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Kaufland – Billig auf Kosten Anderer

Es wird mal wieder Zeit, dass ich mich dem Thema Discounter zuwende – und zwar diesmal, damit auch alle Konzerne dran kommen und niemand denkt, die eine Discounterkette sei etwa besser als eine andere, mit Kaufland (die zur Schwarz=Lidl-Gruppe gehören). Report München berichtete letztens: „Billig auf Kosten Anderer – Wie ein Discounter mit osteuropäischen Dienstleistern den Sozialstaat schädigt“. Überraschen dürften solche Umtriebe niemanden mehr, denn die scheinbar so günstigen Preise bei den Billigheimern zahlen bekanntlich wir als Gesellschaft doppelt und dreifach

Nach außen gibt sich Kaufland verantwortungsbewusst, überschlägt sich auf seiner Website mit Versprechen wie „soziale Verantwortung“ und „gesellschaftliches Engagement“. Und hinter den Kulissen? In den Logistikzentren drückt der Konzern massiv die Kosten. Arbeiter erhalten hier nicht die üblichen Tariflöhne, denn sie arbeiten im Rahmen eines Werkvertrages. Kaufland setzt dabei massiv auf ostereuropäische Werkvertragsfirmen und die arbeiten mit einem Trick: Sie erklären große Teile des Lohnes zu Spesen, für die sie in ihren Heimatländern keine Sozialversicherungsbeiträge abführen müssen. Davon profitiert letztlich auch Kaufland. Die Gewerkschaft ver.di befürchtet, dass so sozialversicherungspflichtige Jobs in Deutschland verdrängt werden. Sogar das Bundesarbeitsministerium hält das Modell für unzulässig.

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Lesetipps: Red-Bull-Kapitalismus | Kreuzfahrten | Soziale Netzwerke | Gärtnern in der Stadt

Da ist er also, der Juni. Kein Sommer in Sicht, also ideale Voraussetzungen, um ein bisschen was zu lesen. Beispielsweise das Feature des Freitag über den Red Bull-Konzern und seine epidermische Ausbreitung im Sportbereich. Mal unabhängig davon, was man nun von der Blubberbrause halten mag, ist das Vorgehen von RB „beispielhaft“ – in dem Sinne, dass man sieht, in welche Richtung sich der Sport bewegen wird, da er den gleichen Gesetzen der kompletten Durchkommerzialisierung unterworfen ist, wie andere Lebensbereiche auch. Schön ist das nicht. „Red-Bull-Kapitalismus“:

Red Bull ist mehr als ein Getränk, ein Energiespender, ein Lebensgefühl. Ja, es ist mehr als nur ein Produkt. Es verkörpert die aktuellste Form des Kapitalismus

Getränke eignen sich als Prophezeiungen des jeweils neuesten Stadiums des Kapitalismus besonders gut. In ihnen sind die Aspekte von Lebens- und Genussmittel, Differenz und Mainstreaming, Image und Illusion besonders ausgeprägt – und das umso mehr, als sich die Welt gerade das Rauchen abgewöhnt. Die meisten von ihnen kokettieren damit, mehr als ein Getränk zu sein, Lifestyle und Lebensfreude auszudrücken oder auch einen besonderen Status zu haben: die legale Droge. Wenn im Folgenden also vom verflüssigten Kapitalismus im weiteren Sinne und den Red-Bull-Kapitalismus im engeren Sinne die Rede ist, dann um zu beschreiben, wie die Macht vom Produzenten auf den Distribuenten übergegangen ist. (…)

Der entscheidende Impuls für eine Distributionsdominanz in Postdemokratie und Neoliberalismus ist die Verknüpfung eines (mehr oder weniger virtuellen) Produkts mit den Sphären der Freizeit und der Medien, aber auch mit anderen kontrollierbaren und übernehmbaren „Events“ und Institutionen wie Kunst, Pop und sogar Medizin, Politik und Bildung – kurz gesagt: die Blödmaschinen. Die Dominanz kann sich auf dem Freizeit- und Kulturmarkt realisieren, weil sie zu Blödmaschinen geworden sind, und umgekehrt werden Medien, Spektakel und „kulturelle“ Institutionen zu Blödmaschinen, weil sie sich für die Herstellung und Festigung der Distributionsdominanz oligarchischer Interessen zu Beihelfern machen lassen. Die Medien sind nicht einfach „Opfer“ von Ökonomisierung und Privatisierung, sondern sie sind Teil der Wandlung des Produktions- in den Distributionskapitalismus. Daher geht es eben nicht allein um die „Kultivierung“ einer Marke wie „Red Bull“, sondern vielmehr um die Red-Bullisierung kultureller Institutionen. (…)

