Kategorie: Konsumkritik Seite 27 von 29

The Consumer Paradox – Die Zufriedenheit der Menschen hängt von ihrem Konsumverhalten ab

[Dieser Artikel stammt wieder von meinem geschätzten Gastautoren D. Anger.]

Am 8. Dezember dieses Jahres verwies Peter auf einen sehr guten Film über die Produktion vieler bewusst kurzlebiger Verbrauchsgüter, namens The Story of Stuff. Darin taucht ein interessanter Gedanke auf: Je mehr ein Mensch konsumiert, desto unzufriedener wird er. Das Phänomen bezeichnen US-amerikanische Forscher als „The Consumer Paradox”, hierzu gibt es bereits verschiedene Studien, beispielsweise die Kollaboration der US-Universitäten von Illinois und Minnesota. Auch der britische Professor Richard Layard von der London School of Economics befasst sich bereits seit einiger Zeit mit diesem Thema.

Bei diesen Studien fanden die Forscher heraus, dass ein Hang zum Materiellen nicht nur mit einem schwach ausgeprägten Selbstwertgefühl korreliert, sondern sogar ursächlich für die geringe Eigenwertschätzung sein kann. Als Gegensatz konnte beobachtet werden, dass das Selbstwertgefühl einer Person steigt, wenn sie sich weniger von Materiellem abhängig macht.

Dies ist ein Paradoxon auf zweierlei Weise:

  • Zum einen denken sehr viele Verbraucher, dass es ihnen besser ginge, wenn sie nur ein bisschen mehr verdienten. Schließlich könnten sie sich dann den teuren Fernseher, den schicken Anzug, den neuen Computer, die Schönheitsoperation oder etwas Ähnliches leisten. Der Kauf soll dann die harte Arbeit entlohnen; man hat sich dieses oder jenes „verdient”.
    Ein „bisschen mehr verdienen” geht aber in der Regel mit längerer Arbeitsdauer und höherer Verantwortung einher. Beides sind Faktoren, die für viele Menschen belastend wirken, wenn sie über eine längere Zeit diesen Faktoren ausgesetzt sind. Somit sinkt ihre Zufriedenheit, obwohl sie durch Geld und Einkäufe doch angeblich steigen sollte.
  • Zum anderen gilt das „Ankurbeln der Binnenkonjunktur” als Allheilmittel in konjunkturell schwierigen Zeiten. Wenn Einnahmen von Staat und Wirtschaft sinken, weil die Menschen ihr Geld lieber sparen, anstatt es auszugeben, machen sich eine Reihe angeblich kluger Köpfe auf und entwickeln Maßnahmen, die die Menschen zum Konsum bewegen sollen.
    Über „Konsumgutscheine” wird ebenfalls nachgedacht, obwohl diese Maßnahme sehr umstritten ist, da das der Allgemeinheit zur Verfügung gestellte Geld ohnehin vom Steuerzahler stammt und schließlich auch von diesem wieder eingeholt werden muss.
    Auch wenn die erdachten Maßnahmen zum gewünschten Ergebnis führen, ist der dafür gezahlte Preis höher, als es die Statistik am Ende zeigt. Die Zufriedenheit weiter Teile der Gesellschaft nimmt weiter ab, mit den möglichen Konsequenzen von beispielsweise mehr Depressionen und mehr Suchtkranken. Die Umwelt wird stärker belastet, weil beim Anstieg der Verkäufe auch mehr schädliche Produkte erworben werden. Die Belastung der Umwelt führt ebenfalls zu einer steigenden Unzufriedenheit innerhalb der Gesellschaft. Die Ausbeutung billiger und stets verfügbarer Arbeitskräfte in Ostasien geht ungehindert weiter und nimmt womöglich zu. Der eigene Energieverbrauch erhöht sich, so dass auch diese Kosten ungeplant anwachsen.

So gilt es also – ganz egoistisch – der eigenen Zufriedenheit wegen, auf kurzfristigen Konsum zu verzichten. Der Besuch bei guten Freunden tut der eigenen Seele auch viel besser als ein neuer Fernseher. Und auch das eine oder andere Geschenk zur Weihnachtszeit darf gerne ein Taschenbuch und kein elektronisches Spielzeug sein. Es gilt, aus der Spirale der immer teureren und bunteren Geschenke auszubrechen und zu ein wenig Ruhe zu finden.

Diverse Quellen beschreiben, dass die Menschen vor 50 Jahren weniger Besitz als heute hatten, aber deutlich zufriedener waren. Man darf jedoch „weniger Besitz” nicht mit existenzbedrohender Armut oder dem Zustand eines kriegsversehrten Landes verwechseln. Es geht eher darum, das eigene Leben so zu vereinfachen, damit die wirklichen Freuden Zeit und Raum erhalten.

D. Anger

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Apple-Store-Eröffnung in München – Ich kaufe, also bin ich.

[Premiere für meinen Blog – den heutigen Beitrag schreibt ein befreundeter Gastautor, unter seinem Pseudonym D. Anger. Der Youtube-Film zu besagtem „Ereignis” in München ist wirklich unglaublich…]

Am 6.12.2008 hat der US-amerikanische Elektronikhersteller Apple den ersten so genannten “Apple Store” in Deutschland eröffnet. Es ist der weltweit 251. direkt zu Apple gehörende Laden. Bereits am Mittag hatten 4000 Neugierige den Münchener Apple Store besucht.

