Kategorie: Demokratie Seite 16 von 18

Widerstand gegen die Internetzensur – Online-Petition unterzeichnen

bild-5Es ist an der Zeit, dass sich die Bürger gegen die unsinnigen, vermeintlich im Namen der Kinderpornographie geführten Internetsperren (die letztlich auf eine Zensur generell missliebiger Seiten hinauszulaufen drohen) zur Wehr setzen. Auf der Seite des Bundestages könnt Ihr jetzt eine Online-Petition unterzeichnen – zwar muss man sich dafür anmelden/registrieren, aber das sollte ja wohl keine allzu hohe Hürde für ein freies Internet sein.

Text der Petition
Wir fordern, daß der Deutsche  Bundestag die Änderung des Telemediengesetzes nach dem Gesetzentwurf des  Bundeskabinetts vom 22.4.09 ablehnt. Wir halten das geplante Vorgehen, Internetseiten vom BKA indizieren & von den Providern sperren zu  lassen, für undurchsichtig & unkontrollierbar, da die “Sperrlisten” weder einsehbar sind noch genau festgelegt ist, nach welchen Kriterien  Webseiten auf die Liste gesetzt werden. Wir sehen darin eine Gefährdung  des Grundrechtes auf Informationsfreiheit.

Begründung
Das vornehmliche Ziel – Kinder  zu schützen und sowohl ihren Mißbrauch, als auch die Verbreitung von Kinderpornografie, zu verhindern stellen wir dabei absolut nicht in Frage – im Gegenteil, es ist in unser aller Interesse. Dass die im Vorhaben vorgesehenen Maßnahmen dafür denkbar ungeeignet sind, wurde an vielen  Stellen offengelegt und von Experten aus den unterschiedlichsten Bereichen  mehrfach bestätigt. Eine Sperrung von Internetseiten hat so gut wie keinen nachweisbaren Einfluß auf die körperliche und seelische Unversehrtheit mißbrauchter Kinder.

Hier geht’s zur entsprechenden Seite. Bereits am ersten Tag haben 10.000 Menschen dort mitgezeichnet, was eine rekordverdächtig hohe Anzahl für eine E-Petition ist; zwei Tage später sind es bereits über 32.000 35.000 Unterzeichner. Also alle mitmachen, um den Wahnsinn zu stoppen! Und wer das nicht online machen mag – hier gibt es auch eine Offline-Version als pdf, zum Ausdrucken, Unterschreiben und wegschicken oder -faxen.

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Zwei Lesetipps zum aktuellen digitalen Leben

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© ilco, stock.xchange

Internetzensur (von der Regierung mehr schlecht als recht getarnt als „Kampf gegen Kinderpornographie“) und Urheberrechtsschutz sind zwei brandaktuelle Themen, wenn es um das Internet bzw. um moderne Medien und Mediendemokratie geht. Zu beiden Thematiken fand ich dieser Tage interessante, höchst lesenswerte Artikel, die ich Euch unbedingt auch ans Leseherz legen möchte. Denn tatsächlich ist die Freiheit, an die wir uns im Internet gewöhnt haben, akut in Gefahr, den Überwachungsfantasien einiger Interessensgruppen geopfert zu werden.

Der Blog Pandoras Kekzdose befasst sich in seinem ArtikelMissbrauch missbrauchen sehr eingehend und auch kritisch mit der von Familienministerin von der Leyen angeleierten Internetzensur, die ja angeblich nur gegen Kinderpornographie gerichtet sein soll. Wer’s glaubt…

Es ist eine schöne Welt, von der man da in den Tageszeitungen liest. Dass endlich auch das Internet, bekannte Anlaufstelle für Pädophile, Nazis und Terroristen, nicht mehr sicher ist, vor dem harten linken Haken des Gesetzes. Bald können wir auch wieder unsere Kinder allein ins Internet gehen lassen, ohne Angst haben zu müssen, dass sie sich ein Trauma fürs Leben einfangen. Bald ist auch endlich das Internet ein Teil der großen Demokratie der westlichen Zivilisation. Endlich all die Gesetze, die unsere Freiheit in der realen Welt regeln, auch im Internet. Ein Traum wird wahr. Ein Hoch auf die Ursula. Auf den Wolfi. Und auf den BKA.

Es ist fast zu schön um wahr zu sein. Quasi wie im Film. Am Ende siegt die Gerechtigkeit. Die Demokratie. Und was halt so dazugehört. Und keiner schreit mitten im Film “UNLOGISCH!”, keiner gibt in der Fernsehzeitung schlechte Kritiken ab und niemand zeigt mit dem Daumen runter. Einfach weil es alles so perfekt ist. Oder?…

Angefangen hat die neue, kritische und unzensierte Form des Journalismus mit den Blogs. Dabei geht es nicht um die HelloKittyEmoBlogs, die in der Blütezeit überall aus dem Boden sproßen. Es geht um die Blogs von Menschen aus Ländern, in denen freie Meinungsäußerung bestraft wird. Das Prinzip “ich schreib mal meinen Alltag ins Netz” wurde längst durch Twitter und Co. ersetzt. Mittlerweile wird richtig gebloggt. Über Politik, über Missstände, Gefahren, Ungerechtigkeit. Der Trend geht immer weiter zu einem virtuellen Protestschrei hin, der nun auch Deutschland erreicht hat. Die Blogs betrachten die aktuellen Geschehnisse aus einem neuen Blickwinkel. Aus einem Blickwinkel, der nicht nur wolkenlosen blauen Himmel und Sonnenschein widerspiegelt, sonder entsetzt auf die Gewitterwolken am Horizont zeigt, die immer näher kommen und alles in ein tiefes Schwarz tauchen.

(…) Zum Beispiel um weitere Sperrung von Seiten, wie zum Beispiel Pirate Bay und co., die der Unterhaltungsindustrie schon seit Jahren ein Dorn im Auge sind. Wäre die Welt nicht so viel schöner, wenn man diese ganzen bösen Copyrightverletzter mit einem Schlag ausradieren könnte? Wenn man mit ein paar Eingaben all die bösen Menschen von der Bildfläche bomben könnte, die unsere Welt so viel schlechter machen? Denn sein wir mal ehrlich – Kinderschänder, Killerspielspieler, Raubkopierer – wo ist denn da der Unterschied? Mittlerweile wird man sowieso schon härter fürs Raubkopieren als fürs Besitzen von Kinderpornografie bestraft. Wieso sollte man dann Kinderpornografie aus dem deutschen Web verbannen, Pirate Bay und Co. aber nicht?

