Kategorie: Konsumkritik Seite 15 von 29

Lesetipps: WWF – das neue umweltfreundliche Dateiformat / Das beste Deo der Welt / Der Müll-Christbaum / Dead Drops

Das papierlose Büro – erinnert sich noch jemand an diese vollmundige 80er Jahre Zukunftsvision der IT-Industrie? Computer und ihr digitalen Speichermedien sollten der Zettelwirtschaft und Papierflut ein Ende bereiten und so letztendlich auch die Umwelt entlasten. Leider wurde nichts daraus, wie wir inzwischen wissen – in Büros werden heutzutage massenhaft E-Mails ausgedruckt und abgeheftet, Berichte in dicken Ordnern gestapelt und der Papierbedarf eher noch gesteigert. Gegen die Unsitte, jeden Klimperkram unbedingt auf Papier bannen zu wollen hat sich der WWF etwas ausgedacht – ein neues Dateiformat namens wwf, das quasi ein pdf ist, das man aber nicht drucken kann. So wird dem druckwütigen Empfänger also die Lust an der Papierverschwendung genommen. Dass dies natürlich für viele Inhalte nicht so sinnvoll ist, ist klar, aber für einige Anwendungsmöglichkeiten mag es doch als taugliches Format zu einsetzbar sein. Derzeit gibt es die kostenlose Software nur für den Mac, andere Systeme werden alsbald folgen.

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Reverend Billy & The Church of Life After Shopping

Shopping. Ist es nicht der eigentliche Sinn des Lebens, macht es nicht mehr Spaß als alles andere, ist es nicht viel wichtiger als all die anderen langweiligen Aspekte des Daseins? Nein. Allerdings muss man schon den Eindruck bekommen, das Shoppen die vorrangigste Aufgabe des Konsumbürgers, wenn man in den Medien unisono die als Jubelmeldung verbreite frohe Kunde hört, dass „das Konsumklima“ wieder freundlicher geworden sei und alles bergauf gehe, weil die Leute wieder konsumieren, als hätte es nie eine Finanzkrise gegeben (und als könnte sich die Menschheit die Planeten, die sie für die Ressourcen ihres Expansionswahns benötigt, ebenfalls in der Mall um die Ecke kaufen).

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Gastbeitrag: Werbung verhindern

Ich freue mich, Euch heute nach längerer Pause mal wieder einen Gastbeitrag präsentieren zu dürfen. Er stammt von Christian Böttgenbach und heißt „Werbung verhindern“. Regelmäßige Leser meines Blogs wird die eine oder andere These des Textes durchaus bekannt vorkommen, vertrete ich doch ähnlich kritische Ansichten zur Reklamebeschallung heutiger Tage.

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Werbung verhindern

Werbung kann nerven und manipulieren. Sie kann auch gefährdend sein. Bewegliche Reklame im Straßenverkehr und die aufreizend tiefsinnigen, hypnotischen Wahlplakate führen zu Unfällen. Werbung destabilisiert labile Menschen, denn sie informiert nicht, sondern vermittelt Stimmungen und Lebenshaltungen. Sie gibt Ziele vor, die nicht die eigenen sind. Es ist eine Wissenschaft geworden, wie dabei das kritische Bewußtsein umgangen wird. Den Vogel schießt die Werbewirtschaft selbst ab, die mit dem Spruch „Werbung schafft Vielfalt“ das Gegenteil der tatsächlichen Wirkung von Werbung behauptet. Denn Werbung schafft Einfalt, indem wenige große Marken die natürliche Vielfalt verdrängen möchten.

Ohne weiter in die Tiefe zu gehen, entsteht das Bild einer Bedrohung durch Werbung. Die gesellschaftlich üblichen Wege zur Lösung des Problems wie neue Verordnungen, Petitionen und Beschwerden helfen auch hier nicht weiter, denn die Werbetreibenden haben Geld und üben damit beherrschende Macht aus. Also sind wir machtlos.