Damit eines klar ist: Ich schreibe diesen Text auf einem MacBook von Apple, ich habe ein iPhone und einen iPod. Ich mag viele Apple-Produkte – insbesondere das Betriebssystem Mac OS X; es ist nicht perfekt, aber das beste mir bekannte System. Ich bin jedoch kein Apple-Fan.

Die Apple-Store-Eröffnung in München und die Reaktion vieler Bürger geben mir zu denken.

Wie vieles Andere lässt sich auch dieses Ereignis aus mehreren Perspektiven betrachten:

  • Die Apple-Store-Eröffnung in München war sehr erfolgreich, denn bereits nach wenigen Stunden hatten Tausende den Laden besucht. Die dort tätigen Mitarbeiter werden wahrscheinlich auch in einiger Zeit noch Arbeit haben, da sich der Standort als wirtschaftlich vorteilhaft zeigen wird. Die umliegenden Geschäfte freuen sich, schließlich scheint zum einen das moderne, hippe Image des großen US-Konzerns ein wenig auf den eigenen Standort, und zum anderen wagt womöglich der eine oder andere Kunde des Apple Store den Schritt ins Nachbargeschäft und zückt auch dort die Kreditkarte.
  • Es sind tatsächlich so viele Menschen unterwegs, um der Eröffnung eines Einkaufsladens beizuwohnen. Dieselben Menschen werden sicherlich ehemalige Schlagerstars belächeln, die eine Supermarkteröffnung musikalisch untermalen, aber sie selbst sind in diesem Fall die Untermalung. Viele der Anwesenden harren Stunden vor der Eröffnung vor der Ladentür aus. Viele reisen sehr weit, um vor Ort zu sein – ein Besucher erzählt, dass er nur für die Eröffnung aus Lübeck nach München gefahren sei.

Es gibt kaum ein Unternehmen, das das “Habenwollen” – sogar “Habenmüssen” – auf Knopfdruck hervorrufen kann wie Apple. Das Unternehmen hat tatsächlich überzeugende und auch einzigartige Produkte im Angebot. Dennoch ist Apple nichts Anderes als ein gewinnorientiertes Unternehmen, das die eigenen Produkte günstig in China herstellen lässt, sie anschließend um die halbe Welt transportiert, damit sie in Europa und den USA verkauft werden.

So weit, so normal, aber wie kommt es, dass Menschen sich so sehr mit diesem Unternehmen identifizieren?

Wäre es ein Konzert, eine Ausstellung, eine Lesung … wäre es etwas jenseits des materiell orientierten, gäben die Anwesenden ein tolles Bild ab. So wiederum bleibt ein auf Konsum reduziertes Bild zurück – Motto: Ich kaufe, also bin ich.

D. Anger

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The Story of Stuff – Die Produktionskette und ihre Hintergründe

Passend zu meinen Konsumgedanken von gestern hier ein ausgesprochen unterhaltsam und gut gemachter Kurzfilm, der den Irrsinn unseres Wirtschafts„kreislaufs” (eher eine Sackgasse) anschaulich und zugespitzt verdeutlicht und nun in synchronisierter Fassung vorliegt (gefunden via Privatseiten & Utopia). Diesen Film solltet Ihr Euch unbedingt ansehen, denn er bringt so ziemlich alle Grundproblematiken, die unser (Konsumenten-)Leben heutzutage betreffen, zur Sprache und auf den Punkt! Dank seiner knuffigen Machart kann man ihn übrigens auch gut Leuten zeigen, die sich sonst vielleicht nicht so für „die Problematik” interessieren.

Jedes Produkt hat seine eigene Geschichte. Und diese Geschichte ist oftmals viel länger als wir auf den ersten Blick erkennen können. Sie beginnt beim Anbau der Rohstoffe, geht über die Herstellung, den Vertrieb und unseren eigenen Konsum, und endet noch lange nicht im heimischen Mülleimer.

Die amerikanische Aktivistin und Moderatorin Annie Leonard hilft uns mit ihrem Video „The Story of Stuff“, den kompletten Konsumkreislauf und die damit verbundenen sozialen und ökologischen Folgen zu verstehen. Der wahre Preis unserer Produkte steht schließlich nicht auf dem Preisschild der Verpackung.


Story of Stuff – German from UTOPIA AG on Vimeo.

Wenn ich etwas zu entscheiden hätte, würde ich dafür sorgen, dass dieses Video in den Schulen gezeigt wird – so viel lernen Schüler sonst in einem Schuljahr…

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„Das System steckt nicht in einer Krise – die Krise ist das System” (Teil 2/2)

[Dies ist die Fortsetzung meines gestrigen Beitrags]

Tatsächlich hat sich in den letzten Jahren auch ein gesteigertes Bewusstsein bei den Verbrauchern gebildet, dass der eigene Konsum ein Mittel ist, um Veränderungen zu bewirken – die sog. „Nachhaltigkeit” ist aus aktuellen Diskussionen und auch Firmenbroschüren nicht mehr wegzudenken. Biowaren sind „in” (man denke nur an die Bionade, deren riesiger Erfolg sicher alle überrascht, mich eingeschlossen), und die Marketingfuzzis haben mit den LOHAS ein neues Marktsegment ausgemacht, das seit einer Weile mit entsprechenden Produkten, Magazinen und Blogs bedacht wird. Dies ist per se erst einmal durchaus positiv zu sehen, denn wenn statt monoformer Industrieware ökologisch verträglichere Lebensmittel auf den Tisch kommen, entlastet das die Umwelt und ist zudem natürlich gesünder für die Menschen.