Im Kampf um die E-Books, die nun den Markt erobern und plötzlich das Problem aufwerfen, dass man die ganzen Bücher nicht mehr im Bücherladen kaufen muss, sondern sich einfach bei Bedarf eben die Zipdatei aus dem Netz zieht, schaltet sich nun Christian Sprang, Leiter der Rechtsabteilung des Börsenvereins des deutschen Buchhandels ein. Er plädiert dafür, Seiten zu sperren, die das Urheberrecht verletzen.

In diesem Zusammenhang ist auch das Interview mit Ursula von der Leyen von Interesse, das vor einigen Tagen von Radio Eins geführt wurde [via ZAF – der dazugehörige Artikel ist ebenfalls gut]. Bezeichnend finde ich dabei nicht nur ihr bemerkenswertes Gestammel, das von wenig Sicherheit zeugt:

Moderatorin: Das heißt speichern?
Ursula von der Leyen: Na ja, speichern…äh, ich habe Ihnen jetzt mal eben die Zahlen am Tag genannt. Das können Sie gar nicht, und das ist auch nicht das Ziel. Aber wenn Sie manchmal die diff, die diffizirn…also die komplexen Vorgänge des Suchens der Polizei nach bestimmten Täterringen, ähm, und und, ja, Pornoringen eben, Kinderschänderringen, äh, beobachten und soweit, äh, dieses Handwerk dann auch sich aus einem, einem Puzzle zusammensetzt, gehört mit dazu die Frage zu stellen, ob jemand immer wieder versucht, äh, einschlägige Seiten aufzurufen, und, äh, sich dort zu tummeln…nur das große Massengeschäft…und, ähm, wie gesagt, da sind viele auch dabei, die völlig harmlos sind, ähm, das ist, da interessiert uns nur deutlich zu machen, hier geht’s nicht weiter. Stopp!

– sondern auch einige ihrer Aussagen über Internetbenutzer allgemein:

Ursula von der Leyen: Na ja, wir wissen, daß bei den vielen Kunden, die es gibt, rund 80 Prozent, die ganz normalen User des Internets sind. Und jeder, der jetzt zuhört, kann jetzt eigentlich sich selber fragen, wen kenn’ ich, wer Sperren im Internet aktiv umgehen kann. Die müssen schon deutlich versierter sein. Das sind die 20 Prozent, die sind z.T. schwer Pädokriminelle, die bewegen sich in ganz anderen Foren, die sind versierte Internetnutzer, natürlich auch geschult im Laufe der Jahre in diesem widerwärtigen Geschäft.

Soso, 20%, die technisch versierten, sind also die Schlimmen, quasi schon per se „Pädokriminelle“. Und so jemand sitzt hierzulande in der Regierung…!

kabelEbenso unerfreulich – die Versuche einiger Menschen, das Urheberrecht als Keule gegen die Entwicklung im Internet, gegen die Digitalisierung generell, einzusetzen. Der „Heidelberger Appell“ des Philologen Roland Reuß richtet sich direkt gegen „Open Access“, also freien Zugang zu Wissen und Daten im Netz. Fritz Effenberger kommentiert dies auf Telepolis in Geistiges Eigentum als Heidelberger Postkartenidylle sehr passend, denke ich:

Die Bundesregierung, so fordern Reuß und bisher über 1500 Unterzeichner (darunter Teile unserer nationalen Schriftsteller-Elite), müsse sicherstellen, dass keinerlei private oder Suchmaschinen automatisierte Verbreitung von geistigen Inhalten stattfinden könne, also letztlich ein Verbot von GoogleBooks, YouTube und anderen Internetplattformen dieser Art. “Das verfassungsmäßig verbürgte Grundrecht von Urhebern auf freie und selbstbestimmte Publikation” sieht Reuß bedroht und erkennt nicht, dass seine Argumentation eine spiegelverkehrte Darstellung der Wirklichkeit liefert: Erst durch Internet und digitale Datenträger kann jeder Urheber auch ohne Verlage publizieren.

(…) Ich fordere daher die politischen Kräfte in unserem Land auf, nicht weiter über naive, da technisch unwirksame Verbote nachzudenken, sondern über die aktive Gestaltung des Urheberrechts in einer Zeit des technischen Umbruchs: Jeder Bürger kann sich heute via digitaler Weitergabe jedes Buch, jeden Film, jedes Musikstück besorgen, ohne dass dies technisch verhindert oder mitverfolgt werden kann; der Preis für die Verhinderung oder Aufdeckung wäre die Zerstörung des Internet, wie wir es kennen. Die Gesetze müssen dieser Realität entsprechend reformiert werden, der Urheber muss die ihm zustehende Vergütung erhalten. Diese wird tatsächlich heute schon teilweise erhoben und ausgeschüttet: Geräte und Medien zur Herstellung von Kopien sind mit einer Abgabe belegt, die von den zuständigen Verwertungsgesellschaften an die Autoren, Komponisten, geistigen Schöpfer ausgeschüttet werden.

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Weise Worte (8)

Die Werte, die heute unser Leben bestimmen, sind ökonomische Werte, keine demokratischen Werte. Unser System wird vor allem definiert durch die Gesetze und Regelungen, die wir als Angestellte, Kunden und Konsumenten erfüllen. PR-Firmen sind selbst Unternehmen, die existieren, um die Propaganda-Interessen ihrer Kunden zu vertreten. Und wie jeder weiß, der für ein Unternehmen tätig ist, gibt es am Arbeitsplatz keine Demokratie. Genauso wenig wie in Washington und in den Hauptstädten der Bundesstaaten, wo die Partikularinteressen der Unternehmen die politischen Geldbörsen kontrollieren, die Kandidaten ins Amt bringen und sie dort halten.

PR existiert, um die nötigen Illusionen zu erzeugen, um die Lücke zwischen dem Traum von Amerika und der Realität der amerikanischen Gesellschaft zu überbrücken.

John Stauber & Sheldon Rampton, Giftmüll macht schlank (1995/2006)

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Die Macht der Mediaagenturen

Das 3Sat-Medienmagazin ZAPP (eine der erfreulich kritischenen Ausnahmen im Fernseheinerlei) brachte kürzlich einen sehr erhellenden und ein erschreckendes Schlaglicht auf unsere ach so freien Medien werfenden Beitrag – „Mediaagenturen in der Grauzone“ [via Nokturnal Times]. Hier ein Auszug aus dem Text der Sendung, der natürlich auch zu meiner Serie „Werbung schadet“, Teil 2 und 2b, bestens passt:

Es gibt einfach kein Entkommen. Jeden Tag, immer und überall. Tausende von Werbe-Botschaften. Im Fernsehen. Zeitschriften. Internet. Doch woher wissen die Hersteller eigentlich, wo und wie sie uns am besten erreichen? Mediaagenturen kennen die Antwort. Oder sollten es zumindest. Sie beraten die Unternehmen, verteilen deren Werbemilliarden. Doch immer mehr fließen dabei auch in die eigene Tasche. Sebastian Bellwinkel über ein gigantisches Geschäft in der Grauzone.

