikation” sieht Reuß bedroht und erkennt nicht, dass seine Argumentation eine spiegelverkehrte Darstellung der Wirklichkeit liefert: Erst durch Internet und digitale Datenträger kann jeder Urheber auch ohne Verlage publizieren.

(…) Ich fordere daher die politischen Kräfte in unserem Land auf, nicht weiter über naive, da technisch unwirksame Verbote nachzudenken, sondern über die aktive Gestaltung des Urheberrechts in einer Zeit des technischen Umbruchs: Jeder Bürger kann sich heute via digitaler Weitergabe jedes Buch, jeden Film, jedes Musikstück besorgen, ohne dass dies technisch verhindert oder mitverfolgt werden kann; der Preis für die Verhinderung oder Aufdeckung wäre die Zerstörung des Internet, wie wir es kennen. Die Gesetze müssen dieser Realität entsprechend reformiert werden, der Urheber muss die ihm zustehende Vergütung erhalten. Diese wird tatsächlich heute schon teilweise erhoben und ausgeschüttet: Geräte und Medien zur Herstellung von Kopien sind mit einer Abgabe belegt, die von den zuständigen Verwertungsgesellschaften an die Autoren, Komponisten, geistigen Schöpfer ausgeschüttet werden.

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Weise Worte (8)

Die Werte, die heute unser Leben bestimmen, sind ökonomische Werte, keine demokratischen Werte. Unser System wird vor allem definiert durch die Gesetze und Regelungen, die wir als Angestellte, Kunden und Konsumenten erfüllen. PR-Firmen sind selbst Unternehmen, die existieren, um die Propaganda-Interessen ihrer Kunden zu vertreten. Und wie jeder weiß, der für ein Unternehmen tätig ist, gibt es am Arbeitsplatz keine Demokratie. Genauso wenig wie in Washington und in den Hauptstädten der Bundesstaaten, wo die Partikularinteressen der Unternehmen die politischen Geldbörsen kontrollieren, die Kandidaten ins Amt bringen und sie dort halten.

PR existiert, um die nötigen Illusionen zu erzeugen, um die Lücke zwischen dem Traum von Amerika und der Realität der amerikanischen Gesellschaft zu überbrücken.

John Stauber & Sheldon Rampton, Giftmüll macht schlank (1995/2006)

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Unfreiwillige Komik der Telekom

Zufällig stieß ich neulich im Netz auf diese Reklameeinblendung der Telekom, die vor dem Hintergrund der diversen Datenschutzskandale rund um dieses Unternehmen einer gewissen unfreiwilligen Komik nicht entbehrt, wie ich finde. :-)

telekom-werbung

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Jamming the ad culture

Die Adbusters- und Culture Jamming-„Gemeinde“ gewinnt in den letzten Jahren wieder vermehrt an Schwung und Schlagkraft, und natürlich freue ich mich immer, wenn in den Medien – seien es nun die Totholzmedien, Fernsehen (dort findet Kommerzkritik sehr selten statt!) oder das Internet – das Thema Werbekritik und Widerstand gegen die Reklamewucht auftaucht. So fand ich auf einer amerikanischen Website namens Ship of Fools („The Magazine for Christian Unrest“, hm, interessant, in welchen Ecken man sich mit dem Thema auch so befasst; ist mal ein neuer Blickwinkel in meinem Blog) neulich diesen – ursprünglich aus dem Jahre 2001 stammenden – prima Artikel Jamming the ad culture. Es geht um Kalle Lasn, das Adbusters Magazin und eben den Kampf gegen Werbung – und ich möchte Euch den Text heute übersetzt präsentieren.

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jammingculture

Blockieren der Werbekultur

Werbetreibende haben lange Zeit ihr Publikum als bloße Konsumenten angesehen, als passive Empfänger ihrer Botschaften und Produkte. Aber die Konsumenten beginnen, zurückzuschlagen. Susan Roberts berichtet über Culture Jammer, die Werbebotschaften unterwandern.

Shopping ist die neue Religion. Vergessen Sie Pilgerfahrten nach Canterbury: denken Sie eher an Reebok und Ralph Loren. Wir verbannen das Leid nicht mit Gebeten, sondern mit einer kleinen Einkaufstherapie.

An einem durchschnittlichen Tag sehen wir tausende von Marken und Logos, ob wir es wollen oder nicht. Sie sind die neuen Ikonen unserer Gesellschaft und sie infiltrieren jede Ecke des Lebens, vom Arbeitsplatz und Schulen bis hin zum eigenen Zuhause und dem Urlaub. Sie versammeln Menschen so wie das Kreuz die Kreuzritter hinter sich versammelt hat. Sie zielen darauf ab, Treue und ein Gefolge zu erzeugen.

