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Auferstehung des Kapitalismus

Wen angesichts der Jubelberichterstattungen in den Medien bezüglich des Endes der Krise auch ein merkwürdiges, tendenziell unwohliges Gefühl beschleicht, dem wird der folgende Beitrag des Magazins quer im Bayerischen Fernsehen sicherlich aus der Seele spreche: „Ein Jahr Finanzkrise: Auferstehung des Kapitalismus“. Der satirische Unterton sollte nicht darüber hinweg täuschen, dass die Autoren letztlich völlig recht haben mit ihrer galligen Analyse. Erschütternd, dass die Bürger hierzulande trotzdem weitgehend ruhig und apathisch bleiben angesichts dieser Entwicklung und mit ihren Kreuzchen für die etablierten Parteien signalisieren, dass sie brav alles hinnehmen, was ihnen zugemutet wird. Wenn nicht mal das milliardenschwere Aufbessern der Bankenkassen zu Lasten der Steuerzahler für einen echten Aufschrei sorgt, was dann? Vermutlich eine Preiserhöhung bei Lidl oder der nächste Skandal von Dieter Bohlen…

Vor einem Jahr geriet der Kapitalismus aus den Fugen: Das Finanzsystem stand kurz vor dem Kollaps, eine Wirtschaftskrise ungeahnten Ausmaßes drohte. Sofort kam der Staat zu Hilfe, rettete Banken mit Rettungsschirmen und die gebeutelte Automobilindustrie mit der Abwrackprämie. Und heute? Alles geht weiter wie früher: Der Dax steigt wieder, die Banken sind dank Bürgschaften erst einmal gerettet. Gewinne bleiben privatisiert, Risiken und Verluste werden sozialisiert. Eindeutiger Sieger nach einem Jahr Krise: der Kapitalismus.

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Surftipp: Biotech-Seilschaften – der Gentechnik-Filz

biotech-seilschaftenGentechnik wird zwar von dem Großteil der Menschen abgelehnt, dennoch bemüht sich eine unheilige Allianz aus Wirtschaft und Politik seit Jahren, diese äußerst gewinnträchtige Technik auf breiter Front nach vorne zu bringen. Oft ungewollt und unbemerkt nehmen viele von uns bereits gentechnisch veränderte Produkte zu uns, beispielsweise über Genmais, der an Rinder verfüttert wird, die dann wiederum in Burgern landen. Es scheint zwar ein aussichtsloses Unterfangen zu sein, diese Entwicklung aufzuhalten, dennoch ist es erfreulich, dass sich immer mehr Widerstand regt.

So befasst sich die Website Biotech-Seilschaften sowie einige Partnerseiten  (z.B. Gentech weg!) intensiv mit der Thematik und bemüht sich um Aufklärung und Publikmachung der wenig erfreulichen und oft undemokratischen Hintergründe. Designtechnisch ist die Website zwar eher eine Katastrophe, da einen die Vielzahl der Informationen in der dort dargebotenen Form geradezu erschlägt, aber inhaltlich stößt der interessierte Leser auf so manches, was einem bislang sicher so nicht bewusst war. So ruft man auch zu Widerstand gegen geplante Projekte im Bereich Gen- und Biotech auf und gibt zudem die Infobroschüre „Organisierte Unverantwortlichkeit. Reader zum Filz zwischen Konzernen, staatlicher Kontrolle, Wirtschaftsförderung und Lobbying deutscher Gentechnik“ heraus, in der man viel erfährt über die Seilschaften, Lobbygruppen und Pläne der Industrie. Den Reader liegt in vielen Bioläden kostenlos aus und man kann ihn sich auch als pdf-File herunterladen.

