Lebensmittel – mehr Schein als Sein

Ich möchte meine kleine „Serie“ über die unappetitlichen Auswüchse der Lebensmittelindustrie heute ein wenig fortsetzen, und präsentiere Euch einen kurzen Beitrag, wieder einmal aus dem markt-Magazin des NDR, in dem es um im wahrsten Sinne des Wortes Industriefraß geht – „markt deckt auf: Lebensmittel – mehr Schein als Sein“. Also darum, wie heutzutage in bunten Verpackungen gewisse Lebensmittel imitiert und vorgetäuscht werden und in Wahrheit nur zusammengepanschter ekliger Ersatz angeboten wird. Ich weise hier gerne immer wieder darauf hin, dass bitte niemand glauben sollte, dass das Billigzeug beim Discounter oder im Supermarkt irgendetwas mit richtiger Ernährung zu tun hat. Und der Preisdruck, der dazu führt, dass alles immer zu einem möglichst niedrigen Preis angeboten wird, bewirkt zwangsläufig solche Entwicklungen. Lecker ist anders…

Wir servieren Armin Valet von der Verbraucherzentrale Hamburg Delikatessen aus dem Supermarkt: Lachs, Feta und Garnelen nach Art der Lebensmittelindustrie. Der Verbraucherschützer meint dazu: “Wenn die Verbraucher wirklich wissen würden, was sie hier aufgetischt bekommen, dann würde ihnen schlecht, weil es Kunstprodukte sind. Es sind wirklich viele Zusatzstoffe drin. Von einem natürlichen Lebensmittel kann man hier nicht sprechen.”

(…) Beispiel Surimi (auf Japanisch etwa “zermahlenes, gehacktes Fleisch”): Das Produkt kann aussehen wie Garnelen, Krebsfleisch oder undefinierte rote oder pinkfarbene Blöcke. Mithilfe einer edlen Verpackung entsteht aber der Eindruck, der Verbraucher würde eine Delikatesse kaufen. Nur wer genau hinschaut, kann erkennen, dass es sich dabei um ein Imitat handelt. Fischmuskeleiweiß ist nur eine von vielen Zutaten von Surimi. Es enthält außerdem Aromen, Farbstoffe, Konservierungsmittel und sogar Hühnereiweiß. Selbst in Fischstäbchen steckt mehr Natur.

EDIT: Auf Spiegel Online gibt es ebenfalls einen Artikel zu dem Thema – „Analogkäse, Gel-Schinken und Co. – Verbraucherschütze decken Lebensmittel-Tricksereien auf“.

Verwandte Beiträge:

Badvertising

Eine Rubrik „Badvertising“ zu nennen, wie es die US-amerikanische Verbraucherschutzseite Consumerist tut, weckt natürlich sofort mein Interesse. Tatsächlich werden hier Beispiele sowohl für handwerklich schlechte, peinliche, dümmliche, irreführende Reklame aus den letzten Jahrzehnten versammelt (besonders schön: Zuckerwerbung aus den 60ern, in der Zucker als Diäthilfe angepriesen wird! Oder historische Zigarettenwerbung, mit Rock Hudson oder Ärzten als Anpreiser der Nützlichkeit des Rauchens!), als auch auf aktuelle Fehlentwicklungen der Werbeindustrie eingegangen (z.B. eine sehr kritische Betrachtung der Aktivitäten von Coca Cola in Bezug auf ihre Werbung, die sich angeblich ja gar nicht an Kinder richtet).

camel101008-005-tzone494

Nicht jeder Beitrag erschließt sich dem Mitteleuropäer unmittelbar, aber sofort ins Auge sprangen mir zwei Artikel im Zusammenhang mit Kreditkarten. Da beschweren sich Kunden darüber, dass die Citibank auf ihrer Internetsite bei den jeweiligen Kundenkontoständen wahrhaftig so dreist ist, in die jeweiligen Transaktionen Werbeeinblendungen zu schieben und die die Übersichtlichkeit massiv stören. Klar, die Citibank ist quasi pleite und musste viele Milliarden $ vom Staat bekommen, um überhaupt über die Runden zu kommen, aber dass sie so tief gesunken ist, ist schon erschreckend. Die Leute bei etwas so Sensiblem wie den Kontoständen noch mit Reklame zu behelligen, ist sowieso eine Unverschämtheit, schließlich bezahlt der Kunde ja die Karte sowieso schon teuer genug.

consumerist-cc-einbl

Werbung in Bezug auf Kreditkarten ist in den USA ohnehin eine bei uns kaum vorstellbare Pest – viele Unternehmen und Banken streiten sich da um die Gunst der Kunden und bombardieren die Haushalte mit einer wahren Prospektlawine. Familie Silbar aus Chicagoland hat sich mal den Spaß gemacht und sammelte alle entsprechenden Werbesendungen eines Jahres und kam am Ende auf die schwindelerregende Menge von 23 Pfund Papier, verteilt auf 445 Angebote für Kreditkarten, die da allein auf sie einprasselte! Was für eine grauenhafte Ressourcenvergeudung, einfach unfassbar – aber darüber habe ich mich ja auch schon in Teil 3 meiner kleinen Aufklärungsserie „Werbung schadet“ ausgelassen.

