Schon seit einiger Zeit ist es ja hochspannend, zu beobachten, was auf Island geschieht – nach dem Crash ihres Finanzsystems wurden nämlich nicht die EU-üblichen neoliberalen Programme aufgelegt, sondern radikal durchgegriffen. Banken enteignet etc. Nun ist man dort noch einen Schritt weiter gegangen und zeigt dem Rest der Welt mal, wie moderne Politik und Bürgerbeteiligung aussehen kann – hierzulande werden die Piraten für ähnliche Ideen verlacht, dort führt man sie einfach mal durch, wie die Süddeutsche Zeitung in „Politiklabor Island – Eine Verfassung wie Wikipedia“ zeigt:
Zu der nachfolgenden Doku, die neulich in der Reihe ZDF Zoom lief, muss man eigentlich nichts mehr sagen, nur noch den Kopf schütteln – „Flucht in die Karibik – Die Steuertricks der Konzerne“ zeigt plastisch, wie asozial die „Global Players“ agieren, indem sie sich aus ihrer gesellschaftlichen Verantwortung stehlen und Gewinne am Fiskus vorbei lavieren. Ganz legal:
Bis zu eine Billion Euro im Jahr gehe den EU-Mitgliedsstaaten durch Steuerflucht und – hinterziehung im Jahr verloren, schätzt der zuständige EU-Kommissar Algirdas Semeta: „Das ist nicht nur ein skandalöser Verlust dringend benötigter Einnahmen, sondern auch eine Gefahr für ein gerechtes Steuersystem.“ Dass internationale Konzerne ihre Gewinne mittels Briefkastenfirmen in Niedrigsteuer-Länder verschieben, dafür hat Bundesfinanzminister Schäuble sogar Verständnis: „Jedes Unternehmen muss versuchen, die steuerlich günstigsten Möglichkeiten herauszukriegen. Wer multinational tätig ist, wird seine Steuerbelastung durch Verlagerung reduzieren. Das ist nicht illegal, sondern legal.“
Auf der Spur der Steuervermeider
Legal? Warum hindert sie niemand daran? ZDFzoom-Reporter Jo Schück folgt der Spur der Steuervermeider. Die Spur führt ihn in die Niederlande. Kaum jemand ahnt, dass unser Nachbar im Westen eine der größten Steueroasen der Welt ist – weil Beteiligungserträge, Lizenzgebühren und Zinseinnahmen für Holdings meist steuerfrei sind. Eine Chance zum Geld sparen, die sich kaum ein Unternehmen entgehen lässt.Und das ist nur der Anfang: Briefkastenfirmen in Delaware/USA, Niederlassungen in der Karibik, Steuer-Anwälte in New York – mit diesem Geflecht werden Gewinne niedrig gerechnet und damit Steuern gespart.
Neue Spielregeln
Auf dem G20-Gipfel in Moskau erfährt ZDFzoom-Reporter Jo Schück von geplanten Gegenmaßnahmen der Politik: Die Finanzminister von Deutschland, Frankreich und England wollen gemeinsam mit der OECD neue Spielregeln für die internationalen Finanzströme entwickeln. Es gehe nur gemeinsam, erklärt OECD-Generalsekretär Ángel Gurría gegenüber ZDFzoom, und sei dennoch unerlässlich: „Heutzutage will jeder Staat sein Haushaltsdefizit reduzieren, jeder will Schulden abbauen, alle bemühen sich. Aber wenn die Basis der Steuereinkommen sehr klein ist, weil die großen Konzerne nicht zahlen, dann hast Du ein Problem, dann musst du den Rest der Bevölkerung besteuern.“
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Diesem Aufruf von Foodwatch schließe ich mich doch gerne an, da ich die schleichende Inflitrierung von Schulen durch Konzern-Propaganda auch schon seit längerem mit Sorge betrachte:
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McDonald’s, Edeka & Co. sollen dafür sorgen, dass unsere Kinder in der Schule genug über gesundes Essen, Werbung und Verbraucherschutz lernen? Das klingt absurd, finden Sie? Ist aber genau der Plan des neuen “Bündnisses für Verbraucherbildung”, das von Verbraucherministerin Ilse Aigner (CSU) unterstützt wird. Neben den Verbraucherzentralen und anderen Organisationen ist auch die Lebensmittelbranche bei dem Bildungsprojekt vertreten: der Lobbyverband des Lebensmittelhandels, McDonald’s, Rewe, Edeka, der amerikanische Konsumgüter-Riese Procter & Gamble und andere. Wir meinen: Hier wird der Bock zum Gärtner gemacht. McDonald’s, Edeka & Co. haben bei Bildungsprojekten an Schulen nichts verloren! foodwatch fordert: Die Ernährungsbildung von Grundschülern darf nicht der Lebensmittelwirtschaft überlassen werden! Unterstützen Sie unseren Protest und schreiben Sie jetzt direkt an Verbraucherministerin Ilse Aigner:
www.foodwatch.de/aktion-schule
Schulen müssen PR- und werbefreie Räume bleiben! Als Frau Aigner gestern das Projekt zur Verbraucherbildung vorstellte, beeilte sich die Ministerin zu betonen, die Unternehmen hätten keinerlei Einfluss auf die inhaltliche Arbeit. Doch wie groß die Einflussnahme wirklich sein wird, lässt sich nur schwer überprüfen. Die Wirtschaftsvertreter sitzen immerhin mit im Beirat jener Stiftung, die das Projekt betreut, und laut den Statuten soll die Strategie mit den Bündnispartnern abgestimmt werden – also auch mit den Geldgebern aus der Industrie.
