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Das Pharma-Kartell

Am Dienstag letzter Woche gab es eine der seltenen Sternstunden des deutschen Fernsehens – das ZDF-Magazin Frontal 21, dessen konzern- und politikkritischen Beiträge auch sonst meist sehr zu empfehlen sind, brachte ein 45-minütiges Special über die unheilige Allianz von Politik und Pharma-Industrie/-Lobby: Das Pharma-Kartell – Wie Patienten betrogen werden.

Drastisch und ungeschönt wird uns hier vorgeführt, wie die Pharmariesen wie Lilly vor Korruption nicht zurückschrecken, um ihre Interessen durchzusetzen, und dabei auch leichtfertig die Gesundheit der Menschen aufs Spiel setzen. Ebenfalls Gänsehaut löst es aus, wenn man sieht, wie die Presse (in dem Beitrag z.B. die ach so seriöse Apotheken-Umschau, aber auch die Vogue und andere Verlage/Magazine) gerne Geld entgegen nimmt, um dann positiv über gewisse Mittel zu berichten etc. (Ein Grund mehr, diese ganze Verdummungspresse, die einem da so am Zeitschriftenstand entgegengrinst, links liegen zu lassen.) Soviel zur „freien Marktwirtschaft”… Schaut Euch diese Sendung mal an, sie steht stand kostenlos in der ZDF-Mediathek zur Verfügung und zum Glück immer noch bei YouTube.

Auf ein paar inhaltliche Schwächen in dieser Dokumentation geht der Blog „Stationäre Aufnahme” näher ein.

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Kompliment an die Blogleser

Dieser Hinweis in eigener Sache sei gestattet – ich bin doch sehr erfreut darüber, dass immerhin gut 50% der Leser mit Firefox (in seinen verschiedenen Varianten) unterwegs sind, weitere jeweils 6% mit Opera und Safari, während der virulente Internet Explorer mit ca. 35% doch erstaunlich dürftig abschneidet – das sah vor einigen Jahren noch ganz anders aus, die Microsoft-Dominanz scheint hier endgültig gebrochen zu sein. Warum überhaupt noch jemand den IE benutzt (abgesehen von den Menschen, die von ihrer Firma dazu verdonnert werden; sowas gibt’s tatsächlich, bspw. bei Siemens), ist mir ohnehin nicht ergründlich…

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The Consumer Paradox – Die Zufriedenheit der Menschen hängt von ihrem Konsumverhalten ab

[Dieser Artikel stammt wieder von meinem geschätzten Gastautoren D. Anger.]

Am 8. Dezember dieses Jahres verwies Peter auf einen sehr guten Film über die Produktion vieler bewusst kurzlebiger Verbrauchsgüter, namens The Story of Stuff. Darin taucht ein interessanter Gedanke auf: Je mehr ein Mensch konsumiert, desto unzufriedener wird er. Das Phänomen bezeichnen US-amerikanische Forscher als „The Consumer Paradox”, hierzu gibt es bereits verschiedene Studien, beispielsweise die Kollaboration der US-Universitäten von Illinois und Minnesota. Auch der britische Professor Richard Layard von der London School of Economics befasst sich bereits seit einiger Zeit mit diesem Thema.

Bei diesen Studien fanden die Forscher heraus, dass ein Hang zum Materiellen nicht nur mit einem schwach ausgeprägten Selbstwertgefühl korreliert, sondern sogar ursächlich für die geringe Eigenwertschätzung sein kann. Als Gegensatz konnte beobachtet werden, dass das Selbstwertgefühl einer Person steigt, wenn sie sich weniger von Materiellem abhängig macht.

Dies ist ein Paradoxon auf zweierlei Weise:

  • Zum einen denken sehr viele Verbraucher, dass es ihnen besser ginge, wenn sie nur ein bisschen mehr verdienten. Schließlich könnten sie sich dann den teuren Fernseher, den schicken Anzug, den neuen Computer, die Schönheitsoperation oder etwas Ähnliches leisten. Der Kauf soll dann die harte Arbeit entlohnen; man hat sich dieses oder jenes „verdient”.
    Ein „bisschen mehr verdienen” geht aber in der Regel mit längerer Arbeitsdauer und höherer Verantwortung einher. Beides sind Faktoren, die für viele Menschen belastend wirken, wenn sie über eine längere Zeit diesen Faktoren ausgesetzt sind. Somit sinkt ihre Zufriedenheit, obwohl sie durch Geld und Einkäufe doch angeblich steigen sollte.
  • Zum anderen gilt das „Ankurbeln der Binnenkonjunktur” als Allheilmittel in konjunkturell schwierigen Zeiten. Wenn Einnahmen von Staat und Wirtschaft sinken, weil die Menschen ihr Geld lieber sparen, anstatt es auszugeben, machen sich eine Reihe angeblich kluger Köpfe auf und entwickeln Maßnahmen, die die Menschen zum Konsum bewegen sollen.
    Über „Konsumgutscheine” wird ebenfalls nachgedacht, obwohl diese Maßnahme sehr umstritten ist, da das der Allgemeinheit zur Verfügung gestellte Geld ohnehin vom Steuerzahler stammt und schließlich auch von diesem wieder eingeholt werden muss.
    Auch wenn die erdachten Maßnahmen zum gewünschten Ergebnis führen, ist der dafür gezahlte Preis höher, als es die Statistik am Ende zeigt. Die Zufriedenheit weiter Teile der Gesellschaft nimmt weiter ab, mit den möglichen Konsequenzen von beispielsweise mehr Depressionen und mehr Suchtkranken. Die Umwelt wird stärker belastet, weil beim Anstieg der Verkäufe auch mehr schädliche Produkte erworben werden. Die Belastung der Umwelt führt ebenfalls zu einer steigenden Unzufriedenheit innerhalb der Gesellschaft. Die Ausbeutung billiger und stets verfügbarer Arbeitskräfte in Ostasien geht ungehindert weiter und nimmt womöglich zu. Der eigene Energieverbrauch erhöht sich, so dass auch diese Kosten ungeplant anwachsen.