Wogegen kämpft denn die Werbeindustrie? Gegen unser (kritisches) Bewußtsein! Dort liegt also die Macht, Werbung aufzulösen. Das Bewußtsein hinterfragt, woher das Geld für die Werbung kommt. Es wird für Werbung aufgebracht durch den Glauben oder die Erfahrung, dadurch Marktanteile und letztlich Gewinne (auf Kosten anderer) erzielen zu können. Der Verursacher für Werbung bist also Du, indem Deine natürliche Neugierde sich den Werbebotschaften unterbewußt öffnet und im Augenblick der Kaufentscheidung Dein Gefühl manipuliert. Da nützt auch kein Widerspruch, denn ohne nachweisbare Wirksamkeit gäbe es keine Massenwerbung.

Unser Unterbewußtsein können wir ab sofort einfach für uns einsetzen, statt es Fremdbestimmen zu lassen: Ich habe als 16-jähriger nach ausführlicher Beschäftigung mit Werbung beschlossen, es mir einfach zu machen und prinzipiell all das nicht zu kaufen, wovon ich öffentliche Werbung sehe. Damit lebe ich seit Jahrzehnten sehr gut, es ist einfach und es wirkt. Wenn auch andere auf diesen Gedanken kommen, lohnt sich Werbung nicht mehr, sondern im Gegenteil, sie wird zunehmend ein negatives Produktmerkmal und damit kontraproduktiv für die Werbenden.

Nun bitte ich darum, ehrlich zu prüfen, bei wem eben ein „ja aber es gibt doch auch gute Produkte, für die geworben wird“, auftauchte. Da meldet sich dann das kritische Bewußtsein plötzlich, man will ja nicht pauschalieren, sondern prüft immer selbst und so weiter. Das will ich nicht verurteilen, auch ich habe eine einzige kleine gelegentliche Ausnahme. Aber man macht sich leicht viel Arbeit damit, anstatt den Aufmerksamkeitsdiebstahl durch aufgedrängte Werbung einfach für sich zu beenden.

Infoliner

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Heute geschlossen – Kaufen Sie nichts!

Wie mittlerweile jeder wissen sollte ist heute, am 27. November, internationaler Buy Nothing Day (siehe HIER und HIER). Erfreulicherweise hat sich auch das für meinen Geschmack leider oft etwas zu LOHAS-nahe Nachhaltigkeitsprotal Utopia dem Thema angenommen und mit „Heute geschlossen – Kaufen Sie nichts!“ nicht nur einen lesenswerten Einleitungsartikel zu der Aktion geschrieben, sondern auch eine nette Produktgalerie von verschiedenen Nichts-Varianten erstellt. Sehr amüsant!

(…) Gerade die kommenden Wochenenden arten für viele Menschen in reine Shopping-Exzesse aus. Jeder kennt die Bilder von mit Einkaufstüten bepackten Menschenmassen, die sich durch die Innenstädte schieben. Für viele heißt Weihnachten einfach nur Einkaufen bis zum Umfallen: Geben um noch mehr zu Bekommen. Ein Zustand, der den Aktivist und Künstler Ted Dave im Jahr 1992 auf die Idee brachte, in Vancouver den „Buy Nothing Tag“ ins Leben zu rufen. (…)

(…) „Alles in der Wirtschaft ist darauf angelegt, heute, jetzt, hier, sofort etwas zu kaufen. Ich war davon völlig erschöpft und dachte, vielleicht ist es eine gute Idee, endlich einmal eine Shopping-Pause einzulegen“, sagte Initiator Ted Dave damals. Er beschloss, einen Tag im Jahr festzulegen, an dem Menschen nichts kaufen sollten. Ted Dave suchte sich dafür den letzten Samstag im November aus. In Nordamerika ist dies der Tag nach Thanksgiving (Ernte-Dank-Fest) und zugleich auch der Beginn der langen Einkaufswochenenden für Weihnachten. Er entwarf ein paar Poster, die er in Vancouver und Umgebung plakatierte – heute ist seine Aktion weltweit wichtig und bekannt. (…)

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Aktion: EU will Tierversuchsverbot für Kosmetika ausbremsen!