Auch wenn sicherlich nicht ab morgen Schulhefte mit McDonald’s-Logo in den Klassenräumen liegen: Frau Aigner öffnet mit ihrer Initiative den Unternehmen die Tür in die Schulen – und bietet der Industrie das perfekte Feigenblatt, um von der eigenen Verantwortung abzulenken: Mit dem Verweis auf ihr ach so selbstloses Engagement bei Projekten zur Ernährungsbildung oder zur Sportförderung verhindert die Industrie wirksame Maßnahmen gegen Fehlernährung und Übergewicht bei Kindern.
Eine der weltweit renommiertesten medizinischen Fachzeitschriften (The Lancet) kommt in einem am 23. Februar 2013 veröffentlichten ausführlichen Beitrag mehrerer Wissenschaftler zu einem klaren Ergebnis: Die Versuche, gemeinsam mit der Industrie gegen Fettleibigkeit oder Herz- und Kreislauferkrankungen vorzugehen, sind gescheitert. Stattdessen verlangen die Autoren von der Politik, die Lebensmittelkonzerne öffentlich unter Druck zu setzen, indem sie die Aufmerksamkeit auf deren dubiose Praktiken lenkt und wirksame gesetzliche Regulierungen durchsetzt.
Die Branchenvertreter wissen genau: Ihr vermeintlich selbstloses Engagement für “Ernährungsbildung” ist das billigste Ablenkungsmanöver, das sie kriegen können. Damit sie weiterhin ungestört Kindern an jeder Ecke profitables Junkfood aufdrängen und sich im Internet mit Gewinnspielen oder im Fernsehen mit ausgetüftelter Werbung für Pudding, Softdrinks, Fastfood & Co. in die Köpfe der kleinen Kunden schleichen können. Das Kalkül ist klar: Um die Regulierung dieses lukrativen Geschäftsmodells auf Kosten der Kinder zu verhindern, werden “unschädliche” Alibi-Maßnahmen in Schulen gefördert. “Unschädlich” deshalb, weil die Lebensmittelwirtschaft genau weiß, dass Aufklärungskampagnen oder ein bisschen Ernährungsbildung gegen ihr aggressives Marketing für Junkfood und das schiere Überangebot an ungesunden Produkten sowieso nicht ankommen. Wenn den Konzernen die Ernährung und Gesundheit von Kindern tatsächlich am Herzen liegen würden, würden sie aufhören, überzuckerte Frühstücksflocken für Kinder herzustellen, Soft-Drinks an Schulen oder Fast Food mit Spielzeugbeigaben zu verkaufen. Das aber würde den Absatz ihrer profitabelsten Produkte schmälern, und daran hat die Wirtschaft selbstverständlich überhaupt kein Interesse. Also legt sie ein bisschen Geld für Verbraucherbildung auf den Tisch – damit sie ansonsten weitermachen kann wie bisher.
Ernährungs- und Verbraucherbildung kann nur wirken, wenn die Politik die Lebensmittelwirtschaft auch dazu zwingt, das Produktangebot zu verbessern und Junkfood-Werbung einzustellen.