Ebenfalls sich ausbreitend wie die Pest sind Kreuzfahrten – früher ein exklusiver Luxus für wenige, heute längst Massentourismus. Mit den in unserem Wirtschaftssystem nahezu zwangsläufigen Folgen: Umweltverschmutzung, Ausbeutung und Profitmaximierung auf dem Rücken der Kunden. Darüber berichtete vor einer Weile pressetext.at: „Kreuzfahrten: Kundenabzocke auf Dreckschleudern. Schifffahrtsbranche anlässlich des Titanic-Jahrestages unter Druck“:

Kreuzfahrten sind weniger sicher als Anbieter propagieren, nehmen Kunden wie auch Beschäftigte aus und schaden der Umwelt. Mit scharfer Kritik durchkreuzt Ross A. Klein von der Memorial University in St. John’s http://ucs.mun.ca anlässlich des 100. Jahrestages der Titanic-Katastrophe die gängigen Vorstellungen über die “weißen Riesen der Weltmeere”. Mit sozial- und umweltverantwortlichem Urlaub hat die Branche gar nichts zu tun, so das Resümee des Kreuzfahrt-Kritikers. (…)

(…) Ein weiterer Kritikpunkt der Meeres-Kolosse sind deren verheerende Ökobilanz. “Pro Passagierkilometer produziert ein typisches Kreuzfahrtschiff mehr als drei Mal so viele Treibhausgase pro Kilometer als eine Boeing 747. Grund dafür ist das Schweröl, mit dem die Schiffe unterwegs sind”, erklärt Greenpeace-Meeresbiologin Antje Helms http://greenpeace.at auf Anfrage von pressetext. (…)

Kommen wir mal lieber zu erfreulicheren Trends – wie dem, dass auch in Städtenimmer mehr Selbstversorgung via eigenen oder Gemeinschaftsgärten betrieben wird. Karmakonsum brachte vor kurzem eine Rezension des Buches „Gärtnern in der Stadt“ von Martin Rasper, das sich mit dieser Entwicklung befasst:

Nachdem das Buch deutlich gemacht hat, warum das Gärtnern gerade in Zeiten einer vernetzten Welt über die private Ebene hinaus auch eine sehr politische Angelegenheit ist, gibt es zu guter Letzt noch wunderbar nützliche Tipps für die eigene Umsetzung, die nachdem man dieses Buch gelesen hat, nicht lange auf sich warten lassen dürfte. Um mit den etwas schrägen Worte aus dem Buch zu schließen: „Vielleicht haben die Gärten sich vorgenommen, die Welt zu retten. Wir sollten sie dabei unterstützen.“

Übrigens, die Webseite gutenahrung.de hat eine interessante Infografik über die Essgewohnheiten der Deutschen veröffentlicht:

Nahrung und Ernährung Deutschland
Via: Gute Nahrung

Was täten wir nur ohne die „sozialen Netzwerke“ im Internet? Kaum etwas (vielleicht noch neben Ebay und Pornoseiten) hat dem Netz so zum Durchbruch bei der breiten Masse verholfen wie die Möglichkeit, sich mit seinen Freunden und virtuellen Bekannten zu vernetzen und auszutauschen. Claudia Klinger macht sich in „Von der Personalisierung des großen Gesprächs“ so ihre Gedanken über die möglichen (negativen) Folgen und Nebenwirkungen einer Facebook-„Gefällt mir“-Kultur:

(…) Ok, das kann und darf jeder machen, wie er mag. Erwähnenswert erscheint es mir, weil ich ja selber merke, dass das Kommentieren auf Blogs abgenommen hat, und dass sich immer mehr Menschen den andersartigen Strukturen der “Sozialen Netze” unterwerfen, um sich auszutauschen. Anders als Blogartikel und Foren sind Gespräche in diesen Netzen nicht nach Themen strukturiert, sondern entlang an Personen – eine grundstürzend ANDERE Situation mit Folgen für das “große Gespräch der vielen mit den vielen”, die kaum mal diskutiert werden.

Wenn Personen wichtiger werden als Themen

Eine Diskussion unter dem Original-Artikel im Blog des Verfassers ist ein duch Thema und Autor/in definier- und erinnerbarer “öffentlicher Ort”. Ein virtueller, jedoch beständiger Platz, der als Agora dienen kann, wo man sich den gemeinsamen Belangen widmet.

Wogegen in den sozialen Netzen nur chaotische Vernetzungen verschiedenster Individuen existieren, die vielfach “Things” (Artikel, Videos…) verlinken, wobei gelegentlich unter solchen Verlinkungen Gespräche entstehen. Gespräche, die aber niemals “alle” zu gleichen Bedingungen lesen können, denn A ist ja mit B, C und D vernetzt, wogegen ein User E es nicht mitbekommt, wenn er nicht auch A abonniert/eingekreist hat.