Sie heißen GroupM, Omnicom Media Group, oder Zenithmedia. Und sie bewegen geschätzte 20 Milliarden Euro – Pro Jahr – ein Riesengeschäft. Mediaagenturen, wie Carat in Hamburg, sind die stillen Lenker im Geschäft zwischen werbungstreibender Wirtschaft und den Medien. Sie entscheiden, wo eine Anzeige erscheint und wann ein Werbespot läuft. Peter Petermann, Geschäftsführer CARAT Hamburg: „Eine Mediaagentur hat die Aufgabe, die kreativen Inhalte, den Spot oder eine Anzeige, die eine Kreativagentur gestaltet, bei dem Fernsehsender oder in dem Verlag zu platzieren. Und natürlich dafür zu sorgen, dass das Budget, dass der werbetreibende Kunde zur Verfügung stellt, möglichst effizient einzusetzen.“

Mediaagenturen als Berater
Eigentlich sollen die Mediaagenturen ihre Kunden beraten. Dann kaufen sie z.B. bei den Vermarktern der TV-Sender Werbezeiten ein. Für diese Leistung werden die Mediaagenturen von den Werbekunden bezahlt – Eigentlich. Sonja Feldmeier, Medienjournalistin „w&v“: „Die Kunden haben darauf vertraut, dass die Mediaagenturen treuhänderisch für sie tätig sind. Allerdings hat sich das dann im Laufe der Zeit abgeschliffen, die Mediaagenturen gerieten sehr stark unter Kostendruck. Die Kunden, ihre eigenen Kunden haben die Honorare gekürzt, Druck darauf ausgeübt, und die Mediaagenturen mussten sich neue Wege zur Refinanzierung suchen.“ Auszeichnungen und Pokale für die beste Strategie reichten nicht mehr aus. Nur Mittler zu sein im großen Werbegeschäft, das brachte auf einmal zu wenig Geld. Sonja Feldmeier hat die Werbebranche seit 20 Jahren im Blick. Und sie beobachtet, wie die Agenturen immer einflussreicher werden. Vom treuhänderischen Berater zum mächtigen Händler. Sonja Feldmeier, Medienjournalistin „w&v“: „Die Mediaagenturen selber definieren sich heute als eigenständige Wirtschaftsstufe. Das heißt, dass sie mit dem Gut, das sie eigentlich neutral und objektiv empfehlen sollten, auch Handel treiben.“
(…)
Redaktionelle Einflussnahme
Und nicht nur wirtschaftlich droht ein Ausverkauf. Jens Uwe Steffens, Geschäftsführer pilot media: „Die Agentur bündelt als Großhändler natürlich wahnsinnig viele Kundenvolumina, ist dadurch natürlich viel mächtiger als ein einzelner Kunde. Kommt dieser in Schwierigkeiten rein und bittet seine Agentur um Mithilfe, weil eine kritische Berichterstattung zum Beispiel droht, ist da ein sehr großes Machtpotential gegenüber den Medien, dieses auch einzuschränken.“ Redaktionelle Einflussnahme. Auch solche Fälle kennt Sonja Feldmeier. Doch Namen möchte sie lieber nicht nennen. Sonja Feldmeier, Medienjournalistin „w&v“: „Je gesünder ein Medium ist, egal ob Verlag oder Sender, desto stärker können die auch bewussten Einflussnahmen widerstehen. In den jetzigen Zeiten dürfte es schwierig werden für den ein oder anderen.“ Und das nutzen die Mediaagenturen aus. Immer mehr Verlage und Sender knicken ein und akzeptieren Verträge, die sie eigentlich anprangern müssten. Uli Bellieno, ehemaliger Vermarktungschef von RTL: „Also ein sehr riskantes Spiel, was hier gespielt wird und was auch ein bisschen Endzeitstimmung zeigt, wenn man sich auf so ein Spiel einlässt.“

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Aufstehen für ein freies Internet – Mahnwache am morgigen Freitag in Berlin

http_Diesem Aufruf des Chaos Computer Clubs sowie von Netzpolitik gegen die unselige Internetzensur-Entscheidung der Bundesregierung schließe ich mich gerne an – die Mediendemokratie steht wieder einmal auf dem Spiel. Man sollte den Verantwortlichen für das neue Gesetz zumindest zeigen, dass sie damit auf Widerstand stoßen und nicht alles klaglos hingenommen wird, was in der Politik so ausgebrütet wird. Also alle in und um Berlin morgen früh aufstehen!

Am Freitag Vormittag machen die Internetausdrucker Ernst: Der erste deutsche Zensurvertrag soll unter Dach und Fach gebracht werden. Wir wollen dabei und präsent sein, wenn die größten deutschen Internetprovider händchenhaltend mit Bundesfamilienministerin Ursula von der Leyen den Vertrag unterzeichnen werden, mit dem sie sich ohne jegliche gesetzliche Grundlage verpflichten, unliebsame Inhalte nach Gutdünken des Bundeskriminalamtes (BKA) zu sperren und zu filtern.

Die Internetanbieter werden dabei knallhart erpresst: Um nicht in einem Atemzug mit Kinderschändern erwähnt zu werden, sollen sie am offenen Verstoß gegen das Grundgesetz mitwirken. Dabei soll es vorerst nur um die Erschwerung des Zugangs zu strafbaren Inhalten gehen. Zur Erweiterung des Systems auf die Zensur beliebiger anderer Webseiten ist lediglich eine Anpassung der Filterliste notwendig.