© matchstick, stock.xchng

Über den VeganBlog (eine interessante Anlaufquelle für alle, die sich über Veganismus und Vegetarismus informieren möchten) bin ich auf eine aktuelle Unterschriftenaktion aufmerksam gemacht worden, die ich an dieser Stelle unbedingt weiterempfehlen möchte – „EU will Tierversuchsverbot für Kosmetika ausbremsen!“:

Ab März 2013 soll das Verkaufsverbot der EU für Kosmetika, deren Inhaltsstoffe im Tierversuch getestet wurden, endgültig und ohne Ausnahmen in Kraft treten. Jetzt macht aber die Kosmetikindustrie Druck und drängt die EU-Kommission, diese Frist um unbestimmte Zeit zu verlängern, weil es angeblich bis März 2013 nicht machbar wäre, für alle vorgeschriebenen Tierversuche auf dem Gebiet der Kosmetik Ersatzmethoden zu entwickeln.

Dies ist aber ein Märchen, denn im Prinzip ist es nur eine Frage des Geldes, ob schnell genug die entsprechenden Alternativmethoden entwickelt werden können. Die Konzerne möchten dieses Geld lieber nicht ausgeben und malen deshalb den Teufel in Form drohender Sicherheitslücken für die Verbraucher an die Wand! Denkt man aber mal kurz über die eigentliche Fragestellung nach, kommt man schnell zum Knackpunkt: Alle existenten Kosmetika, die derzeit auf dem Markt sind, sind bereits geprüft und für den Verbraucher unbedenklich! Die vorgeschriebenen Sicherheitsprüfungen beziehen sich nur auf neu entwickelte Inhaltsstoffe und Produkte, diese wiederum dienen natürlich dem Profit der Konzerne (Stichwort „Innovation“).

Und hier sollte sich wohl jeder von uns mal in einen Drogeriemarkt seiner Wahl stellen, den Blick über die prall gefüllten Verkaufsregale schweifen lassen, und sich fragen: „Brauche ich wirklich noch mehr Produkte, wenn für jedes Einzelne Tausende von Tieren auf grausame Art und Weise zu Tode gequält werden?“

Wer die Antwort darauf genau so einfach findet wie wir, der beteilige sich bitte dringend an unserem Aktionsaufruf zur Europäischen Kosmetikrichtlinie: www.peta.de/eukosmetik!

Also, bitte alle mitmachen, um den Schwachsinn zu stoppen. Dass die ganzen Industriekosmetika allen Tierversuchen zum Trotz alles andere als ungefährlich und gesundheitsfreundlich sind, hat ja auch Annie Leonard in ihrer „The Story of Cosmetics“ aufgezeigt. Mehr von diesem chemischen Müll braucht wirklich niemand.

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Einladung zur Veranstaltungsreihe um den Kauf-Nix-Tag (in Dresden)

Wie ich letzte Woche schon anmerkte, ist am 27. November internationaler Buy Nothing Day, ausgerufen vom kanadischen Adbusters Magazin. In Deutschland findet der „Kauf-Nix-Tag“ traditionell nur begrenzt Anklang – umso erfreuter war ich, also ich gerade eine Pressemitteilung einer Dresdner Gruppe rund um den dortigen Umsonstladen erhielt, die für diesen Tag in Dresden diverse Aktionen planen. Natürlich veröffentliche ich diesen Text an dieser Stelle auch gerne:

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Einladung zur Veranstaltungsreihe um den Kauf-Nix-Tag
Dresden, 22.10.2010. Am 27. November findet der 18. Internationale Kauf-Nix-Tag statt. Auch in Dresden möchte eine freie Gruppe Engagierter kreativ und kritisch auf diesen Tag aufmerksam machen. Mit Filmen, Straßentheater, Chorgesängen, kostenlosem Essen, T-Shirtgestaltung und einem Radiobeitrag laden die Akteure interessierte Menschen ein, sich mit Konsumkritik und Ansätzen alternativer Lebensformen auseinanderzusetzen!

