So, nachdem ich am Freitag auch mal ein Beispiel für positive Ideen in meinen Blog gewuchtet habe, muss ich Euch heute leider wieder mit den unschönen Seiten unseres Systems konfrontieren. Anlass ist der Beitrag „Lehrmittel – PR in der Schule“ in der NDR-Sendung ZAPP. Schon vor einer Weile hatte ich ja über die besonders perfide und verabscheuungswürdigen Machenschaften gewisser PR-Agenturen und Konzerne berichtet, die sich ihre Kunden bereits im Kindesalter an Land ziehen wollen, indem sie Kinder und Jugendliche dort beeinflussen, wo sie es am wenigsten erwarten und auch am wenigsten wehren können, nämlich in der Schule (siehe z.B. meinen Artikel „Propaganda im Klassenzimmer“). Dies ist bereits schlimm genug, wenn es sich um plumpe Markenreklame handelt, mit denen die Hirne junger Menschen verkleistert werden, wird aber fast schon kriminell, wenn ideologische Ideen wie die der Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft (INSM) in die Klassenräume gebracht werden sollen.
Schlagwort: Medien Seite 2 von 10
Dass ich von Reklame und sonstiger Kaufpropaganda herzlich wenig halte, dürfte regelmäßigen Lesern meines Blogs bekannt sein. Zu sehr greift das Marketing inzwischen in alle Lebensbereiche ein und versucht, jeden Fitzel Privatheit zu einem Konsumevent zu machen, als dass man der Werbebranche noch irgendwie auch nur ansatzweise positiv gegenüber stehen könnte. Aber wenigstens findet „klassische“ Werbung wie Plakatwände oder Spots im Fernsehen noch mit einer Art offenem Visier statt, denn jeder weiß, dass es sich hier um Reklame und also um das Verkaufenwollen von Produkten und Anpreisen von Unternehmen geht. Längst ist die Werbezunft aber über diese Formen der „Verbraucher(des)information“ hinaus, denn sie hat natürlich längst erkannt, dass offene Reklame auf wenig Gegenliebe stört, oft sogar direkt abgelehnt wird und nur noch mäßige Aufmerksamkeit und Glaubwürdigkeit genießt. Was liegt da näher, als die Konsumbotschaften verstärkt auf Umwegen in die Köpfe der Konsumenten zu bringen?
Verwandte Beiträge:
Über die Mainstreammedien wird ja vor allem in der Bloggerszene gerne hergezogen und als „Totholzmedien“ beschimpft, um ihre Rückständigkeit zu unterstreichen. So sehr die Kritik an den Medien, die in der Hand einiger weniger Großkonzerne befindlich sind, auch berechtigt erscheint, so einseitig und pauschalisierend ist sie leider auch manchmal, denn immer wieder gibt es absolut zutreffende Analysen und kritische Stimmen zu lesen, die sich oft genug gegen den sonstigen Tenor der Zeitung/des Senders stellen. Leider gehen diese kritischen Töne in der Kakophonie der Meinungen und dem alles verschlingenden Mahlstrom des permanenten Meldungsregens unter und werden schnell wieder von tagesaktuellen Geschehnissen verdrängt, so dass ihre Wirkung nur beschränkt ist. Dennoch erreichen Zeitungen wie DIE ZEIT ein großes Publikum, so dass es zu begrüßen ist, wenn dort mal Tacheles geredet wird. Deshalb will ich in meinen heutigen Lesetipps mal nur Artikel aus der ZEIT berücksichtigen – zwei positive Beispiele für gelungenen investigativen Journalismus und ein abschreckendes für Meinungsmache.