Jeder weiß, dass Kindesmissbrauch mit den geplanten Geheimlisten nicht bekämpft werden kann. Auch die Verbreitung von Bildern und Filmen missbrauchter Kinder ließe sich einfacher verhindern: Ginge es ihr wirklich darum, könnte Zensursula die Betreiber der Server mit den Mitteln des Rechtsstaats belangen. Die Strafverfolgungsbehörden könnten die Anbieter und Produzenten zwar effektiv verfolgen, tun es aber nicht. Denn eine bessere Ausstattung und mehr Zusammenarbeit der Ermittler sind nicht geplant. Damit entsteht erst der angeblich rechtsfreie Raum, von dem die Internetausdrucker so gern reden. Deswegen:

Wer keine Lust mehr hat auf die dreisten Lügen, wer was dagegen hat, dass Zensursula mit dem BKA geheime Sperrlisten ohne jegliche Gesetzesgrundlage vereinbart, wer offenen Verfassungsbruch nicht toleriert, wer ein unzensiertes Internet genauso wichtig findet wie wir, der nimmt seinen Hund, seine Kinder und alle seine Freunde und Kollegen am Freitag, dem 17. April 2009, mit zum Reichstagsufer am S-Bahnhof Friedrichstraße in Berlin-Mitte.

Wir wissen, dass 9 Uhr eine Herausforderung ist, aber die Devise lautet: Aufstehn für ein freies Internet!

Wann?

  • Am Freitag, den 17. April 2009
  • Zwischen 9 Uhr und 9:30 Uhr

Wo?

  • Vor dem Presse- & Besucherzentrum der Bundesregierung
  • Reichstagsufer 14 | U- und S-Bhf. Berlin-Friedrichstraße
  • [Externer Link]Karte

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Unerfreuliche Neuigkeiten für uns Bürger, Teil 1: Internetzensur

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© Scyza, stock.xchng

Im Namen des Kampfs gegen die Kinderpornographie will Familienministerin von der Leyen ja bewirken, dass zukünftig bestimmte Seiten im Netz von den Providern ganz gesperrt werden. In vorauseilendem Gehorsam werden einige der großen deutschen Provider – Deutsche Telekom, Vodafone/Arcor, Telefonica/O2, Kabel Deutschland und Hansenet/Alice (eine Liste der Zensurprovider gibt es hier) – nun bereits am 17. April eine Vereinbarung unterschrieben, nach der diese neuen Regelungen umgesetzt sollen. Kritik hagelt es für diese Entscheidungen von allen Seiten, sowohl im Internet (hier, hier, hier) als auch in den Mainstreammedien, wie beispielsweise im sehr fundierten Artikel „Verschleierungstaktik – Die Argumente für Kinderporno-Sperren laufen ins Leere“ in der c’t, im Handelsblatt oder bei n-tv. Welche Seiten gesperrt werden sollen, legen nicht die Provider, sondern das BKA fest. Man muss nicht besonders schwarzseherisch veranlagt sein, um zu vermuten, dass auch harmlose Seiten auf der Sperrliste landen werden (versehentlich…), und dass die gewünschten „Sperrthemen“ durchaus in Zukunft ausgeweitet werden. Denn es gibt ja viel Böses, vor dem der brave Bürger im Internet geschützt werden muss. Ich wäre z.B. für die Sperrung aller Seiten von RTL, BILD, Aldi etc. ;-)

Der Förderverein Informationstechnik und Gesellschaft (FITUG e.V.) nimmt in einer aktuellen Pressemitteilung wie ich finde durchaus passend zu diesen nun bald Realität werdenden Plänen Stellung:

Verfolgen Sie die Täter, nicht das Internet!

Sexueller Missbrauch von Kindern und die Verbreitung von Kinderpornographie müssen konsequent verfolgt werden. Internet-Sperren sehen auf den ersten Blick sinnvoll aus, sind in diesem Zusammenhang aber nicht nur wirkungslos, sondern kontraproduktiv. Bundesfamilienministerin Ursula von der Leyen erinnert mich mit ihren Sperr-Vorhaben an meine zweijährige Tochter: Sie hält sich die Augen zu, und schon ist für sie die Welt außen herum verschwunden.

Aus anderen Ländern mit Internet-Sperren gegen Kinderpornographie ist bekannt, dass fast alle gesperrten Seiten aus USA, Kanada, Australien und Europa einschließlich Deutschland kommen. Die Bundesregierung muss sich fragen, wieso auf einschlägigen Sperrlisten dutzende Webseiten aufgelistet sind, deren Server in Deutschland stehen. Warum werden diese Webseiten nicht vom Netz genommen, wenn sie illegales Material verbreiten? Oder verbreiten sie gar kein illegales Material – und werden somit zu Unrecht gesperrt?

In der Mehrheit enthalten die Sperr-Listen keine Webseiten mit illegaler Kinderpornographie. Zudem entfernen die Hosting-Provider nach entsprechenden Hinweisen tatsächliche kinderpornographische Inhalte in der Regel schneller, als aktualisierte Filter-Listen verteilt werden.

Letztendlich geht es nicht um Kinderpornographie. Es geht um die Etablierung eines umfangreichen Filter-Systems für beliebige Inhalte. Weitergehende Sperren wurden schon ins Gespräch gebracht, beispielsweise für (vermeintliche und tatsächliche) Urheberrechtsverletzungen, ausländische Anbieter von Online-Glücksspiel, islamistische Propaganda, jugendgefährdende Inhalte sowie Verletzungen von Marken- und Persönlichkeitsrechten. Die Vergangenheit zeigt, dass das Missbrauchspotential nicht nur groß ist sondern auch genutzt wird. Kinderpornographie wird als Vorwand benutzt, um Filtersysteme politisch durchzusetzen.

In Deutschland hat aus gutem Grund die Rezipientenfreiheit Verfassungsrang (Artikel 5 Absatz 1 Grundgesetz). Dies bedeutet, dass sich jeder aus allen öffentlichen Quellen ungehindert unterrichten darf. Wir dürfen Grundrechte nicht aufgeben für ein bisschen Wahlkampfgetöse und unwirksame Sperren gegen Webseiten, die den Straftatbestand der Kinderpornografie in den meisten Fällen nicht erfüllen – wie die Erfahrung mit den Sperrlisten betroffener Länder zeigt.

Kinderpornographie wird – sei es zum privaten Tausch oder aus kommerziellen Gründen – hauptsächlich im Geheimen und über andere Dienste als das World Wide Web verbreitet. Die Verbreitung findet vornehmlich außerhalb von (einfach) sperrbaren Transportwegen statt. Der Betrieb eines sperrbaren Webservers ist für die Anbieter viel zu gefährlich, da ein solcher mit einfachen Mitteln schnell aufgespürt und abgeschaltet werden kann.

Eine Sperre kann auch von technisch nicht versierten Nutzern leicht umgangen werden, aber ein abgeschalteter Server kann keine Inhalte mehr verbreiten. Daher müssen die Ermittlungsbehörden mit mehr kompetentem Personal ausgestattet und die Verfolgung der Täter intensiviert werden. Der FITUG e.V. fordert die Bundesregierung auf: Verfolgen Sie die Täter, nicht das Internet!”