So gilt es also – ganz egoistisch – der eigenen Zufriedenheit wegen, auf kurzfristigen Konsum zu verzichten. Der Besuch bei guten Freunden tut der eigenen Seele auch viel besser als ein neuer Fernseher. Und auch das eine oder andere Geschenk zur Weihnachtszeit darf gerne ein Taschenbuch und kein elektronisches Spielzeug sein. Es gilt, aus der Spirale der immer teureren und bunteren Geschenke auszubrechen und zu ein wenig Ruhe zu finden.

Diverse Quellen beschreiben, dass die Menschen vor 50 Jahren weniger Besitz als heute hatten, aber deutlich zufriedener waren. Man darf jedoch „weniger Besitz” nicht mit existenzbedrohender Armut oder dem Zustand eines kriegsversehrten Landes verwechseln. Es geht eher darum, das eigene Leben so zu vereinfachen, damit die wirklichen Freuden Zeit und Raum erhalten.

D. Anger

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Der Elektrische Reporter über Urheberrecht und Musikpiraterie

Der Elektrische Reporter ist ein Videopodcast des ZDF, in dem es u.a. um die „neuen Medien”, also das Internet und seine Anwendungsmöglichkeiten und -tücken geht. Die neue Folge heißt “Urheber 2.0: Jeder Nutzer ein Pirat?” und setzt sich mit den Bemühungen z.B. der Musikindustrie auseinander, ihre davonschwimmenden Felle mit Hilfe von stärkerer Überwachung durch die Internetprovider zu retten. Die in dem Podcast angesprochenen Pläne klingen sehr bedenklich, nämlich nach der totalen Überwachung des Datenverkehrs…!

Elektrischer Reporter – Urheber 2.0: Jeder Nutzer ein Pirat?
[via netzpolitik.org]

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Gastkommentar: „Die Zeit der Experten ist vorbei”

Dieser längere Artikel von Volker Viehoff erschien dieser Woche im wirsinddasgeld-Blog, und da ich ihn für sehr gelungen und auch erhellend für die derzeitige Verwirrung in Wirtschaft und Politik halte (und für eine gute Ergänzung zu meinen eigenen Überlegungen neulich), möchte ich ihn hier (mit freundlicher Erlaubnis) auch noch einmal in Gänze bringen.

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Die Zeit der Experten ist vorbei

Es sei „erschreckend“ gewesen, sagte Frau Maischberger, dass die Experten in Ihren Talkrunden ihr nichts wirklich  Erklärendes zu den Geschehnissen diese „Weltfinanzherbstes“ hätten mitteilen können.

Eine aufschlussreiche Mitteilung.

Es waren Experten, die dieses System kreiert haben. Und sie haben jeder ihren Teil dazu beigetragen, ohne ein Ganzes oder die Wirkungszusammenhänge des Ganzen noch zu überschauen. Die Laiendarsteller in diesem Drama hatten sich derweil in die trügerische und bequeme Sicherheit gewiegt, dass die Sache so kompliziert sei, das sie sowieso nur von Experten zu verstehen wäre.

Bezeichnend ist die vielgehörte Aussage von „Geldanlegern“, die im nachherein bekannten, gar nicht verstanden zu haben, in was sie denn da überhaupt ihr Geld angelegt hätten.

Wie kann so etwas passieren? Und wie kann dies offensichtlich weltweit geschehen? Welche Haltung kommt da langsam zutage und was ist das für einen seltsame  „Täter – Opfergemeinschaft“? Finanzkonstrukteure, die nicht mehr wissen, wie sich das auswirkt, was sie erschaffen, Anleger, die nicht mehr wissen, was sie kaufen und Vermittler, die nicht mehr wissen, was sie da durchgehandelt haben?

Dies scheint allen drei Akteuren (man müsste fast sagen: „Passeure“) gemein zu sein: Das Nichtwissen, vielleicht auch das Nichtwissenwollen dessen, was sie tun. Stattdessen sich leiten, besser: antreiben zu lassen von etwas, was man wohl so beschreiben könnte: Gewinnstreben ohne wirklichen Einsatz.
Was geht hier vor? Auf welchen Haltungen beruhen solche Handlungen?

Es wird bald offensichtlich, was sich hier zeigt: Ein eklatante Vermeidung, ein systematisches Aus-dem-Weg-Gehen dessen, was für wahrhaft menschliches Existieren doch unvermeidlich ist: Verantwortung zu übernehmen für die eigenen Handlungen oder Unterlassungen.