Nach neuesten Studien sind manche Marken inzwischen glaubwürdiger als Politiker und Kirchenführer. Marketing funktioniert. Menschen fühlen sich stärker und besser, wenn sie ein Label wie ein Amulett gegen das Böse tragen. Sie fühlen, dass sie dazugehören, dass sie hineinpassen. Sie definieren sich selbst mit Hilfe von Logos.

Aber es entsteht eine Rebellion, eine kleine Rebellion, aber eine, die dennoch Zuversicht hat. Einige Konsumenten beginnen, zu protestieren. Sie lehnen die Art und Weise ab, wie Werbung so viel öffentlichen Raum besetzt – in Straßen, an den Häuserwänden, auf Bussen und Taxen. Sie sind wütend darüber, wie Werbung zufällig (ungerichtet) unser Bewusstsein bedrängt. Es ist an der Zeit, diesen Wahnsinn zu stoppen, sagen sie.

Ihre Akte von stillem Protest – die in Amerika stark zunehmen – kennt man als Culture Jamming. Culture Jammer parodieren Anzeigen und kidnappen Plakatwände, um deren Botschaften umzukehren. Sie zielen darauf ab, Leute dazu zu animieren, über die tiefere Wahrheit hinter den Marketingkampagnen nachzudenken.

Absolut Vodka

Adbusters, ein alle zwei Monate erscheinendes Magazin, das in Vancouver herausgegeben wird, ist eine der Schaltzentralen der Bewegung. Es wurde 1989 von dem in Estland geborenen Kalle Lasn gegründet, der es als „aalglatt/subversiv“ beschreibt. Von fern scheint es sich um eine glänzende und visuell fesselnde Kunstzeitschrift zu handeln. Doch sobald Sie es aufblättern, entdecken sie etwas ganz anderes.

Adbusters ist ein revolutionäres Werkzeug, die Bibel des Gegenschlags gegen Konsum und weltweites Marketing. Es parodiert große Anzeigenkampagnen, analysiert kulturelle und kommerzielle Trends und berichtet über das Verhalten von Konzernen. Es beabsichtigt, die „Kultur-Gifte“ zurückzudrängen, jene Kräfte des Kommerzialismus, die der Adbusters-Meinung nach die Gesellschaft verformen. Es möchte die Art, wie wir denken, ändern.

„Unser Ziel ist es, die existierenden Machtstrukturen zu kippen und ein grundlegendes Umdenken darüber, wie wir im 21. Jahrhundert leben, anzuregen“, besagt ihr Leitspruch. „Wir glauben, dass Culture Jamming für unsere Zeit das wird, was der Kampf für Bürgerrechte für die 60er, was der Feminismus für die 70er und der Kampf für die Umwelt für die 80er war.“

Die professionell gestalteten Adbusters „Spoof Ads“ sind genauso einprägsam wie die Originale, die sie lächerlich machen. Joe Camel, Zigarettenraucher, wird zu Joe Chemo, der in einem Sarg liegt. Ein Pferd grast auf einem schneebedeckten Friedhof in Marlboro Country. Das bekannte Bild einer Wodkaflasche welkt über dem Slogan „Absolute Impotenz“.

Adbusters initiiert auch Kampagnen. Am „Buy Nothing Day“ (Kauf Nichts-Tag), am Tag nach Thanksgiving, werden die Leute dazu aufgerufen, eine Pause von ihrer Shopping-Ekstase einzulegen und über die Tatsache nachzudenken, dass 20 Prozent der Weltbevölkerung 80 Prozent der natürlichen Ressourcen verbrauchen. Unser überzogenes Konsumniveau tötet den Planeten: „Finde Freude an deiner Macht als Konsument, um das ökonomische Umfeld zu ändern.“

adbusters_flagDie letzte Kampagne war ein „Corporate America Flag Jam“. Am 4. Juli, dem amerikanischen Independence Day, lieferte Adbusters einen, wie sie es nannten, symbolischen Ungehorsam, indem es eine alternative Version der Stars-and-Stripes-Fahne erstellte, eine „Brands-and-Bands“, eine Amerika-Flagge, bei der die Sterne durch eine Reihe von Konzernlogos ersetzt wurden. Es war, wie sie sagten, ein Symbol für all das, was falsch läuft in den USA.