ABER: kann es das schon gewesen sein, dieser „nachhaltige” oder „politische” Konsum, der die Firmen zum Umdenken bewegen und dazu führen soll, dass Konzerne mit übler Firmenhistorie in Bezug auf die Ausbeutung von Mensch und Umwelt und Sozialstandards (und das betrifft fast alle großen Unternehmen; siehe auch das „Neue Schwarzbuch Markenfirmen”) zur Besinnung kommen und „der Kapitalismus” plötzlich ein freundlicheres Antlitz bekommt? Einfach nur etwas „fairer” konsumieren, also einfach ein paar Produkte auf dem Tisch austauschen (statt der normalen Aldi-Milch Bio-Milch von Aldi nehmen z.B.), und ansonsten alles so weiterlaufen lassen? Ich habe da leider so meine leisen Zweifel. Denn es besteht die Gefahr, dass kleinere Verbesserungen der Situation schon als ausreichend angesehen werden und die Kernproblematik weiter vor sich hin gären darf und zukünftige Entwicklungen damit weiter erschwert.

Mit meinen Zweifeln stehe damit nicht alleine da – Reto Stauss hat sich in den vergangenen Wochen in seinem Blog des öfteren mit dieser Frage beschäftigt. So konstatiert er in „Den Nachhaltigkeits-Graben überwinden”:

Es gilt Brücken über den Nachhaltigkeitsgraben zu erkennen und zu beschreiten. Patentrezepte gibt es keine, wir können nur weitermachen, im Kleinen und Kleinsten, offline und online, im Sichtbaren und Unsichtbaren.

Die Anzahl und Art der Kommentare deuten darauf hin, dass die Diskrepanz zwischen Reden und Handeln nicht nur von mir wahrgenommen wird und dass sich viele persönlich und im grösseren Zusammenhang die Frage stellen, warum Veränderungen trotz entsprechender Erkenntnis nicht schneller und nachhaltiger umgesetzt werden.

Und in „Green New Deal – Makulatur Gesellschaftsvertrag“ legt er kurz darauf noch einmal nach:

Allen Vorschlägen gemeinsam ist, dass der Staat rettend mit Geld einspringen soll, das System aber nicht wirklich in Frage gestellt wird. Ein bisschen mehr Kontrolle der Wirtschaft, ein bisschen mehr Umweltschutz, ein bisschen Umstellen auf erneuerbare Energiequellen – alles Pflästerli-Politik.

Grundproblem ist das Anreizsystem in der kapitalistischen Marktwirtschaft (“Mehr, billiger!”) in Kombination mit der Fortschrittsgläubigkeit (“Die technologische Lösung ist nah!”), welche keine Grenze kennt. Obwohl praktisch Konsens, löst “Konsumverzicht” verbreitet Denkblockaden aus. “Weniger” ist keine Option.

Ähnlich sieht es auch der Blog landscaping in „Zukunftsfähig ohne Systemwandel?” (und wenn von unserem „System” und seinen Problemen die Rede ist, geht es übrigens nicht nur um die marktwirtschaftlichen Prinzipien oder das Konsumieren, sondern vor allem auch um die Zinseszinsproblematik, das Schöpfen von Geld aus Schuld und dem systemimmanenten exponentiellen Wachstumszwang):

Kann es zu einer nachhaltig, zukunftsfähigen Entwicklung kommen, wenn nicht grundsätzlich ein Systemwandel angestrebt wird? Die Frage wirkt für viele lähmend. Denn sie stellt grundsätzliche Prinzipien unserer derzeitigen Gesellschaft in Frage (Kapitalismus, Neoliberalismus, Zinswirtschaft, Individualismus, persönliche Freiheit, …). Für mich dagegen wirkt es zunehmend lähmend, wenn kleine Details laufend bejubelt werden und damit die Weltrettung angekündigt wird und dabei ganz vergessen wird, dass der globale Effekt vielleicht minimal ist.

Etwas drastischer fällt das Urteil der Krisis-Website (Beiträge zur Kritik an der Warengesellschaft) in ihrem „Crashkurs – Flugblatt zur Finanzkrise” aus:

Die Welt ist zu reich für den Kapitalismus

Die aktuelle Finanzmarktkrise markiert den Wendepunkt in der Epoche des fiktiven Kapitals und damit erreicht die fundamentale Krise des Kapitalismus, die sich schon in den 1970er Jahren abzeichnete eine neue Stufe. Diese Krise ist nicht nur die eines spezifischen „angelsächsischen Systems“ des „Neoliberalismus“, wie unter Mobilisierung antiamerikanischer Affekte mit teils deutlich antisemitischem Einschlag überall behauptet wird. Vielmehr zeigt sich nun, dass die Welt für die armselige kapitalistische Produktionsweise längst zu reich ist; dass die Gesellschaft auseinanderbrechen, verwildern und in Elend, Gewalt und Irrationalismus versinken muss, wenn es nicht gelingt, diese zu überwinden.

Interessant sind in dem Zusammenhang beispielsweise auch noch die Krisis-Beiträge „Weltgesellschaft ohne Geld” und „Vom Elend marktwirtschaftsgläubiger Kapitalistenkritik”. (Das Schimpfen auf die „bösen Banker” und „raffgierigen Manager” hat ja derzeit in allen Mainstreammedien Hochkonjunktur, lenkt aber von den eigentlichen Ursachen der Probleme nur ab und soll den potentiellen Zorn der Leute ein wenig kanalisieren, vermute ich mal.)