Verwandte Beiträge:
Uebermorgen TV, der Teil des Videopodcasts „Elektrischer Reporter“ von Marius Sixtus ist, skizziert seit inzwischen zehn Folgen mögliche Entwicklungen in Gesellschaft und Technik, ausgehend von den sich heute bereits abzeichnenden Änderungen und Forschungen. Vor allem die Gedanken zum Thema Kommerzialisierung/Marketing/Reklame sind dabei alles andere als erfreulich, wie man auch in der 10. Folge im Abschnitt „Aufmerksamkeitsökonomie“ sieht. Sollte es wirklich so kommen wie Sixtus es sich hier überlegt, wird man in der Zukunft auf die heutige Zeit als die güldenen Tage der Kommerzfreiheit zurückblicken! Gegen die Allgegenwart des Konsumierens trete ich in meinem Blog ja seit jeher ein, also wollen wir mal hoffen, dass die Menschen doch irgendwann zur Vernunft kommen.
Immer häufiger zahlen Menschen für einen Service im Web nicht mit Geld, sondern mit ihrer Aufmerksamkeit. Nachrichtenportale und soziale Netzwerke beispielsweise finanzieren sich, indem sie die eingesammelt Aufmerksamkeit ihrer Nutzer an Werbekunden weiterverkaufen. Wie könnte es übermorgen weitergehen, mit der Aufmerksamkeitswirtschaft im Web?
Verwandte Beiträge:
Wegen des großen Erfolges meiner Buchbesprechung von Erich Fromms „Haben oder Sein“ habe ich heute noch ein schönes Zitat aus diesem Werk für Euch:
Die in der Werbung und der politischen Propaganda angewandten hypnoseähnlichen Methoden stellen eine ernste Gefahr für die geistige und psychische Gesundheit , speziell für das klare und kritische Denkvermögen und die emotionale Unabhängigkeit dar. Ich bezweifle nicht, dass durch gründliche Untersuchungen nachzuweisen wäre, dass der durch Drogenabhängigkeit verursachte Schaden nur einen Bruchteil der Verheerungen ausmacht, die durch unsere Suggestivmethoden angerichtet werden, von unterschwelliger Beeinflussung bis zu solchen semihypnotischen Techniken wie ständige Wiederholung oder die Ausschaltung rationalen Denkens durch Appelle an den Sexualtrieb. Die Bombardierung durch rein suggestive Methoden in der Werbung, vor allem in Fernsehspots, ist volksverdummend. Dieser Untergrabung von Vernunft und Realitätssinn ist der einzelne tagtäglich und überall zu jeder Stunde ausgeliefert: viele Stunden lang vor dem Bildschirm, auf Autofahrten, in den Wahlreden politischer Kandidaten etc. Der eigentümliche Effekt dieser suggestiven Methoden ist ein Zustand der Halbwachheit, ein Verlust des Realitätsgefühls.
Erich Fromm, Haben oder Sein
Verwandte Beiträge:
Ein kurzer Hinweis – vor einiger Zeit hatte ich ja hier im Blog die sehr interessante BBC-Serie „Century of the Self“ vorgestellt (HIER), zu der es bislang leider keine deutschen, sondern nur englische Untertitel gibt. Schon damals wurde angeregt, diese doch vielleicht einmal zu übersetzen. Ein Blogleser hat mich nun angeschrieben, dass er mit der Übersetzung des ersten Teils begonnen hat. Wer Interesse hat, an dem Projekt mitzuarbeiten, also vielleicht andere Teile zu übersetzen, kann mich ja über das Kontaktformular anschreiben oder einen Kommentar hinterlassen.
To many in both politics and business, the triumph of the self is the ultimate expression of democracy, where power has finally moved to the people. Certainly the people may feel they are in charge, but are they really? The Century of the Self tells the untold and sometimes controversial story of the growth of the mass-consumer society in Britain and the United States. How was the all-consuming self created, by whom, and in whose interests?
Verwandte Beiträge:
Ich muss gestehen, dass ich, obwohl ich schon vor zwei Jahren durch einen Kommentar hier im Blog auf das Werk von Erich Fromm aufmerksam gemacht wurde, erst jetzt dazu gekommen bin, mir eins seiner Bücher zu Gemüte zu führen. Und das, obwohl Fromm bereits in den 60ern und 70ern messerscharfe konsum- und systemkritische Analysen vorlegte, die auch in der heutigen Zeit (leider) noch absolut zureffend sind. „Haben oder Sein – Die seelischen Grundlagen einer neuen Gesellschaft“ soll sein zugänglichstes Buch sein, in dem er viele seiner Gedanken und Ansatzpunkte nachvollziehbar umreißt und darlegt. Und nach der Lektüre kann ich dem durchaus zustimmen und eine unbedingte Leseempfehlung aussprechen!