Was außerdem nicht verhandelbar ist: Es ist Aufgabe des Staates, die Schulen und die Lehrer mit qualifizierten Unterrichtsmaterialien für die Verbraucher- und Ernährungsbildung auszustatten. Die Profitinteressen der Konzerne haben in den Schulen nichts verloren. Deshalb müssen die Unternehmen aus dem Bündnis ausgeschlossen werden. Helfen Sie uns: Protestieren Sie jetzt direkt bei Verbraucherministerin Ilse Aigner – McDonald’s, Edeka & Co. raus aus den Schulen!
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Ja Mist, da habe ich doch etwas zu lange mit dem Posting gewartet – gestern Abend brachte das NDR-Fernsehen nämlich zwei potentiell interessante kritische Beiträge. Der eine, Die Tricks der Pharmaindustrie, beleuchtete das Treiben rund um unsere Gesundheit:
In dieser Folge der NDR Fernsehreihe “Die Tricks der Pharmaindustrie” steht die große Branche der Pharmaindustrie im Mittelpunkt. Viele Menschen kaufen auf Empfehlung von Arzt oder Apotheker Schmerzmittel, Hustensaft oder Vitaminpillen und geben dafür viel Geld aus. Doch der Nutzen zahlreicher freiverkäuflicher Medikamente ist zweifelhaft. In deutschen Haushalten stapeln sich millionenfach Arzneimittel, die oft gar nichts für die Gesundheit bringen. In falscher Kombination mit anderen Medikamenten können sie sogar lebensgefährlich sein.
Die Pharmabranche arbeitet mit allen Tricks. Durch Anzeigen und Werbefilme weckt sie bei Verbrauchern Hoffnung und verspricht Heilung durch Medikamente, die in Wirklichkeit nicht helfen. Jo Hiller, Moderator vom NDR Verbrauchermagazin Markt, will mit dem Medikamenten-Wahnsinn aufräumen. Gemeinsam mit dem Redaktionsteam macht er den Preischeck von Medikamenten, testet die Beratung in Apotheken und klärt auf, welche Präparate helfen und welche überflüssig sind.
Die Sendung wird am Mittwoch um 6:30 Uhr wiederholt – und ist auch in der Mediathek zu sehen.
Noch spannender ist sicherlich 45 Min – Zeitbombe Zucker. Denn Zucker nimmt jeder Deutsche täglich in großen Mengen zu sich, zum Teil gar nicht bewusst, da er Bestandteil vieler anderer Lebensmittel ist:
Der Zuckerkonsum in Deutschland steigt ständig: Inzwischen verbraucht der Deutsche pro Kopf und Jahr mehr als 34 Kilogramm Zucker. Aber welche Folgen hat das? Macht Zucker süchtig oder gar krank, wie es inzwischen viele Wissenschaftler annehmen?
45 Min will wissen: Wie gefährlich ist Zucker? Die Dokumentation folgt einer norddeutschen Familie im Alltag und beobachtet deren Ess- und Einkaufsgewohnheiten. Dabei zeigt sich, dass Zucker in fast allen Produkten zu finden ist, offen, aber vor allem versteckt. Mediziner, Ernährungs- und Suchtexperten liefern den neuesten Stand der Forschung. Und Politiker werden mit der Frage konfrontiert, warum vor den Folgen des übermäßigen Zuckerkonsums nicht gewarnt wird.
Auch diese Doku steht in der Mediathek – HIER.
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Falls sich der eine oder die andere von Euch gewundert haben sollte, weshalb es derzeit nur relativ wenige Updates auf meinem Blog gibt, so hat das vor allem einen Grund: Ich habe von einem Verlag das Angebot bekommen, ein Buch über Konsumkritik zu schreiben – ein Angebot, das ich angenommen habe, so dass ich seit einer Weile daran sitze, das Werk zu verfassen. Das geht momentan dann leider zu Lasten meiner Blogs – was aber nicht heißt, dass ich sie ganz vernachlässigen werde. Die Updatezahl wird nur erst einmal nicht viel höher werden als sie in den letzten Wochen war.