Es war so bequem: Wer über Gentechnik sprach, dachte schnell an Monsanto. Kritische Bücher und Filme zu diesem – fraglos rücksichtlosen – Konzern erzielten Einschalt- und Auflagenrekorde, so dass kritische AktionärInnen deutscher Konzerne nur neidisch dreinblicken konnten. Begleitende Veranstaltungen füllten ganze Hallen. Elektrisierend auch die Pflanze des Inbegriffs alles Bösen: MON810. Wo sie gepflanzt wird, kommt es zu Protesten von BürgerInnen und Umweltverbänden. Niemand will die unkontrollierbare Saat in der Nähe haben. Selbst der deutsche Umweltminister nicht mehr: „Ich kann den gesellschaftlichen Mehrwert der Genprodukte von Monsanto nicht erkennen“, gab er am 2. März 2009 zum Besten und fügte hinzu – grad so, als gäbe es BASF, Bayer und KWS gar nicht: „Man stelle sich vor, diese Debatte um Gentechnik-Produkte gäbe es in den USA, und die einzige Firma, die ein Interesse daran hätte, dieses Präparat dorthin zu verkaufen, wäre eine europäische: Ich möchte einmal wissen, ob der amerikanische Kongress sich derart ins Zeug legen würde zur Verfolgung europäischer Wirtschaftsinteressen eines einzelnen Unternehmens, wie es jetzt die EU-Kommission zur Verfolgung der Wirtschaftsinteressen eines amerikanischen Unternehmens tut.“

Viel ruhiger geht es dagegen zu, wenn deutsche Firmen und Institute gentechnisch veränderte Sorten entwickeln und ausbringen. Mancherorts geht gar nichts: Als die Universität Gießen 2006 transgene Gerste aussäte, votierten alle Parteien im Stadtparlament für das riskante Experiment. Auch SPD, Grünen und Linke, die sonst mit radikaler Gentechnikkritik stets auf WählerInnenfang sind. Warum? Ist die deutsche Gentechnik besser? Ja – scheint zumindest Umweltminister Gabriel zu finden. Nur wenige Tage nach der beißenden Kritik an Monsanto besuchte er die deutsche Gentechnikfirma KWS Saat AG: „Wir wollen gentechnisch veränderte Pflanzenzucht auf jeden Fall zulassen“, so der Minister, „aber nicht mit Kollateralschäden in der Natur.“ Forschung in diesem Bereich sei unabdingbar. Denn den Herausforderungen, die die Ernährung der wachsenden Weltbevölkerung und ihr Energiehunger stellten, könne man anders kaum beikommen.

Monsantos Produkte = kein „gesellschaftlicher Mehrwert“. KWS Saat AG = wichtig für Ernährung und Energieversorgung. Einfach, aber seltsam, denn die KWS entwickelt ihre Gentech-Produkte zusammen mit Monsanto und ist MON810-Versorger (Marke YieldGard) für Mittel- und Osteuropa. Bei Sigmar Gabriel ist plötzlich dasselbe gut, wenn es durch eine deutsche Firma geschieht …

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Das Gutenberg-Phänomen: Medienmacht

© clix, stock.xchng

© clix, stock.xchng

Immer wieder finden sich auch in der oft kritisierten Medienlandschaft querdenkende Stimmen und hintergründige Artikel, auch wenn diese oft in dem allgemeinen Mediengemurmel untergehen oder nur zaghaft am Rande auftauchen. Im Leserartikel-Blog der ZEIT beispielsweise schrieb User iDog vor einiger Zeit den ausgesprochen lesenswerten Artikel Das Gutenberg-Phänomen: Medienmacht. Realitätsmonopol und zeitgenössische Medienrevolution, in dem er die sich zuspitzende Machtkonzentration im Medienbereich und die damit einhergehende Desinformation großer Bevölkerungsschichten pointiert und ungeschminkt beschreibt. Ja, der komplette Original-Text ist lang, lohnt sich meines Erachtens aber (selbst dann, wenn man nicht unbedingt alle Schlussfolgerungen und Beobachtungen teilen sollte)!

(…) So ist die mediale Manipulation ganzer Bevölkerungen zwar aus der Aufklärung geboren, aber wird politisch und wirtschaftlich zu der Machtkonzentration führen, die den feudalen Strukturen vor der gutenbergschen Medienrevolution im Mittelalter gleichkommen. Jene frühere Struktur erkennen wir heute in der schmalen Eigentümerelite der medialen Welt wieder, welche somit wieder ein Monopol hält auf das, was wir “Realität” nennen, bzw. auf das, was die Medienkonsumenten als “Realität” angeboten bekommen und auch lange aus Mangel an alternativen Informationsquellen als “Realität” bezeichnen müssen.