Das Programm:

  • Film- und Diskussionsabend am Donnerstag, 20:00 Uhr in der Veränderbar, Görlitzerstr. 42, Hinterhaus
  • Konsumtempel-Anbetungen und politischer Chor am Freitag, ab 17:00 Uhr, Wiener Platz
  • Umsonst-Volxsküche, Textilgestaltung und Film am Samstag, ab 17:00 Uhr im Umsonstladen im Sonnenhof, Alaunstr. 68
  • Radiobeitrag am Sonntag, ab 20 Uhr auf coloradio Dresden

Für Interviews und Rückfragen stehen zur Verfügung:

Gruppe Kauf-Nix-Tag DD, Mail: konsumglobal_dd@gmx.de
Das ausführliche Programm findet sich auf: http://umsonstladen.fueralle.org

Hintergrund: Internationaler Kauf-Nix-Tag

Der Kauf-Nix-Tag (Buy Nothing Day) ist ein konsumkritischer Aktionstag.

Seit 1992 wird dieser Tag am letzten Samstag im November organisiert, in einigen Ländern auch einen Tag früher. In bereits über 80 Ländern wird in jedem Jahr Ende November versucht Menschen dazu zu bewegen, über die Konsequenzen des westlichen und vor allem ihres eigenen Konsumverhaltens nachzudenken.

Initiiert wurde der Tag in den neunziger Jahren von einer medien- und konsumkritischen Gruppe um Kalle Lasn, den Mitbegründer der kanadischen Adbusters Media Foundation in Vancouver.

Der Zeitpunkt für den Aktionstag ist gut gewählt: Der Buy Nothing Day folgt immer auf den amerikanischen Feiertag Thanksgiving und gilt traditionell als der größte Einkaufstag des Jahres. Der Buy Nothing Day wendet sich auch dem vorweihnachtlichen Einkaufs-Stress zu.

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Der 27. November ist Buy Nothing Day 2010

>> hier geht es zum aktuellen Artikel über den Buy Nothing Day 2012!

Alle Jahre wieder… kommt nicht nur das Christkind auf die Menschheit hernieder, sondern auch der potenzierte Konsumterror durch die Weihnachtsfeiertage. Und mit ihm seit einigen Jahren der vom kanadischen Adbusters Magazin ins Leben gerufene Buy Nothing Day. Weltweit werden wieder Aktivisten konsumkritische Aktionen und Happenings veranstalten und viele Menschen durch Kaufverweigerung daran teilnehmen. Wie jedes Jahr stelle ich den BND, der diesmal in Europa auf den 27. November (USA 26. November) fällt, auch in meinem Blog vor – damit ich mich nicht jedes Jahr wiederholen muss verweise ich einfach auf meine Artikel zum BND 2009 und 2008.

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The Story of Electronics – So funktioniert die HighTech-Industrie

Na, das ging ja jetzt flott – nur wenige Wochen nach The Story of Cosmetics präsentiert uns die US-Aktivistin Annie Leonhard mit The Story of Electronics eine weitere animierte Kurzdoku im Rahmen ihres ambitionierten The Story of Stuff-Projekts. Der gleichnamige Film, mit dem die Reihe letztes Jahr begann, zeigte auf amüsante wie gleichzeitig eindrückliche Weise, wie unser Wirtschaftssystem die Umwelt zerstört, wie Marketing & Reklame die Gesellschaft zersetzen und unser gifitiger Müll Natur wie Menschen belastet. Der neue Beitrag behandelt nun eine weitere Facette unseres modernen Lebens – unsere Abhängigkeit von elektronischen Gadgets (ohne die Ihr allerdings auch weder den Kurzfilm noch meine Zeilen hier lesen könntet) und die Umweltsauereien, die die Produktion dieser oft nur kurzlebigen Produkte nach sich zieht, deren Wegwerfcharakter durch das Anheizen von Moden, Hypes und Trends durch die Unternehmen natürlich noch verstärkt wird.