Verwandte Beiträge:

Europäischer Elektroschrott vergiftet afrikanische Böden und Gewässer

In unserer Ex-und-Hopp-Gesellschaft, in der es immens wichtig ist, immer up to date und auf der Höhe der Trend-Zeit zu sein, sind Elektrogeräte, Hifi-Zeugs, Computer etc. längst keine langlebigen Güter mehr, sondern werden auch gerne nach Moden ausgetauscht bzw. bereits wegen kleiner Schäden weggeschmissen, weil Reparaturen sich nicht mehr lohnen. Eigentlich sind die Hersteller verpflichtet, die ganzen High-Tech-Sachen ordnungsgemäß zu recyclen, aber da dies natürlich Geld kostet, sind die Unternehmen (der globalisierten „Logik“ folgend) auf die Idee verfallen, den Schrott einfach nach Afrika zu verschiffen und dort dann von den Menschen ausschlachten zu lassen. Was vielleicht noch sinnvoll erscheint, wenn es sich um gebrauchsfähige Geräte handelt, wird zu einer die dortigen Menschen und Lebensgrundlagen bedrohenden giftigen Gefahr, wenn der hochkontaminierte Kram dort einfach in die Gegend gekippt wird, wo Leute leben und Kinder spielen. Das österreichische Fernsehen brachte vor einer Weile einen bedrückenden Bericht über den Export von Elektroschrott aus der EU nach Ghana – über die verseuchten Fische gelangt das Gift übrigens am Ende auch wieder zurück zu uns. Ein perverses System. [via fair-suchen]

Verwandte Beiträge:

Buchbesprechung: Horst Stowasser „Anarchie!“

stowasser-anarchieEin Buch, das über 500 Seiten mächtig und dazu noch recht eng bedruckt ist, liest man nicht mal so eben flott durch. Folgerichtig habe ich an Horst Stowassers faszinierendem Werk „Anarchie! Idee – Geschichte – Perspektiven“ eine ziemlich lange Zeit gelesen und tue mich nun auch ein wenig schwer, eine kurze & knappe Rezension dieses Buches zu verfassen, denn es ist vollkommen ausgeschlossen, in ein paar Zeilen die Fülle an Informationen und Anregungen, die der Autor dem Leser hier vermittelt, darzulegen. Dass es dringend angezeigt ist, sich Gedanken über Alternativen zu den jetzigen bzw. sattsam bekannten (gescheiterten) Wirtschafts- und Gesellschaftssystemen (Kapitalismus/Marktwirtschaft, Kommunismus) zu machen, verdeutlicht die „Finanzkrise“ tagtäglich aufs Neue und ist ja nun auch schon seit einer Weile ein ständig wiederkehrendes Thema in meinem Blog. Von daher ist Stowassers umfassende Analyse der Ideen der Anarchismus aktueller und notwendiger denn je – alternative Zukunftsvisionen, z.B. jenseits der Warenwirtschaft, zu entwickeln und zu durchdenken findet ja im alltäglichen Politzirkus unserer Parteien-Demokratie leider überhaupt nicht statt.

Wie schon der Untertitel andeutet ist Stowassers Buch in drei große Bereiche gegliedert. Im ersten Teil, „Die Idee“, geht es um die grundlegende Klärung dessen, was Anarchie bzw. Anarchismus eigentlich ist, was er will – und was nicht! Denn leider ist es ja doch so, dass heutzutage die meisten Menschen beim Begriff „Anarchie“ an langhaarige Bombenleger, an Gewalt und Chaos denken. Dass dieses negative Image seine Wurzeln in einer sehr kurzen Phase der Anarchie hat, die Ende des 19. Jahrhunderts dazu führte, dass einige radikale Aktivisten meinten, die Repräsentanten eines verhassten Systems mit Bomben aus dem Weg zu schaffen, führt der Autor später weiter aus – zunächst stellt er klar, dass Anarchie grundlegend gewaltfrei ist und nichts mit chaotischen Zuständen zu tun hat, das Grundprinzip der Anarchie ist von seinen Ursprüngen an „Ordnung ohne Herrschaft“ (das Wort „Anarchie“ kommt aus dem Griechischen und bedeutet „keine Herrschaft“). Ich muss dabei gestehen, dass ich bis zur Lektüre dieses Buches selbst wenig über die Ideen wusste, die Anarchie ausmachen und auch eher dem Chaos-Begriff zuneigte. Dabei lerne ich schon auf den ersten Seiten, dass ich von meiner Persönlichkeit her tendenziell zu den „natürlichen Anarchisten“ zähle :-) , also denjenigen, die z.B. ein Problem mit Herrschaftsstrukturen und starren Systemen haben.