„Das Amerika der Konzerne schwelgt in einem Goldenen Zeitalter. Eine schrumpfende Zahl der größten Unternehmen der Welt – AOL Time Warner, Shell, Nike, Microsoft, McDonald’s – stellen das Geld hinter den Präsidenten, die Macht, die weltweite Handelsregeln bestimmt, die Stimme der Autorität darüber, wie wir leben und wie wir denken.“

Fünfhundert dieser speziellen Adbusters-Fahnen wurden von Protestierenden in der ganzen USA geschwenkt, über Brücken gehängt und vor großen Handelsketten wie Wal Mart sowie dem Weißen Haus präsentiert. Einige zogen Menschenmengen an, andere waren nur ein Ein-Mann-Protest. Die Aussage wurde klar und kraftvoll rübergebracht, sagt Adbusters-Herausgeber Kalle Lasn.„Der Hauptgrund für den großen Erfolg der Fahne war, dass sich Amerika mehr als jedes andere Land auf der Welt davon entfernt hat, eine radikale Demokratie zu sein, in der die Menschen entscheiden, was passieren wird“, sagt er. „Es hat sich einem Konzernstaat angenähert.“

Kalle Lasn glaubt, dass Amerika die ursprüngliche Vision der Gründerväter leider aus den Augen verloren hat. Er sagt, dass die Zeit gekommen ist, auf die ursprüngliche Bedeutung der Revolution des Landes zurückzublicken, der Wunsch nach einer wirklichen Demokratie, nach Freiheit und Gerechtigkeit für alle. Es ist an der Zeit, die Macht der großen Unternehmen in Frage zu stellen. „Bürger sind zu Konsumenten geworden und Kultur zur Konsumkultur“, sagt er. „Produkte und Kommerz sind die dominierenden Werte geworden.“

Lasn sagt, dass derzeit 40.000 Menschen im Adbusters E-Mail-Netzwerk sind und Neuigkeiten über Aktivitäten und Kampagnen erhalten. Ca. 10.000 Leute besuchen jeden Tag die Website. Die Verkaufszahlen des Magazins steigen stetig. Die Auflage von 100.000 – 2/3 davon in den U.S.A. – steigt mit jeder Ausgabe um 4.000–5.000. (Anm. P.M.: Inzwischen sind, laut Adbusters-Website, knapp 83.000 Leute auf dem E-Mailverteiler.)

Eindeutig gewinnen die Adbusters-Aktivitäten an Schwung, aber einige Kritiker fragen sich, ob ihre Arbeit überhaupt einen echten Einfluss hat. In vielerlei Hinsicht ist es immer noch eine „Insider“-Zeitschrift. Es mangele ihr an Massenappeal. Aber die wachsende Zahl von Abonnenten und Aktivisten sprechen eine andere Sprache – und die Bewegung wächst. In England sammelt das Subvertise-Projekt Werbeparodien und Fotos von Plakatwänden, die mit Anti-Werbe-Graffitti verändert wurden.

Weltweit hat Culture Jamming einen gewissen Einfluss. Nike, als offensichtliche Antwort auf die Vorwürfe, dass es in ihren Fabriken in den Entwicklungsländern auf Kinderarbeit zurückgreife, brachte unlängst ihre eigene „gejammte“ Reklame in Australia heraus: „Die anstößigsten Stiefel, die jemals gemacht wurden. 100 Prozent Sklavenarbeit.“ Nike hat begonnen, sich den öffentlichen Zynismus zunutze zu machen, erklärt Adbusters.

Andere Adbusters-Kritiker – und nicht nur die in den großen Unternehmen – sind einfach der Meinung, dass Shopping Spaß macht. Ihnen macht es nichts aus, manipuliert zu werden. Sie sind der Meinung, dass sie ihre Entscheidungen vollkommen unter Kontrolle haben. „Das grundlegende Problem mit Adbusters ist, dass es festlegen möchte, wie Glück/Zufriedenheit aussehen soll und welche Dinge eine Bedeutung haben und welche nicht“, so ein Leserbrief in einer aktuellen Ausgabe. „Eine der Stützen der Freiheit in den USA ist das Recht des ‚eigenen Wegs zum Glück‘. Bedenken Sie, dass die Definition von ‚Glück‘ nicht von Ihnen gepachtet ist, denn, nun, das bedeutet Freiheit.“

Aber die Zeitschrift hat hohe Ideale und Lasn glaubt, dass sie zu einem wachsenden weltweiten Unwohlsein passt, einem Gefühl, dass die Dinge einfach nicht richtig laufen.