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Adbusters erringt juristischen Sieg in Kanada

bild-4Bei ihrem Kampf für Mediendemokratie und ein Aufbrechen der verkrusteten Strukturen (Quasi-Monopole) auf dem Mediensektor hat das kanadische Adbusters-Magazin einen wichtigen juristischen Teilerfolg für sich verbuchen können. Hintergrund ist die Absicht von Adbusters, konsumkritische bzw. auf soziale Anliegen aufmerksam machende Werbespots auf verschiedenen großen Fernsehsendern platzieren zu können, die jedoch bislang von den Medienkonglomeraten abgelehnt wurden, wogegen Adbusters vor Gericht zu ziehen versucht. Die Vorstellung von einem Fernsehprogramm, in dem tatsächlich auch alternative Stimmen mit Meinungen & Ansichten außerhalb des telemedialen Mainstreams zu sehen sind, erscheint einem derzeit fürwahr recht utopisch… Hier der von mir übersetzte Wortlaut der aktuellen Pressemitteilung zu diesem Fall:

Adbusters erringt juristischen Sieg gegen Kanadas Mediengiganten – juristische Schritte in den USA können die nächste Stufe sein

Nach 15 Jahren rechtlicher Rangeleien im Versuch, Demokratie in die öffentlichen Sendeanstalten zu bringen, hat Adbusters endlich einen großen Sieg errungen. Der oberste Gerichtshof von British Columbia hat uns einen Einspruch gewährt in unserem Meilensteinfall gegen Kanadas CBS und Canwest Global und uns damit das Okay gegeben, einen Präzedenzfall zu setzen und einige öffentliche Rechte an den Sendefrequenzen zu verlangen (hier kann das Urteil des Gerichts nachgelesen werden).

Menschen verbringen heutzutage beispiellose 8.5 Stunden pro Tag vor Bildschirmen, und trotz des Einflusses neuer Bildschirmformate – Handys, Computer, Kindle (ein ebook-Lesegerät) – dominiert Fernsehen nach wie vor. Es ist das mächtigste Kommunikationsmedium unserer Tage. Und es ist ein Ort, an dem vor allem kommerzielle Gesetze herrschen und abweichende Stimmen zensiert/ausgeblendet werden. Adbusters Versuche, Sendezeit für ihre auf soziale Anliegen abzielenden Clips bei den großen kommerziellen Stationen zu kaufen, wurden all die Jahre immer wieder abgeschmettert.

Der Äther ist öffentliches Eigentum – genauso wie Bürgersteige oder Parks. Sie sind öffentlicher Raum, in dem die Redefreiheit bewahrt werden muss. Dies ist eine inspirierende Vorstellung für Medienaktivisten und könnte den Weg für weitere juristische Siege ebnen – nicht nur für Fernsehfrequenzen, sondern auch im Cyberspace.

Wenig überraschender Weise hat keine von Canwests 13 Zeitungen oder 23 Fernsehkanälen über den Spruch des Obersten Gerichtshofs berichtet. Die Stille war ohrenbetäubend. Kanadier sollten sich immer bewusst darüber sein, dass das größte Medienkonglomerat unseres Landes die Nachrichten nach eigenem Gusto zensiert.

Diese Sender brachten hingegen Beiträge zu dieser Geschichte: CBC Radio, the Globe and Mail, the Georgia Straight und the Tyee.

CBS, NBC, ABC, FOX, MTV und the Food Channel haben es in den vergangenen 15 Jahren ebenfalls immer wieder abgelehnt, uns Sendezeit zu verkaufen, und deshalb möchten wir einen Prozess für Redefreit in den USA führen. Wenn Sie amerikanische Anwälte kennen, die uns in diesem Fall unterstützen würden, schicken Sie mir eine E-Mail an kono@adbusters.org.

Am Ende wird eine ganze Reihe von Prozessen auf der ganzen Welt stehen, die das halbe Dutzend an Medien-Megakonzernen, die den Großteil der Nachrichten und Unterhaltung, die um den Planeten schwirrt, kontrollieren, dazu zwingen werden, einen Teil dieser Kontrolle wieder an die Bürger zurückzugeben.

Dies ist einer der Adbusters-Spots, um die es speziell ging – gedreht für den Buy Nothing Day 2007:

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Lesetipps: Schaeffler, die Krise und die deutsche Wut

Damit Euch in der Vorbereitung auf Ostern bzw. am heutigen Karfreitag nicht gar zu langweilig wird, habe ich heute drei Leseempfehlungen parat – Artikel, die ich jüngst im Netz gefunden habe und die ich für so interessant halte, dass ich sie unbedingt auch hier vorstellen möchte.

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© miamiamia, stpck.xchng

Zuvorderst ist das der ausgesprochen großartige Beitrag „Ist Hopfen und Malz schon verloren? Die Abwesenheit von kritischem Verstand und das Versagen der Medien ist zum Verzweifeln“ von Albrecht Müller auf den NachDenkSeiten, in dem er eine schonungslose und ernüchternde Analyse des Krisenmanagements und der einlullenden Medienberichterstattung sowie der Leichtgläubigkeit vieler Mitbürger wagt. Es lohnt sich, diesen Artikel komplett durchzulesen, trotz der beachtlichen Länge.

In der Debatte um die Wirtschafts- und Finanzkrise zeigt sich eine erstaunliche Bereitschaft zur Anpassung an gängige Denkmuster. Wenn die politische Führung und die Hauptmedien die gleichen Parolen verkünden und Denkmuster anbieten, dann wird das auch in breiten Kreisen geglaubt, selbst dann, wenn an jeder Ecke Zweifelhaftes sichtbar ist. Im Bericht des NachDenkSeiten-Lesers ist von Nachplappern und Gleichschaltung die Rede. Das entspricht auch meiner Beobachtung.

Im Bericht wird auch die trotzige Reaktion auf Zweifel und Kritik beschrieben. Auch das entspricht meiner Erfahrung. Man will sich ungern die gerade angelernten Erklärungen aus der Hand nehmen lassen.

Vermutlich spielt bei der bereitwilligen Konzentration auf die angebotenen Denkmuster auch eine Rolle, dass man sich in kritischen Situationen gerne mit der Mehrheit um die Führung versammelt.

Diese Neigung wird zunehmend zu einem großen Problem: Die demokratische Kontrolle setzt aus, es gibt keine Sanktionen mehr auf Fehler, selbst auf schlimmes Versagen nicht. Das hat viel mit der Ausbreitung von Public Relations-Agenturen und ihrem Einfluss auf die Medien zu tun.