So ergeben sich geschichtslose Kurzzeit-Stimmfühlung-Partys, die binnen Stunden, spätestens Tagen aus der “Sicht” geraten. Letzteres gilt auch für die seltenen hochkarätigen Diskussionen – z.B. die kürzliche Diskussion über Urheberrecht, die ich jetzt nur wieder finden kann, indem ich in den Postings von Stefan Münz zurück blättere, durch dessen Hinweis ich sie fand. Wobei ich mich nur deshalb an die Herkunft der Info erinnern kann, weil ich Stefan seit den Anfängen des Webs kenne. Für die meisten meiner “Vernetzten” gibt es solche Erinnerungsstützen nicht. (…)

Dass Facebook auch ein Tummelplatz für Leute mit „aggressivem Narzissmus“ ist, vermeldet der Guardian: „Facebook’s ‘dark side’: study finds link to socially aggressive narcissism“ (mal ehrlich – geahnt haben wir das doch schon immer! :-) :

Researchers have established a direct link between the number of friends you have on Facebook and the degree to which you are a “socially disruptive” narcissist, confirming the conclusions of many social media sceptics.

People who score highly on the Narcissistic Personality Inventory questionnaire had more friends on Facebook, tagged themselves more often and updated their newsfeeds more regularly.

The research comes amid increasing evidence that young people are becoming increasingly narcissistic, and obsessed with self-image and shallow friendships. (…)

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Tauschringe

Mich erfreut es ja immer wieder, wenn in den Mainstreammedien Konzepte oder Ideen vorgestellt werden, die die herkömmliche kapitalistische Maximierlogik unterlaufen. Tauschringe sind so ein Konzept, welches natürlich alles andere als neu ist, aber nun in Zeiten der Krise wieder einen Aufschwung erfahren. Im Prinzip ist es eine Art bargeldlose Nachbarschaftshilfe, bei der jeder die Talente und Fähigkeiten einbringt, die ihn auszeichnen. Dies stärkt den lokalen Zusammenhalt und macht unabhängiger von den Verwerfungen des Marktes. Sogr das Wirtschaftsmagazin Plusminus brachte unlängst einen Beitrag zu dem Thema – „Tauschringe – Wie man sich mit Talenten gegenseitig helfen kann“:

Tauschen statt zahlen – der neueste Trend, nicht nur dort, wo Menschen knapp bei Kasse sind. Rasen mähen gegen Kuchen backen zum Beispiel. Trotz der Grenzen bei Angebot und Nachfrage – Tauschringe sind jetzt auch in Deutschland auf dem Vormarsch.

Angst vor der Krise

Die Finanzkrise macht vielen Menschen Angst. Täglich gibt es neue Meldungen über drohende Staatspleiten, über die wachsenden Schuldenberge mehrer europäischer Länder und die unsichere Zukunft des Euros. Gleichzeitig können viele Menschen nicht mehr von ihrer Arbeit leben, ihre Fähigkeiten sind in der Marktwirtschaft nicht mehr gefragt.

Einige wenden sich deswegen von Geldwerten ab und orientieren sich anders. Sie tauschen statt zu kaufen – in Tauschbörsen oder Tauschringen, zum Teil mit eigener Währung. Aber sind sie eine Alternative zur Geldwirtschaft?

Im Dresdner Tauschnetz Elbtal werden nachbarschaftliche Hilfeleistungen und nicht mehr benötigte Dinge über ein Punktesystem untereinander getauscht oder verliehen. Sind die Tauschringe eine Stütze für das gegenwärtige System oder gar eine Bedrohung?

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Schulden – Die ersten 5.000 Jahre

Während Blockupy am letzten Wochenende für einige Furore gesorgt hat und die Frankfurter Polizei zu überhartem Eingreifen animierte (siehe z.B. diesen Bericht in der taz), erscheint zeitgleich das Buch „Schulden – die ersten 5.000 Jahre“ von David Graeber, einem der „Masterminds“ hinter der Occupy-Bewegung. Erfreuliche Nebenwirkung – auch in einigen Medien wird das Thema Kapitalismuskritik wieder aktuell. So berichtete titel thesen temperamente über das Werk und portraitiert den Autor und seine Ansichten – „Das neue brillante Buch von David Graeber“:

Ist das der Anfang vom Ende des Kapitalismus? In den USA verlieren Hunderttausende verschuldeter Familien ihre Häuser. In Griechenland leben viele Menschen auf der Straße. Die Schuldenkrise kann jeden treffen. Führt ein Finanzsystem, das sich weitgehend über Schulden finanziert, zwangsläufig in den Abgrund?