Es ist nicht nur zu befürchten, dass die Krise erst am Anfang steht und Millionen Menschen unmittelbar treffen wird, sondern auch, dass sich derlei Pseudo-Kritik irgendwann einmal äußerst handfest austoben wird. Auch das Ressentiment wird zur materiellen Gewalt, wenn es die Massen ergreift. Wehe dem, der dann zu den Bösewichten und ihren Handlangern gezählt wird. Noch ist Zeit, um der billigen Haut-den-Ackermann-Nummer ernsthafte Kapitalismuskritik entgegenzusetzen.

Und das Social Innovation Network stellt sich halbherziger „Systemkritik” ähnlich eindeutig entgegen („Umverteiler aller Flügel – Erteilt Euch!”):

Schadet die Krise der Revolution oder nützt sie ihr, lautet dabei die klassische Frage. Die übliche Antwort darauf ist, eine Krise schade der revolutionären Umgestaltung. Denn in der Krise werden die Leute rechtsextrem. Und das sei noch übler als der Kapitalismus schon üblicherweise ist. Auch der so genannte radikale Flügel teilt diese Einschätzung zumeist. Wir haben es offenbar mit einem hegemonialen Denkmuster zu tun. Will jemand ernst genommen werden, so hat er sich innerhalb dieses Musters zu bewegen. Was sich abseits davon äußert, wird ausgeblendet, weil es nicht in den Rahmen des Diskurses passt.

Dennoch wagt es der Autor P.M. (nein, das bin nicht ich ;-) in seinem Buch „SubComA – Nachhaltig vorsorgen für das Leben nach der Wirtschaft”, die ausgelatschten Pfade zu verlassen und einen radikaleren Blick über den Tellerrand zu tätigen – dies vielleicht als (durchaus utopisch geprägte) Anregung für eigene Überlegungen. Dieses Buch gibt es übrigens auch als kostenlosen pdf-Download auf seiner Website.

Was ist das für eine Welt, in der trotz gigantischer Fortschritte der Produktivität der Anteil der Armen stetig wächst? Was ist das für ein Wirtschaftssystem, das auf sklavereiartigen Arbeitsbedingungen im Süden und Sozialabbau im Norden beruht? Was ist das für eine Landwirtschaft, die mit Erosion, Bodenversalzung, und vergifteten Gewässern ihre eigene Grundlage zerstört? Was ist das für eine Weltordnung, die überall zu Bürgerkriegen, Massakern, Flüchtlingsbewegungen und hilflosen militärischen Interventionen führt?

Die Stimmung ist gekippt. Globalisierung, New Economy, Informationsgesellschaft, Modernisierung und wie all die hochtrabenden Begriffe noch heißen mögen, haben begonnen ihren Glanz zu verlieren. Immer mehr Menschen merken, daß auch die New Economy nur die alte Tretmühle ist, nur schneller, riskanter und mehr Lebensbereiche durchdringend. Die Modernisierungsgewinnerinnen von heute sind die Modernisierungsverliererinnen von morgen – am Schluß sind wir alle Verliererinnen. Und daneben melden sich immer lauter auch jene, die seit 500 Jahren immer nur Modernisierungsverliererinnen waren. (…)

Der Zweck dieses Buches besteht darin, jenem Teil der Bewegung Argumente zur Verfügung zu stellen, der nicht mehr an die Reformierbarkeit des kapitalistischen Systems und dessen Weltorganisationen glaubt und daher eine planetarische Alternative dazu verwirklichen will. Es geht um theoretische Überlegungen und die Auswertung praktischer Erfahrungen, um inspirierende Ideen und um die Diskussion von Umsetzungsszenarien.

Konkrete Ideen, Neues zu wagen und zu denken, findet Ihr auch in Retos Postings hier, hier oder hier. Denn es gibt natürlich keine Patentrezepte zur Lösung. An dieser Stelle kommt auch noch ein weiterer wichtiger Faktor ins Spiel: es reicht nämlich nicht, nur anderen Leuten oder anonymen „Sachzwängen” Schuld zuzuweisen – wir müssen auch in der Lage sein, aus unserer eigenen „comfort zone”, aus der eigenen Bequemlichkeit auszubrechen, von bisherigen Gewohnheiten abzuweichen. Und so etwas kann seine Zeit dauern. Auf jeden Fall lohnt es sich nicht, auf irgendeine „Revolution” zu warten, sondern man fängt am besten schon bei sich selbst an, Energie aus dem aktuellen Konsumsystem abzuziehen; indem man weniger bei Konzernen kauft, die das ganze Hamsterrad in Gang halten; indem man die Hatz nach immer mehr Geld, um sich davon dann immer mehr „leisten” zu können, hinterfragt. Es bleibt also spannend!

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„Das System steckt nicht in einer Krise – die Krise ist das System” (Teil 1/2)

Wenn man sich erst einmal in die Materie Culture Jamming, Konzernkritik, Nachhaltigkeit usw. einliest und Informationen, die gerade zu Zeiten dieser „Finanzkrise” von allen Seiten auf uns einströmen, miteinander verquickt, wird einem eigentlich relativ bald klar, dass Konsumkritik mehr ist als nur das Nachdenken über ein paar Justierungen am eigenen Konsumverhalten (kein Kauf bei Discountern, mehr Bio etc.). Wer das Dogma „Kaufen macht glücklich” bzw. „Mehr Konsum ist besser als weniger Konsum” in Frage zu stellen beginnt, rüttelt damit nämlich automatisch auch an den Grund„werten”, die unser Wirtschafts- und Alltagsleben mittlerweile nahezu komplett durchdrungen haben. Ich denke, dass dieses Rütteln jedoch absolut angebracht und notwendig ist, um (noch) Schlimmeres zu verhindern!