Er spricht von einer dringenden Notwendigkeit, anzuhalten und einen Raum für andere Formen des Denkens und des Daseins zu bewahren. Er plädiert für eine Welt ohne kommerzielles Inferno, eine geschützte Zone. Er fürchtet, dass es eine reale Gefahr darstellt, dass die Macht des Konzermarketings uns diese nehmen kann. Er fühlt auch, dass wir ohne diesen mentalen Freiraum uns selbst nicht wirklich werden finden können.

Seneca sagte vor 2.000 Jahren ziemlich genau das gleiche: „Prüfe alles, das um dich herum liegt, als wäre es Gepäck in einem Gästezimmer; Du musst weiterreisen“, schrieb er. „Die Natur macht dich bei deiner Abreise genauso nackt/bloß wie bei deiner Ankunft.“

Bücher:

Culture Jam von Kalle Lasn, Herausgeber des Adbusters Magazins (auf deutsch: „Culture Jamming. Das Manifest der Anti-Werbung”). Lasn bietet einen Leitfaden, das derzeitige Denken zu verändern um den kommerziellen Mediahype zu vermeiden, geformt durch Markennamen, Stars und leeren Glanz, der unsere moderne Kultur ausmacht.
No Logo No Logo von Naomi Klein. Klein zeigt, wie allgegenwärtig Marken geworden sind, nicht nur in den Medien und auf den Straßen, aber zunehmend auch in Schulen. No Logo ist eine verständliche Bestandsaufnahme, was die globale Wirtschaft bewirkt hat und welche Aktionen stattfinden, um dem entgegenzuwirken.

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Die Lüge vom billigen Atomstrom

Manchmal ist es durchaus lohnend, mal bei Videoportalen zu schauen, welche Beiträge kritischer Fernsehmagazine wie Frontal 21 dort die mittlerweile ja vorgeschriebene, mit den Privatsendern ausgehandelte Richtlinie, Sendungen online nach wenigen Tagen aus den Mediatheken zu entfernen, „überlebt“ haben. Beispielsweise Die Atomstrom-Lüge aus dem September letzten Jahres, in dem die Autoren die Behauptungen der Energiekonzerne und gewisser politischer Kreise, dass Atomstrom ja „so billig“ sei (seltsam, dass die Strompreise trotzdem immer weiter steigen, oder?) widerlegen. Denn nur durch milliardenschwere Subventionen ist Atomstrom ja überhaupt konkurrenzfähig geworden. Über den Unsinn, den Ronald Pofalla diesbezüglich abließ („Für die CDU ist Kernkraft Ökoenergie“), der aber perfekt zur aktuellen peinlichen RWE ProKlima-Kampgane passt, wollen wir hier mal besser gar nicht erst reden…

Die Atomindustrie genieße seit Jahrzehnten Subventionen und Privilegien wie kein anderer Industriezweig, kritisiert Hohmeyer weiter. “Kernenergie ist ohne Subvention in Deutschland gar nicht vorstellbar.” Subventionen hätten die Atomenergie von der Stunde Null an begleitet. “Im Prinzip hat man politisch das gewollt”, so Hohmeyer. Er warnt vor einer unnötigen Verlängerung der Subventionen. “Das hat sich nicht gerechnet, das wird sich auch nicht rechnen und war – im Nachhinein betrachtet – ein Fehler.”

(…) Während die Energiekonzerne Milliarden mit der Atomkraft verdient hätten, seien die Kosten für Forschung, Risikovorsorge und Entsorgung sozialisiert und auf den Verbraucher abgewälzt worden, kritisiert auch der energiepolitische Sprecher der Grünen im baden-württembergischen Landtag, Franz Untersteller. “Wenn Sie genauer hinschauen, dann stellen Sie fest: Die Gewinne streichen EnBW, RWE, Vattenfall und Eon ein – die Kosten der Kernenergienutzung zahlt der Steuerzahler”, sagt er gegenüber Frontal21.

(…) Auch von der jetzt diskutierten Verlängerung der Laufzeiten von Atomkraftwerken würde wieder nur die Industrie profitieren, befürchtet der Energiewirtschaftsexperte Felix Matthes vom Berliner Öko-Institut. Das Kernkraftwerk Biblis sei beispielsweise mindestens seit dem Jahr 2000 abgeschrieben, so Matthes. Bei den stark gestiegenen Strompreisen werde das Werk allein im Jahr 2009 voraussichtlich einen Zusatzprofit von einer Milliarde Euro realisieren. Allerdings nicht zum Vorteil des Kunden. “Bei dem kommt von diesen Zusatzprofiten nichts an.” Insgesamt führen acht Jahre mehr Laufzeit nach Berechnungen von Matthes bei den Energiekonzernen zu Zusatzprofiten von etwa 80 Milliarden Euro.