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Es ist doch immer wieder goldig, wenn multinationale Konzerne versuchen, sich mit Hilfe des sog. Greenwashings ein besseres Image zu verschaffen. Die schwedische Modekette H&M hatte in den letzten Jahren mit einer Vielzahl von Problemen zu kämpfen, da das via Reklame transportierte Saubermann-Image nicht so recht zu den tatsächlichen Arbeitsbedingungen in den Fabriken passt, die für das Unternehmen die hierzulande so günstigen Klamotten zusammennähen. Doch nun tritt H&M die Flucht nach vorn an und versucht sich mit einer neuen Idee zu präsentieren und dabei nebenbei auch gleich noch weitere Kundenbindung zu betreiben – quer berichtet in „Altkleiderkampf: H&M bringt Sozialdienste in Not“ über die neuesten Umtriebe dieser Firma:
Abgetragene Kleider können ein einträgliches Geschäft sein: 450 Euro pro Tonne lassen sich derzeit damit erzielen. Bisher haben meist karitative Organisationen ihre sozialen Dienste damit teilfinanziert. Doch jetzt haben auch klamme Kommunen und Bekleidungsunternehmen diesen Markt entdeckt. Die Modekette H&M bietet seit dieser Woche ein Einkaufsgutschrift von 15% auf abgegebene Altkleider. Das soll die Umwelt schützen – steigert aber vor allem das Image der Billigmarke. Ein plumper Versuch von “Greenwashing” (was ist das?), der Sozialdiensten den Markt abgräbt?
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Es ist immer wieder erschreckend, zu sehen, wie weit der Arm der Industrie in die Politik hinein reicht, und wie sehr sich viele Politiker zum Sprachrohr der Interessen von Firmen und Verbänden machen, wenn es um die Gesetzgebung geht. Das Medienmagazin ZAPP berichtete anhand der geplanten Europäischen Datenschutzverodnung über einen neuen Fall, der nun von engagierten Bürgern via lobbyplag.eu publik gemacht wird – „Verlage ringen um Direktmarketing“:
Nicht immer wissen wir, wer unsere persönlichen Daten hat. Der Adresshandel blüht, denn wer solche Daten hat, gewinnt die Märkte – beziehungsweise Kunden so wie zum Beispiel Zeitungsleser.
In Deutschland generieren Verlage bis zu 20 Prozent ihrer Abonnenten über Direktmarketing im Internet. Die Daten bekommen sie ohne vorherige Einwilligung der Betroffenen. Eine geplante, europäische Datenschutzverordnung soll das jetzt ändern. Die Weitergabe von Daten soll nur mit Zustimmung der Kunden erlaubt sein. Aber die Verlage arbeiten daran, dass es nicht so kommt – mit Lobbyarbeit in Brüssel.
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Eigentlich hatte ich mir ja vorgenommen, zu dem sogenannten „Pferdefleischskandal“ nichts zu schreiben, weil ich es irgendwie albern finde, wie sehr sich nun überall, vor allem in den einschlägigen Medien, darüber aufgeregt, dass „arme Pferde“ statt „richtigem Fleisch“ in Billigfertigkost verwurstet wird. Oder dass die Lebensmittelindustrie tatsächlich die Verbraucher betrügt. Hallo?! Haben die Leute die letzten Jahrzehnte irgendwo auf dem Mond verbracht? Seit Jahr und Tag versuchen die Konzerne, ihren Profit auf Kosten auch der Verbraucher zu maximieren, und da man in Deutschland ja für seine Nahrung am liebsten ganz ganz wenig ausgeben will (um das Geld lieber in neue Handys oder anderen Zinnober zu stecken), kann es eh nie billig genug sein. Qualität ist egal, Hauptsache, es ist irgendwie noch essbar, notfalls mit viel Gewürzen und Soßen. Klar, dass die üblichen Verdächtigen wie Nestlé auch mit von der Partie sind, wenn es ums Täuschen der Kunden geht, schließlich tricksen sie ja auch sonst gerne mal mit den Verpackungen und Inhaltsstoffen ihrer Produkte.
Naja, ein paar interessante Artikel sind mir zu der Thematik positiv aufgefallen, und diese will ich Euch heute kurz vorstellen. Da wäre zum einen „Die absolute Lächerlichkeit des ‚Pferdefleischskandals‘“ von Kathrin Hartmann:
Menschen, die regelmäßig das Fleisch von Kühen, Schweinen, Schafen, Ziegen, Hasen, Rehen, Hirschen, Elchen und ihren Babys essen, von Puten, Hühnern, Enten, Straußen, Fischen, Krebsen, Octopussen und Muscheln, regen sich darüber auf, dass sie Fleisch vom Pferd gegessen haben.