Folgerichtig lehnen Anarchisten die Idee und das Konzept eines Staates als Bevormundungs- und auch Unterdrückungssystem ab, aber auch die uns derzeit beherrschende Form der Demokratie als Parteienherrschaft. Eine anarchistische Partei wäre demnach ein Widerspruch in sich (obwohl es so etwas mal in Spanien gab). Generell gibt es – anders als bei Zwangsbeglückungssystemen wie dem Kommunismus als „staatstriefende Version des Sozialismus“ – beim Anarchismus kein starres Programm, kein dogmatisches Regelwerk, nach dem man sich zu richten hätte – die individuelle (aber eher solidarisch verstandene, also nicht neoliberal-egoistische) Freiheit des Menschen steht im Mittelpunkt sowohl der Gesellschaft wie auch der Wirtschaft.

»Der Staat ist eine Abstraktion, die das Leben des Volkes verschlingt – ein unermeßlicher Friedhof, auf dem alle Lebenskräfte eines Landes großzügig und andächtig sich haben hinschlachten lassen.« – Michail Bakunin –

Zu den ersten Höhepunkten von Stowassers Ausführungen gehören für mich, neben den Abschnitten über die anarchistische Kritik am Kommunismus, am Staat und der (Parteien-)Demokratie, das Kapitel „Eine andere Ökonomie“, in der der Autor eine in meinen Augen hervorragende und messerscharfe Analyse unseres Wirtschaftssystems vornimmt und den Finger an viele Wunden legt und dabei auch unsere „Wissenschaft“ (Betriebswirtschaftslehre etc.) nicht verschont. Da ich dieses Kapitel für so grundlegend wichtig halte, habe ich es einmal als eigenes pdf extrahiert (hier herunterzuladen) – jeder BWLer, jeder Banker und alle Anhänger der ach! so sozialen Marktwirtschaft sollten diese 25 Seiten mal gelesen haben… Viele andere Facetten des ersten Abschnitts dieses Buches, sei es das Patriarchat, Gedanken zu einer freieren Kunst, zur Vernetzung, zur Ökologie usw. kann ich an dieser Stelle nicht näher ausführen.

In der Schule – gleichgültig ob staatlich oder religiös geprägt – würden Untertanen hergestellt. Auch wenn als Erziehungsziel offiziell der ›kritische und mündige Staatsbürger‹ gefordert werde, bleibe es immer noch beim Staatsbürger. Neben Lesen, Schreiben, Rechnen und viel ›Sachwissen‹ werde vor allem eines gelehrt: Anpassung an die bestehenden Gesellschaftsverhältnisse – zwar nicht als Lehrfach, aber überall versteckt. Und selbst das angeblich wertfreie ›Sachwissen‹ stecke bei näherem Hinsehen voller Einseitigkeit, Ideologie und Phantasielosigkeit. Vielfalt, wirkliche Alternativen und vor allem Freiheit des Lernens gebe es nicht.

Im zweiten Teil, „Die Vergangenheit“, liefert uns Horst Stowasser eine packende Zusammenfassung der Geschichte der Anarchie, von frühern Vorläufern, ersten Experimenten, über die Entstehung des Anarchie-Konzepts im 19. Jahrhundert parallel bzw. zu Beginn sogar gemeinsam mit der Entwicklung des Sozialismus – erst nach einiger Zeit begannen sich Sozialisten und Anarchisten in unterschiedliche Richtungen zu entwickeln. Tatsächlich wurden die Sowjet-Kommunisten (zusammen mit den Faschisten) im 20. Jahrhundert die größten Feinde der Anarchisten und bekämpften diese mit aller Macht. Ich muss gestehen, dass ich im Geschichtsunterricht nichts über diese Entwicklungen gelernt habe und mir diese ganzen Details und Verknüpfungen komplett neu waren; ich kannte nicht einmal die bekanntesten Köpfe der Anarchiebewegung wie Michail Bakunin oder Pierre-Joseph Proudhon. Da Stowasser einen sehr angenehmen, lockeren Schreibstil hat, der nicht unnötig mit Fachvokabular überfrachtet ist, fand ich diese „Geschichtsstunde“ extrem spannend und bereichernd, zumal man erfährt, wie stark die Idee des Anarchismus/Anarchosyndikalismus von allen Seiten der Repression ausgesetzt war. Der Autor findet darum verständlicherweise auch wenig gute Worte über Kommunisten, Kapitalisten und Faschisten, aber auch nicht für Sozialdemokraten und die Gewerkschaften, die ihre ursprünglichen Ideen und Ideale längst auf dem Altar der Machterhaltung geopfert haben.