Wenn es einen Satz gibt, den jeder unterschreiben würde, dann den: Schulden muss man zurückzahlen. Doch jetzt kommt ein Mann, der unser Finanzsystem analysiert wie ein Ethnologe einen exotischen Stamm in Neuguinea. Und dieser Mann sagt: Nein, Schulden muss man nicht unbedingt zurückzahlen.

David Graeber ist der neue Star der Kapitalismuskritik. Er ist Professor für Anthropologie in London, bekennender Anarchist – und Mastermind der weltweiten Occupy-Bewegung. Aber sein Buch „Schulden. Die ersten 5.000 Jahre“ halten auch Banker und konservative Politiker für einen Meilenstein.

„Schulden erzeugen immer ein Machtverhältnis“, sagt Graeber. „Die alten Eroberer haben das verstanden, ein Mafioso versteht das. Du schuldest mir was, sagen sie, und machen dir ein Angebot, das du nicht ablehnen kannst. Das heißt, es sieht plötzlich so aus, als habe das Opfer eine Schuld ihnen gegenüber. Als hätte der Schuldner etwas Böses getan. Das kann man über die ganze Geschichte der Menschheit verfolgen.“ (…)

Auch Die Zeit widmet sich dem Buch – „Am Wendepunkt“:

 (…) Der Massenwohlstand Europas verdampft. Die Willy Lomans der USA zahlen mit drei Jobs ihre Häuser ab, die weniger wert sind als die Hypothekenschulden, die Studenten sind mit einer Billion verschuldet. Auf diesem Boden wuchs Occupy Wall Street, zu dessen Initiatoren David Graeber gehört, dem es den Slogan »We are the 99 percent« verdankt.

Wir stehen, auch wenn es noch nicht 99 Prozent ahnen, in einem Zwischenraum der Geschichte, der Anfang eines »grausamen Endspiels« sein könnte oder der »Anfang von etwas, das noch nicht bestimmt werden kann«. In dieser Atempause stellt Graebers Buch Schulden die Frage: Wie sind wir eigentlich in diese Bredouille geraten? Und dazu holt er 5.000 Jahre aus. (…)

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Die Riestersche „Jahrhundertreform“

Es tut mir leid, Euch heute schon wieder nur eine Doku zu präsentieren, aber als ich mir neulich „Das Riester-Dilemma – Portrait einer Jahrhundertreform“ anschaute, war ich doch so entsetzt über das, was dort zu sehen war, dass ich die SWR-Sendung hier unbedingt vorstellen muss. Wie sehr hier eine Umverteilung von den Bürgern hin zu den Versicherungen stattfindet, eingeleitet durch die rot-grüne Regierung unter Schröder, aber wie man sehen kann auch heutzutage in der SPD noch unterstützt, und gepusht durch einseitige Meinungsmache in den Medien, ist wirklich beispielhaft. Sehr schlimm!

Die Verfechter der Riester-Rente waren sich damals einig: Die gesetzliche Rente alleine könne es nicht mehr schaffen. In einer älter werdenden Gesellschaft müsse jeder privat vorsorgen. Mit großzügigen staatliche Zuschüsse sollten die Bürger ermuntert werden, ein privates Zusatzpolster für Ihr Alter anzusparen.
Doch heute, rund zehn Jahre später entpuppt sich die vermeintlich renditeträchtige Privatvorsorge à la Riester mehr und mehr als Rohrkrepierer: Die staatlichen Zuschüsse kommen vor allem den Versicherungsgesellschaften zugute und nicht den kleinen Sparern.
Oft werfen Riesterversicherungen sogar weniger ab als viele ungeförderte Produkte – auch, weil der Staat zwar die Ansparphase großzügig fördert, aber bei der Auszahlung ebenso großzügig Steuern erhebt. Viele Rentner müssten über neunzig werden, um auch nur das Geld wiederzusehen, das sie in die Riester-Versicherungen eingezahlt haben.

Und schließlich droht gerade Geringverdienern der Totalverlust. Denn wer im Alter auf Sozialhilfe angewiesen ist, bekommt die angesparte Riester Rente nicht oben drauf. Sie wird viel mehr verrechnet von der Sozialhilfe abgezogen.
Schließlich haben nur knapp die Hälfte aller Antragsberechtigten eine Riester Rente abgeschlossen. Aber alle sind von der parallelen Rentenkürzung betroffen. Es sparen bei weitem nicht alle und tendenziell die Falschen. Viele Besserverdienende nehmen die Riesterförderung gerne mit, aber die, die wirklich darauf angewiesen wären, bleiben – mit gutem Grund – der Privatvorsorge fern, weil sie das Geld nicht aufbringen wollen oder können,
Zudem haben sich die Hoffnungen, dass sich das Geld der Sparer auf den Kapitalmärkten quasi von selbst vermehrt, in der Finanz- und Eurokrise längst zerschlagen. Staatsanleihen gelten entweder als riskant oder nicht profitabel. Die Verzinsung, die die Lebensversicherer ihren Kunden garantieren, ist mittlerweile auf mickrige 1,75 Prozent gesunken – und das auch nur auf den sogenannten Sparanteil.

