Wie die Industrie aus Kindern Junkfood-Junkies macht

Es ist – zumal für Leser meines Blogs – eigentlich keine neue Erkenntnis, die uns Foodwatch da vorgestern als Ergebnis einer Studie vorlegte. Die Angebote der Nahrungsmittelindustrie, die speziell auf Kinder abzielen (in Aufmachung, Reklame, Rezeptur) wurden gründlich unter die Lupe genommen, und für überwiegend zu süß, zu ungesund, zu fett befunden. Trotzdem werden diese Produkte von der Marketingmaschinerie der Konzerne ungestraft als „gesunde Mahlzeit“ o.ä. angepriesen – während in anderen Ländern Reklame für Kinder sogar schon verboten ist, darf hierzulande noch gelogen werden, dass sich die Balken biegen. Natürlich sind auch die Eltern dafür mitverantwortlich, was die Kinder zu sich nehmen, aber solange die Unternehmen gehirnwäschegleich ihre Desinformationen ausstreuen, wird es für viele schwierig, Fakten von Märchen zu trennen. Ein Mitglied der Konsumpf-Facebookgruppe fragte zu Recht, was eigentlich in den Köpfen von Unternehmern, Herstellern, Werbeleuten, Händlern vor geht, dass sie hier nicht selbst die Reißleine ziehen – und statt dessen den eigenen Profit vor das Wohl der Kinder setzen.

Hier nun also zur Foodwatch-Studie „Wie die Industrie aus Kindern Junkfood-Funkies macht“:

Unausgewogene Produkte, perfides Marketing und überbordende Lobbyarbeit: Die Lebensmittelindustrie leistet keinen Beitrag zur ausgewogenen Ernährung von Kindern, sondern trägt massiv zur grassierenden Fehlernährung bei. Das belegt der Report „Kinder kaufen“, den foodwatch heute in Berlin vorstellte.

Das ist das Problem: In Deutschland sind 15 Prozent der Kinder übergewichtig, 6 Prozent sogar adipös – ihnen drohen Krankheiten wie Diabetes, Gelenkprobleme, Bluthochdruck und Herzerkrankungen. Im Vergleich zu den 80er und 90er Jahren ist der Anteil übergewichtiger Kinder um 50 Prozent gestiegen. Der wichtigste Grund für das Übergewichtsproblem: Kinder ernähren sich falsch. Sie essen zu viele Süßigkeiten, fettige Snacks und Fleisch, trinken zu viel Limonade; Obst und Gemüse kommen dagegen zu kurz.

Das ist der Stand: Ein umfassender Marktcheck von foodwatch zeigt: Das Angebot an industriellen Kinderlebensmittel besteht fast ausschließlich aus Süßigkeiten und Snacks. Dieses Junkfood drängt die Industrie den Kindern mit perfiden Marketingstrategien auf – und verhindert jede Regulierung, angefangen bei einer transparenten Nährwertkennzeichnung, durch massive Lobbyarbeit. Die Hersteller sind damit mitverantwortlich für die schlechte Ernährung der Kinder.

Das fordert foodwatch:
  • Industrie in die Verantwortung nehmen: Die Lebensmittelindustrie muss dort Verantwortung übernehmen, wo ihre Verantwortung tatsächlich liegt: In der Produktion ausgewogener Kinderlebensmittel – nicht in PR-trächtigen Alibi-Maßnahmen wie Bewegungsinitiativen und Ernährungstipps für den Schulunterricht. Die Verantwortung für die Fehlernährung von Kindern darf nicht auf die Eltern abgewälzt werden!
  • Kein Kinder-Marketing für Süßigkeiten: Produkte, die nicht ausgewogen sein können (wie Süßigkeiten) dürfen nicht länger als Kinderprodukte beworben und mit Comicfiguren, Spielzeugbeigaben, Gewinnspielen oder Idolen direkt an Kinder vermarktet werden.
  • Werbefreie Schulen: Schulen und Kindergärten müssen werbe- und PR-freie Räume werden.
  • Schluss mit der Alibi-Sport-Förderung durch die Industrie: Die Junkfood-Industrie ist kein geeigneter Partner für den Staat, für Schulen und Sportverbände wie den Deutschen Fußballbund (DFB). Sponsoring-Partnerschaften und gemeinsame Programme zur Bewegungsförderung oder Übergewichts-Bekämpfung dienen den Unternehmen als Ablasshandel und müssen beendet werden.