So deprimierend und hart sich auch manches liest, was dem Leser dort an (ausgerotteter) anarchistischer Geschichte vor Augen geführt wird, so ist es auch faszinierend zu sehen, wie vielschichtig, wie bunt und schillernd diese Bewegung all die Jahrzehnte über war – und dass sie 1936 für 3 Jahre in Spanien (wo die Bewegung auch heute noch am stärksten ist) einige große Städte wie Barcelona unter ihrer Selbstverwaltung hatten und trotz des Kampfes gegen die spanischen Faschisten (den sie am Ende bekanntlich gegen Francos Truppen verloren) dort ein funktionierendes und den Umständen entsprechend blühendes Alltagsleben initiieren konnten.

stowasserEtwas ernüchtert ist Stowassers Analyse des heutigen Zustands des Anarchismus, der aktuell durch eine gewisse Rat- und Richtungslosigkeit gekennzeichnet ist, wobei sich andererseits viele Initiativen, die zwar nicht das Label „Anarchie“ tragen, dennoch aber deren Gedanken in die Tat umsetzen, entwickelt haben – selbst verwaltete Firmen, regionales Wirtschaften uvm. – u.a. darum geht es im dritten und kürzesten Teil, „Die Zukunft“ des Anarchismus.

Am Ende der mehr als 500 Seiten trennt man sich nur ungern von der Lektüre dieses großartigen Buches, das ich wirklich wieder einmal nur jedem ans Herz legen kann. Aber Vorsicht: Wer ein Patentrezept für ein zukünftiges Gesellschaftssystem erwartet, also eine fertige Anleitung mit integriertem Regelsystem, wird enttäuscht sein, denn so etwas widerspräche irgendwie auch dem Geist des Anarchismus. Vielmehr geht es m.E. darum, in vielen Bereichen die festgefahrenen Denkschablonen zu verlassen und Diskussionen über Alternativen zuzulassen und anzuregen. Und zu erkennen, dass Menschen schon seit langem kreativ über ein menschengerechteres Zusammenleben nachdenken. Die Marktwirtschaft ist nicht das Ende der Geschichte.

Ach ja, bevor mir jetzt jemand wieder einen Konsumaufruf unterstellt, weil ich dieses Buch empfehle: Die alte Ausgabe dieses Werkes gibt es tatsächlich legal und kostenlos als pdf im Netz, und zwar auf der Website Mama Anarchija (>> pdf). Diese 1995 im Eichborn Verlag erschienene Version ist gut 100 Seiten schlanker, heißt noch „Freiheit pur – Die Idee der Anarchie“ und diverse aktuelle Entwicklungen und Betrachtungen fehlen natürlich (damals hatten wir beispielsweise noch die D-Mark!), aber als Einstieg ist auch diese Variante durchaus zu empfehlen.

Horst Stowasser: „Anarchie! Idee – Geschichte – Perspektiven“, Edition Nautilus 2006, 511 S., 24,90 €

Verwandte Beiträge:

McD – I’m not loving it

Nachdem ich mir nach dem gestrigen Posten der aktuellen Nicht-Anzeige des Greenpeace Magazins von einem Kommentator anhören musste, ich würde gemeinsame Sache mit der Fleisch- (und sogar Chemie-)Industrie machen, weil ich es gewagt hatte, Biofleisch für nicht ganz so schlimm wie das aus reiner Industrieproduktion zu halten, hier ein anderes Adbusting zu diesem Thema, das vor allem das Elend des Tiers in den Mittelpunkt stellt – und die (Mit-)Verantwortung von McDonald’s und den anderen Burgerbratbuden für den unsinnig hohen Fleischkonsum weltweit thematisiert, all deren lächerlichen Imagekampagnen und „Qualitätsoffensiven“ zum Trotz. (Leider weiß ich nicht mehr, wo in den Weiten des Netzes ich dieses schöne Bild gefunden habe.) Natürlich ist auch dies keine Anzeige, sondern eine Parodie…

im-not-loving-it-totw-kuh

EDIT: Und weil’s so schön zum Thema und zur gestrigen Diskussion passt, hier noch ein Verweis auf den Artikel von Klaus Werner-Lobo auf jetzt.de – „Kühe, die subventionierten Klimakiller“:

Was haben Adidas, Aldi, BMW, Carrefour, Clarks, Gucci, Honda, IKEA, Lidl, Makro, Nike, Reebok und Timberland mit Kühen zu tun? Und was mit dem Klimawandel? Sie alle wurden diese Woche von Greenpeace beschuldigt, zu einem erheblichen Teil mitschuld an der Abholzung brasilianischer Regenwälder zu sein. (…)

1,3 Milliarden Rinder werden auf der ganzen Welt für die Fleischgewinnung gemästet. Rund die Hälfte des weltweiten Getreideanbaus ist der Viehfutterproduktion vorbehalten – das sind jährlich 600 Millionen Tonnen. Würde man dieses Getreide nicht für die Fleischgewinnung, sondern als Lebensmittel nutzen, könnten damit zehnmal soviele Menschen ernährt werden. Man bräuchte also lediglich ein Zehntel der landwirtschaftlichen Fläche, um genauso viele Menschen täglich satt zu machen.

Verwandte Beiträge:

Keine Anzeige – Rügenwalder Mühle

Die Rückseite des aktuellen Greenpeace-Magazins ziert wieder einmal eine sehr schöne Nicht-Anzeige, quasi ein Adbusting, in dem es diesmal um die Produkte der Rügenwalder Mühle geht, die in ihren peinlichen Reklamekampagnen vorzugsweise Naturnähe und ländliche Idylle vorgaukelt. Die Realität sieht leider anders aus… Ich hoffe, keiner meiner Leser ist so naiv und glaubt, dass diese Firma ein kleiner, beschaulicher Bauernhof mit glücklichen Kühen ist? Nicht mal ihr Symbol, die Mühle, existiert wirklich!

Keine Anzeige:

keine-anzeige-fake_4-09_ruegenwalder_m_01

Rügenwalder Mühle 4x mit!

Mit Fleisch aus Massentierhaltung
Mit Natriumnitrit (E250)
Mit Zucker
Mit Gensoja im Tierfutter

Natürlichkeit liegt im Trend, also macht die Rügenwalder Mühle jetzt auch mal ein bisschen auf “pur” und lässt vier überflüssige Zusatzstoffe weg. Aber selbstverständlich liefert ihnen Deutschlands umsatzstärkste Wurstmarke weiter echte Massenware – aus Agrarfabriken, in denen Tausende Schweine industriell gemästet werden

“Achten Sie doch meinetwegen auf Bio-Qualität. Ich tu’s nicht.” – Jörg Pilawa –

Verwandte Beiträge:

Die Krise und der Zustand in Island und Italien

Zwei Artikel sind mir gestern über den Weg gelaufen, die sich mit den aktuellen Zuständen und Krisenfolgen direkt in Europa befassen und die mich beide erschrocken haben. Auf Yahoo! fand sich der kurze und bestürzende Bericht „Isländer müssen für Bankenkollaps bluten”, in dem es um die aktuelle Lage in Island geht. Der kleine Inselstaat ist von dem Bankanchaos besonders hart getroffen worden und muss nun drastische Einsparungen und Verschärfungen in Bezug auf die Bürger in Kauf nehmen, und das, obwohl die meisten Menschen ja nichts für diesen Bankenpoker können. In gewisser Weise ist die Beschreibung dessen, was gerade auf Island passiert, eine komprimierte Fassung dessen, was uns auch hierzulande in Zukunft blühen dürfte: das für die Rettung der Banken verpulverte Geld muss ja an irgendeiner Stelle wieder reingeholt werden… Pikant auch, dass eine rot-grüne Regierung in Island solche Beschlüsse fasst.

Knapp neun Monate nach dem Kollaps des isländischen Finanzsektors bekommen die 320 000 Bürger jetzt die Rechnung für die gigantischen Fehlspekulationen von Bankmanagern präsentiert.

Sie sollen nach der Verabschiedung eines «Stabilitäts-Paketes» im Parlament in Reykjavik mit deutlich höheren Steuern, ebenso deutlich verminderten Sozialleistungen des Staates und weniger Geld für Krankenhäuser und Schulen dazu beitragen, das Minus im Staatshaushalt auf zehn Prozent des Bruttonationalproduktes zu beschränken.

faschistische-uniformSowieso schlimm, auch schon vor dem offiziellen Ausbruch der „Finanzkrise“, war die Lage ja in Italien – ein Land, in dem so jemand wie Berlusconi, der die Medien unter seiner Fuchtel und vieles auf dem Kerbholz hat, als Regierungschef gewählt wird, muss masochistisch veranlagt sein. Auf Lumières Dans La Nuit habe ich nun einen Beitrag gelesen, der einen den Atem stocken lässt, denn man kann den Eindruck bekommen, dass Italien direkt auf dem Weg zu einem neuen Faschismus ist – „Krisennews Spezial: Italien”. Zum Beispiel wenn man sich die Uniformen der neu gegründeten „Bürgerwehr“ mit ihrer Sonnenrune anschaut… wie krank ist das!