Es wird immer unwahrscheinlicher, dass man mit privatem Sparen die Kürzung bei der gesetzlichen Rente ausgleichen kann. Die Reformen der letzten Jahre haben dafür gesorgt dass die Rente künftig um bis zu 20% geringer ausfallen wird. Der Vergleich mit den europäischen Nachbarn zeigt: In keinem anderen Land wurde das Rentenniveau so stark gesenkt. Selbst wer 32 Jahre durchgehend zum Durchschnittslohn gearbeitet hat, wird künftig im Alter Sozialhilfe benötigen.
Dabei hatte die Politik doch 2001 behauptet, es werde niemand schlechter, sondern allen besser gehen mit der Riester-Rente.

Profitiert haben von der Reform vor allem Arbeitgeber. Sie sollten von steigenden Rentenbeiträgen entlastet werden. Für die Arbeitnehmer dürfen die Beiträge dagegen weiter steigen. Zusätzlich müssen sie komplett aus eigener Tasche die private Vorsorge finanzieren. Sie zahlen also deutlich mehr als vor der Reform – für ein schlechteres Absicherungsniveau.
Für die Rentner hat sich die Operation nicht gelohnt, wohl aber für die Versicherer und ihre politischen Förderer. 37 Milliarden wurden inzwischen in privaten Riesterprodukten der Finanzindustrie angespart. Und wichtige politische Protagonisten der Rentenreform stehen heute auf der Pay Roll der Versicherungswirtschaft: Walter Riester hält heute hoch bezahlte Vorträge für Banken und Versicherung und sitzt im Vorstand von Union Invest. “Rentenpapst” Bert Rürup, der die Rentenpolitik unter Schröder maßgeblich geprägt hat, wechselte erst zum AWD und ist inzwischen Geschäftsmann und Unternehmensberater in einer gemeinsamen Firma mit dem umstrittenen Ex-AWD-Chef Carsten Maschmeyer. Andere einflussreiche Experten Regierungsberater wie Bernd Raffelhüschen oder Meinhard Miegel leiten Institute, die von der Versicherungswirtschaft gefördert werden oder wurden.
Der Lack ist ab von der privaten Vorsorge à la Riester. Teuer, ineffizient und für viele Bürger viel zu kompliziert. Gerade in der Krise zeigt sich, dass die gesetzliche Rente mit ihrem Umlageverfahren das erheblich stabilere und günstigere System ist. Doch ein Weg zurück ist nicht in Sicht – zu mächtig scheint die Macht der Lobby aus Wirtschaft und Politik.

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Lesetipps: Reichtum & Ruhm | Hilfe, LOHAS! | Marlboro | Konsumverzicht

Es wird mal wieder Zeit für ein paar Lesetipps im Konsumpf – beginnen möchte ich mit dem Artikel „Nur noch Reichtum und Ruhm im Kopf?“ von Florian Rötzer auf Telepolis. Er stellt eine neue US-Studie vor – anhand der sich mir die Frage stellt, ob die nun seit einigen Jahrzehnten andauernde und von Medien, Reklamewirtschaft und Politik betriebene „Umerziehung“ der Menschen von Bürgern zu Konsumenten „Früchte“ getragen hat, also Erfolge im Sinne der Durchkommerzialisierer zeitigt. Hoffentlich nicht!

(…) was auch für die nach 1982 Geborenen zutrifft. Für sie sind extrinsische Werte wie Geld, Aussehen und Ruhm wichtiger als für die Baby Boomer, während intrinsische Werte wie Selbstakzeptanz, Gemeinschaft oder Zugehörigkeit eine geringere Rolle spielen. Die Sorge um die Mitmenschen nahm hingegen nur leicht ab, die bürgerpolitische Orientierung, also das Interesse an sozialen Problemen, politischer Partizipation, Vertrauen in die Regierung oder Engagement für die Umwelt oder das Energiesparen ging hingegen beträchtlich zurück, vor allem was den Umweltschutz anbelangt, der das Thema der vorhergehenden Generation war und ist. Es gebe keineswegs eine “Generation Wir” meinen die Psychologen, sondern vielmehr eine “Generation Ich”. (…)

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Ausbeutung heute: Mit Leiharbeit aus der Tarifbindung

