Das Wochenende naht und wie könnte man es besser verbringen als mit der Lektüre einiger interessanter, aufschlussreicher Artikel? Eben. Deshalb empfehle ich hier wieder einige Texte, die mir im Laufe der letzten Tage besonders aufgefallen sind.
Beispielsweise hat Die Zeit den lesenswerten Bericht „Einzelhandel: Sie können nur billig“ veröffentlicht, in dem es – man ahnt es schon – natürlich zum einen um meine speziellen „Freunde“, die Discounter, geht. Zwar werden, wie so oft in den Medien, nur einige der Folgen, die die Billigmasche für die Gesellschaft hat, angesprochen und insbesondere auf die Ausbeutung der Mitarbeiter abgestellt, aber immerhin zeigt der Artikel auch, dass durch den permanenten, durch die Discounter ausgelösten Preiskampf inzwischen auch die anderen Einzelhandelsketten, also Rewe, Edeka etc., voll einsteigen und ebenfalls Preise und Kosten zu drücken beginnen. Ich habe an dieser Stelle ja schon des öfteren gepredigt, die großen Ketten (und allen voran die Discounter) zu meiden; der Artikel bestätigt mich da wieder mal.
(…) Alle wissen um die verheerende Wirkung – und tun es trotzdem immer  wieder: Sie senken die Preise. Die mächtigen Chefs der großen  Handelskonzerne können es nicht lassen, weil die Deutschen  Schnäppchenjäger sind und selbst für gute Lebensmittel angeblich kein  Geld übrig haben. Manche Waren werden geradezu verramscht. Doch auch das  hat seinen Preis. Den zahlen häufig jene, die in den Läden hinter der  Theke stehen, Regale einräumen oder an der Kasse sitzen. Wer im Handel  beschäftigt ist, muss mit Lohndrückerei, Schikanen oder Schnüffeleien  rechnen. (…)
(…) Ein Mitarbeiter wagte es zu Beginn des Jahres allerdings, vor Gericht zu  ziehen. Er war als sogenannte Pauschalkraft bei Netto beschäftigt und  fordert eine Lohnnachzahlung. Das Verfahren läuft noch. Textilhändler  KiK hat einen solchen Prozess schon hinter sich. Ende März vergangenen  Jahres wurde das Unternehmen wegen der Zahlung sittenwidriger Löhne  verurteilt. (…)
In einigen weiteren Artikeln zu dieser Problematik legt Die Zeit noch nach, so mit „Billiger geht’s nicht“:
(…) Für die Händler bedeutet das empfindlich schrumpfende Geschäfte. Sie  sparen deshalb, wo sie können. Zum einen nutzen die Großen unter den  Händlern ihre Nachfragemacht, um Lieferanten zu pressen. So beklagt die  Ernährungsindustrie einen Umsatzrückgang von vier Prozent. Das sei der  stärkste Einbruch seit Bestehen der Bundesrepublik gewesen, so die  Hersteller. Die Entwicklung hat nichts damit zu tun, dass die  Verbraucher weniger essen und trinken. Mengenmäßig sind die Produktion  und der Absatz von Lebensmitteln und Getränken nämlich konstant  geblieben. Die Konsumenten zahlten einfach nur weniger für die  Nahrungsmittel.
Gespart wird aber auch woanders. Selbst wenn man in vielen Läden  inzwischen vergeblich nach Beratung sucht, zählt der Einzelhandel nach  wie vor zu den personalintensiven Branchen. Was liegt da näher, als den  Kostenfaktor Mensch zu reduzieren. Wie das geht, hat gerade die  Drogeriemarktkette Schlecker vorgemacht: Verkäuferinnen entlassen  und über eine Leiharbeitsfirma wieder einstellen. Zu viel geringerem  Gehalt natürlich, Urlaubs- und Weihnachtsgeld werden bei der Gelegenheit  gestrichen. Wer das nicht akzeptiert, dem droht Hartz IV. Zwar wird  immer wieder behauptet, dass Schlecker ein Einzelfall sei. Seltsam ist  nur, dass es keine hinreichenden Zahlen über den Einsatz von  Leiharbeitern im Einzelhandel gibt. (…)
Und in „Gericht begrenzt Expansionsdrang der Discounter“ wird darüber berichtet, dass der Widerstand gegen diese Entwicklung auch von politischer und juristischer Seite zumindest sporadisch vorhanden ist:
(…) In Köln befindet sich rund 500 Meter vom anvisierten Standort entfernt  eine Ansammlung von Geschäften und Dienstleistern, die bisher die  Versorgung der Anwohner sicherten. Die Stadt befürchtete den Niedergang  des gesamten Nahversorgungsbereiches, wenn der Discounter mit knapp 700  Quadratmeter Fläche dazukäme. Das Bundesverwaltungsgericht bestätigte  diese Auffassung. (…)