Film ab!

Dazu passt auch dieser Frontal 21-Beitrag zwei Monate vorher über die Endlagerungsproblematiken, die so rein gar nicht mit den Märchenstunden vom „sauberen Strom“ harmonieren wollen:

Und um das Thema abschließend auch mal von einer etwas heiteren Seite zu beleuchten, hier noch ein lustig-ernster (aber dennoch zutreffender) Atomi-Clip aus der N3-Satire-Sendung extra 3:

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Privatisierungen – vielleicht doch nicht immer so eine gute Idee…

fire_hydrantPrivatisierungen, und neuerdings auch das sog. Cross-Border-Leasing, werden ja vor allem von neoliberalen & neoklassischen Ökonomen als das Allheilmittel für alle wirtschaftlichen Probleme, die kommunale Verwaltungen und Betriebe haben könnten, angesehen. Dabei wird davon ausgegangen, dass alles, was in privatwirtschaftliche Hände gelegt wird, sofort und quasi automatisch effizienter und besser läuft, so dass alle Seiten, auch die Kunden, nur Vorteile davon haben. In der letzten Zeit mehren sich aber doch die Stimmen und Anzeichen, dass diese Grundannahmen womöglich doch „etwas“ blauäugig waren und eher noch zu ganz neuen Problemen führen und eventuell sogar die Versorgungssicherheit bedrohen.

Auf den NachDenkSeiten stieß ich diesbezüglich auf den sehr interessanten Artikel „Politische Korruption“, in dem es um die zuweilen äußerst undurchsichtigen Vergaben von besagten Cross-Border-Leasing-Verträgen geht.

Man hätte aus dem früheren Gutachten alles im Voraus wissen können: Zulasten der Steuerzahler werden private Partner üppig bedient. Rational kann man dies nicht erklären. Die politisch entscheidenden Personen können auch nicht so dumm sein, die Nachteile für die öffentliche Hand nicht zu sehen. Also liegt es nahe zu fragen: Wer verdient daran? Es ist politische Korruption im Spiel, übrigens genauso wie bei den Cross-Border-Leasing Verträgen. Ohne eine solche Annahme können Sie nicht verstehen, warum eine Stadt z.B. ihre Wasserversorgung in die USA verkauft.

Dies festzustellen bereitet kein Vergnügen. Es ist zugleich nämlich die Feststellung, dass unser politisches System nicht einmal in Ansätzen funktioniert. Sehenden Auges werden solche PPP- und Cross-Border-Leasing-Verträge abgeschlossen. Die Art der Verträge und die Geheimhaltung stinken gen Himmel.

Was ist eigentlich nochmal dieses ominöse Cross-Border-Leasing?

Als Cross Border Leasing– grenzüberschreitendes Leasing – wird eine verschlungene Form des Leasings bezeichnet, bei der ein Investor in den Vereinigten Staaten mit einer Kommune in Deutschland einen Vertrag schließt. Die Kommune verkauft, unter Beteiligung mehrerer Banken, ihr Eigentum (zum Beispiel Kläranlagen, Messehallen, Straßenbahnen) an den Geldgeber in den USA, um es sogleich zurückzumieten.

Diese kompakte Definition stammt aus dem Artikel der ZEIT „Cross-Border-Leasing: Für dumm verkauft“, der anschließend weiter ausführt:

(…) Und nun stelle man sich vor, dass sich jeden Tag weitere Verzweifelte an den Schuldnerberater wenden, und sie alle erzählen ähnliche Geschichten, die von verlorenen Vermögen handeln, von Wasserwerken, Straßenbahnen, Krankenhäusern, alles perdu. Eine sehr ungewöhnliche Geschichte käme da zustande, eine Parabel auf die unbekannte Bundesrepublik, eine Geschichte der Dummheit und der Gier.

So blauäugig wie die Verzweifelten in der Schuldnerberatung haben sich viele deutsche Bürgermeister, Kämmerer und Gemeinderäte jahrelang verhalten – mit dem Unterschied, dass es nicht ihr Privateigentum war, das sie veruntreut hatten, sondern öffentliches Gut. Sie vertrauten einem Geschäftsmodell namens Cross Border Leasing, von dem sie sich Gewinne versprachen. Nun stehen sie mit leeren Händen da. Den Schaden haben die Bürger.