Die ganze Geschichte der Neuzeit als Vorläuferin der Moderne und dessen, worin wir uns gerade befinden, scheint sich in der Konsequenz unserer Tage unter einer Leitmaxime zusammen fassen zu lassen. Diese lautet in etwa: „Handle stets so, dass sich ein ( vermeintlicher ) Vorteil aus Deiner Handlung für Dich ergibt und vermiede alles, was Dich an die möglichen oder erahnten tatsächlichen Folgen Deines Handelns oder Unterlassens erinnern könnte.“ Ein kantiger Imperativ – mit verheerenden Auswirkungen.

Folgen einzelne Individuen dieser Spur ist das für sie selber in. der Regel bedauerlich; sind diese  „Neurotiker des Geistes“ dann in herrschender Stellung ist es für die davon  Betroffenen fatal. Handelt hiernach ein ganzes Zeitalter, ereignet sich, was gerade geschieht: Eine Katastrophe. Global.
Wie kommt so etwas zustande? Wie hat es sich entwickeln können, dass so eine „seelische Fehlhaltung“ zum öffentlich-unrechtlichen Allgemeingut wurde?

Es würde zu kurz greifen, zöge man nur die Geschichte des deutschen Scheiterns der Zwangskollektivierung 1933- 1989 hier zurate. Es stimmt zwar, dass die dort verordnete absolute Priorität des „Gemeinwohls“ – so wie es die Machthaber es verstanden wissen wollten – zu einer heftigen Reaktion nach Abschaffung der Tyrannei geführt haben. Die 5 Reichsmark Scheidemünze des 3ten Reiches zierte nicht nur Hakenkreuz und Hindenburgkopf, sondern am Rande stand der Satz zu lesen: „Gemeinnutz geht vor Eigennutz“.

Das derzeitige Geldgebaren ist wohl eher so zu umschreiben: Aus maximalem Eigennutz entsteht Gemeinwohl irgendwie von alleine. Was es dazu braucht, um so einer „Logik“ folgen zu können ist eine unheilvolle Vermengung von wissenschaftlicher Theorien, geschichtlichem Vergessen, diskursbestimmender  Pressebeherrschung, indoktrinierender Lobbyarbeit, und vor allem jede Menge individueller Bereitschaft  sein Leben mit einem Höchstmaß an  Unbewusstheit „zu führen“. Man müsste eher sagen: Führen zu lassen. Vom Sich-Führen-lassen dieser Art ist es nicht weit bis zum Verführt werden.

Die Frage ist: Wer verführt hier wen?

Dazu müssen wir näher an das Epizentrum dieses „Bewusstseinsbebens“ heran kommen. Vielleicht müssen wir uns  von einer  Vorstellung verabschieden, ohne die modernes Menschenbewusstsein scheinbar gar nicht auszukommen vermag: Es gibt Schuldige, das sind die anderen und hinter fast allem steckt eine verborgene Absicht von Unterdrückung und Beherrschung.

Die Sache liegt wohl tiefer, als wir bislang bereit waren anzuerkennen. Und das wohl aus – nicht gutem, aber – nachvollziehbarem Grunde.

Die Neuzeit hat dem Menschen glauben machen wollen, er könne sein Existenz selbstbestimmt, selbstherrlich und von daher willkürlich führen. Dazu müsse er „den Mut haben sich seines eigenen Verstandes zu bedienen“. Was anfangs nicht verraten wurde: Dafür braucht einige Generationen später der Einzelne Experten, die ihm erklären müssen, wie die Systeme, die sein Verstand sich ausgedacht hat und von dessen funktionieren er mittlerweile fast total abhängig geworden ist, denn überhaupt noch funktionieren.
Der derzeitige Medienstar der Genforscherszene beispielweise, Craig Vester, hat angemerkt dass „ die Bevölkerung  es sich deshalb auch nicht mehr leisten (kann), die Wissenschaften nicht zu verstehen: Wenn du kein wissenschaftliches Verständnis hast, während unsere Zukunft gleichzeitig komplett auf wissenschaftlichen Erfolgen aufbaut, dann überlässt du anderen die Gestaltung deiner eigenen individuellen Zukunft. Das sind beängstigende Aussichten.“

Wenn das schon ein „ausgewiesener Experte“ von sich gibt – was heißt das aber für die Verlässlichkeit von Expertentum überhaupt? Galten Experten zwar lange schon als ein wenig seltsam, mitunter  auch als krude Fachidioten, so hat man ihnen dennoch nicht abgesprochen „etwas zu verstehen“, was letztlich von Belang oder sogar von existentieller Bedeutung ist. Was sich aber jetzt zeigt ist, dass die Experten von dem, was wir meinten, dass sie es verstünden ( und beherrschen!) selber keine Ahnung mehr zu haben scheinen.

Das ist allerdings eine beängstigende Vorstellung, mehr – eine erschütternde Tatsache. Die „Finanzkrise“ ist nur Symptom. Sie steht, als wirksam gewordener Ausdruck für unsrem Umgang mit dem „Lebensmittel Geld“ stellvertretend für eine tiefwurzelnde Fehlhaltung, eine grundlegendes Missverstehen unsrer Existenz als Mensch.

Da tut sich der wahre Abgrund auf.