Apropos Überwachung – die neuen Internetdienste wie Facebook erweisen sich ja als grandiose Datensammler. Nicht nur das, was die User bereitwillig in Massen von sich preisgeben, kursiert durchs Netz, nein, Facebook weiß noch viel mehr von unsereins, selbst wenn man gar keinen Facebook-Account hat. Die FAZ schreibt in „Soziale Netzwerke: Facebook weiß alles über uns“:
Wer Facebook nutzt, schenkt dem Unternehmen hinter dem sozialen Netzwerk  viele private Informationen über sich. Und wer es nicht nutzt, behält  seine Informationen für sich – könnte man meinen. Dass die Realität  inzwischen anders aussieht, belegen immer mehr Erfahrungsberichte von  Nichtmitgliedern, die sich von Facebook seltsam durchleuchtet fühlen. (…)
(…) Hendrik Speck, Professor für Digitale Medien an der FH Kaiserslautern,  findet das sehr problematisch, aber ganz und gar nicht überraschend.  „Facebook hat sich darauf spezialisiert, solche Verknüpfungen  auszuwerten“, sagt er. Dabei mache es sich die Naivität und Faulheit  derjenigen zunutze, die nur die Vorteile allumfassender Synchronisierung  sähen. Gerade die „weichen Faktoren“, über die sich die Menschen  definierten – wie Vorlieben und Kontakte –, seien für Facebook bares  Geld wert und würden mit Hilfe von Algorithmen eingesammelt, „egal, ob  der Betroffene seine Einwilligung gibt oder nicht“. Daraus macht  Facebook-Gründer Mark Zuckerberg kein Geheimnis: Erst im Januar sagte er  in einem Interview, Privatsphäre sei nicht mehr zeitgemäß. Mit  deutschen Datenschutzgesetzen kann man dem kaum beikommen – für das  amerikanische Unternehmen Facebook gelten sie nicht. (…)

© asifthebes, stock.xchng
 
Der wohl wichtigste und tiefgreifendste Artikel wird diese Woche von Egon W. Kreutzer in seinem neuesten Paukenschlag geliefert – er analysiert die derzeitige Situation der Gesellschaft in Deutschland und stellt die Frage „Zwischen Schmerzgrenze und Hemmschwelle: Wann stehen die Deutschen auf?“. Kreutzer entwirft – basierend auf Naomi Kleins Schock-Strategien, drei mögliche Szenarien für die zukünftige Entwicklung im Land, die allesamt nicht übermäßig rosig, zum Teil auch sehr gefährlich klingen. Unbedingt lesen, auch die dazugehörige Diskussion!
(…) Die organisatorische Basis, die eine Revolte braucht, um wirkungsvoll und erfolgreich agieren zu können, ist also bundesweit nicht vorhanden.
Doch ist anzunehmen, dass sie bereits im Entstehen ist.
Wir werden, so meine Prognose, mit der Zunahme des Drucks im Kessel eine Entwicklung erleben, die auch in Deutschland nach dem Vorbildern in Nordirland, im Baskenland, in Kurdistan und Palästina, ein Zwitterwesen – halb offizielle Partei, halb Kampftruppe im Untergrund – hervorbringt, das sich – anders als die “Alten Kameraden”, ohne Rassismus, ohne Führerkult, ohne jede Anlehnung an das Dritte Reich, offen – und in verdeckten Aktionen – für die Wahrnehmung nationaler Interessen gegen die Übermacht der Global Player und für den Wiederaufbau des Sozialstaats einsetzen wird.
Massive Unterstützung aus der breiten Masse der Bevölkerung wird es dann geben, wenn die Kaufkraft der Hartz-IV-Empfänger nicht mehr ausreicht, um das Körpergewicht zu halten – und sich – neben den rund 10 Millionen Menschen, die heute schon zum Prekariat gezählt werden müssen, weitere 10 bis 15 Millionen in wirtschaftlichen Verhältnissen wiederfinden, die trotz fleißiger Arbeit kein menschenwürdiges Leben mehr ermöglichen.
Wenn die Bundesregierung dabei bleibt, die vollkommen unsinnige, neu ins Grundgesetz geschriebene Schuldenbremse und die EU-Vorgaben zur Neuverschuldung einzuhalten, ohne gleichzeitig die Steuern auf Kapitaleinkünfte und Vermögen und den Spitzensatz der Einkommensteuer massiv zu erhöhen, wofür es derzeit keinerlei Anzeichen gibt, wird dieser Zustand 2012 zwangsläufig erreicht und 2013 zu gewalttätigen Auseinandersetzung in ganz Deutschland führen.
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