Vor einer Weile stieß ich im Finanzcrash-Forum auf einen interessanten Beitrag eines Users namens Otto Lidenbrock – er beschreibt sehr gut die Problematik, der man sich als jemand, der seine Stimme gegen den Mainstream und gegen Missstände erhebt, quasi dauernd im täglichen Miteinander ausgesetzt sieht. Dass man nämlich bei so manchem Zeitgenossen auf frustrierende Abwehrmechanismen stößt, auch auf eine gewisse Art von Ignoranz, die sicher auch in einer Angst vor jeglicher Veränderung begründet ist – am besten alles so lassen, egal wie bedrückend die aktuelle Situation auch sein mag. Ich finde das Motto „Ich weiß nicht, ob es besser wird, wenn es anders wird, aber es muss anders werden, um besser zu werden“ eigentlich hilfreicher. ;-) Hier also der komplette Beitrag:
Seit Jahren versuche auch ich vergeblich, die Menschen in meiner Umgebung auf die zahlreichen Missstände in unserer Gesellschaft aufmerksam zu machen. Nicht mit langwierigen und theoretischen Erklärungen und Referaten, sondern ganz praktisch, indem ich Probleme ganz klar benenne und versuche, im Rahmen eines Gesprächs Ursachen zu finden und Lösungsansätze aufzuzeigen. Niemals belehrend oder von oben herab, sondern freundschaftlich und hilfsbereit.
Das Ergebnis ist leider so gut wie immer (in 99 Prozent aller Fälle), dass meine Gesprächspartner entweder an der Gesellschaft im Allgemeinen überhaupt nicht interessiert sind (das sind deutlich mehr als die Hälfte) oder sich auf den Standpunkt stellen, was kann ich allein schon machen?
Wenn man den resignierten Was-kann-ich-schon-machen-Typen dann aufzuzeigen versucht, dass sie schon durch kleine Veränderungen ihrer Gewohnheiten viel bewirken könnten, stellt man fest, dass sie in Wirklichkeit gar nichts ändern wollen. Sie werden in ihrem Verhalten vor allem durch Trägheit, Denkfaulheit und vor allem von der Furcht vor Veränderungen geleitet. Sie regen sich zum Beispiel nach einem Bericht im Fernsehen darüber auf, wie grausam Massentierhaltung, Tiertransporte und Schlachthöfe seien, wollen aber partout nicht auf den täglichen Aufschnitt, die Currywurst und das Putenschnitzel verzichten. Versucht man diesen Menschen dann deutlich zu machen, dass schon eine kleine Reduzierung des Fleischkonsums aller zu einer Verbesserung der Situation der Schlachttiere führen würde, benehmen sie sich wie Kinder, denen man den Lolly wegnehmen will. Der mitleidlose Egoismus setzt sich durch und sie schalten auf stur.
Die meisten Menschen sind meiner Erfahrung nach jedoch an der Gesellschaft im Ganzen im Grunde überhaupt nicht interessiert. Sie sind, euphemistisch gesprochen, intellektuell ganz einfach nicht in der Lage zu erkennen, dass auch sie auf die Gesellschaft in der sie leben angewiesen sind, und dass Missstände in dieser Gesellschaft über kurz oder lang auch sie selbst betreffen werden. Der Horizont dieser Menschen reicht nicht aus, um weiter als bis zum nächsten Urlaub zu blicken. Sie haben sich in ihrem Sklavendasein eingerichtet und bauen die uns in kleinen Dosen verabreichten Schweinereien ganz einfach in ihr tägliches Dasein ein. Es wird zwar hier und da gemurrt, aber eben auch ganz schnell vergessen – wenn der Wolf ein Schaf gerissen hat, schaut die Herde kurz auf und grast dann gemütlich weiter.
Ich habe jahrelang darüber gegrübelt, wie menschenverachtende Unrechtssysteme eigentlich so gut funktionieren können, wie es möglich war, dass im Dritten Reich Millionen Menschen umgebracht oder in den Tod getrieben wurden und alle dabei mehr oder weniger schulterzuckend zugesehen haben. Ich habe mich gefragt, warum die Verwaltung solcher Systeme so reibungslos funktioniert, warum die Menschen trotz des himmelschreienden Unrechts das um sie herum geschieht, bis auf ganz wenige Ausnahmen hundertprozentig ihre Arbeit machen.