Die WDR-Sendung Markt beschäftigte sich letzte Woche mit dem Thema Leiharbeit. Seit einigen Jahren breitet sich diese Form der Beschäftigung immer weiter aus, sorgt so für das vermeintliche deutsche „Jobwunder“, hilft Unternehmen dabei, ihre Kosten zu senken – und führt dazu, dass immer mehr Menschen mit immer weniger Geld auskommen müssen. Eine gefährliche Entwicklung, mit der sich die Firmen letztlich auch ins eigene Fleisch schneiden. „Mit Leiharbeit aus der Tarifbindung“:

Aus der Automobilindustrie kommen zurzeit spannende Schlagzeilen: Viele Autobauer haben so große Gewinne gemacht, dass sie Ihre Mitarbeiter mit einmaligen Bonuszahlungen daran beteiligen wollen. Teilweise gibt es da bis zu 10.000 Euro! Doch von den insgesamt 3,6 Millionen Arbeitnehmern in der Metallindustrie ist nur jeder Zehnte bei Automobilkonzernen beschäftigt. Alle anderen, auch die Mitarbeiter der Zulieferer, gehen da leer aus. Und nicht nur die: Inzwischen gibt es in der Metallindustrie gut 300.000 Leiharbeiter, die teilweise denselben Job machen, aber bei diesen Bonuszahlungen ebenfalls leer ausgehen.

Mit der Leiharbeit haben die Gewerkschaften ohnehin immer mehr Probleme. Zunehmend werden normale Arbeitsplätze mit Leiharbeitern besetzt, für die der Metalltarif gar nicht gilt. Die IG-Metall will diese Verdrängung ihrer Mitglieder nicht länger hinnehmen und fordert in den aktuellen Tarifverhandlungen daher auch Regelungen zur Leih- und Zeitarbeit.

Fünf Euro weniger pro Stunde

Bei der Firma Hako in Wuppertal bauen viele Leiharbeiter Scharniere für Autos. Im Werk drehen dürfen wir nicht, ein Interview lehnt Hako ab. Aber einer der dort beschäftigten Leiharbeiter geht vor die Kamera – anonym: „Ich bin da jetzt zwei Jahre als Leiharbeiter, aber es gibt Leute, die sind acht Jahre und noch länger da als Leiharbeiter. Das ist ein riesengroßer Unterschied: Ich sage mal acht Euro im Gegensatz zu 13 Euro, die die Festangestellten kriegen.

Gut ein Drittel weniger Stundenlohn für die gleiche Arbeit – für Hako ein gutes Geschäft sogar in doppelter Hinsicht: Die Firma hat nämlich eine eigene Zeitarbeitsfirma gegründet und verleiht die billigen Arbeitskräfte in großem Stil an das eigene Schwesterunternehmen. Auch davon berichtet uns einer der Leiharbeiter, der anonym bleiben will: „Zum Beispiel in der Schweißerei, die 2008 aufgebaut wurde: Da arbeiten 50 Leute, davon sind 44 Leute von der Verleihfirma.

Insgesamt sind seit Jahren fast die Hälfte aller Mitarbeiter dieser Firma Zeitarbeiter – und die sind nicht nur billig, sie sind auch erpressbar. „Die Schweißerei hat irgendwann mal Terror gemacht wegen zu wenig Geld. Da haben die aus dem Büro gesagt, ja ist egal, dann werdet ihr einfach ausgetauscht.

Vor allem Automobilzulieferer setzen auf Leiharbeit. In der Metallbranche arbeitet schon fast jeder zehnte als Leiharbeiter. Zusammen mit dem wachsendem Niedriglohnsektor hat das auch für die Tarifpolitik Konsequenzen: Für festangestellte Arbeitnehmer gab es in den letzten zehn Jahren immerhin etwas Lohnsteigerung. Weil aber immer weniger Menschen nach Tarif bezahlt werden, ist der Durchschnitt aller Löhne sogar gesunken.

Von der Lehre in die Leiharbeit?

Die IG-Metall will den Trend zur Leiharbeit bremsen. Und nicht nur das: Eine weitere Forderung betrifft vor allem junge Metallarbeiter wie Steven Kunz. Vier Lehrlinge gab es in seinem Jahrgang. Am Tag der Abschlussprüfung gab es dann eine böse Überraschung: „Nach unserer Prüfung wurden wir dann in die Personalabteilung bestellt. Dort hat man uns dann beglückwünscht und hat uns dann aber gebeten, unsere Sachen abzugeben und das Werksgelände zu verlassen.“ Kein Lehrling wurde übernommen, obwohl die Firma in einem Zweigwerk durchaus Personal brauchte. Steven Kunz berichtet weiter: „Ein paar Tage später hat man uns dann in die Personalabteilung eingeladen und uns gefragt, ob wir einen Job annehmen möchten in Zwickau – zu Zwickauer Konditionen.“ (…)