Wenn davon gesprochen wird, dass  weltweit „das Vertrauen“ der Marktteilnehmer ineinander  verloren gegangen sei, ist das doch also nicht nur ein Manko, ein Problem, dass es schnell zu lösen gelte. Es ist – fast möchte man sagen – eine erste Reaktion der Reste des gesunden Menschenverstandes. Eine Art „Vollbremsung“ vor dem Abgrund, in den die massenweise Abgabe der Verantwortung für die eigenen Handlungen an die Kaste der Experten, die mit „hohepriesterlichem“ Nimbus die Prozession der Wissenschaftsgläubigen zielsicher an den Rand desselben geführt haben. Offensichtich ohne wirklich zu wissen, was sie da tun! Und ohne „Unrechtsbewusstsein“. „Wer plant, wer forscht, wer treibt voran und wer will? Das wissen nicht einmal die Forscher. Frag einen Forscher und die Dürftigkeit einer Antwort wird an die eines Feldmarschalls grenzen, der Millionen Tode befiehlt und niemals über den Tod nachdachte“. So urteile der 1975 verstorbene Philologe und Byzantinist Erhart Kästner über die Unsäglichkeit des modernen Wissenschaftsbetriebes. Dieser Spezies verdanken wir die verantwortungslosen Weltwirtschaftsmodelle, die dann diese „Subspezies“ der Finanzexperten erst hervorbrachte, denen heute vor Ratlosigkeit bei Maischberger auf dem Sofa nichts Vernünftiges mehr einfällt. Es wird Zeit aus dem Tiefschlaf der Aufklärung aufzuwachen. Halten wir den Film an. Schluss mit „Eyes wide shut….“!

Der Mensch wird nur Mensch in der Entscheidung. Er kommt nicht umhin alle seine Handlungen und Unterlassungen als Frucht immer wieder zu treffender, zu erringender Entscheidungen zu begreifen. Entscheidungen sind, wie das Wort sagt, die Beendigung einer Scheidung. Etwas Geschiedenes wird Entschieden. Dadurch entsteht ein Weg, der Richtung gibt und zu dem man stehen kann, wodurch allein Verantwortung entsteht. Warum wird den Managern, bei aller Übertreibung, denn zurecht verantwortungsloses Handeln vorgeworfen? Ein Vorwurf, der seltsam verhallt? Weil diese, stellvertretend für alle „Marktteilnehmer“, vom Kleinanleger bis zum Politiker im Verwaltungsrat der Landesbank, ihre eigenen Handlungen letztlich nicht als eigene Handlungen erleben!

Ein unheimliches Phänomen wird hier sichtbar. Angedeutet und vorbereitet hat sich diese verhängnisreiche Entwicklung schon lange.

Es ist  bei der Suche nach hilfreichen Gegenwartsanalysen m.E. immer von größtem Aufschluss (und auch bestürzender Bewahrheitung), in den Archiven einige Jahrzehnte zurück zu blättern. Was dort mitunter über die damals anbrechende Zukunft ausgesagt wurde, ist heute oftmals zu deutende Gegenwart.

So auch die Aussagen, die der Theologe Romano Guardini um 1950 in seinem Werk „ Die Macht“ über das Wesen der anbrechenden Zeit systematisch organisierter Verantwortungslosigkeit auszusagen hatte.
„Es gibt keine nicht-verantwortete Macht.(..) Deren Wirkung ist immer Tat – oder wenigstens Zulassung – und steht als solche in der Verantwortung einer menschlichen Instanz, einer Person. Das ist auch dann so, wenn der Mensch, der sie ausübt, diese Verantwortung nicht will. (..) Sobald auf die Frage: wer hat das getan? weder ein „Ich“ noch ein“ Wir“; weder eine Person noch eine Personengemeinschaft mehr antwortet, scheint Machtausübung zur Naturwirkung zu werden.“

Er führt weiter aus, dass Macht immer dann zur Gefahr werde, wenn hinter ihr überhaupt kein ansprechbarer Wille mehr stehe, sondern nur einen anonyme Organisation, in welcher „ jeder durch benachbarte Instanzen geleitet, überwacht und dadurch – scheinbar- der Verantwortung enthoben“ sei.

Diese dann nicht mehr vom Bewusstsein einer Person getragene Handlung lasse dann  im Handelnden einen eigentümlichen leeren Raum entstehen. Da er sich nur als ein „Element in einem Zusammenhang“ erlebe, scheine er selber als „Subjekt der Handlung“ auszufallen.

Was aber als Folge dann geschieht, weist  in aller Dramatik auf die eigentliche Dimension dieses Missverstehens menschlichen Existierens hin. Es zeigt unweigerlich das, wovor das moderne Bewusstsein immer noch beharrlich die Augen verschließt, obwohl seine Wirkungen sich allenthalben explosionsartig ausbreiten: Diese Leere, die dort entstehe, wo die Person übersehen, verleugnet und vergewaltigt werde, bleibe nun nicht.  Was sich in diese hineinzwänge, ergieße, sei nichts anderes als das Böse – als Theologe wird er deutlicher: Der Böse.