Die Medien beschäftigen sich nahezu nicht mit dem kriminellen Charakter vieler Finanzgeschäfte.
Wer faule Forderungen verpackt und sie als Wertpapiere weiterverkauft, ist aus meiner Sicht ein Betrüger. Diese Ansicht wird auch von Fachleuten geteilt. Wer solche Wertpapiere kauft, wie die IKB, ist ein Hehler. Dieser kriminelle Charakter der Hintergründe und Ursachen der Finanzkrise wird von den Medien nicht recherchiert und auch von der Wissenschaft mit Ausnahme einiger weniger Fachleute nicht hinterfragt.

Also unbedingt weiterlesen! Ebenfalls spannend und zum eben genannten Thema passend, wenn auch (natürlich) deutlich staatstragender: Die FAZ fragt sich „Finanzkrise: Wohin nur mit unserer Wut?“:

Die Isländer jagen ihre Regierung fort, die Franzosen nehmen Manager in Geiselhaft. Briten hauen in London auf den Putz. Und die Deutschen? Sie delegieren die eher kleineren Demonstrationen auf das klassische Protestpersonal aus Ökos, Antiglobalisten und Gewerkschaftern. Außerdem kaufen sie 1,2 Millionen subventionierte Autos. (…)

(…) Eine Erklärung dafür, dass die Deutschen ihr eigenes System für unschuldig halten, liegt in der ziemlich deutschen Tradition, die Wirtschaft zweizuteilen. Noch heute wird sie in der Wortwahl für den Industriesektor deutlich. Er repräsentiert die “reale Wirtschaft”. In ihr bauen Menschen prima Maschinen und Autos, verkaufen sie in die ganze Welt und teilen die Erlöse einigermaßen fair zwischen Unternehmern und Arbeitern. In der anderen Welt regieren Kredit, Zins, schlaue Köpfe, die komplizierte Wertpapiere erfinden und gewaltige Gehälter einstreichen.

Die Zweiteilung ist mit handfesten Werturteilen verbunden. Die reale Wirtschaft wird mit Attributen wie Anständigkeit, Sorgfalt und Sparsamkeit versehen. Die Finanzwelt dagegen gilt als parasitär. Sie saugt die produzierende Welt aus. (…)

Und apropos Wirtschaft – wer erinnert sich nicht noch an die Krokodilstränen der Frau Schaeffler, die staatliche Hilfe für ihr angeschlagenes Unternehmen haben möchte. Tatsächlich gehört diese Firma aber zu den Kriegsgewinnlern und hat, ähnlich wie z.B. Deutsche Bank, BASF, Dresdner Bank oder Krupp von der Zusammenarbeit mit den Nazis während des 2. Weltkriegs und den Enteignungen der Juden massiv profitiert. Im NPD-Blog wird dieses Thema aktuell aufgegriffen: „Vom Ursprung deutschen Reichtums: Die Schaeffler AG“ (siehe auch bei German Foreign Policy):

Berichte über ein NS-Lager im ehemaligen deutschen Katscher (heute Kietrz/Südpolen) haben nach einem Bericht von German-Foreign-Policy.com neue Erkenntnisse über die NS-Vergangenheit der Schaeffler Gruppe geliefert. Wie aus den Berichten hervorgehe, bediente sich die damalige Schaeffler AG in den letzten Kriegsjahren der Arbeitskraft von Gefangenen, die im “Polenlager Nr. 92″ in Katscher interniert waren.

(…) Die NS-Vergangenheit der Schaeffler Gruppe, die ihre Gründung offiziell immer noch auf das Jahr 1946 datiere, sei mittlerweile in Umrissen bekannt. Demnach übernahm Wilhelm Schaeffler 1940 im damals schlesischen Katscher (heute: Kietrz/Südpolen) eine Textilfabrik, deren jüdischer Vorbesitzer im Jahr 1933 hatte fliehen müssen. Schaeffler stieg den Angaben zufolge bald in die Rüstungsproduktion ein und verdiente Geld mit der Produktion für die Wehrmacht und den deutschen Vernichtungskrieg in Osteuropa.

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The Culture of Commercialism

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© clix, stock.xchng

Bei meinen Recherchen stieß ich in der letzten Zeit auch auf einige interessante amerikanische Quellen, die sich mit Konsum- und Werbekritik auseinandersetzen. So entstand in den 90er Jahren in Washington das Center for the Study of Commercialism, das sich intensiv mit dem Themenfeld befasst(e) und auch einige Studien herausgab. Leider existiert keine Website dieser Initiative und das letzte Lebenszeichen einiger der Initiatoren habe ich in einem Buch von 2005 gefunden. Deshalb muss ich auf eine Sekundärquelle ausweichen – das Media Awareness Network (offenbar ein Lernmaterialpool für Eltern und Lehrer) hat immerhin eine Zusammenfassung des Artikels „The Culture of Commercialism: A Critique” des CfoSoC online gestellt, als Diskussionspapier für Schüler und Studenten. Diesen komprimierten Text, den man vielleicht auch als eine Art Ultrakurzfassung meiner Serie „Werbung schadet“ betrachten kann, möchte ich Euch heute übersetzt vorstellen.

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Was sind die Auswirkungen von Werbung und Kommerzialismus?