Wer hartgesotten ist, dem sei die Lektüre dieses Textes wärmstens ans Herz gelegt. Entwicklungen wie diese können einen schon die Haare zu Berge stehen und auch an der Vernunft der Beteiligten, der politischen und wirtschaftlichen Entscheidungsträger, zweifeln lassen. In der Süddeutschen wird das Thema ebenfalls noch einmal aufgegriffen und macht deutlich, dass Privatisierungen mitnichten zu Einsparungen für die öffentlich Hand führen, sondern oftmals extra ineffizient und teuer werden – „Rechnungshof: Rüffel für Tiefensee – Finanzfiasko an der Autobahn“.

Der Widerstand gegen die komplette Privatisierung aller öffentlichen Dienste und Güter, die eigentlich Sache des Staates, der Stadt, der Kommune sein sollten, wächst auch im Internet. Beispielsweise durch die Initiative unverkäuflich – gegen Privatisierung, die sich dafür einsetzt, dass in Berlin nicht noch mehr elementare „Einrichtungen der öffentlichen Daseinsvorsorge“ privatwirtschaftlich organisiert werden.

Die soziale Schieflage nimmt stetig zu. Der Senat von Berlin und die verblüffend große Mehrheit der “Volksvertreter” aus den Parteien SPD, DIE LINKE, CDU, GRÜNE und FDP fördert eine Politik des Abrisses in nahezu allen Bereichen. Die Einrichtungen der öffentlichen Daseinsvorsorge werden nach und nach privatisiert und einer demokratischen Kontrolle entzogen.

Wenn wir es nicht schaffen, unsere Stadt vor weiterer Ausplünderung zu bewahren, dann zahlen wir dafür jahrzehntelang mit steigenden Mieten und Preisen, Abgaben und Steuern, schlechterer Versorgung und Einkommensabbau. Die Energieversorger BEWAG und GASAG, die Wasserbetriebe und mehrere 10.000 Wohnungen wurden bereits unter diesen negativen Konsequenzen privatisiert. Und die Chance darauf, den enormen Schuldenberg der Stadt abzutragen, sinkt langfristig.

Die Abrissliste ist lang: Wasser, Wohnungsbestand, Verkehrs- und Entsorgungsbetriebe, Gesundheits-, Kultur- und Bildungseinrichtungen, ja sogar Verwaltungen werden privatisiert! Die Hochschulen werden für breite Bevölkerungsgruppen unzugänglich gemacht. Die Reize und Potentiale der Stadt werden missachtet oder torpediert, alternative Konzepte und Projekte behindert, verhindert und vertrieben. Gleichzeitig werden Großprojekte aus dem Boden gestampft, die einigen wenigen Profiteuren die ersehnten Aufträge zuspielen. PPP (Public Private Partnership) sichert dabei den langfristigen Profit – auf Kosten der Öffentlichen Hand.

unverkaeuflich

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Die Macht der Mediaagenturen

Das 3Sat-Medienmagazin ZAPP (eine der erfreulich kritischenen Ausnahmen im Fernseheinerlei) brachte kürzlich einen sehr erhellenden und ein erschreckendes Schlaglicht auf unsere ach so freien Medien werfenden Beitrag – „Mediaagenturen in der Grauzone“ [via Nokturnal Times]. Hier ein Auszug aus dem Text der Sendung, der natürlich auch zu meiner Serie „Werbung schadet“, Teil 2 und 2b, bestens passt:

Es gibt einfach kein Entkommen. Jeden Tag, immer und überall. Tausende von Werbe-Botschaften. Im Fernsehen. Zeitschriften. Internet. Doch woher wissen die Hersteller eigentlich, wo und wie sie uns am besten erreichen? Mediaagenturen kennen die Antwort. Oder sollten es zumindest. Sie beraten die Unternehmen, verteilen deren Werbemilliarden. Doch immer mehr fließen dabei auch in die eigene Tasche. Sebastian Bellwinkel über ein gigantisches Geschäft in der Grauzone.

Sie heißen GroupM, Omnicom Media Group, oder Zenithmedia. Und sie bewegen geschätzte 20 Milliarden Euro – Pro Jahr – ein Riesengeschäft. Mediaagenturen, wie Carat in Hamburg, sind die stillen Lenker im Geschäft zwischen werbungstreibender Wirtschaft und den Medien. Sie entscheiden, wo eine Anzeige erscheint und wann ein Werbespot läuft. Peter Petermann, Geschäftsführer CARAT Hamburg: „Eine Mediaagentur hat die Aufgabe, die kreativen Inhalte, den Spot oder eine Anzeige, die eine Kreativagentur gestaltet, bei dem Fernsehsender oder in dem Verlag zu platzieren. Und natürlich dafür zu sorgen, dass das Budget, dass der werbetreibende Kunde zur Verfügung stellt, möglichst effizient einzusetzen.“