In der letzten Zeit wird zunehmend deutlich, dass genau dieses System des permanenten Wirtschaftswachstums, in dem wir in der westlichen Welt uns so bequem eingerichtet haben, größere Risse bekommt und eventuell gar auf einen großen Knall zu steuert. Gerade wenn man sieht, wie verzweifelt die Politik aktuell versucht, das System nun hektisch mit Abermilliarden von Euro und US$ zu stützen (Milliarden, die letztlich von uns allen erst erwirtschaftet werden müssen und für die auch noch unsere Kinder und Kindeskinder blechen werden), dämmert es immer mehr Menschen, dass hier wohl etwas grundlegend falsch läuft.

Nach den nutzlosen Steuererleichterungen für alle Neu-Pkw-Käufer ist das neueste Beispiel die hanebüchene Idee einiger „Spitzenpolitiker” in der SPD, 500 €-Konsumgutscheine auszugeben, um den Konsum endlich wieder anzukurbeln. Hier geht es gar nicht mehr um sinnvolle Investitionen oder gar eine bedürfniszentrierte Produktion o.ä., sondern um das reine Geldausgeben als Hauptsinn und -zweck eines jeden Bürgers. (Frankreich hat diesen Blödsinn übrigens gerade beschlossen – 200 € pro Familie gibt’s für insg. 3.8 Mio Familien; eine kurze Party, deren Kosten, wie gesagt, zukünftige Generationen tragen dürfen.)

Diese kommentierte Aussage eines Users im Tagesschauforum aus dem als-ob-leben?-Blog trifft den Nagel auf den Kopf:

“Was ich an diesem “Konsumgutschein” interessant finde, ist wie offen auf diese Weise unser Wirtschaftssystem als das entlarvt wird, was es ist…nämlich ein auf (möglichst) immer weiter ansteigendem Konsum basierendes System.

Ein System, in dem der Idealbürger offensichtlich jemand ist, der, wenn er nicht gerade fleißig arbeitet (egal was er dabei macht… die Sinnfrage stellt sich gar nicht), das erworbene Geld sofort wieder in den Wirtschaftskreislauf zurückspült.

Ich frage mich, wie es in einem solchen System möglich sein soll “nachhaltig” zu wirtschaften. Wie soll ein System, das auf dem grenzenlosen Konsum basiert mit “weniger” auskommen? Weniger Müll? Weniger Umweltverschmutzung? Weniger Energieverbrauch? Unmöglich, wenn gleichzeitig “immer mehr” konsumiert werden muss.”

und ich ergänze das mit dem auszug aus einem alten kommentar meinerseits zum beitrag über die toten der hiesigen “sozialpolitik”:

“egal, aus welcher perspektive ich mir die zustände auch betrachte: die “party” namens westlicher lebensstil ist zu ende. definitiv. jedes weitere aufschieben dieser einsicht und v.a. der daraus folgenden konsequenzen ist untrennbar verbunden mit einer täglich größer werdenden existenziellen gefährdung all dessen, was sich als unsere menschliche substanz begreifen ließe, ja inzwischen sogar der biologischen und ökologischen grundlagen unserer existenz.

Wie hilflos die Politiker sind und wie sehr ihr Denken in diesem System gefangen ist, sieht man an all diesen „Rettungspaketen” und „Programmen” – nach dem Motto: wenn die Menschen nur schön wieder kaufen, wird alles gut… Auf der n-tv-Seite kann man u.a. lesen („Gutscheine für alle – Konjunkturprogramm 2.0”)

Auch der Präsident des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW), Klaus Zimmermann, warnte davor und erklärte, ein Großteil der Summe würde investiert in Dinge, die “man ohnehin kaufen wollte”.

Es ist schon bezeichnend, dass befürchtet wird, dass die Leute Sachen kaufen, „die sie ohnehin kaufen wollten” – dass also ein Weg aus der Krise eher darin gesehen wird, dass die Bürger demnach Dinge kaufen sollen, die sie nicht kaufen wollen, sprich: sich überflüssigem, sinnlosem Konsum hingeben. Noch bezeichnender sind vielleicht die Pläne einiger CDU-Politiker, die „Finanzkrise” mal schnell dazu zu nutzen, Klimaziele zu verwässern und statt dessen das Land mit weiteren Straßen und Kohlekraftwerken (!) zuzupflastern. Dreister und kurzsichtiger geht es wirklich nicht mehr.

Oettinger und Rüttgers machten sich – ähnlich wie es Bundestagsfraktionschef Volker Kauder auf dem CDU-Parteitag in Stuttgart – für andere Konjunkturhilfen stark. “So könnte man noch einmal zwei Milliarden Euro in den Ausbau der Bundesfernstraßen stecken (…)” Rüttgers will den Bau neuer Kohlekraftwerke fördern, um die Konjunktur anzuschieben, ohne staatliches Geld auszugeben. Es sei möglich, “Geld zu mobilisieren, das bei den Energieversorgern vorhanden ist. Dazu müssten nur die Investitionsbedingungen etwa beim Emissionshandel verbessert werden.”