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Am 21.3. Demo in Kiel „Bauernhöfe statt Agrarindustrie“

Diesen Veranstaltungstipp für die Region Kiel möchte ich Euch heute mit auf den Weg geben – wie man sieht, bewegt sich etwas im Kampf gegen eine alles monopolisierende Nahrungsmittelindustrie:

Bauernhöfe statt Agrarindustrie
Gemeinsam für eine neue, faire Agrarpolitik in Schleswig-Holstein

KUNDGEBUNG MI. 21.3. 13 Uhr vor dem Landeshaus in Kiel, Düsternbrooker Weg 70
Trecker-Korso vom Wilhelmplatz zum Landeshaus

Ein breites Bündnis (siehe Flyer) aus Landwirtschafts-, Umwelt-, Imker-, Verbraucher-, Tierschutz- und Eine-Welt Organisationen lädt ein zur Kundgebung Bauernhöfe statt Agrarindustrie

– 11.00 Uhr Treffen der Trecker auf dem Wilhelmplatz in Kiel – gemeinsamer Treckerkorso
– 13.00 Uhr Versammlung vor dem Landeshaus, Düsternbrooker Weg 70 mit Musik, Poesie, bunten Transparenten und politischen Forderungen
– 13.30 Uhr Kundgebung mit Forderungen und Fragen an die politischen VertreterInnen

– Stärkung des Ökolandbaus – BIOLAND und DEMETER
– Faire Preise & Stärkung der Erzeuger am Markt – Bundesverband Deutscher Milchviehhalter (BDM)
– Artgerechte Tierhaltung – PROVIEH
– Umwelt- und Klimaschutz – BUND
– Gentechnikfreie Landwirtschaft und Bienenschutz – BI gentechnikfreies SH
– Regionale Vermarktung – EVG Landwege e.G.
– Stärkung der Kleinbäuerinnen und Bauern in den Ländern des Südens – Brot für die Welt

Wir wollen gemeinsam kurz vor der Landtagswahl in Schleswig-Holstein ein deutliches Zeichen setzen für eine bäuerliche, ökologische Landwirtschaft, faire Preise, für Vielfalt statt Monokulturen. Für eine klima- und umweltverträgliche und gentechnikfreie Landwirtschaft mit artgerechter Tierhaltung. Für gesunde, regionale Lebensmittel, solidarisch mit den KleinbäuerInnen des Südens.

Wie kann man sich beteiligen?
Durch zahlreiche Teilnahme!
Durch eine Spende an: Landwege e.V. – Konto 9906520 – Sparkasse zu Lübeck – BLZ 23050101 – Verwendungszweck: Spende für Kundgebung 21.3.2012 und Angabe der vollständigen Adresse für die Spendenbescheinigung

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Meat free Monday

Ich denke mal, spätestens seit dem Bestseller „Tiere essen“ von J.S. Foer ist das Thema (Teilzeit-)Vegetarismus im Mainstream angekommen und wurde bei manchen Menschen das Bewusstsein für die Problematik, die mit etwas scheinbar Selbstverständlichem wie dem Fleischkonsum einhergeht, geschärft. Natürlich wäre es aus den verschiedensten Gründen – Umwelt, Ethik, Gesundheit… – sinnvoll, wenn der Fleischverzehr ganz eingestellt werden würde, allerdings ist der Ansatz, zumindest eine Reduktion zu bewirken, auch nicht so verkehrt, wenn man bedenkt, wie emotional aufgeladen für einige Leute dieses Thema ist. Dies sieht man auch bei dem Beitrag „Fleischlos-Tage: Kulturkampf in deutschen Kantinen“ der BR-Sendung quer, der den „Meat free Monday“ beschreibt, der löblicherweise mittlerweile in einigen Firmen-Kantinen üblich ist und so die Leute auch an die Vielfalt vegetarischen Essens heranführt und zeigt, dass Gemüse etc. nicht bloße Beilagen zu einer Wurst oder einem Steak sind. Ich staune bei der Gelegenheit ja immer wieder, dass so mancher Zeitgenosse es offenbar schon kaum ertragen kann, auch nur einen Tag lang mal kein totes Tier in sich reinzuschaufeln, wie man in dem Beitrag sehen kann. Traurig, wie festgefahren Menschen so sein können…

Immer häufiger machen Firmenkantinen monatliche oder wöchentliche Fleischlos-Tage und wollen damit die Umwelt schonen. Denn fast 20 Prozent der weltweiten CO2-Emissionen sind auf die Fleischindustrie zurückzuführen – mehr als alle Transport- und Verkehrsabgase zusammen. Doch das hehre Ziel des Umweltschutzes überzeugt viele Arbeitnehmer dieser Firmen trotzdem nicht. Sie fühlen sich an den sogenannten Veggie-Days im wahrsten Sinne des Wortes bevormundet und boykottieren die Kantinen.