Verwandte Beiträge:
Na, habt Ihr in den letzten Tagen fingernägelkauend, schweißnass und voller Angst die Talfahrt der internationalen Börsenkurse verfolgt? Oder gar den entsprechenden medialen Rummel im Fernsehen in Euer Leben gelassen? Gut so wenn nicht, würde ich mal behaupten. Denn was mich an der „Börsenberichterstattung“ schon früher immer gewundert bis verärgert hat ist, dass sich die Journalisten hinstellen und so tun, als wenn die Kursbewegungen fundamentale, rationale, zum Teil technische Gründe hätten – oder maximal psychologische (Panik, Gier). Dass aber einfach von vielen Marktteilnehmer herumgezockt wird, dass die Kursschwankungen mit dem Unternehmen und deren Wirtschaften nur in schwacher Korrelation stehen, dass Daytrader und Hedgefonds Kurse bewusst im Laufe eines Tages mal in die eine, mal in die andere Richtung treiben, das bleibt zumeist unerwähnt. Es soll die Illusion des Wirtschaftslebens als rationaler Hort der Vernunft aufrecht erhalten werden – und genauso die Illusion, dass die Börsenkurse ein Spiegelbild der Wirtschaft wären und deshalb wichtig für jeden einzelnen Bürger. (Das stimmt nur insoweit, als dass viele Menschen über Rentenversicherungen etc. indirekt auch am Aktienmarkt beteiligt sind.) Ähnliche Gedanken machten sich auch die NachDenkSeiten – „Das Elend des Wirtschaftsjournalismus findet in der Börsenberichterstattung seine Vollendung“:
Verwandte Beiträge:
Dass die Reklame- und Marketingindustrie darauf fußt, zu versuchen, unsere Gefühle und Meinungen zu manipulieren bzw. zu beeinflussen, an gewisse Instinkte zu appelieren und den Verstand auszuschalten (so dass man bereit ist, auch Produkte zu kaufen, die überteuert sind oder unter unmoralischen Bedingungen produziert wurden – Hauptsache cool!) ist ja nun wahrlich kein Geheimnis – oft genug war dies auch schon Thema in meinem Blog, zuletzt erst vor einigen Tagen. Aber ich freue mich natürlich immer wieder, wenn dieses wichtige Thema auch anderswo aufgegriffen und aus verschiedenen Perspektiven beleuchtet wird. Sei es von Egon W. Kreutzer („Werbung ist Krieg“), vom NDR in ihrer Reihe 45 Min („Verführer Supermarkt“) oder ganz aktuell von Michael Greiner in Der Freitag „Kaufe mich ganz unbemerkt“. Er geht der Frage nach, wieviel Macht das Reklamegedröhne eigentlich auf unsere Gedanken und Empfindungen hat und berichtet von neuen Entwicklungen im Bereich des Neuromarketing, also noch perfideren Strategien, um die Konsumenten bei Kauflaune zu halten:
Verwandte Beiträge:
Eigentlich gilt der Sommer ja eher als Saure-Gurken-Zeit in der Presselandschaft – weil Urlaub herrscht und Schulferien sind und die Hitze und die Sonne sowieso aufs Hirn schlagen und zu Müßiggang und Herumhängen animieren. Aus diesem Grunde erscheinen in so mancher Zeitung in den Sommermonaten auch eher unspektakuläre, vielleicht sogar langweilige oder künstlich aufgeblasene Meldungen, um das sogenannte „Sommerloch“ zu füllen. Leider hat der immer weiter voran schreitende qualitative Verfall der Mainstreammedien dafür gesorgt, dass das ganze Jahr hindurch inzwischen Zeilen geschunden und mit halbseidenen Themen um Aufmerksamkeit gebuhlt wird – und das auch abseits des Boulevard, der sowieso seit jeher auf diese Weise sein Geld verdiente.