Was aus alledem deutlich wird: in politischen Kreisen findet eine reine Symptombekämpfung statt – ein „thinking outside the box”, sprich allein das Nachdenken über neue, andersartige, ungewohnte Wege scheint schon völlig unvorstellbar (und ist vermutlich auch unerwünscht, solange starke Interessensgruppen von der Fortführung der derzeitigen Verhältnisse blendend profitieren). Man kann hier zumindest eine erstaunliche Naivität oder Betriebsblindheit konstatieren, gespeist durch ein z.B. auch von den Wirtschafts„wissenschaften” vermitteltes Weltbild (Ideologie), das im Prinzip von bis in alle Ewigkeit gültigen stabilen Bedingungen ausgeht, in der die Märkte ihr magisches Wirken zum Wohle aller vollziehen werden. Oder wie es der FDPler Rainer Brüderle neulich im Bundestag unmissverständlich ausdrückte (diese Aussage nehme ich nur als Beispiel für das festgefahrene Denken, aus dem es für die meisten Politiker, quer durch alle Parteien, offenbar kein Entrinnen gibt):

Was wir nicht brauchen, ist eine Debatte über die Systemfrage. Ohne Frage ist die soziale Marktwirtschaft die überlegene Wirtschaftordnung. Leider ist es aber so: Selbst wenn Sie ein Auto mit tollen Airbags und Radarsteuerung bauen, wenn der Falsche am Steuer sitzt, fährt er trotzdem gegen die Wand. Das liegt aber nicht am Auto, das liegt nicht an der sozialen Marktwirtschaft, sondern an der falschen Handhabung. Seit Jahren wird gegen den Geist der sozialen Marktwirtschaft verstoßen, indem man in die Märkte hinein interveniert.

Von politischer Seite her sind also kaum irgendwelche zukunftsweisenden Lösungsansätze oder gar neue Ideen zu erwarten (obwohl mit Die Basis gerade eine, zumindest auf dem Papier, ganz interessante neue Partei gegründet wurde), hier werden lieber altbekannte Fronten abgesteckt, Phrasen gedroschen, in den eingefahrenen Gedankenbahnen herumgeschwebt („Neoliberalismus” hier, „demokratischer Sozialismus” dort), und der politische Gegner beharkt und diffamiert.

Kurz und gut – wir müssen es (auch) selber richten, wenn wir etwas gegen den Zerfall der Welt tun wollen, allein auf „den Staat” zu warten bringt wohl leider nichts.

[Fortsetzung folgt – morgen]

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Gefangen im Hamsterrad des Konsums

Reto vom Nachhaltig beobachtet-Blog hat in der letzten Zeit eine ganze Reihe spannender Beiträge veröffentlicht – so machte er die Leser unlängst auf ein Interview mit dem Schweizer Autoren Marcel Haenggi aufmerksam. Hänggi hat das Buch „Wir Schwätzer im Treibhaus” geschrieben, in dem er ausführt, dass all die ganzen technologischen (Effizienz-)Fortschritte nicht dazu geführt haben, unseren CO2-Ausstoß und unseren Rohstoffverbrauch zu senken – da jede Verbesserung dazu führt, die entsprechende Technik dann um so intensiver einzusetzen, weil sie ja nun „nicht mehr so schädlich” ist, so dass in der Summe gar kein positiver Nutzen herausspringt (der sog. „Rebound-Effekt”).

Ein anderes Beispiel für «Rebound» ist der Verkehr. Die Mobilität nimmt rasant zu mit den entsprechenden Folgen wie Lärm, Landschaftsverbrauch und Luftverschmutzung. Dabei befriedigen wir heute dieselben Bedürfnisse wie vor 50 Jahren: Wir fahren zur Arbeit, tätigen unsere Einkäufe, gestalten die Freizeit und fahren in die Ferien. (…) Aus Sicht des Klimas wäre es also zentral, weniger zu arbeiten, weniger zu verdienen und damit auch weniger zu konsumieren. (…)

Dies ist ein Manko vieler Energieszenarien: Sie tun so, als ob die Nachfrage autonom wüchse und man das Angebot wie ein Naturgesetz daran anpassen müsse. So funktioniert auch die These der Stromlücke, die man hierzulande angeblich dringend mit neuen AKW oder Gaskraftwerken stopfen muss. Doch in Tat und Wahrheit kann man mit der Steuerung durchaus beim Angebot ansetzen – und damit die Nachfrage lenken.

Ich denke, ich werde mir das Buch demnächst mal zulegen und dann hier rezensieren.

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Spannender Podcast zum Thema Konsum

Ich hatte Euch in meinem Blog neulich schon mal auf die Seite von Alexander Wagandt hingewiesen. eXtraWagandt heißt sein Blog, und bereits seit 2006 produziert Alexander hier einen mehrmals wöchentlich erscheinenden, oft bis zu einstündigen Podcast, in dem er Beobachtungen und Meinungen abseits der gemeinstreamten Medienlandschaft darlegt. So auch in der letzten Zeit verstärkt über die sog. „Finanzkrise” (die weitaus mehr ist – eine Wirtschafts- und genau betrachtet sogar Demokratiekrise) und das Währungssystem mit all seinen Schwächen. Die letzten Minuten seines Podcasts vom Mittwoch („Unruhen und Revolutionen – die anderen Symptome der Finanzkrise”) befassten sich dann speziell mit dem Thema Konsum(verzicht) [wobei der Begriff „Verzicht” in diesem Zusammenhang nicht wirklich angebracht erscheint, da man durch weniger Konsum eher GEWINNT, nämlich freie Zeit, Geld und auch einen freieren Kopf] – da ich diese Aussagen wirklich für sehr zutreffend und präzise formuliert halte, will ich Euch diesen Ausschnitt von 4:40 Minuten hier einmal als mp3 anbieten:

extrawagandt-pod-2008-03-dezember-12-konsum

Natürlich lohnt es sich auch, wie üblich den kompletten eXtraWagandt-Podcast zu hören – den findet Ihr hier.