The Story of Electronics, released on November 9th, 2010 at storyofelectronics.org, takes on the electronics industry’s “design for the dump” mentality and champions product take back to spur companies to make less toxic, more easily recyclable and longer lasting products. Produced by Free Range Studios and hosted by Annie Leonard, the eight-minute film explains ‘planned obsolescence’—products designed to be replaced as quickly as possible—and its often hidden consequences for tech workers, the environment and us. The film concludes with an opportunity for viewers to send a message to electronics companies demanding that they “make ‘em safe, make ‘em last, and take ‘em back.”

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Surftipp: Konsum-los.de

Ich bin ja immer hocherfreut, wenn es in der Reihe der konsumkritischen Blogs einen Neuzugang gibt, um auch diesen Stimmen in der Gegenöffentlichkeit stärker Gehör zu verschaffen. So möchte ich Euch heute den Blog www.konsum-los.de wärmstens ans Herz legen – Simplicita, die den Blog Anfang der Woche gestartet hat, studiert Umweltwissenschaften und Wirtschaftspsychologie und ist u.a. durch Auslandsaufenthalte in Indien ins Grübeln gekommen, ob die Form des Konsumismus, wie wir ihn in unseren Breiten hemmungslos ausleben, wirklich glücklich macht und sinnstiftend ist. Ich kaufe, also bin ich? Simplicita zweifelt dies an und will 100 Tage lang ihre Konsumgewohnheiten radikal verändern, um durch Verzicht (und der damit verbundenen Reflektion über das bisherige eigene Konsumverhalten) aus dem zwanghaften Hamsterrad von krampfhaftem Geldverdienen, um sich dann ein wenig Entspannung kaufen zu können, zu entrinnen. In ihrem Artikel „Warum?! – weltlich“ stellt sie in hervorragender Weise ihre Beweggründe dar und gibt gleichzeitig eine pointierte Analyse dessen, was in unserer konsum- und marketinggetriebenen Welt alles schief läuft. Lest Euch diesen Beitrag unbedingt mal durch – er ist zwar lang, aber es lohnt sich! Ich werde ihn auch als Referenzartikel zu dem Thema in meine Wissensbasis aufnehmen. Hier ein paar Auszüge:

(…) Doch während wir Tag für Tag Alltags-Produkte, von Zahnpasta über Haargel, Schokoaufstrich und Reiniger konsumieren, sind unsere Möglichkeiten stark beschränkt, mehr Bewusstsein über die Auswirkungen unseres Handelns zu erlangen. Die Bäume unseres Papiers werden nicht vor unserer Haustür gefällt, das Öl nicht im Nachbarsgarten gefördert und auch das Wäldchen nebenan läuft keine Gefahr, in eine Palmöl-Monokultur-Plantage verwandelt zu werden.Wir leben in einem Zeitalter unserer Gesellschaft, in dem wir abgetrennt von der Geschichte unserer täglichen Güter sind. Beinahe unschuldig blicken wir wie durch eine verspiegelte Scheibe. Essen wir ein Brot mit besagtem Schokoaufstrich, bringt uns nichts dazu, darüber nachzudenken, wo das Kakaopulver herkommt. Genauso wenig wissen wir irgendetwas über die Herkunft der über 60 verschiedenen Stoffe, die zur Herstellung von konventionellem Glas benötigt werden. Wir wissen auch nicht, woher die Energie stammt, mit denen die Glasöfen, die das Glas des Schokoaufstrichs formen, befeuert wird – ob Kohle oder Atomstrom! Wir wissen nicht, in welchem Land der Strom erzeugt wurde, unter welchen Umweltbedingungen die Kohle abgebaut wurde oder der radioaktive Müll gelagert wird. Wir wissen nicht, wie viel Trinkwasser im Verlauf der Produktion in eine gesundheits-gefährdende Flüssigkeit verwandelt wurde, wie viel Beamte wegen Kinderarbeit bestochen wurden, und wir haben keine Ahnung wie viel Öl für den Transport der einzelnen Bestandteile aus einem ehemaligen Regenwaldgebiet gefördert wurde. Wir wissen es nicht und können es auch nicht wissen. Leider führt die Kette der Ahnungslosigkeit in unserem heutigen Wirtschaftssystem noch weiter, denn auch Ferrero, der Hersteller von Nutella, kann die meisten dieser Fragen nicht beantworten. Lange Ketten der Wertschöpfung und komplizierte Stoffströme erschweren uns täglich das Ausmaß des Ressourcenverbrauchs zu begreifen. (…)