Mediaagenturen als Berater
Eigentlich sollen die Mediaagenturen ihre Kunden beraten. Dann kaufen sie z.B. bei den Vermarktern der TV-Sender Werbezeiten ein. Für diese Leistung werden die Mediaagenturen von den Werbekunden bezahlt – Eigentlich. Sonja Feldmeier, Medienjournalistin „w&v“: „Die Kunden haben darauf vertraut, dass die Mediaagenturen treuhänderisch für sie tätig sind. Allerdings hat sich das dann im Laufe der Zeit abgeschliffen, die Mediaagenturen gerieten sehr stark unter Kostendruck. Die Kunden, ihre eigenen Kunden haben die Honorare gekürzt, Druck darauf ausgeübt, und die Mediaagenturen mussten sich neue Wege zur Refinanzierung suchen.“ Auszeichnungen und Pokale für die beste Strategie reichten nicht mehr aus. Nur Mittler zu sein im großen Werbegeschäft, das brachte auf einmal zu wenig Geld. Sonja Feldmeier hat die Werbebranche seit 20 Jahren im Blick. Und sie beobachtet, wie die Agenturen immer einflussreicher werden. Vom treuhänderischen Berater zum mächtigen Händler. Sonja Feldmeier, Medienjournalistin „w&v“: „Die Mediaagenturen selber definieren sich heute als eigenständige Wirtschaftsstufe. Das heißt, dass sie mit dem Gut, das sie eigentlich neutral und objektiv empfehlen sollten, auch Handel treiben.“
(…)
Redaktionelle Einflussnahme
Und nicht nur wirtschaftlich droht ein Ausverkauf. Jens Uwe Steffens, Geschäftsführer pilot media: „Die Agentur bündelt als Großhändler natürlich wahnsinnig viele Kundenvolumina, ist dadurch natürlich viel mächtiger als ein einzelner Kunde. Kommt dieser in Schwierigkeiten rein und bittet seine Agentur um Mithilfe, weil eine kritische Berichterstattung zum Beispiel droht, ist da ein sehr großes Machtpotential gegenüber den Medien, dieses auch einzuschränken.“ Redaktionelle Einflussnahme. Auch solche Fälle kennt Sonja Feldmeier. Doch Namen möchte sie lieber nicht nennen. Sonja Feldmeier, Medienjournalistin „w&v“: „Je gesünder ein Medium ist, egal ob Verlag oder Sender, desto stärker können die auch bewussten Einflussnahmen widerstehen. In den jetzigen Zeiten dürfte es schwierig werden für den ein oder anderen.“ Und das nutzen die Mediaagenturen aus. Immer mehr Verlage und Sender knicken ein und akzeptieren Verträge, die sie eigentlich anprangern müssten. Uli Bellieno, ehemaliger Vermarktungschef von RTL: „Also ein sehr riskantes Spiel, was hier gespielt wird und was auch ein bisschen Endzeitstimmung zeigt, wenn man sich auf so ein Spiel einlässt.“

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The Bubble Project

bubbeproject-ibmBei meinen Recherchen zu meinem Adbusting-Vortrag, fiel mir wieder auf, wie vielfältig und abwechslungsreich Culture Jamming und kreativer Protest weltweit doch  stattfindet. Bei den Popnutten stieß ich beispielsweise auf diese tolle (wenn auch schon etwas ältere) Aktion – The Bubble Project. Initiiert vom amerikanischen Künstler Ji Lee, der es leid war, immer nur die Einbahnstraßen-Kommunikation der Werbung zu erleben, und statt dessen auf die Idee verfiel, 15.000 leere Sprechblasen auszudrucken und in ganz New York an Plakatwände etc. zu kleben, so dass die Passanten endlich die Möglichkeit hatten, auf die Reklame zu reagieren. Er dokumentierte dies am Ende als eine eigenständige Kunstaktion – aber auf seiner Seite gibt es die Schablonen für die Sprechblasen zum Herunterladen, so dass jeder von uns losgehen und in seiner Stadt mal für ein wenig mehr Mitspracherecht sorgen kann. Es bietet sich sicherlich auch an, vielleicht schon ein paar fertige markige Sprüche auf besonders nervige Logos und Plakate zu platzieren, zum Amüsement der vorbeigehenden Menschen und zur Lächerlichmachung der manipulativen Werbeaussagen und der aufdringlichen Markenpräsentationen.