(…) Berlusconis Regierung hat sich währenddessen auf die Ärmsten der italienischen Gesellschaft eingeschossen. Seine grausame Anti-MigrantInnen Politik schließt ein „Sicherheitspaket” ein, das per Notverordnung eingeführt wurde und in dem medizinisches Personal und HausbesitzerInnen angewiesen werden, mutmaßlich illegale MigrantInnen zu melden. Berlusconi und seine Partner aus der Lega Nord und der „postfaschistischen” Nationalen Allianz haben in Folge mehrerer Vergewaltigungen, die vorgeblich von Nicht-Italienern begangen wurden und denen große mediale Aufmerksamkeit zuteil wurde, ganz bewusst Migration mit Verbrechen in Verbindung gebracht. Reagiert hat die Regierung mit lebenslänglichen Freiheitsstrafen für die Vergewaltigung Minderjähriger und Überfälle, in denen das Opfer getötet wird. Mit dem Vorschlag, allen Nicht-ItalienerInnen Fingerabdrücke abzunehmen strebt sie die Kriminalisierung aller MigrantInnen an. Am bedenklichsten ist, dass sie den Einsatz von Straßenpatrouillen vorgesehen hat, die von unbewaffneten und unbezahlten Freiwilligentruppen („ronde”) durchgeführt werden – darunter auch pensionierte PolizistInnen und SoldatInnen. (…)

Und Die Welt führt weiter aus:

(…) “Die GNI ist die neueste Erfindung aus der rechtspopulistischen bis neofaschistischen Schmuddelecke Italiens. Es steht für “Guardia Nazionale Italiana”, “Italienische Nationalgarde”. Sie will Ordnung bringen in die italienischen Innenstädte, die sie in einem ständigen Niedergang sieht, vor allem verursacht durch Einwanderer.

Um ihr Ansinnen auch nach außen wirkmächtig darzustellen, greift die “Nationalgarde” in die Altkleidersammlung der Geschichte. Wer mitmachen will, soll eine Uniform tragen, die jenen aus der Zeit des Faschismus ähnelt: Springerstiefel, Khakihemden, schwarze Krawatten. So will “GNI” in Italien Streife gehen, sobald ein Gesetz der Regierung Berlusconi in Kraft tritt, das Bürgerwehren zur Unterstützung der Polizei erlaubt. (…)

(…) “Die Uniformen der “Nationalgarde”, die italienweit etwa 2000 Mitglieder haben soll, lösten erwartungsgemäß heftige Reaktionen aus. Junge Kommunisten diskutieren bereits in Internetforen, eine “Kommunistische Miliz Italiens” zu gründen, und die Nachrichtenagentur Ansa meldet, römische Juden hätten angekündigt, eine “Gegenbürgerwehr” zu gründen, eine “Brigate ebraica”, eine “Jüdische Brigade”. (…)

Grauenhaft, das klingt wirklich nach den 1930er Jahren, was sich da zusammenbraut…

Verwandte Beiträge:

Zwei spannende Lesetipps (Sommeredition Teil 1)

1178368_sit_and_read_2Michael Jackson ist tot. Über diese weltbewegende Nachricht habe ich in meinem Blog nichts weiter geschrieben und wollte es eigentlich auch weiterhin so halten (Personenkult und „Helden“verehrung sind nicht so meine Welt) – bis ich bei Lumières Dans La Nuit auf einen passenden Nicht-Nachruf gestoßen bin, dem ich inhaltlich eigentlich voll zustimmen kann, insbesondere den Stellen über die Inszeniertheit von Betroffenheit und der Struktur des „Showbiz“ (den Begriff „Funktionsmusik“ finde ich besonders schön) – „Anstelle eines Nachrufs“:

(…) Wenn die Menschen um mich herum auch nur halb so betroffen davon wären, dass ihnen ganz persönlich ein so genanntes “Grundrecht” nach dem anderen entzogen wird und dass ihnen ihr Leben vergällt, geraubt und enteignet wird, während eine kleine Clique von Besitzenden und Mächtigen sich am geraubten Lohn ihres Schweißes mästet, wie sie über den Tod eines sich durch bloßes Hinschauen als recht künstlich erweisenden Produktes der Contentindustrie betroffen fühlen gemacht werden, denn wäre ich für die Zukunft dieser Gesellschaft sehr viel optimistischer. Die industriell erstellte Unterhaltung — auch in ihren scheinbar ernsteren Inhalten, auch in ihren Meldungen vom Tod eines so genannten stars, bei dem bestenfalls die Selbstverstümmelung und die Monstrosität der Fleischvermarktung astronomische Ausmaße angenommen haben — sie ist in ihrer Abstopfung der Sinne und des Sinnes nichts als Unten-Haltung. (…)

(…) Deshalb werden heute noch synthetischere Produkte auf den Markt gespien, Gestalten, für die man zielgruppengerecht eingängige Funktionsmusik komponieren lässt, mit der sie dann für ein paar Wochen oder einen Sommer lang mit aller Macht in die Rundfunkempfänger gepresst werden, auf dass es zu einem Geschäft komme. Das sich auf diesem Wege irgendwelche Menschen zu fans entwickeln, die eine abstrakte persönliche Beziehung zu diesen Gestalten aufbauen, ist dabei explizit unerwünscht. Gewünscht sind austauschbare Nanoprominente für den Augenblick, die ohne Schmerzen für das kleine Investment in ihrem künstlichen Ruhm wieder fallen gelassen werden können. Was den Menschen heute als Glimmerwelt des show business vor Augen gestellt wird, hat längst schon das volle Gepräge jedes anderen Wirtschaftens und erachtet seine Arbeiter (darin seid gewiss: Show ist harte Arbeit!) als Menschenmaterial, als austauschbare Batterie im industriellen Produktionsprozess. Dem entsprechend gering ist auch die Mühe, die zur Jetztzeit in der Vermarktung von Musik aufgewändet wird, sie spiegelt wider, dass es sich hierbei um ein Einwegprodukt handelt, das benutzt und anschließend weggeworfen wird. (…)

Und allen, die nicht davor zurückschrecken, auch mal längere Analysen lesen, sei Helmut Lotters Beitrag „Das Gleichgewicht und der Schrecken“ im brand eins-Magazin ans Herz gelegt. Es geht, grob gesagt, um Ordnungswahn, unser Wirtschaftssystem und wie die Politik darauf einwirkt. Auch wenn so manches in dem Text für mich etwas arg nach FDP klingt – ich finde ja beispielsweise, dass der Einfluss der Wirtschaft auf die Politik viel zu groß ist (und nicht nur umgekehrt); auch in das Loblied auf die angeblich „soziale Marktwirtschaft“ werde ich hier sicher nicht einstimmen, denn jede dem Wachstum verpflichtete Wirtschaftsform muss irgendwann grandios scheitern (sofern der Planet nicht mitwächst) und wird zudem auf dem Rücken großer Teile der ärmeren Welt ausgetragen –, so sind doch auch eine Reihe interessanter Gedanken enthalten, z.B. auch über Keynes, der ja im heutigen Diskurs wieder von allen Seiten verehrt wird. Zu Unrecht, könnte man nun mutmaßen…:

(…) Stabilität und Wachstum sind in diesem Gesetz ein und dasselbe – und das ist bereits im Wortsinn absurd. Die sogenannte quantitative Operationalisierung des Stabilitätsgesetzes schreibt fest, dass stabile Verhältnisse im Lande dann herrschen, wenn das Wirtschaftswachstum zwischen drei und vier Prozent liegt. So viel Wachstum musste sein, das hatten die Experten auf der Grundlage der Verhältnisse der Jahre 1965 bis 1967 ausgerechnet, um das Gleichgewicht des Wohlstands zu sichern und allmählich auszubauen. Diese Wachstumsraten sind längst zu einem Glaubensbekenntnis geworden, zu einem religiösen Gebot der Volkswirtschaft. Weicht die Realität von diesen Zahlen ab, dann herrscht entweder ungehemmte Euphorie oder Katastrophenstimmung. Nur selten wird gefragt, woher diese Zahlen kommen und ob sie heute überhaupt noch sinnvoll sind. Das ist auch so mit einem weiteren Bekenntnis des Stabilitätsgesetzes, dem zur Vollbeschäftigung. Und bei alldem sollten dann auch noch die Preise stabil bleiben. Ohne Zweifel herrscht der Geist des Stabilitätsgesetzes bis heute. Was bei dieser Logik herauskommt, zeigt sich auf einen Blick. Seit 1967 steigt die Staatsverschuldung rapide an – der Abstieg beginnt damals. (…)