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Wie die Industrie aus Kindern Junkfood-Junkies macht

Es ist – zumal für Leser meines Blogs – eigentlich keine neue Erkenntnis, die uns Foodwatch da vorgestern als Ergebnis einer Studie vorlegte. Die Angebote der Nahrungsmittelindustrie, die speziell auf Kinder abzielen (in Aufmachung, Reklame, Rezeptur) wurden gründlich unter die Lupe genommen, und für überwiegend zu süß, zu ungesund, zu fett befunden. Trotzdem werden diese Produkte von der Marketingmaschinerie der Konzerne ungestraft als „gesunde Mahlzeit“ o.ä. angepriesen – während in anderen Ländern Reklame für Kinder sogar schon verboten ist, darf hierzulande noch gelogen werden, dass sich die Balken biegen. Natürlich sind auch die Eltern dafür mitverantwortlich, was die Kinder zu sich nehmen, aber solange die Unternehmen gehirnwäschegleich ihre Desinformationen ausstreuen, wird es für viele schwierig, Fakten von Märchen zu trennen. Ein Mitglied der Konsumpf-Facebookgruppe fragte zu Recht, was eigentlich in den Köpfen von Unternehmern, Herstellern, Werbeleuten, Händlern vor geht, dass sie hier nicht selbst die Reißleine ziehen – und statt dessen den eigenen Profit vor das Wohl der Kinder setzen.

Hier nun also zur Foodwatch-Studie „Wie die Industrie aus Kindern Junkfood-Funkies macht“:

Unausgewogene Produkte, perfides Marketing und überbordende Lobbyarbeit: Die Lebensmittelindustrie leistet keinen Beitrag zur ausgewogenen Ernährung von Kindern, sondern trägt massiv zur grassierenden Fehlernährung bei. Das belegt der Report „Kinder kaufen“, den foodwatch heute in Berlin vorstellte.

Das ist das Problem: In Deutschland sind 15 Prozent der Kinder übergewichtig, 6 Prozent sogar adipös – ihnen drohen Krankheiten wie Diabetes, Gelenkprobleme, Bluthochdruck und Herzerkrankungen. Im Vergleich zu den 80er und 90er Jahren ist der Anteil übergewichtiger Kinder um 50 Prozent gestiegen. Der wichtigste Grund für das Übergewichtsproblem: Kinder ernähren sich falsch. Sie essen zu viele Süßigkeiten, fettige Snacks und Fleisch, trinken zu viel Limonade; Obst und Gemüse kommen dagegen zu kurz.

Das ist der Stand: Ein umfassender Marktcheck von foodwatch zeigt: Das Angebot an industriellen Kinderlebensmittel besteht fast ausschließlich aus Süßigkeiten und Snacks. Dieses Junkfood drängt die Industrie den Kindern mit perfiden Marketingstrategien auf – und verhindert jede Regulierung, angefangen bei einer transparenten Nährwertkennzeichnung, durch massive Lobbyarbeit. Die Hersteller sind damit mitverantwortlich für die schlechte Ernährung der Kinder.

Das fordert foodwatch:
  • Industrie in die Verantwortung nehmen: Die Lebensmittelindustrie muss dort Verantwortung übernehmen, wo ihre Verantwortung tatsächlich liegt: In der Produktion ausgewogener Kinderlebensmittel – nicht in PR-trächtigen Alibi-Maßnahmen wie Bewegungsinitiativen und Ernährungstipps für den Schulunterricht. Die Verantwortung für die Fehlernährung von Kindern darf nicht auf die Eltern abgewälzt werden!
  • Kein Kinder-Marketing für Süßigkeiten: Produkte, die nicht ausgewogen sein können (wie Süßigkeiten) dürfen nicht länger als Kinderprodukte beworben und mit Comicfiguren, Spielzeugbeigaben, Gewinnspielen oder Idolen direkt an Kinder vermarktet werden.
  • Werbefreie Schulen: Schulen und Kindergärten müssen werbe- und PR-freie Räume werden.
  • Schluss mit der Alibi-Sport-Förderung durch die Industrie: Die Junkfood-Industrie ist kein geeigneter Partner für den Staat, für Schulen und Sportverbände wie den Deutschen Fußballbund (DFB). Sponsoring-Partnerschaften und gemeinsame Programme zur Bewegungsförderung oder Übergewichts-Bekämpfung dienen den Unternehmen als Ablasshandel und müssen beendet werden.

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