Deutsche, die im Schnitt jedes Jahr 89 Kilo Fleisch und im Lauf ihres Lebens 661 so genannter Nutztiere verspeisen und deshalb vollkommen einverstanden damit sind, dass in Deutschland jedes Jahr 700 Millionen Tiere (u.a. 3,6 Millionen Rinder, 60 Millionen Schweine, 450 Millionen Hühner) umgebracht werden, halten es für einen “Skandal”, dass auf dem Leichenberg auch 12 000 geschlachtete Pferde zu finden sind.
Menschen, die kein Problem damit haben, sich mit der Haut von toten Rindern, Pferden und Schweinen zu bekleiden, die das Fell brutal getöteter Hasen, Nerze, Füchse, Waschbären, Marderhunde, Nutria, Chinchillas, Hunde und Katzen als Pelzmütze auf dem Kopf und Pelzkragen um den Hals tragen, halten es für ein Tabu, Pferde zu essen. (…)
Auch Feynsinn schrieb etwas zur Fleischproblematik und hat mit seinem Artikel „Fast Vegetarier“ eine wahre Kommentarflut in seinem Blog ausgelöst – wie immer, wenn man das Thema Fleisch auf den Tisch bringt und Fleischesser mit den Konsequenzen und Implikationen ihres Tuns konfrontiert, schwappen die Wogen der Empörung hoch:
Ein Wort zu Vegetariern und dem, was sie tun respektive nicht tun. Sie essen kein Fleisch. Ihre Argumente dafür sind so stichhaltig, unwiderlegbar, richtig und überzeugend, dass man sie gar nicht wiederholen muss. Ich sage das ohne jede Ironie. Die Gegenargumente sind peinlich und windschief, falsch sowieso und eben das, was geliefert wird, wenn die kognitiven Dissonanzen versuchen, eine Golden Gate Bridge zu konstruieren, um ihre Eseleien darüber in die Gemütlichkeit des rustikalen Steak Houses zu führen. Ich erlaube mir an dieser Stelle eine gewisse Häme, was nicht klug ist, aber Spaß macht – so wie Fleisch essen eben. Ich kenne das nur zu gut – von mir selbst.
Man kann das alles zum Ersten entspannter haben, indem man mal aufs Argumentieren verzichtet. Da ist nichts zu rechtfertigen, außer mit der schlichten Gewohnheit, antrainiertem Verhalten, Konditionierung. Es gab immer Fleisch bei uns, das war das Hauptgericht am Hauptgericht, wir konnten uns das leisten. Für die Generation unserer Eltern etwas, das ihnen Reichtum bedeutete, für uns einfach lecker und selbstverständlich. Wer jeden Tag dasselbe genießt, will darauf nicht verzichten, kann es gar nicht und lässt sich äußerst ungern sagen, er sei deshalb verkommen. Schlimmer noch: Allein der Hinweis darauf, dass das irgendwie nicht selbstverständlich ist, treibt ihm das Adrenalin ins Blut. Kenne ich. Das ist völlig in Ordnung. (…)
(…) Seitdem ich also die Angst abgelegt habe, in die Hölle zu kommen, wenn ich Fleisch esse, wird das paradoxerweise immer weniger. Es ist auch kaum mehr Industriefleisch dabei, das ich für mich allein überhaupt nicht mehr kaufe. Vegetarische Küche kann saulecker sein, man kennt nur zu wenig davon, wenn es immer Schnitzel gibt. Auch das geht übrigens: Wenn man mit Menschen zusammen lebt, die andere Entscheidungen treffen, muss man sie gar nicht bevormunden oder in Diskussionen verwickeln. Wenn ein Kumpel das Grillfleisch aus der Kühltheke haben will, kann ich ihm das mitbringen. Was er mit der Erfahrung macht, dass ich mir dann etwas anderes brutzele, ist seine Sache. Vielleicht wird er sich sogar genau die Fragen stellen, die er von mir nicht hören möchte.
Der Duckhome-Blog kommt in gewohnt pointierter und nicht ganz unpolemischer Weise zu „Erkenntnis durch Pferdefleisch“:
(…) Doch zweifellos hat die Affäre auch was Gutes. Denn endlich wird mal wieder thematisiert, wie die Lebensmittelmafia agiert. Rohstoffe und Halbfertigprodukte werden von der EU subventioniert durch halb Europa hin und her gekarrt. Kein Mensch kann mehr nachvollziehen, woher die Bestandteile eines Fertiggerichts stammen und wie und wo sie verarbeitet wurden. Damit das so bleibt, hat die Lobby alle Versuche unterbunden, auch nur ein ganz klein bisschen Transparenz bei der Lebensmittelkennzeichnung vorzuschreiben.