Zusätzlich zur Monopolgewalt über die selektiven Medieninhalte und Darstellungen der Wirklichkeit durch Muster des “Vergessens” oder durch die methodische Unterschlagung werden Profite durch Urheberschaft aus diesem Zentralismus generiert. Dass diese kommerziellen Eigentumsrechte nicht nur auf wirtschaftlichem Urheberschutz, also Copyright basiert, sondern historisch auf klerikal-juristische Urheberfeststellung im Auftrag der Inquisition zurückgeht, sei nur nebenbei bemerkt. Hier wird also die 4. gesellschaftliche Gewalt, die in ihrem nichtöffentlichen Interesse der Eigentümer dem öffentlichen Interesse des politischen Souveräns entgegenarbeitet, zur Waffe und besichert sich selbst in ihrer gleichzeitigen Erscheinungsform als Eigentum. Ein virtuoser Kreislauf aus Bevormundung und Unterdrückung, in dem sich Aufklärung in ihr Gegenteil verkehrt, bzw. deren Schwächen sich zeigen in ihrer Käuflichkeit, ihrem vagen Allgemeingültigkeitsanspruch und in ihrem suggestiven Anspruch auf Objektivität, den sie in Nebensächlichkeiten beweist, um ihn in Hauptsachen missbrauchen zu können. Gerade im letzten Punkt erweist sich diese “Alzheimerdoktrin” immer mehr als anwendbar an einer getäuschten Bevölkerung von “Alzheimerdemokraten”.

(…) Durch weitreichende virtuelle Illusionswelten von Holly- bis Bollywood, von “World of Warcraft” bis “Second Life” werden die konsumierenden und medial zum Konsum angeregten Menschen jenseits der subelitären Dienstleisterbranchen zu einem nicht eigenverantwortlichen Leben ohne eigeninitiatives Denken und Entscheiden versucht. Der Mensch wird zum Konsumenten degradiert und dies auch besonders auf Ideologie bezogen. Solchermaßen manipuliert, werden Menschen überredet und verführt, in letzter Konsequenz nicht nur ethisch unhaltbare imperialmilitärische Machterweiterungen zu akzeptieren, sondern sie auch unter zum Teil grossen Opfern in den eigenen Reihen zwecks Profitmaximierung besagter quasi monopolistischer Eigentümerelite und deren Machtinteressen durchzuführen.

(…) Noch befindet sich die mediale Wandlung des Westens in einer fruchtbaren Periode, die eine Chance beinhaltet, wie sie mir einzigartig erscheint, um ein orwellsches Welttheater in naher Zukunft zu verhindern, in dem uns der individuelle Austausch von kritischer Wahrnehmung nicht mehr gestattet sein wird und wir und unsere Kinder im schlechtesten Fall als blindes, nicht denkendes Kanonenfutter aufeinandergehetzt werden.

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„Für eine Ökonomie jenseits des Wachstums“

bild-3Mit Kirche & Religion habe ich ja herzlich wenig am Hut, aber als ich gestern bei „meinem“ Bio-Käsestand auf dem Wochenmarkt das EXTRABLATT zum 1. Politischen Kirchentag Plön in die Hände bekam, war ich doch aufs Positivste überrascht, befasst sich diese Zeitung sich doch thematisch auch mit vielen Problemen, die mich hier im Blog des öfteren beschäftigen. So finden sich dort Artikel vieler Experten, z.B. von NGOs wie Attac oder Oxfam, u.a. über die „Fortschreitende Globalisierung“, „Die Finanzkrise: Vorgeschmack auf kommende Katastrophen“, „Schwimmt sogar in Milch – die politisch gesteuerte Überproduktion richtet weltweit Schaden an“, „Lukratives Geschäft mit der Krise – wie Banken und Versicherungen das Gemeinwesen skrupellos ausbeuten“, „Achtung Klimakrieg! Eine Warnung vor wohlfeilen Dramatisierungen“ und am Ende auch über das bedingungslose Grundeinkommen sowie den Beitrag „Für eine Ökonomie jenseits des Wachstums: Im Wege steht die globale Arbeitsteilung und das Geld- und Zinssystem mit seinen hohen Gewinnerwartungen“ von Niko Paech, Privatdozent für BWL (!) und Wirtschaftspädagogik an der Uni Oldenburg.