(…) Wenn die Möglichkeiten des Neukaufs eingeschränkt sind, wird Kreativität entfesselt, wie wir mehr untereinander teilen können. Was einem Menschen wertlos erscheint, kann der andere perfekt gebrauchen. Je spezialisierter und aufwendiger verarbeitet ein Produkt (in Bezug auf Farbe, Form, Design etc. desto geringer die Wahrscheinlichkeit, dass es jemand anderem gefällt oder nützlich ist). Viele unserer Alltagsgebrauchsgegenstände, von Bohrmaschine über Spätzlereibe können mit Freunden und Nachbarn geteilt werden. (…)

(…) Wer sich mit Konsum-losigkeit und Grenzen des Wachstums befasst, landet gerne vor der Mauer des Arguments „Konsum ist Kultur.“ Denn Fakt ist, dass Konsum in unserer Kultur fest verankert ist. Er ist gesellschaftlich akzeptiert wie verwurzelt. Ob Arbeit, soziale Kontakte oder Unternehmungen in der Freizeit, vieles erscheint ohne die Verbindung zu Konsum schwer vorstellbar. Beispiele dafür liefert das alltägliche Leben viele: der Kinogang mit der Familie, das Treffen mit der Freundin zum Shoppen oder der Kurzurlaub in einer europäischen Stadt. Für viele konsumlose, spontane Aktionen wie Volleyballspielen im Park oder gemeinsamen saisonalem Kochen haben Menschen mit straffem Terminplan keinen Freiraum mehr. Auch Freiräume im stadt-geograhischen Sinne, d.h. Orte, die nicht kommerziell genutzt werden, wo Menschen sich aufhalten können ohne zu konsumieren, sind rar in deutschen Städten. Solche Freiräume unterstützen kreative Schaffensprozesse, Selber machen, Ideen entwickeln und gemeinsam umsetzen.

Konsum erleichtert Integration und vermittelt oft ein Gefühl von Zusammengehörigkeit. Niemand mag das Gefühl ausgeschlossen zu sein. Aus diesem Grund lassen sich viele treiben vom Strom neuer Angebote, Trends, Technologien, um das Gefühl zu haben, ein Teil der Gesellschaft zu sein. Das ist besonders wichtig, weil unsere sozialen und familiären Auffangnetze in Deutschland nicht so stark sind wie anderswo. Von Kopf bis Fuß ausgestattet wie der „mainstream“ kann niemand etwas „falsch“ machen. Wer „mithalten“ möchte, folgt dem Tempo in dem neue Produkte auf unsere Märkte schwemmen, kleidet sich entsprechend der neuen Mode. Neuer, moderner, schneller, größer und seit neuestem auch gerne umweltfreundlicher. Konsum, als eine Ausprägung von Passivität, ist es dennoch. (…)