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16 Kommentare

  1. Ich kann es nicht so richtig begreifen, warum der Industrie erlaubt wird, sogar nachweislich krebserregende Stoffe in ihren Produkten zu verwenden. Wie wird in der Politik diese “Freiheit” der Industrie, die vielen Menschen das Leben kostet, begründet?

  2. hsdgjfhsg

    @Azadeh Sepehri
    Ganz einfach mit Profit. Profit bringt Aufschwung. Der hängt unmittelbar vom Ansatz ab. Kurz: Masse statt Klasse.

  3. @hsdgjfhsg
    Ich stimme dir zu, was die Hintergründe betrifft. Aber das geben ja die Politiker nicht zu. Sie reden immer alles schön und vetuschen ihre Tatmotive. Es gibt leider keine öffentliche Debatte zu diesem Thema. (Oder habe ich sie nicht mitbekommen?) Ich habe jedenfalls keinen Politiker erlebt, der zu solchen Verbrechen der Industrie Stellung genommen hat.

  4. Dass Kinder Fett zu sich nehmen ist kein Problem. Kinder brauchen keine künstlichen Light-Produkte. Fett ist wichtig für die Hirnentwicklung und das Zellwachstum. Bio-Schlagsahne ist hervorragend für Kinder, da sie einen guten ANteil an Omega-3 hat. Auch Butter ist gut, nur keine Margarine. Nicht zu toppen ist, nicht nur für Kinder, Kokosöl, denn deren Fettsäuren sind ideal für die Zellen. Vor allem das Herz benötigt derartige Fettsäuren, und ja, sie sind gesättigt, und daher nicht so reaktionsfreudig, wie ungesättigte Fettsäuren, die keinesfalls erhitzt werden dürfen. Daher gibt es zum Kochen und Braten nichts Besseres als Kokosöl.
    Das Problem der Kinder sind die Kohlenhydrate. Zu viel davon wird in Fettdepots umgebaut, die sich vor allem in den Problemzonen niederlassen. Der Hunger auf Süßes entspringt dem Mangel an Fett !!! Kommt zuwenig Fett in den Körper, baut sich der Körper den Bedarf aus Kohlenhydraten und verlangt entsprechend mehr davon.
    Kinder brauchen gute Fette und zwar reichlich … und wo wir schon dabei sind: eine Schale mit unbehandeltem Meersalz auf dem Tisch zum Naschen zwischendurch ist auch eine feine Sache, beinhaltet diese Form des Salzes über 80 Elemente, die auch im Körper benötigt werden.
    Passend dazu noch Folgendes:
    http://www.gold-dna.de/update3.html#up46

    Gruß IP

  5. hsdgjfhsg

    Warum auch? Man muss sich nur mal anschauen wie viele Politiker nach ihrer Amtszeit in der freien Wirtschaft tätig sind. Jammern bringt aber nichts. Jeder sollte individuell nach seinen Möglichkeiten handeln. Durch Engagement, Eigeninitiative, Eigenverantwortung. Ich kaufe diesen Dreck nicht und pflanze meine Gewürze u.s.w. selbst an. Das Saatgut besorge ich mir aus den entsprechenden Börsen. Nichts ist Alternativlos!

  6. @hsdgjfhsg
    Ich finde Ihre Einstellung sehr gefährlich, da dadurch die Verantwortung der Produzierenden und die der Kontrollgremien auf die Verbraucher übertragen werden. Genau diese weitverbreitete Einstellung führt dazu, dass der Industrie keine Grenzen gesetzt werden und die Politik sich aus diesem Thema raushält.

    • @ Azadeh: Ich find die Haltung eher sehr vernünftig – warum sollte man erst auf die Politik warten, bevor man den entsprechenden Konzernen das eigene Geld entzieht bzw. es eben nicht jenen Firmen gibt, die für viele Sauereien verantwortlich sind? Natürlich muss man AUCH dafür sorgen, dass die Politik der Wirtschaft Grenzen setzt, doch verantwortungsvoller Konsum im individuellen Bereich ist auch ein unerlässlicher Schritt.