Es gehört zu den fürchterlichsten Folgen neuzeitlicher Irrtümer über die Wirklichkeit, dass sie, wie Kästner es formulierte, das Böse nicht kenne. „Soviel Hilfe hatte es nie.“

Wer einigermaßen seine eigenen Seelenabgründe erkundet hat, weiß wovon hier die Rede ist. Und er sieht schmerzerfüllt, dass, solange hier nicht mutiger gedacht, gesprochen und beschrieben wird, alle wirtschaftlichen „Rettungsmaßnahmen“ oberflächlicher Art so viel Nutzen wie Löcher ins Wasser zu graben. Es wird die letzten Kräfte  sinnlos verbrauchen.

Sie hätten in einen „bodenlosen Abgrund“ geschaut, bekannte ein Wall Street Banker in den frühen Oktobertagen. Peer Steinbrück und Angela Merkel seien „erbleicht“, als Ihnen geschildert, welches unbeherrschbare Chaos unmittelbar bevorstehe, wenn die HRE Bank nicht gerettet werde. Hier waren wir nahe dran am wirklichen Geschehen. Was noch fehlte? Der Mut wirklich zu sehen, was man sieht.

Nun versuchen alle wieder die Experten ihren „Job“ machen zu lassen, nachdem sich die Lust an Managerschelte erschöpft hat. Wir versuchen noch einmal den Bannzauber der Wissenschaft über das Desaster zu werfen, um ohne radikaler Infragestellung unserer inneren Daseinshaltung doch noch irgendwie durchzukommen.

Das wird nicht gut gehen.

Und am Ende wird uns dabei kein Experte mehr zu Seite stehen. Die notwendende Hilfe kommt auch nicht „von oben“. Sie wartet innen. In jedem Einzelnen. Und hier ist jeder Experte – wenn er sich nur traut.

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Surftipp: Credit Card Reform

Die sehr laxe und verschwenderische Ausgabe von Kreditkarten, in Verbindung mit gleichzeitiger großzügiger Einräumung von Ratenrückzahlungen der Kreditkartenschulden seitens der Banken, treibt vor allem in den USA immer mehr Haushalte in den Ruin – dieses künstliche Anfeuern der Konsumnachfrage ist ja mit Schuld an der „Finanzkrise”. Doch nun regt sich vermehrt Widerstand gegen diese Praxis. Statt den Leuten also Kredite hinterherzuwerfen, so dass diese Geld verkonsumieren, das sie gar nicht haben, spricht sich die amerikanische Aktion Credit Card Reform für einen verantwortungsvolleren Umgang mit diesem Zahlungsmittel aus und will auch den Gesetzgeber dazu bewegen, dass Firmen wie Visa (Citibank) oder Mastercard strengere Auflagen befolgen müssen, um die gefährliche Verschuldungswelle zu stoppen.

Unter anderem soll die massive Werbung für Kreditkarten bei Schülern und Studenten aufhören und den Firmen soll untersagt werden, die Zinsraten während der Vertragslaufzeiten einfach so willkürlich hochsetzen zu können (Citibank macht das tatsächlich regelmäßig, auch hierzulande).

Zu der ganzen Problematik gibt es auch ein sehr amüsantes Musikvideo von den Austin Lounge Lizards, das zudem gut in die Vorweihnachtszeit passt:

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Nachhaltiges Weihnachteln

Weihnachten naht mit Riesenschritten – das Fest der Liebe, der Besinnung, der Familie, des hektischen Konsums und des Geschenkkrampfs. Tatsächlich kann man jedoch auch an dieser Stelle ein wenig Nachhaltigkeit walten lassen – dazu muss man gar nicht ganz aufs Schenken oder den Weihnachtsbaum verzichten. Das Greenpeace-Magazin regt zum Beispiel in „Fröhliche ökologische Weihnachten” an, beim Weihnachtsbaumkauf auf naturverträgliche Christbäume mit FSC-Siegel zu achten, denn

… lediglich 15 Prozent aller verkauften Weihnachtsbäume in Deutschland stammen noch direkt vom Förster, der Rest wächst zumeist auf Plantagen. Dort wird mit Herbiziden, Pestiziden und Mineraldünger nicht gespart, was Böden und Gewässer belastet.

Die Umweltschutzorganisation Robin Wood, hat eine Liste aller Verkaufsstellen für ökologische Weihnachtsbäume erstellt.

Noch einen Schritt weiter geht man beispielsweise mit einem Wald- oder Baumgeschenk (oder dem Geschenkbaum-Fonds):

Wald- und Baumgeschenke sind Geschenke, die auf natürliche Weise zuwachsenden Wert gewinnen.

Jeder Baum den Sie verschenken, ist ein Beitrag zur Rettung von bedrohten Naturwäldern, ein Geschenk für die Umwelt, ein Beitrag für den Klimaschutz. Mit jedem einzelnen Blatt wird der Geschenkbaum über viele Jahre und Jahrzehnte zur Wiederherstellung des Klimagleichwichtes beitragen, indem er CO2 aus der Umwelt aufnimmt und Sauerstoff abgibt.

Ansonsten lohnt sich auch ein Blick ins Utopia-Forum, auf die „10 Öko-Weihnachtstipps in letzter Minute” vom WWF oder zu Naturtipps. Auf keinen Fall sollte man Wildtiere o.ä. verschenken!