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Buchbesprechung: Franz Kotteder „Die Billig-Lüge. Die Tricks und Machenschaften der Discounter”

Seit vielen Jahren sprießen Discounter wie (faulige) Pilze aus dem Boden und verdrängen den etablierten Einzelhandel. Dabei geht es längst nicht mehr nur um Lebensmittelgiganten wie Aldi oder Lidl, sondern auch um Kleidung (kik), Drogeriewaren (Schlecker) oder Elektronik (MediaMarkt) – und die Besitzer der Discounterketten zählen mittlerweile zu den reichsten Männern Deutschlands. Dass dieser betriebswirtschaftliche Erfolg nur zum Teil auf das zurückzuführen ist, was Aldi an seinen Kassen auf Plakaten so gerne als „Das Aldi-Prinzip” propagiert, also auf niedrige Preise durch große Abnahmemengen und überschaubares Sortiment, und auch nicht bloß auf die spartanische Ausstattung der einzelnen Läden, dämmert inzwischen so manchem, wenn er die vielen negativen Meldungen über z.B. Lidl mit ihren Überwachungsskandalen in den Zeitungen verfolgt.

Auch Franz Kotteder, seines Zeichens Wirtschaftsredakteur bei der Süddeutschen Zeitung, hat sich aufgemacht, um in seinem Buch „Die Billig-Lüge” (Droemer Verlag, 2005) hinter die Kulissen der Discountmilliardäre zu schauen und (vielleicht etwas plakativ formuliert) die „Tricks und Machenschaften” dieser Konzerne zu durchleuchten. Auf dem Klappentext fragt er:

Aber ist denn nicht alles in schönster Ordnung, solange der Preis stimmt? Aldi, Lidl, Penny, Schlecker, Metro, Wal-Mart, Media Markt und Co. beschwichtigen unser unbehagliches Gefühl, dass es so wenig nicht kosten kann und dass irgendjemand dafür bezahlen muss. Könnte dieser Jemand vielleicht wir selbst sein?

Auf insgesamt 270 Seiten zeigt Kotteder sich als sehr engagierter Beobachter, dem die Thematik ganz offensichtlich am Herzen liegt und der mit seinem Buch Überzeugungs- oder zumindest Aufklärungsarbeit leisten will. Er beginnt seine Reise ins Reich des Discounts damit, die derzeitig Entwicklung auf dem deutschen Markt zu schildern, und zeigt schnell auf, welche Dimensionen die Billigwelle erreicht hat und welche Folgen sie zeitigt: monoforme Innenstädte, immer weniger Auswahl durch immer größere Marktmacht, aber auch sinkende Arbeits- und Sozialbedingungen im Einzelhandel. Ausführlich wird die Entstehungs- und Erfolgsgeschichte von Deutschlands dienstältestem Discounter – Aldi – und seiner Besitzer, den Albrecht-Brüdern (Europas reichster Familie!) nachgezeichnet, von den bescheidenen Anfängen als kleiner Einzelhandelsmarkt bis zu den heutigen Ausmaßen. Das Aufholen von neuen Konkurrenten wie dem besonders rücksichtslos vorgehenden Lidl-Konzern wird ebenfalls ausführlich geschildert.

Auch auf die Folgen des Billigdrucks auf die Zulieferbetriebe in Deutschland und die Hersteller vor allem in den ärmeren Ländern geht Franz Kotteder explizit ein. Wer die Kapitel darüber gelesen hat, unter welchen Bedingungen Kakao oder Orangen geerntet werden, damit sie hierzulande möglichst billig im Einkaufswagen landen, oder welch verheerende Auswirkungen das Züchten und Fischen von Garnelen für den europäischen Markt auf die Natur in den asiatischen Lieferländern hat, sieht die Angebote in unseren Regalen wohl mit anderen Augen. Nach den Ausführungen über die Zustände bei der Produktion von Fleisch und Eiern kauft wohl nur noch der Hartgesottenste diese Dinge aus industrieller Produktion…

Die für mich mit erschreckendsten Kapitel sind „Ausnehmer und Arbeitnehmer – wie die Discounter mit ihrem Personal umspringen”/„Mobbing als Führungsaufgabe”, die ganz klar machen, wo Aldi & Co. das Haupteinsparpotential ihres Geschäftsmodells sehen, nämlich beim „Mitarbeiter”. Und der Abschnitt, in dem der Autor die Konzernstruktur von Aldi, aber auch Lidl, genauer unter die Lupe nimmt – diese Konzerne sind nämlich in ein undurchdringliches Dickicht aus Stiftungen aufgesplittet, alles mit dem Ziel, so wenig von dem Gewinn wie nur möglich steuerlich abführen zu müssen, was nichts anderes bedeutet, dass unsere freundlichen Discountmilliardäre ihr Vermögen mit sozialschädlichem Verhalten, also auf dem Rücken der Allgemeinheit, machen.

Leider weist „Die Billig-Lüge” auch eine Anzahl merklicher Schwächen auf, die mich beim Lesen gestört haben – so will Franz Kotteder offensichtlich dem Vorbild Michael Moores nacheifern und schreibt teilweise in eher unangemessen schnoddrigem Stil, was die Seriosität seiner Ausführungen an manchen Stellen beeinträchtigt. Noch gravierender ist jedoch die didaktische Unausgewogenheit seines Textes – gerade bei den durch Umsatzzahlen oder sonstige Statistiken erhärteten Fakten hält sich der Autor sehr lange auf, um dann an anderer Stelle extrem schwammig und kurz zu bleiben. Ja, zuweilen beginnt Kotteder, wirklich interessante Fragen zu stellen (die sicherlich auch im Rahmen einer Diskussion aufkämen, die man selbst mit Freunden dazu führen würde), nur um dann quasi mitten im Gedankengang innezuhalten und den Leser wieder mit einem Zahlenwust von der eigentlichen Fährte abzubringen. Zudem wiederholt er manche Fakten mehrfach (dass China mittlerweile der größte Aufkäufer von Baumwolle ist z.B.), ohne die Implikationen für den Leser herauszustellen, und so mancher seiner Kritikpunkte trifft nicht nur speziell auf Discounter, sondern auch auf andere Supermarktketten zu.

