 Da es ja nun nicht gerade an der Tagesordnung ist, dass Konzernkritik im Fernsehen zur besten Sendezeit ausgestrahlt wird (statt auf einem Sendeplatz nach 23 Uhr verbannt zu werden), möchte ich auf die ARD-Markenchecks noch einmal eingehen – zwei der 45minütigen Dokus liefen bisher, in denen einmal Lidl und enmal McDonald’s „auf den Zahn gefühlt“ wurde. Ich hatte in meiner Ankündigung des Lidl-Checks ja schon gewisse Zweifel an der Härte und Tiefe der in solchen Sendungen anklingenden Kritik geäußert:
Da es ja nun nicht gerade an der Tagesordnung ist, dass Konzernkritik im Fernsehen zur besten Sendezeit ausgestrahlt wird (statt auf einem Sendeplatz nach 23 Uhr verbannt zu werden), möchte ich auf die ARD-Markenchecks noch einmal eingehen – zwei der 45minütigen Dokus liefen bisher, in denen einmal Lidl und enmal McDonald’s „auf den Zahn gefühlt“ wurde. Ich hatte in meiner Ankündigung des Lidl-Checks ja schon gewisse Zweifel an der Härte und Tiefe der in solchen Sendungen anklingenden Kritik geäußert:
… wobei man halt nie so weiß, was am Ende herauskommt, denn wenn sich  Fernsehsender mit Aldi, Lidl & Co. beschäftigen, werden meistens nur  Teilaspekte betrachtet, also die miesen Arbeitsbedinungen oder  Bespitzelungen o.ä. aber selten die fatalen Auswirkungen für die Umwelt  und die Gesellschaft als Ganzes, die durch die Billigspirale ausgelöst  werden. Aber vielleicht bildet die ARD-Sendung da heute eine löbliche  Ausnahme!
Gleich vorweg muss ich dazu sagen, dass ich mir die beiden besagten Markenchecks bislang nicht angeschaut habe (und dies wohl auch nicht mehr vor habe) – ich kenne aber die früheren „baugleichen“ Markenchecks, die vor einigen Monaten im WDR liefen (z.B. zu Aldi, IKEA und Ferrero), und ich habe jetzt einige Berichte und Kommentare zu diesen Sendungen gelesen, die meinen oben geäußerten Zweifel erhärten. Zum Beispiel schreibt der Spiegel in „Die öffentlich-rechtliche Burger-Wehr“:
(…) So gesehen ist der “McDonald’s-Check” also durchaus unbequem – auch  wenn ein ziemlich gerissenes Quoten-Konzept dahintersteckt: Der Film ist  Teil der Service-Reihe “Der Marken-Check”, in der die Versprechen  großer populärer Konzerne geprüft werden. Das heißt, die Macher können  mit kritischer Haltung auftreten – und gleichzeitig mit Namen klingeln,  die jedem geläufig sind. Dass die Rechnung aufgeht, bewies letzte Woche der “Der Lidl-Check”, den 6,3 Millionen Zuschauer sehen wollten. Für ein Doku-Format ist das eine echte Quotensensation.
Das Ergebnis kommt nicht von ungefähr – beim “Marken-Check” im Ersten  steht Infotainment vor investigativer Recherche, die Attitüde vor der  Analyse. So lässt sich der McDonald’s-Report an diesem Montag schwerlich  als lückenlose Beweisführung lesen, mit der dem Fast-Food-Riesen  Mitarbeiter-Ausbeutung und zweifelhafte Fleischverwertung nachgewiesen  werden kann. Vielmehr geht es darum, eine Art Diskussionsanstoß über die  Schnellfraßkultur und die ihr eigenen Verarbeitungs- und  Verbreitungswege zu geben. Eine ideale Rampe für einen  Gesellschafts-Talk wie Frank Plasbergs “Hart aber fair”, der am Montag  im Anschluss eine Diskussion unter dem Motto “Billig, schnell und fett –  machen Burger und Discounter unser Essen kaputt?” leitet.
So kommt der “McDonald’s-Check” als unterhaltsames Burger-Bashing  daher – echte Vergehen jenseits jener gegen den guten Geschmack können  allerdings nicht nachgewiesen werden. (…)
(…) Einen gewissen Respekt nötigt einem diese Primetime-Sendung dennoch ab.  In seiner aktuellen Werbe-Kampagne inszeniert sich McDonald’s als eine  Art Volksbildungsinstitut, das mit seiner Personalpolitik Kindern aus  bildungsfernen Haushalten den Karriereeinstieg ermöglicht. Die Bratstube  als Vorspiel zur Management-Laufbahn? Bei so viel Zynismus ist ein  etwas verkürztes Aufklärungsfilmchen wie “Der McDonald’s-Check” allemal  erlaubt.
So schön es ist, dass sich Fernsehschaffende tatsächlich mal die Machenschaften und teils dubiosen Methoden von Großkonzerne vorknöpfen und dies dann auch zur Primetime bringen – immerhin waren die beiden bisherigen Checks echte Quotenbringer für das ARD –, so gut es mir auch erscheint, dass so auf die etwas sanftere Art Zweifel an den sonst oft genug unterhalb des Amüsierbetriebsradars operierenden und sich in Imagekampagnen und Martketing blendend darstellenden Unternehmen unters Volk gebracht wird, so sehr muss man auch anzweifeln, ob hier nicht die Chancen auf tiefergehende Kritik mit weiterreichenden Folgen für die Firmen verschenkt werden. Bei der Doku über McDoof wäre beispielsweise zwingend anzumerken gewesen, unter welchen Bedingungen das Fleisch hergestellt wird, was dieses Ankurbeln von billigem Fleischkonsum für die Umwelt, für die Tiere, letztlich auch für die Menschen und die Vielfalt der Esskultur etc. bedeutet.