  7. @Peter M.
    Was Sie sagen, ist ja nicht falsch. Aber man muss in Erwägung ziehen, dass es viele Menschen gibt, denen das nötige Wissen zum bewußten Handeln fehlt.

    • Und deshalb geht es in meinem Blog ja auch darum, dieses Wissen zu verbreiten. :-) Ich bin da (als latent anarchistisch angehauchter Typ) sowieso eher ein Freund der persönlichen Entwicklung als dass alles staatlich dirigiert werden muss und “der Bürger” als unmündiges Wesen gilt. Wäre aber trotzdem zu begrüßen, wenn die Politik die Wirtschaft in viel klarere, engere Grenzen setzen würde.

  8. Ich schätze Ihre Arbeit, aber ich finde, es ist für einen Normalverbraucher unmöglich, sich über alle Produkte zu informieren. Genau deswegen muss die Politik diese Aufgabe übernehmen und eingreifen. Dies bedeutet aber nicht, dass wir uns als Bürger entmündigen lassen oder uns nicht mehr informieren sollen.

  9. hsdgjfhsg

    Azadeh Sepehri
    Ihr Einwand ist berechtigt. Aber betrachten Sie mal den kulturellen Aspekt. Ernährung ist Kulturgut. Und letzteres ist wiederum in jedem fest verankert. Diesen Wissen zu erwerben und auszubauen ist Bürgerpflicht. Das ohne Gegenwehr einigen wenigen Industriellen zu überlassen ist fahrlässig und gefährlich. Da spielen noch andere Dinge rein, wie zum Beispiel Verschwendung u.s.w.

  10. hsdgjfhsg

    @Peter M.
    Anscheinend interessiert es ja niemanden. Junk Food ist mittlerweile Kulturgut, nicht nur was das Essen betrifft. Da gehört auch das was drumherum passiert dazu. Was passiert wenn man den Menschen die Autonomie in Sachen Grundversorgung nimmt sehen Sie zur Zeit in Ländern wie Griechenland.

  11. Warum geben wir unser Denken immer mehr in fremde Hände ? Die Schule muss die elterlichen Defizite ausbügeln, die Politik soll sich um uns kümmern, usw. Wie viel Fremdsteuerung brauchen wir denn noch, um mal zu begreifen, dass das Leben nicht nur aus Fernsehmüll und High-Tech-Spielzeug besteht ? Viele fahren auf Navis ab, weil sie es mehr und mehr verlernen sich selbst zu orientieren. Daher braucht es keine schulischen, wirtschaftlichen und politischen Navis, die uns vorgeben, wie wir zu leben und zu denken haben. Es braucht einzig den Willen seinen Kindern etwas Ordentliches zukommen zu lassen … und etwas Zeit sich zu informieren … aber das ist ein Preis, den ich gerne zahle.

    Gruß IP

  12. „Ein Mitglied der Konsumpf-Facebookgruppe fragte zu Recht, was eigentlich in den Köpfen von Unternehmern, Herstellern, Werbeleuten, Händlern vor geht, dass sie hier nicht selbst die Reißleine ziehen – und statt dessen den eigenen Profit vor das Wohl der Kinder setzen.“

    Ganz einfach, das Funktionieren im System (Verantwortungsverschiebung in der Hierarchiekette) und das „Leidbild“ derjenigen, die man eigentlich „Psychopathen“ nennen müsste: gierig, niederträchtig, opportunistisch, geltungssüchtig.

    Der egoistische Opportunist, der zwar genau weiß, was er anrichtet, sich aber nicht für die allumfassenden Konsequenzen seines Handelns interessiert, sondern nur für sein Prestige, sein Konto und seine „Karriere“. Solche Menschen sind dann ‚erfolgreich‘.

    R@Z€

  13. Mit den foodwatch-Forderungen ist es nicht getan; für mehr Kompetenz bei Auswahl und Zubereitung der Lebensmittel kann auch foodwatch nicht sorgen; bei praktischer Bildung sehe ich den größeren Handlungsbedarf.

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