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Lidl Brother is watching you – die Kamera von & für BILD

Die nächste Stufe der Verrohung und Verblödung ist gezündet, und dies, wie sollte es anders sein, von zwei der abstoßendsten Wirtschaftsakteuren in diesem unseren Lande – die BILD-„Zeitung” vertreibt jetzt seit neuestem eine Kamera, ausgerechnet über den Discountwiderling Lidl mit dessen einschlägigen Erfahrungen in punkto Bespitzelung der eigenen Mitarbeiter. Der Clou daran: die Kamera ist mit einer direkten Hochladefunktion zu Bild.de ausgestattet und öffnet somit dem Spannerjournalismus neue Türen, zumal die „tollsten” Fotos von BILD mit entsprechenden Geldprämien bedacht werden. Radio Alice (Bayerischer Rundfunk) schreibt dazu in seinem Beitrag „Ausschaltung ausschalten”:

Unter der Überschrift “Wir sind die neuen Video-Reporter” versucht das Zentralorgan des Deutschen Spannertums, neue Hobby-Berichterstatter zu gewinnen. Damit stößt Bild tiefer in ein von den etablierten Medien bislang kaum erforschtes Territorium vor: Den Bürgerjournalismus. (…)

Bild pervertiert so das einstige basisdemokratische Ideal der Gegenöffentlichkeit. Das hat Bertolt Brecht 1932 in seiner Radiotheorie formuliert: Jeder Empfänger soll Sender werden. Brecht wollte eine Gegenöffentlichkeit zu den Medien schaffen, in denen die Kommunikation strikt von oben nach unten verlief. Diesem Ideal kommen allenfalls noch Internetseiten wie Indymedia oder auch Wikipedia nahe. Dagegen dienen die Bürgerjournalisten auf Bild und auch auf Twitter nicht der Basisdemokratie sondern Unternehmen – meist ohne es zu merken.

Die Süddeutsche Zeitung sieht das ähnlich kritisch – „90 Gramm Pressefreiheit”:

Kein Mensch kann sich mehr sicher sein, dass hinter der nächsten Hauswand nicht ein Leserreporter mit Kamera wartet und das Ganze schneller filmt als sein Schatten. Dabei gilt auch bei dieser Form des Journalismus der Schutz der Privatsphäre. (…)

Die Menschen beschweren sich derzeit, dass durch das BKA-Gesetz der nächste Schritt zum Überwachungsstaat getan wird und sich keiner mehr seiner Privatsphäre sicher sein kann. Über den Volksjournalismus à la Bild echauffiert sich kaum jemand. Und doch: Es ist der erste Schritt zur Überwachungszeitung.

Und im der BILD auf die Finger schauenden BILDblog sind auch schon die ersten Auswirkungen dieser Initiative dokumentiert – „Supi, beim Nachbarn brennt’s!”.

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The Story of Stuff – Die Produktionskette und ihre Hintergründe

Passend zu meinen Konsumgedanken von gestern hier ein ausgesprochen unterhaltsam und gut gemachter Kurzfilm, der den Irrsinn unseres Wirtschafts„kreislaufs” (eher eine Sackgasse) anschaulich und zugespitzt verdeutlicht und nun in synchronisierter Fassung vorliegt (gefunden via Privatseiten & Utopia). Diesen Film solltet Ihr Euch unbedingt ansehen, denn er bringt so ziemlich alle Grundproblematiken, die unser (Konsumenten-)Leben heutzutage betreffen, zur Sprache und auf den Punkt! Dank seiner knuffigen Machart kann man ihn übrigens auch gut Leuten zeigen, die sich sonst vielleicht nicht so für „die Problematik” interessieren.

Jedes Produkt hat seine eigene Geschichte. Und diese Geschichte ist oftmals viel länger als wir auf den ersten Blick erkennen können. Sie beginnt beim Anbau der Rohstoffe, geht über die Herstellung, den Vertrieb und unseren eigenen Konsum, und endet noch lange nicht im heimischen Mülleimer.

Die amerikanische Aktivistin und Moderatorin Annie Leonard hilft uns mit ihrem Video „The Story of Stuff“, den kompletten Konsumkreislauf und die damit verbundenen sozialen und ökologischen Folgen zu verstehen. Der wahre Preis unserer Produkte steht schließlich nicht auf dem Preisschild der Verpackung.


Story of Stuff – German from UTOPIA AG on Vimeo.

Wenn ich etwas zu entscheiden hätte, würde ich dafür sorgen, dass dieses Video in den Schulen gezeigt wird – so viel lernen Schüler sonst in einem Schuljahr…

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„Das System steckt nicht in einer Krise – die Krise ist das System” (Teil 2/2)

[Dies ist die Fortsetzung meines gestrigen Beitrags]

Tatsächlich hat sich in den letzten Jahren auch ein gesteigertes Bewusstsein bei den Verbrauchern gebildet, dass der eigene Konsum ein Mittel ist, um Veränderungen zu bewirken – die sog. „Nachhaltigkeit” ist aus aktuellen Diskussionen und auch Firmenbroschüren nicht mehr wegzudenken. Biowaren sind „in” (man denke nur an die Bionade, deren riesiger Erfolg sicher alle überrascht, mich eingeschlossen), und die Marketingfuzzis haben mit den LOHAS ein neues Marktsegment ausgemacht, das seit einer Weile mit entsprechenden Produkten, Magazinen und Blogs bedacht wird. Dies ist per se erst einmal durchaus positiv zu sehen, denn wenn statt monoformer Industrieware ökologisch verträglichere Lebensmittel auf den Tisch kommen, entlastet das die Umwelt und ist zudem natürlich gesünder für die Menschen.