Our communal spaces are being overrun with ads. Train stations, streets, squares, busses, and subways now scream one message after another at us. Once considered “public”, these spaces are increasingly being seized by corporations to propagate their messages solely in the interest of profit. Armed with heavy budgets, their marketing tactics are becoming more and more aggressive and manipulative. We the public, are both target and victim of this media attack.

The Bubble Project is the counterattack. The Bubbles are the ammunition. Once placed on ads, these stickers transform the corporate monologue into an open dialogue. They encourage anyone to fill them in with any form of self expression, free from censorship. More bubbles mean more freed spaces, more sharing of personal thoughts, more reactions to current events, and most importantly, more imagination and fun.

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Am Samstag: Zwei Flashmobs in Kiel

flashmob_madridIn Kiel geht derzeit einiges, was spontane Aktionen, quasi Culture Jamming, anbetrifft. Letztes Wochenende eine spontane Riesenparty, die den Westring (eine der Hauptverkehrsadern der Stadt) stundenlang lahmlegte, am Mittwoch ja mein Adbusting-Vortrag, und am morgigen Samstag, den 25.4., sind gleich zwei Flashmobs anberaumt. Flashmob, was ist denn das? Ich zitiere Wikipedia:

Der Begriff Flashmob (flash – Blitz; mob – von mobilis – beweglich), auch Blitzauflauf, bezeichnet einen kurzen, scheinbar spontanen Menschenauflauf auf öffentlichen oder halböffentlichen Plätzen, bei denen sich die Teilnehmer üblicherweise persönlich nicht kennen. Flashmobs werden über Weblogs, Newsgroups, E-Mail-Kettenbriefe oder per Mobiltelefon organisiert. Obwohl die Ursprungsidee explizit unpolitisch war, gibt es mittlerweile auch Flashmobs mit politischem Hintergrund.

Die Greenpeace-Gruppe Kiel ruft nun also morgen um 11 Uhr zu Flashmob Nummer 1 auf:

Am 26. April ist es 23 Jahre her, dass es im Kernreaktor Tschernobyl Block 4 zur Kernschmelze und Explosion kam und damit eine der größten Umweltkatastrophen unserer Zeit ausgelöst wurde.

Die Greenpeace Gruppe Kiel plant am Samstag den 25. April eine Flash Mob Aktion, um auf die damalige Katastrophe und möglicher zukünftige Katastrophen aufmerksam zu machen. Das ist so gedacht, dass sich eine möglichst große Gruppe von Menschen am Samstag 11.00 Uhr scheinbar zufällig versammelt und alle auf ein vorher verabredetes Signal wie tot umfallen. Nur einige wenige in Schutzanzügen bleiben stehen und ummalen die „Leichenumrisse“ mit Kreide. Außerdem klärt jemand die Unbeteiligten über den Grund der Aktion auf. Nachdem der Flash Mob sich dann aufgelöst hat, ist außerdem noch ein Infostand oder etwas in der Art geplant, wo noch einmal eingehender über das Thema informiert wird.

Damit das Ganze aber wirklich Aufmerksamkeit erregt und Spaß macht brauchen wir ganz ganz viele Leute!!! Dies ist also eine Einladung zu kommen und so viele Leute mitzubringen wie es geht, damit es richtig lustig wird! Das Ganze soll am Samstag um 11.00 am Dreiecksplatz Uhr starten. Es wäre also gut wenn ihr schon ein paar Minuten früher da sein und euch unauffällig (so weit möglich) verhalten könntet. Umkippen sollen dann schließlich alle möglichst auf dem Bürgersteig bei der Grünfläche zwischen Backeria und Schuhgeschäft. Das Signal wird ein Sirenengeräusch von/durch ein Megaphon sein.

Flashmob Nummer zwei, von den Veranstaltern als „MobMent“ bezeichnet, und offenbar eher unpolitisch, findet dann zwei Stunden später statt:

WAS WIRD GEMACHT: Auf der Straße hinlegen, “schlafen” und nach 5 Minuten wieder aufstehen
WO: Beim Fußgängerüberweg der Holstenstraße, Berliner Platz, Kiel
WANN: 25. April 2009, 13:00 – 13:05 Uhr
Alle, die Lust haben, können einen Wecker oder ein Handy mitnehmen. Wichtig ist dabei nur, dass sie alle um 13:05 Uhr klingeln (siehe Forum).
http://www.uhrzeit.org/atomuhr.html

Was ist MobMent? “MobMent” ist ein Kurzwort für die Aktion “Mob-Movement” von Niels Fleichhauer und Alexander Main und umfasst alle gängigen Formen von Flash Mob, Freeze Mob und Smart Mob, fügt sie zu einem Neuen zusammen!

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