(…) Dank der aktuellen Aufregung um das Pferdefleisch kann sich künftig jedenfalls niemand mehr damit rausreden, er habe das alles nicht gewusst. Das Problem scheint mir eher zu sein, dass die meisten Menschen gar nicht wissen wollen, was es mit ihren Lebensmitteln auf sich hat, besonders wenn es um Fleisch geht. (…)
Duckhome legt übrigens heute in „Pferdefleisch und Kapitalismus“ noch einmal nach:
(…) Man kann eine anständige menschliche Ernährung nicht mit den Werkzeugen des Großkapitals sicher stellen.
Grundlage allen Übels ist die Gießkannensubventionitis die vor allen Dingen Größe belohnt und nur die industrielle Landwirtschaft wirkiich fördert. Ein erster Schritt wäre alle Betriebe die größer als 60 ha sind grundsätzlich von allen Subventionen auszuschließen, wenn sie nur eine einseitige Wirtschaft betreiben. Wer Pflanzen- und Tierzucht betreibt, könnte bis zu 120 ha gefördert werden und für Teichwirtschaft oder Forst kämen jeweils weitere 60 ha Förderfläche hinzu. Für gesetzlich vorgeschriebene Ersatzflächen gäbe es überhaupt gar keine Subvention.
Damit würden europaweit Mittel in Milliardenhöhe frei. Ein Teil dieses Geldes könnte für eine einmalige Einrichtungssubvention von kleinen bis mittelständischen Schlachthäusern (max. 50 Mitarbeiter) ausgegeben werden, die aber nicht in industrielle Strukturen eingebunden sind. Wenn man gleichzeitig Schlachtviehtransporte über mehr als 100 km vollständig untersagt, hat man automatisch Regionalität und Tierschutz. Gleichfalls sollte der Transport von Mastvieh über mehr als 100 km ebenfalls verboten werden.
Dazu sollten die Regeln von Bioland, Demeter, und Naturland zusammengefasst die gesetzliche Grundlage für jeden land- und forstwirtschaftlichen Betrieb sein. Lediglich im Bereich der Düngung, sollten deren Regeln durch eine Stall- / Hoftürbilanz erweitert werden, die es erlaubt Acker-, Weideland, Teich- und Forstflächen mit all den Nährstoffen zu versorgen, die ihnen entnommen wurden. In diese Bilanz müssen bis zum Treibstoff für die Maschinen und dem Strom alle Energien einfließen. Dazu muss ein Programm zur definierten Bodenverbesserung erlaubt bleiben, die aber natürlich wie die Düngung auch nur im Rahmen der sonstigen Regeln erlaubt werden kann.
Damit auf dem deutschen Markt faire Bedingungen herrschen müssen die gleichen Bedingungen natürlich auch für Importe gelten. Das kann und wird einschneidende Folgen haben, wie das Beispiel Kaffee zeigt, der auf dieser Produktionsgrundlage wohl genausowenig verkauft werden dürfte wie die meisten Bananen.
Für das Großkapital wäre eine solche Landwirtschaft natürlich wirtschaftlich uninteressant, da sie arbeitsintensiv und dezentral organisiert sein müsste und sich nicht für gezielte Ausbeutung eignet. Die Börsenwerte von vielen deutschen Chemieunternehmen die ihr einziges Potential in der bewussten und systematischen Vernichtung der Umwelt und der Menschen sehen, wäre dies ein harter Schlag, der aber nur die Leute trifft, die jahrzehntelang von der Missachtung der Menschenrechte profitiert haben. (…)
Zum Schluss noch ein Beitrag aus der BR-Sendung quer, in der es ebenfalls um die Lebensmittel- bzw. Fleischindustrie und die in ihr üblichen Abläufe geht – „Pferdefleisch überall – Was Europa wirklich zusammenhält“:
Letzte Woche kam raus: in manchen Fertiggerichten aus der Kühltruhe steckt undeklariertes Pferdefleisch. Doch mittlerweile fragt man sich schon fast, in welcher Tiefkühlware eigentlich KEIN Pferdefleisch ist. Und Ilse Aigners Zehn-Punkte-Pläne, die sie seit Amtsantritt regelmäßig präsentiert, sobald ein neuer Lebensmittelskandal auftaucht, verlieren immer mehr an Glaubwürdigkeit. Doch egal ob BSE, Gammelfleisch, Dioxin – an der Esskultur hat sich in Deutschland nur marginal etwas geändert. quer fragt: Sind wir insgeheim sogar dankbar, wenn wir von unappetitlichen Details verschont werden und dafür weiterhin billig essen können?