ABER: kann es das schon gewesen sein, dieser „nachhaltige” oder „politische” Konsum, der die Firmen zum Umdenken bewegen und dazu führen soll, dass Konzerne mit übler Firmenhistorie in Bezug auf die Ausbeutung von Mensch und Umwelt und Sozialstandards (und das betrifft fast alle großen Unternehmen; siehe auch das „Neue Schwarzbuch Markenfirmen”) zur Besinnung kommen und „der Kapitalismus” plötzlich ein freundlicheres Antlitz bekommt? Einfach nur etwas „fairer” konsumieren, also einfach ein paar Produkte auf dem Tisch austauschen (statt der normalen Aldi-Milch Bio-Milch von Aldi nehmen z.B.), und ansonsten alles so weiterlaufen lassen? Ich habe da leider so meine leisen Zweifel. Denn es besteht die Gefahr, dass kleinere Verbesserungen der Situation schon als ausreichend angesehen werden und die Kernproblematik weiter vor sich hin gären darf und zukünftige Entwicklungen damit weiter erschwert.

Mit meinen Zweifeln stehe damit nicht alleine da – Reto Stauss hat sich in den vergangenen Wochen in seinem Blog des öfteren mit dieser Frage beschäftigt. So konstatiert er in „Den Nachhaltigkeits-Graben überwinden”:

Es gilt Brücken über den Nachhaltigkeitsgraben zu erkennen und zu beschreiten. Patentrezepte gibt es keine, wir können nur weitermachen, im Kleinen und Kleinsten, offline und online, im Sichtbaren und Unsichtbaren.

Die Anzahl und Art der Kommentare deuten darauf hin, dass die Diskrepanz zwischen Reden und Handeln nicht nur von mir wahrgenommen wird und dass sich viele persönlich und im grösseren Zusammenhang die Frage stellen, warum Veränderungen trotz entsprechender Erkenntnis nicht schneller und nachhaltiger umgesetzt werden.

Und in „Green New Deal – Makulatur Gesellschaftsvertrag“ legt er kurz darauf noch einmal nach:

Allen Vorschlägen gemeinsam ist, dass der Staat rettend mit Geld einspringen soll, das System aber nicht wirklich in Frage gestellt wird. Ein bisschen mehr Kontrolle der Wirtschaft, ein bisschen mehr Umweltschutz, ein bisschen Umstellen auf erneuerbare Energiequellen – alles Pflästerli-Politik.

Grundproblem ist das Anreizsystem in der kapitalistischen Marktwirtschaft (“Mehr, billiger!”) in Kombination mit der Fortschrittsgläubigkeit (“Die technologische Lösung ist nah!”), welche keine Grenze kennt. Obwohl praktisch Konsens, löst “Konsumverzicht” verbreitet Denkblockaden aus. “Weniger” ist keine Option.

Ähnlich sieht es auch der Blog landscaping in „Zukunftsfähig ohne Systemwandel?” (und wenn von unserem „System” und seinen Problemen die Rede ist, geht es übrigens nicht nur um die marktwirtschaftlichen Prinzipien oder das Konsumieren, sondern vor allem auch um die Zinseszinsproblematik, das Schöpfen von Geld aus Schuld und dem systemimmanenten exponentiellen Wachstumszwang):

Kann es zu einer nachhaltig, zukunftsfähigen Entwicklung kommen, wenn nicht grundsätzlich ein Systemwandel angestrebt wird? Die Frage wirkt für viele lähmend. Denn sie stellt grundsätzliche Prinzipien unserer derzeitigen Gesellschaft in Frage (Kapitalismus, Neoliberalismus, Zinswirtschaft, Individualismus, persönliche Freiheit, …). Für mich dagegen wirkt es zunehmend lähmend, wenn kleine Details laufend bejubelt werden und damit die Weltrettung angekündigt wird und dabei ganz vergessen wird, dass der globale Effekt vielleicht minimal ist.

Etwas drastischer fällt das Urteil der Krisis-Website (Beiträge zur Kritik an der Warengesellschaft) in ihrem „Crashkurs – Flugblatt zur Finanzkrise” aus:

Die Welt ist zu reich für den Kapitalismus

Die aktuelle Finanzmarktkrise markiert den Wendepunkt in der Epoche des fiktiven Kapitals und damit erreicht die fundamentale Krise des Kapitalismus, die sich schon in den 1970er Jahren abzeichnete eine neue Stufe. Diese Krise ist nicht nur die eines spezifischen „angelsächsischen Systems“ des „Neoliberalismus“, wie unter Mobilisierung antiamerikanischer Affekte mit teils deutlich antisemitischem Einschlag überall behauptet wird. Vielmehr zeigt sich nun, dass die Welt für die armselige kapitalistische Produktionsweise längst zu reich ist; dass die Gesellschaft auseinanderbrechen, verwildern und in Elend, Gewalt und Irrationalismus versinken muss, wenn es nicht gelingt, diese zu überwinden.