Besonders schwach ist das Abschlusskapitel „Wege aus der Geizfalle”, in dem er sich auf recht wenigen Seiten darüber auslässt, was denn nun eigentlich zu tun ist. Zudem widerspricht er sich selbst, indem er damit schließt, dass ein Boykott der Discounter keine Lösung wäre, dann aber doch dafür plädiert, dass die Verbraucher wieder lernen müssen, Dingen einen gewissen Wert beizumessen, sich seiner Macht bewusst zu werden und z.B. ökologisch fair einzukaufen. Letztlich spricht der Autor dem Discountsystem damit eine Art „ewige Daseinsberechtigung” aus, bei dem es nur noch darum geht, die Discounter durch Nachfragen und Fordern fairerer Bedingungen zu reformieren, nicht aber, das System prinzipiell in Frage zu stellen. Das ist m.E. viel zu kurzsichtig, was Kotteder auch selbst kurz darauf feststellt, wenn er davon spricht, dass die Probleme viel grundsätzlicher angegangen werden müssten. In diesen Momenten wirkt das Buch so, als wären die Kapitel im Abstand von mehreren Monaten, jedes für sich, entstanden und später nicht noch einmal komplett gegengelesen worden.

Obwohl das zu kurz und zu diffus geratene Schlusskapitel mich etwas unbefriedigt zurückgelassen hat, spricht Kotteder dort doch auch einige sehr wichtige Punkte an, beispielsweise den, dass das Discount-System keine perfide Idee einiger böser Menschen ist, sondern im Rahmen unserer Marktwirtschaft eine Reaktion auf die Wünsche der Käufer darstellt. (Auch wenn man schon sagen muss, dass damit vieles von dem Fehlverhalten der Konzerne dennoch nicht zu entschuldigen oder zu relativieren ist.)

Sind wir also selber schuld an den ganzen negativen Auswüchsen der Billigmasche, die unser Land und nicht nur unseres so flächendeckend überzieht? Ja, das sind wir. Zugleich kann uns niemand die Aufgabe abnehmen, eine Richtungsänderung herbeizuführen.

Genau hier müssen wir ansetzen – ein Bewusstsein für die negative Spirale zu entwickeln, die das Billigsystem auslöst und in deren Strudel wir alle hineingerissen werden, ob wir es wollen oder nicht. Franz Kotteders Buch ist dabei ein, wenn auch nicht vollständig gelungener, Schritt, sich über die Hintergründe der Discounter zu informieren und sein persönliches Einkaufsverhalten zu überdenken.

Weitere Meinungen über das Buch und seine Inhalte findet Ihr übrigens bei Echowelle, PolitiKritik (mit sehr lesenswerten zusätzlichen Ausführungen über Discounter!), Wortgestöber und STB Web („Vom latenten zum ganz konkreren Unbehagen an der Geiz-ist-geil-Mentalität”).

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[gefunden via Apfelblick; Original The Joy of Tech]

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Surftipp: RESIST – No shopping

Na, Hand aufs Herz, wer hat es geschafft, am gestrigen Buy Nothing Day nichts zu kaufen? Ich habe es bis zum späten Abend ausgehalten, „musste” dann aber doch beim Stereolab-Konzert in Hamburg zwei Drinks ordern…

Eigentlich wollte ich Euch diese Website auch passend zum BND schon gestern vorstellen: RESIST – No Shopping (gefunden bei sum1). Dies ist ein Designprojekt von Anja Lorenz und Thomas Schneider aus dem Jahre 2005, bei dem sie diverse sehr nützliche Produkte erfunden haben, die dem vom alltäglichen Konsumwahn gepeinigten Menschen helfen, unnütze Einkäufe zu be- oder verhindern.

RESIST ist eine ironisch provokative Gegen-These zum diesjährigen ESQUISSE Thema “Let’s go shopping!”.

Dem täglichen Konsumverhalten der Menschen stellt RESIST neue Produkte entgegen, die alle nur einem einzigen, gemeinsamen Zweck dienen: Sie sollen helfen dem Shoppen zu widerstehen und ‘Nein’ sagen zu können.

RESIST will kein sozialkritisches Projekt sein, sondern Spaß machen. Durch die ironische Gestaltung und Präsentation der Marke und der angebotenen Produkte soll der Besucher/Käufer erheitert und provoziert werden. Humor und nicht Belehrung steht im Vordergrund. Widerstehen Sie.

Ein Beispiel – das „Pre Fill”:

Mit den praktischen PRE FILL Gewichten können Sie Ihre Einkaufs-Tour jetzt viel schneller erledigen. Packen Sie einfach eines der 3 PRE FILLs in Ihre Tasche und Sie haben schon beim Losgehen – je nach Variante – das Gefühl bereits seit 1, 3 oder 5 Stunden einzukaufen

Sehr schön ist auch der Shop auf der Website – wenn man die jeweiligen Produkte anklickt und in den Warenkorb befördern will, erscheint nur ein „Resist” und der Warenkorb bleibt leer. Ganz so, wie es sein soll. ;-)

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