  1. Kommerzialismus verzerrt unsere Kultur, indem jedes Ereignis in einen Anlass zum Konsumieren verwandelt wird. Anthropologen sagen, dass Ferien die Werte einer Kultur widerspiegeln. In Amerika ist jeder Urlaub ein Verkaufsereignis.
  2. Werbung projiziert falsche Bilder/Images. Zum Beispiel suggerieren Anzeigen, dass du nicht cool bist, wenn du kein teures Auto fährst, dass Rauchen bedeutet, dass du ein Freigeist bist oder dass Reife heißt, Alkohol zu trinken.
  3. Kommerzialismus trägt zu Umweltproblemen bei, indem es zu verschwenderischem Umgang mit natürlichen Ressourcen ermutigt. Ein Übermaß an Verpackung, Wegwerfgüter und Dinge zu kaufen, die wir gar nicht wirklich brauchen, trägt zum unnötigen Verbrauch von begrenzten Ressourcen bei. Die Produktion und Entsorgung der Dinge, die wir kaufen, führt zu weiteren Umweltproblemen, zu denen der Verlust von Lebensraum und erhöhte Luft- und Wasserverschmutzung gehören. Plakatwände erzeugen visuelle Verschmutzung.
  4. Werbung erhält Stereotype/Klischees aufrecht. Zu den Beispielen zählen Stereotypen im Zusammenhang mit der Rasse (Afro-Amerikaner als Musiker und Sportler), des Geschlechts (Frauen als Sexobjekt, Männer als Geschäftsleute) und der Klasse (der Mittelklasse-Weiße als soziale Norm).
  5. Werbetreibende beeinflussen den Inhalt von Zeitschriften und Sendungen. Die Zensur der Medien durch die Regierung ist illegal. Dennoch gibt es eine Fülle von dokumentierten Fällen, dass Zeitungen und andere Medien durch Werbetreibende zensiert werden. Beispielsweise kann ein Bierproduzent Druck auf ein Magazin, in dem es Werbefläche kauft, ausüben, damit keine Artikel über die Gefahren des Trinkens erscheinen.
  6. Das Sponsoring von gesellschaftlichen, Umwelt- oder anderen Non-Profit-Gruppen durch Konzerne kann diese Gruppen beeinflussen. Zum Beispiel kann die Unterstützung durch die Tabakindustrie eine Organisation davon abhalten, Anti-Raucher-Kampagnen zu unterstützen.
  7. Kommerzialismus hat unsere Politik beeinflusst. Viele Politiker versuchen Stimmen zu gewinnen mit Hilfe eines Images, das durch Werbung und Medienberichte erzeugt wurde. In der Vergangenheit versuchten Kandidaten Stimmen durch ihre politischen Standpunkte zu erlangen.
  8. Die öffentliche Wahrnehmung der Aktivitäten und Prioritäten eines Unternehmens kann durch Werbung verzerrt werden. Beispielsweise können Anzeigenkampagnen große Umweltverschmutzer als ökologisch bewusste Firmen darstellen, die für eine gute Sache spenden.
  9. Werbung kostet uns Geld. Die Wirtschaft wälzt den Großteil ihrer Werbekosten auf uns ab. Außerdem steigt der Preis eines Produkts, wenn es der Reklame gelingt, die Idee zu etablieren, dass ein bestimmtes Produkt uns Status oder ein cooles Image verschafft.
  10. Werbung kostet uns auch vieles an Steuern. Werbung stellt voll absetzbare Geschäftskosten dar. Aus diesem Grund erhalten kommunale und nationale Kassen Jahr für Jahr Milliarden von Dollar weniger an Steuern. Die Steuerquoten der Bürger müssen dies ausgleichen, so dass der einzelne Steuerzahler indirekt Werbung bezuschusst.
  11. Werbung kann irreführend sein. Sie fokussiert auf die Vorteile eines Produkts oder einer Dienstleistung und ignoriert die Nachteile.
  12. Werbung ermuntert zu einer Markenmentalität oder dazu, weniger auf der Basis der Qualität oder des Preises zu entscheiden, sondern mehr aufgrund des Namens/Herstellers.
  13. Werbung fördert Unzufriedenheit, Neid und Unsicherheit. Sie kann uns unattraktiv, uncool und unglücklich mit dem, was wir haben oder nicht haben, fühlen lassen.
  14. Unsere kommerzialisierte Gesellschaft legt hohen Wert auf die Erscheinung und ermutigt uns somit, mehr Wert auf unser Aussehen und das von anderen zu legen als auf den Charakter, Talente oder die Persönlichkeit.
  15. Konstantes Werbungs-Ausgesetztsein kann Materialismus und Egoismus fördern. Dies kann dazu führen, dass Menschen weniger dazu geneigt sind, anderen zu helfen. Statistiken zeigen, dass die Spendenbereitschaft in den letzten Jahren zurückgegangen ist. Gleichzeitig gab es einen Rückgang in der öffentlichen Unterstützung von Regierungsprogrammen, die denjenigen helfen sollen, die vom Leben benachteiligt sind.
  16. Das Sponsoring von Wissenschaftsausstellungen und Kunstmuseen durch Unternehmen kann deren Inhalt beeinflussen und die Objektivität untergraben. Ist es zum Beispiel wahrscheinlich, dass eine von einer Firma, die Insektizide herstellt, gesponsorte Ausstellung die Beziehung von Menschen und Insekten in einer fairen und ausgewogenen Art und Weise behandelt?
  17. Werbung kostet viel Zeit. Der durchschnittliche Mensch verbringt fast eine Stunde am Tag damit, Werbung zu lesen, zu sehen der zu hören, im Fernsehen, Radio, Theater, auf Video, in Zeitungen und Zeitschriften, Mails, Briefen oder am Telefon. Wenn der durchschnittliche Amerikaner 75 Jahre alt ist, wird Werbung ihn 4 Jahre seines Lebens gekostet haben.
  18. Bezahltes Product Placement beeinflusst den Inhalt von Filmen, Fernsehshows, Büchern und Spielen. Das gefährdet künstlerische Integrität.
  19. Werbung preist Alkohol- und Tabakkonsum an, welcher jedes Jahr eine halbe Million Amerikaner das Leben kostet. Probleme, die mit Alkohol in Zusammenhang stehen, verletzen das Leben von mehr Menschen und kosten die Gesellschaft mehr Geld als alle illegalen Drogen zusammen genommen.
  20. Marketingleute stellen detaillierte elektronische Käuferprofile zusammen. Firmen verkaufen Mailinglisten für alles mögliche, vom Besitz ausländischer Autos bis hin zu sexuellen Vorlieben. Diese Computerdatenbanken stellen ein gefährliches Missbrauchspotential dar.
  21. Kommerzialismus hat sich in nahezu jeden Winkel unseres Lebens ausgebreitet. Viele Menschen stört es, diesem nicht entfliehen zu können.
  22. Werbung, die auf junge Kinder abzielt, dringt in die Eltern-Kind-Beziehung ein, kann die Autorität der Eltern untergraben und zu Spannungen führen.
  23. Kommerzialismus kann Werte wie Teilen, Zusammenarbeit und Genügsamkeit aushöhlen, die durch Familien, religiöse Institutionen und Schulen gefördert werden.
  24. Industrienahrung und die Reklame für diese neigen dazu, zu ungesunden Ernährungsgewohnheiten zu ermutigen.
  25. Die Kommerzialisierung von Schulmaterial und -ausrüstung kann unabhängige, ungestörte Ausbildung torpedieren.
  26. Das intensive Anpreisen von Shoppen und Kaufen hält uns von anderen Aktivitäten wie Lesen, Denken und Spielen ab. All die Werbung, der wir ausgesetzt sind, macht es leicht zu vergessen, wie viele (andere) Arten von Aktivitäten wir genießen können.
  27. Unsere kommerzialisierte Kultur ermuntert Menschen, Geld auszugeben, das sie gar nicht haben. Die Zahl der Amerikaner mit finanziellen Problemen hat in den letzten Jahren stetig zugenommen. (Anm. PM: Spätestens seit Ausbruch der „Finanzkrise“ wissen wir, dass dies in den vergangenen Jahren erst recht der Fall ist.)
  28. Werbung suggeriert, dass es eine einfache Lösung für alles gibt, vom Gesundsein bis hin dazu, Freunde zu haben.
  29. Viele Anzeigen implizieren, selbst wenn sie es nicht offen aussprechen, dass Glück etwas ist, das wir kaufen können. Wenn wir uns so verhalten, als wenn dies wahr wäre, begrenzen wir unseren persönlichen Horizont und unsere Fähigkeit, Erfüllung im Leben zu finden.
  30. Kommerzialismus preist nicht nur einzelne Produkte an. Er predigt Konsum als Lebensstil.