Interessant sind in dem Zusammenhang beispielsweise auch noch die Krisis-Beiträge „Weltgesellschaft ohne Geld” und „Vom Elend marktwirtschaftsgläubiger Kapitalistenkritik”. (Das Schimpfen auf die „bösen Banker” und „raffgierigen Manager” hat ja derzeit in allen Mainstreammedien Hochkonjunktur, lenkt aber von den eigentlichen Ursachen der Probleme nur ab und soll den potentiellen Zorn der Leute ein wenig kanalisieren, vermute ich mal.)

Es ist nicht nur zu befürchten, dass die Krise erst am Anfang steht und Millionen Menschen unmittelbar treffen wird, sondern auch, dass sich derlei Pseudo-Kritik irgendwann einmal äußerst handfest austoben wird. Auch das Ressentiment wird zur materiellen Gewalt, wenn es die Massen ergreift. Wehe dem, der dann zu den Bösewichten und ihren Handlangern gezählt wird. Noch ist Zeit, um der billigen Haut-den-Ackermann-Nummer ernsthafte Kapitalismuskritik entgegenzusetzen.

Und das Social Innovation Network stellt sich halbherziger „Systemkritik” ähnlich eindeutig entgegen („Umverteiler aller Flügel – Erteilt Euch!”):

Schadet die Krise der Revolution oder nützt sie ihr, lautet dabei die klassische Frage. Die übliche Antwort darauf ist, eine Krise schade der revolutionären Umgestaltung. Denn in der Krise werden die Leute rechtsextrem. Und das sei noch übler als der Kapitalismus schon üblicherweise ist. Auch der so genannte radikale Flügel teilt diese Einschätzung zumeist. Wir haben es offenbar mit einem hegemonialen Denkmuster zu tun. Will jemand ernst genommen werden, so hat er sich innerhalb dieses Musters zu bewegen. Was sich abseits davon äußert, wird ausgeblendet, weil es nicht in den Rahmen des Diskurses passt.

Dennoch wagt es der Autor P.M. (nein, das bin nicht ich ;-) in seinem Buch „SubComA – Nachhaltig vorsorgen für das Leben nach der Wirtschaft”, die ausgelatschten Pfade zu verlassen und einen radikaleren Blick über den Tellerrand zu tätigen – dies vielleicht als (durchaus utopisch geprägte) Anregung für eigene Überlegungen. Dieses Buch gibt es übrigens auch als kostenlosen pdf-Download auf seiner Website.

Was ist das für eine Welt, in der trotz gigantischer Fortschritte der Produktivität der Anteil der Armen stetig wächst? Was ist das für ein Wirtschaftssystem, das auf sklavereiartigen Arbeitsbedingungen im Süden und Sozialabbau im Norden beruht? Was ist das für eine Landwirtschaft, die mit Erosion, Bodenversalzung, und vergifteten Gewässern ihre eigene Grundlage zerstört? Was ist das für eine Weltordnung, die überall zu Bürgerkriegen, Massakern, Flüchtlingsbewegungen und hilflosen militärischen Interventionen führt?

Die Stimmung ist gekippt. Globalisierung, New Economy, Informationsgesellschaft, Modernisierung und wie all die hochtrabenden Begriffe noch heißen mögen, haben begonnen ihren Glanz zu verlieren. Immer mehr Menschen merken, daß auch die New Economy nur die alte Tretmühle ist, nur schneller, riskanter und mehr Lebensbereiche durchdringend. Die Modernisierungsgewinnerinnen von heute sind die Modernisierungsverliererinnen von morgen – am Schluß sind wir alle Verliererinnen. Und daneben melden sich immer lauter auch jene, die seit 500 Jahren immer nur Modernisierungsverliererinnen waren. (…)

Der Zweck dieses Buches besteht darin, jenem Teil der Bewegung Argumente zur Verfügung zu stellen, der nicht mehr an die Reformierbarkeit des kapitalistischen Systems und dessen Weltorganisationen glaubt und daher eine planetarische Alternative dazu verwirklichen will. Es geht um theoretische Überlegungen und die Auswertung praktischer Erfahrungen, um inspirierende Ideen und um die Diskussion von Umsetzungsszenarien.

Konkrete Ideen, Neues zu wagen und zu denken, findet Ihr auch in Retos Postings hier, hier oder hier. Denn es gibt natürlich keine Patentrezepte zur Lösung. An dieser Stelle kommt auch noch ein weiterer wichtiger Faktor ins Spiel: es reicht nämlich nicht, nur anderen Leuten oder anonymen „Sachzwängen” Schuld zuzuweisen – wir müssen auch in der Lage sein, aus unserer eigenen „comfort zone”, aus der eigenen Bequemlichkeit auszubrechen, von bisherigen Gewohnheiten abzuweichen. Und so etwas kann seine Zeit dauern. Auf jeden Fall lohnt es sich nicht, auf irgendeine „Revolution” zu warten, sondern man fängt am besten schon bei sich selbst an, Energie aus dem aktuellen Konsumsystem abzuziehen; indem man weniger bei Konzernen kauft, die das ganze Hamsterrad in Gang halten; indem man die Hatz nach immer mehr Geld, um sich davon dann immer mehr „leisten” zu können, hinterfragt. Es bleibt also spannend!

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