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Getreu dem Motto „Kenne deinen Feind“ schadet es nicht, hin und wieder mal zu schauen, was sich so in der schillernden, ätzend-bunten Welt der Reklamemacher tut. Denn selbstverständlich ist – in den Augen der Werbefuzzis zumindest – der öffentliche Raum und unser Leben noch längst nicht genug mit kommerziellen Botschaften durchsetzt, immer noch gibt es Momente, in denen der Konsument aus Versehen nicht mit den neuesten Produktanpreisungen infiltriert wird. Das muss geändert werden! Und so gibt es beispielsweise die Tendenz, die im Internet als Schutz vor Spambots bei vielen Blogs & Kommentarspalten vorgeschalteten Captchas nicht etwa mit etwas Sinnvollem zu verbinden (wie bei reCaptcha), sondern auch dort Reklame zu zeigen, zu der der User anschließend eine Frage beantworten muss. Perfider geht es kaum noch, wieviel Lebenszeit wird den Usern damit geraubt – aber lassen wir die Anbieter solcher „Services“ doch mal selbst zu Wort kommen:
Die ganze Absurdität solcher Maßnahmen wird einem dann bewusst, wenn man bedenkt, dass inzwischen ja zum Lösen solcher Captchas von der Spamindustrie eigene Sweatshops betrieben werden, wo unterbezahlte Menschen diese Captchas beantworten, um anschließend ihre Spambotschaften hinterlassen zu können… (via De-Branding)
Mindestens genauso bedenklich ist ja auch der Trend hin zum Product Placement. Kennt man dieses bisher vor allem aus Filmen oder dem Fernsehen, so hat es längst auch verseucht, wie man am Beispiel von YouTube sieht. Dieses Videoportal ist für viele (vor allem jüngere Menschen) fast schon zum vollwertigen Fernseh-Ersatz geworden, und Clips, die dort gezeigt werden, erhalten weltweit immense Aufmerksamkeit. So haben sich immer mehr Kreative mit eigenen YouTube-Kanälen und eigenen Shows ein finanzielles Standbein aufgebaut. Aber wie das so ist, wenn irgendwo Erfolg lockt, kommen natürlich auch sofort die Reklamehaie um die Ecke und durchsetzen diese Angebote vermehrt mit ihren Produkten – und sorgen damit zu einer schleichenden Entwertung der gezeigten Sendungen. Das NDR-Medienmagazin ZAPP hat sich in „YouTube – Unterschätzte Medienkonkurrenz“ genau mit diesem Thema beschäftigt:
Die Macher der YouTube-Netzwerke laden die Werbetreibenden ein ins Neuland der fast unbegrenzten Möglichkeiten – unbegrenzt und unbeaufsichtigt.
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Als hätte ich es im November schon geahnt, als das neue sog. Tierschutzsiegel für Supermarktfleisch vorgestellt wurde – „Bringt das was?“ fragte ich mich damals und brachte Zweifel an, ob solch ein nur mariginale Verbesserungen andeutendes Siegel nicht letztlich doch nur ein Feigenblatt ist und möglicherweise sogar negative Auswirkungen hat, weil die Konsumenten dadurch ein besseres Gewissen bekommen und echte Alternativen (Biofleisch oder gar kein Fleisch) ins Hintertreffen geraten. Meine Skepsis bestätigt nun auch der Bericht „Greenwashing durch neues Label“ von Report Mainz:
Mitte Januar stellte der Deutsche Tierschutzbund sein neues Tierschutzlabel vor und präsentiert u.a. in Kooperation mit dem Fleischkonzern Vion Ställe mit mehr Platz für Tiere. REPORT MAINZ vorliegendes Bildmaterial belegt: Die Veränderungen für die Tiere sind gering und kaum “wesensgerecht”.