Was ist der kumulierte Effekt von all dieser Kommerzialisierung?

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© sufinawaz, stock.xchng

Kommerzialismus hat klare Parallelen zur industriellen Verschmutzung. So wie eine gemäßigte Menge an Müll von der natürlichen Umgebung absorbiert werden kann, können auch moderate Mengen an Kommerzialisierung von unserer kulturellen Umgebung verarbeitet werden. Große Mengen können jedoch beide Umgebungen überfordern, und dies ist heutzutage der Fall.

Jahrzehnte lang haben wir den Schaden, den industrielle Praktiken erzeugen, nicht erkannt, geschweige denn kontrolliert. In einigen Fällen wie der Luftverschmutzung durch kohleverbrennende Hochöfen, waren die Probleme offensichtlich, aber wir ignorierten sie oder rechtfertigten sie auf der Basis kurzfristiger wirtschaftlicher Gewinne. In anderen Fällen, so wie giftigen Chemikalien, die Luft und Wasser verschmutzen, wurden die Gefahren nicht einmal erkannt. So sieht es auch beim Kommerzialismus aus: wir entschuldigen seine offensichtlichen Defekte im Namen des wirtschaftlichen Fortschritts; wir versuchen nicht einmal, die subtileren Auswirkungen zu identifizieren.

Genauso wie mit der Verschmutzung vor mehreren Jahrzehnten bleiben die Folgen exzessiven Kommerzialismus schwach untersucht und unbewiesen. Unser Verstehen beruht auf einer Handvoll oft vorläufiger oder nicht beweiskräftiger akademischer Studien. Tatsache ist, dass Soziologen/Wissenschaftler trotz der Dominanz des Kommerzialismus in unserer Kultur kaum damit begonnen haben, die Konsequenzen und das Wesen des Kommerz zu erforschen. Zudem sind politische Regulierungen nicht angemessen ausgestattet, um Kommerzialismus zu bearbeiten. Agenturen, die sich mit den Täuschungen durch Werbung beschäftigen, haben nur sehr kleine Budgets – insgesamt nur ein Tausendstel von dem, was für Werbung ausgegeben wird –, so dass nur die aller offensichtlichsten Lügen in der Werbung gestoppt werden können. Andere Formen des Kommerzialismus bleiben komplett unerforscht.

Was sind also die Auswirkungen auf unsere Gesellschaft, wenn, wie Advertising Age (eine Fachzeitschrift für Leute, die in der Werbeindustrie arbeiten) schrieb, „Werbung in Massenmedien wie aus einer Schrotflinte kommt und jeden in ihrem Weg, auch Kinder, trifft“? Und was sind, jenseits der Werbung, die Folgen, in einer Kultur zu leben, wo selbst Schulen, Museen, Sport und nicht-kommerzielle Sender kommerzialisiert wurden? Verwandelt Kommerzialismus engagierte Bürger in bloße Konsumenten?

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RWE, Atomkraft und der Angriff auf die Meinungsfreiheit


RWE will Satire verbieten animiert

Na klasse – da wirbt der RWE-Konzern in der für die großen Energiefirmen typisch vernebelnden Art und Weise für einen neuen, überteuerten, zu 2/3 aus Atomstrom zusammengebastelten Strommix als „ProKlima“ und erträgt es dann nicht, dass Urgewald und ausgestrahlt eine Parodie auf dieses Reklamemotiv in den Umlauf bringen, sondern lässt seine Reklameagentur Jung von Matt eine Klage androhen. Sehr peinliche Aktion, die hoffentlich für RWE & Konsorten voll nach hinten los geht! (Siehe auch HIER.)

Die Hamburger Agentur Jung von Matt, die sich selbst zu den bekanntesten deutschen Kreativagenturen zählt, erdachte für ihren Kunden RWE eine Werbekampagne, die helfen soll, den billig produzierten Atomstrom des Konzerns unter der Bezeichnung “ProKlima Strom” teuer unter die Leute zu bringen.

Musik der Neuen Deutschen Welle war schon zu ihrer besten Zeit, den 80er Jahren des vergangenen Jahrhunderts nicht unbedingt erste Wahl, sondern eher naiv und dümmlich. Ausgerechnet für den “ProKlima Strom” gruben die Kreativen die NDW-Formation “Trio” aus Großenkneten wieder aus und lassen sie für RWE werben. Trio steht dabei für 3 Jahre Preisgarantie und für ein gutes Klimagewissen. Die dadaistische Kampagne soll den Verbraucher darüber hinwegtäuschen, dass der ProKlima-Strom weitaus teurer ist als echter Ökostrom. Und schlimmer noch: Die Kampagne spielt mit den Ängsten der Verbraucher: vor Preiserhöhungen und vor dem Klimawandel und präsentiert ein Stromprodukt, das zu 68 % aus Atomstrom besteht als Lösung.

(…) RWEs Kreativ-Agentur Jung v. Matt droht urgewald mit Strafanzeige, Gerichtskosten, Schadensersatz und sonstigen Unannehmlichkeiten und stellte ein Ultimatum bis zum 2. April 12:00 Uhr. Das Ultimatum verlangt die Unterlassung der Verbreitung des Protestmotives.

Hier hätte man hier besser mit Humor statt mit der Rechtsabteilung Größe beweisen können! Doch leider ist die Sache trotzdem ernst, denn es geht um mehr als ein karikiertes Kampagnenmotiv. Hier ist das demokratisches Grundrecht auf Kritik und freie Meinungsäußerung in Gefahr!

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