Mittlerweile bin ich davon überzeugt, dass drei bestimmte negative Eigenschaften dafür verantwortlich zu machen sind, die praktisch jeder Mensch von Geburt an in sich trägt und die sich aufgrund der unterschiedlichen Sozialisation bei jedem Einzelnen verschieden stark äußern:
1.) Egoismus (wahrscheinlich biologisch bedingt, eine Art Überlebenstrieb)
2.) Opportunismus (Max Frisch schrieb einmal: „Opportunismus ist ein spontanes Verhältnis zur Realität.“)
3.) Trägheit (Veränderungen sind dem Menschen unheimlich, das kann man besonders gut bei Kindern beobachten)
Das Zusammenspiel dieser Eigenschaften, gepaart mit einer gehörigen Portion Rücksichtslosigkeit und Dummheit führen dazu, dass kaum ein Mensch in der Lage ist, zu erkennen, dass Altruismus auch ihm persönlich Vorteile bietet und damit seinen Egoismus befriedigt, dass eine Auflehnung gegen die herrschende Ordnung langfristig durchaus zu einer Verbesserung der persönlichen Situation führen kann, und dass Aktivität dazu führen kann, sich besser und wertvoller zu fühlen.
Leider scheint die Fähigkeit, nachzudenken, bei den meisten Menschen schon in sehr frühen Stadien ihrer Entwicklung verlorenzugehen. Dies liegt meiner Meinung nach eindeutig daran, dass es die Herrschenden geschafft haben, die Menschen weitgehend unter ihre Kontrolle gebracht zu haben. Alle Bereiche menschlichen Lebens werden mittlerweile von irgendwelchen Organisationsstrukturen der sogenannten “Eliten” überwacht und manipuliert, die Medien pflanzen die entsprechenden Botschaften in die Gehirne und unsere Sprache gleicht immer mehr dem Orwell’schen Neusprech. Die Menschen plappern die täglich wiederholten Parolen bereitwillig nach und sind mittlerweile nicht mehr in der Lage, ihre persönliche Situation realistisch einzuschätzen. Darauf angesprochen fühlt sich ihr Unterbewusstsein ertappt und sie reagieren mit Aggressivität und Ausgrenzung.
Ich persönlich habe mit dieser Situation Frieden geschlossen. Ich weiß, dass ich meine Mitmenschen nicht zum Nachdenken bewegen kann, und schon gar nicht zu einer Veränderung ihres (Fehl-)verhaltens. Was ich persönlich tun kann, was tatsächlich in meiner Macht steht, das versuche ich umzusetzen. Ansonsten beschränke ich meine Rolle in unserer Gesellschaft auf die des Beobachters und manchmal auch auf die des Kritikers. Meine Nerven danken es mir!
Manche dieser Beobachtungen finde ich wirklich gut getroffen und ich kann sie nur bestätigen, allerdings sähe mein Fazit nicht so negativ-resigniert aus, da es mir in der Vergangenheit durchaus des öfteren gelungen ist, Menschen in meinem Umfeld auf Missstände aufmerksam zu machen und auch zu Änderungen anzustiften. Wie ich schon einmal z.B. bezüglich de „Spiels“ society conspiracy erwähnte, kommt es darauf an, sich zu wehren und immer wieder unverzagt andere, neue, „subversive“ Gedanken in seine Umgebung einfließen zu lassen. Natürlich schwenkt nicht sofort jeder ein und wacht auf, aber oft ist es ja schon ein Erfolg, wenn es einem gelingt, erste Zweifel an einem eigentlich für unveränderlich geltenden Zustand oder einem Image (z.B. einer Firma) zu wecken und bei dem einen oder anderen einen allmählichen Nachdenkprozess anzuregen. Manchmal sind es schon die kleinen Erfolge, die einen dann motivieren – wenn man es schafft, dass jemand ein paar Mal weniger zu McDoof oder Aldi geht, weil man sein schlechtes Gewissen geweckt hat. Wenn jemand nicht mehr einfach blind alles glaubt, was im Fernsehen oder der Zeitung steht. Wenn jemand unbequeme Fragen zu stellen beginnt. Usw. usf. Deshalb darf man sich auf keinen Fall entmutigen lassen, auch nicht von denjenige, die meinen, alles besser zu wissen und die uns IHRE destruktiven Meme („Widerstand ist zwecklos“, „Bringt ja doch alles nichts“, „Was kann ich schon ausrichten?“, „Es gibt keine Alternativen“ usw.) einflüstern wollen. Nö!
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