(…) „Ein hoher Verkauf der Seele bringt auch viel Geldscheine“, so könnte mensch zynisch sagen – Geld, mit dem neues Eigentum erworben kann. Besitz- und Eigentum sind Dinge, die mir als Individuum gehören und über die ich frei verfügen kann, wenn schon der Alltag einer Vielzahl von „Ich muss“ – Zwängen unterliegt. Die Kehrseite vieler hoher Investitionen ist dabei: Sie verringern die eigene Lebensflexibilität und – mobilität. Spontane Reisen, Mitarbeit in Projekten, Praktika an spannenden Orten und andere neue Lebenspläne sind schwerer zu verwirklichen. Mehr Eigentum bedeutet häufig weniger Freiheit. Viele Kostenpunkte entstehen erst durch einen modernen, konsumintensiven und ressourcenverbrauchenden Lebensstil: Wer heute auf Kosten seiner eigenen Gesundheit lebt, sollte vielleicht wirklich in eine Krankenversicherung für die Zukunft investieren. Ein chronisch müder Pendler ist sicher generell dankbar für eine Vollkasko-Autoversicherung und ein Haus voll wertvollem Eigentum möchte natürlich gegen Diebstahl versichert sein. Ein hoher Strom- und Wasserverbrauch, Handyrechnung, Zeitungsabo und die Mitgliedsbeiträge von Fitnessstudio, Videothek & Co treiben die monatlichen Kosten weiter in die Höhe. Ein Mensch, der viel Geld ausgibt, könnte glatt auf die Idee kommen, er wäre gezwungen Vollzeit zu arbeiten. (…)

(…) Wer einmal in anderen Kulturkreisen gelebt hat, begegnet in Deutschland oft dem Menschenbild einer perfekt geölten, funktionierenden und selbstverständlich hocheffizienten Maschine, die mit „führender Technologie“ ausgestattet ist. Das verkniffene Lächeln sitzt immer, für nachlassende Konzentration gibt es Kaffee, für einen schlechten Tag Schokoriegel, für ungesundes Essen Vitaminpillen, für Kopfschmerzen Aspirin und für Sorgen in der Nacht Schlaftabletten.

Ich ertappe mich als nur eines vieler Opfer immer wieder dabei, mich von Leitbildern, die durch Werbung und Medien in die Gesellschaft getragen werden, verunsichern zu lassen. Dicke glänzende Haare, glatte Beine und lange Wimpern soll Frau haben. Eine lange, wilde, anstrengende Nacht soll man mir am Besten gar nicht erst ansehen. Viele Menschen, die ich beobachte, scheinen sich immer wieder nach dem Motto zu richten: „Wenn innen alles fault und modert, soll wenigstens die Fassade glänzen.“ (…)

Ich kann nur empfehlen, regelmäßig auf Leas Blog vorbeizuschauen, da sie dort ihren Weg hin zu einem einfacheren Leben darlegt und sicherlich auch manch anderem Denkanstöße vermittelt.

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André Gorz über unsere aufgeblasene Warenwelt

Vor einigen Tage entdeckte ich beim kopflast.net-Blog den ausgesprochen sehenswerten Beitrag „Wenn der Konsum kollabiert“, in dem der österreichische französische Philiosph und Kapitalismuskritiker André Gorz mit seinen Ideen vorgestellt wird. Der gesamte Beitrag der 3sat-Sendung Kulturzeit geht der Frage nach, ob unsere derzeitige Konsumgesellschaft, in der angefacht durch Marketing und Medien „immer neue Moden ein Veralten von Produkten suggerieren“ und so das Wegwerfen und Neukaufen von Produkten anregen, auf Dauer Bestand haben kann. Oder ob nicht ein einfacheres Leben mit geringerem externen Arbeitsdruck, höherer Selbstverwirklichung und niedrigerer Abhängigkeit von Trends und Marken (und dem damit verbundenen Konsumdruck) letztlich erfüllender sein kann.

NACHTRAG: In diesem Nachruf aus der Zeit aus dem Jahre 2007 erfährt man noch ein wenig mehr über André Gorz (und seinen Freitod) – „Über den Tod hinaus“.

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