Eins ist klar – und hier zeigt sich mal wieder der schädliche Griff der Werbung auf eine freie Gesellschaft –, zu einem Frontalangriff auf besagte Großkonzerne kann man als Fernsehsender, der auch von den Werbekunden lebt, nicht blasen (man darf sich ja nicht den Ast absägen, auf dem man sitzt!). Da ist es dann doch besser, es bei einem mahnenden Zeigefinger zu belassen und die Menschen nicht zu sehr aufzuklären. Der Spiegel hakt hier in einem weiteren Artikel noch mal nach – „Info-Offensive – Quote machen mit Lidl, McDonald’s, H&M“:
Das Erste auf dem Verbraucherschutz-Trip: Mit der Reihe  “Marken-Check” über Lidl oder McDonald’s fährt die ARD Top-Quoten ein.  Trotzdem will der Programmchef seinem Publikum lieber nicht zu viele  konfrontative Reportagen zur Primetime zumuten. Eine Entscheidung  gegen die Zuschauer.
(…) ARD-Programmchef Herres ist über den Publikumserfolg selbst ganz hin und  weg: “Erwartet habe ich es nicht”, gibt er auf Anfrage von SPIEGEL  ONLINE zu. “Aber gehofft schon. Wenn man den Statistiken Glauben  schenken darf, kaufen 80 Prozent der Deutschen bei Discountern. Hier  geht es also um ‘Alltag’, um gelebte Erfahrung. Es ist die persönliche  Betroffenheit des Publikums, die zieht.” (…)
(…) Oder vielleicht doch? An vier Werktagen laufen auf der 20.15-Uhr-Schiene  ausschließlich fiktionale Formate, könnte man da nicht irgendwo  zwischen der Nonnen-Soap “Um Himmels Willen” am Dienstag und dem  Badelatschen-Schmonzes “Das Traumhotel” am Freitag in der Primetime ein  kleines Plätzchen für ein Info-Format finden? Wie wäre es zum Beispiel,  wenn man sich einfach von den B-Krimis, die den Donnerstagabend  verstopfen, freimachte?
Da dämpft der Programmdirektor lieber schnell allzu hohe Erwartungen:  “Nun haben wir ja die Primetime bereits am Montag ein Stück weit für  härtere Information geöffnet”, so Herres. “Aber auch Fiktionales und  Unterhaltungssendungen brauchen gute Sendeplätze. Großflächige  Veränderungen sind nicht geplant.”
Ab übernächster Woche ist dann also erst mal wieder alles wie gehabt  in der ARD-Primetime am Montag. Dann röhrt wieder das Kamel.
In der taz-Kolumne nimmt Josef Winkler kein Blatt vor den Mund und legt den Finger an die Wunde der Halb-Weichspül-Dokus – „Wortklauberei: Lidl-Dreck-Heckmeck“:
(…) Nach  35 Minuten Rumgeplänkel und Popanz mit Testkäufern, die mit Stoppuhren  in Supermärkte latschen, um zu “checken”, wie lang sie dafür brauchen,  irgendwelches Zeugs zu kaufen (Stichwort: “Stress im Laden”),  Billigmarmelade schleckenden Probanden, einem Verbraucherexperten, der  in einem “virtuell nachgebauten Lidl” erklärt, dass es psychologisch  total wichtig ist, wie das Gemüse präsentiert ist, weil der Kunde daraus  auf den Rest des Ladens schließt (Schlüsse aus dieser redundanten  Information wurden keine gezogen, und warum man einen virtuell  nachgebauten Lidl brauchte, blieb auch unklar, aber Hauptsache, der  Tricktechniker vom WDR war beschäftigt und ein Experte hat irgendwas  verzapfen dürfen) – nach knapp 35 Minuten Quasi-Dauerwerbesendung also  gings dann in den letzten zehn Minuten beim “Check”-Punkt “Fairness”  doch noch in die Vollen:
Auf einmal waren die Reporter in Bangladesch und  filmten mit versteckter Kamera in Fabriken herum, wo Frauen für 30 Euro  im Monat bis zu 16 Stunden täglich in einem bizarren Akkord, dass nicht  einmal Zeit zum Toilettengang bleibt, der aber eh hinfällig ist, weil  sie auch nichts essen und trinken dürfen (dafür kriegen sie dann wegen  der Mangelernährung Vitaminpillen von der mit deutscher  Entwicklungshilfe finanzierten medizinischen Versorgung), Klamotten für  Lidl und den europäischen Schnäppchenjäger nähen. (…)
Und dann waren wir wieder zurück beim “Lidl-Check” – beim Fazit der  Sendung. Die Reporterin hätte nun freilich die Zuschauer auffordern  können, Mistgabeln aus ihren Kellern und Garagen zu kramen und noch  diese Nacht gegen die örtliche Lidl-Filiale zu ziehen, diesen  gottverdammten Menschenschindern die Bude anzuzünden und sie zum Teufel  zu jagen, aber das wäre natürlich etwas wild. Sie formulierte es lieber  diplomatischer: “In Sachen Fairness bleibt viel zu tun.”
Genau. Und irgendwer wird das dann schon  irgendwie irgendwann tun. Oder anders gesagt: Wir sind dafür, dass sich  Lidl vorstellen könnTE, in Sachen Fairness noch viel zu tun. Sind wir  doch alle, oder? Man ist ja kein Unmensch.

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