Das Ohnmachtsgefühl sorgt aber nicht dafür, dass energisch gefordert wird, die Gleichgewichtsmaßnahmen zu beenden und einen Neuanfang zu wagen, in dem das einzig relevante Ziel aller Ordnung und Stabilität liegt: ein verständlicher Rahmen, solide Grundsätze, aus denen klare Entscheidungen abgeleitet werden können. Unzählige Interessengruppen intervenieren angesichts der Ordnungsflut und fordern – neue Gesetze, Ausnahmen und Regeln. Wo zu viel ist, ist gleichzeitig nichts mehr. Die Angst vor einem Wechsel und vor der Veränderung führt aber dazu, dass man immer mehr Ordnungs-Werkzeuge und Ordnungs-Regeln anhäuft, an die man sich klammert, ihre Wirkungslosigkeit erkennt und sofort neue Regeln fordert, die oben aufgepfropft werden.

(…) Im Vorwort zur 1936 erschienenen deutschen Ausgabe seines Hauptwerks, “The General Theory of Employment, Interest and Money”, schreibt Keynes, dass seine Theorie “viel leichter den Verhältnissen eines totalen Staates angepasst werden” könnte als eine “unter Bedingungen des freien Wettbewerbes und eines großen Maßes von laissez-faire erstellte Produktion. Das ist einer der Gründe, die es rechtfertigen, dass ich meine Theorie eine allgemeine Theorie nenne.” Keynes hat sich mit dem Buch, das in Nazideutschland unzensiert erschien und von Parteiblättern wohlwollend besprochen wurde, ungeniert beim NS-Regime empfohlen. Politiker, die Keynes’ Theorien heute wieder empfehlen, und das sind die meisten, reden also einer “Stabilitätstheorie” das Wort, die gut zur Tyrannei passt, weil sie dafür verfasst wurde. Ob die Gläubigkeit an die staatswirtschaftliche “Allgemeine Theorie” eher auf Dummheit oder auf Naivität fußt, ist bis heute unklar – und unerheblich. Hier wird nichts weiter als das Gleichgewicht des Schreckens empfohlen. (…)

Verwandte Beiträge:

Der Quelle-Katalog muss leben!

Nichts ist in unserer Gesellschaft so wichtig, wie der Erhalt von Arbeitsplätzen (so sinn- & nutzlos sie auch sein mögen) sowie die Möglichkeit, ungebremst kaufen kaufen kaufen zu können. Klar, dass es sich die Politik im Wahljahr 2009 da nicht nehmen lässt, das marode Versandhausunternehmen Quelle mit Steuergeldern aus der Patsche zu helfen. Rein rechnerisch wird jede Seite des nun doch erscheinenden neuen Quelle-Katalogs mit 36.000 € subventioniert – selten war ein Druckwerk so kostbar. Von der Ressourcenverschwendung durch den Druck so eines Trumms will ich gar nicht erst anfangen. Das Magazin quer auf Bayern 3 im Bayerischen Fernsehen brachte dann letzte Woche auch einen entsprechend satirisch-kritischen Beitrag  „Warum der Quelle-Katalog nicht sterben darf“ sowie die Fotostrecke „Ein Hoch auf den Quelle-Katalog“:

Das Versandhaus Quelle braucht dringend einen Kredit vom Staat, damit es seinen überlebenswichtigen Winterkatalog drucken kann. Eine Bürgschaft über 20 Millionen Euro aus bayerischen Steuergeldern wurde bereits schnell und unbürokratisch zugesagt. Auch wenn Kritiker die Rettungsaktion als kurzsichtige Geldvernichtung anprangern, findet quer: Recht so! Deutschland hat dem Quelle-Katalog so viel zu verdanken, da lohnt jeder Cent.

Verwandte Beiträge:

Weise Worte (11)

„Die wohlfeilste Art des Stolzes ist der Nationalstolz. Denn er verrät dem damit behafteten den Mangel an individuellen Eigenschaften, auf die er stolz sein könnte, indem er sonst nicht zu dem greifen würde, was er mit so vielen Millionen teilt. Wer bedeutende persönliche Vorzüge besitzt, wird vielmehr die Fehler seiner eigenen Nation, da er sie beständig vor Augen hat, am deutlichsten erkennen. Aber jeder erbärmliche Tropf, der nichts in der Welt hat, worauf er stolz sein könnte, ergreift das letzte Mittel, auf die Nation, der er gerade angehört, stolz zu sein: Hieran erholt er sich und ist nun danbkbarlich bereit, alle Fehler und Torheiten, die ihr eigen sind, zu verteidigen.“

Arthur Schopenhauer (1788–1860), „Aphorismen zur Lebensweisheit“

Verwandte Beiträge:

Seite 105 von 138

Präsentiert von WordPress & Theme erstellt von Anders Norén