Paechs Artikel fasst einiges an Kritikpunkten zusammen, die vor allem in letzter Zeit an dem kapitalistischen Wirtschaftssystem, wie wir es kennen, laut wurden und die ich auch im Konsumpf schon des öfteren angesprochen habe. Hier ein paar Auszüge:

Die Klima-,Ressourcen- und aktuelle Finanzkrise belegen das Scheitern des auf Wachstum und Fremdversorgung basierenden Wohlstandsmodells. Zeit zum Innehalten: Anstelle eines expansiven „Weiter-so“ bietet sich das Konzept der Postwachstumsökonomie an, die zwar bescheiden dimensioniert, aber langfristig stabil ist.

Die ökonomische Nachhaltigkeitsforschung umfasst zwei Lager, die in unterschiedlicher Beziehung zum Wachstumsimperativ stehen. Die bislang dominante Strömung orientiert sich an der These, dass weitere wirtschaftliche Expansion nicht nur der Wohlstandsmehrung wegen erforderlich, sondern kraft technischen Fortschritts auch ökonomisch durchhaltbar sei. (…)

Wo die Folgen des Klimawandels nicht mehr abzuwenden sind, stellt sich nach derselben Logik die Verwertung der Krise als profitable Option dar: Welche neuen Produkt- und Techniklösungen lassen sich demnächst vermarkten, um mit wärmeren Sommern, dem Anstieg des Meeresspiegels, zunehmenden Sturmereignissen etc. fertig zu werden? (…)

Konträr geht das Konzept der Postwachstumsökonomie von folgenden Beobachtungen aus:
• In einer expandierenden Ökonomie bewirken „Bumerangeffekte“, dass Fortschritte an De-Materialisierung oder Ökologisierung durch Zuwächse der Nachfrage kompensiert werden. Deshalb nehmen, trotz Umwelttechnologie, die CO2-Emissionen permanent zu.

• Ein wichtiger Befund der sogenannten „Science of Happiness“ besagt, dass eine Steigerung des über Geld vermittelten materiellen Reichtums ab einem bestimmten Niveau das subjektive Wohlbefinden nicht weiter erhöht. Viele Konsumaktivitäten sind symbolischer Art,zielen auf soziales Prestige oder die Zugehörigkeit zu einer bestimmten Gruppe oder „Szene“. Wer nicht mitzieht, verliert den Anschluss. Folglich ist ein immer höherer Konsumaufwand nötig, um die soziale Integration zu verteidigen. (…)

Ziele einer Postwachstumsökonomie
Eine ökologisch und sozial zukunftsfähige Ökonomie bedarf der Beseitigung jeglicher Wachstumsabhängigkeiten und -zwänge. Dazu zählen die Innovationsorientierung moderner Marktwirtschaften, das gegenwärtige Geld- und Zinssystem mit seinen hohen Gewinnerwartungen und das auf globaler Arbeitsteilung beruhende Modell der Fremdversorgung. (…)

Das komplette Extrablatt gibt es als kostenloses pdf hier herunterzuladen.

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Lobby Control – Greenwashing-Studie

gas_power_stationSchon seit einer halben Ewigkeit wollte ich hier im Blog auf die hochinteressante aus dem Jahr 2007 stammende, aber wohl leider „ewig“ aktuelle Studie „Greenwash in Zeiten des Klimawandels“ des Vereins Lobby Control hinweisen. Auf 27 Seiten wird hier dargelegt, wie große Konzerne – am Beispiel der Energieversorger- und Erdölriesen – in ihren Image- und Reklamekampagnen das Blaue vom Himmel herunterlügen (wie es eben bei Werbung gang und gäbe ist). Diese Form, sein Geschäftsgebaren gnadenlos, ohne Rücksicht auf Umwelt und Gesellschaft durchzuziehen, dafür dann aber Millionen in beschönigende Werbung zu stecken, nennt man heutzutage „Greenwashing“ – und ich denke, jeder sollte sich diese Studie einmal angeschaut haben, um zukünftig gegen die verlogenen Einflüsterungen der Unternehmen gefeit zu sein und mit einer grundlegenden Skepsis an jede Außendarstellung solcher Firmen heranzugehen. Die Studie kann man sich direkt als pdf herunterladen.

Die Kurzstudie erläutert die Hintergründe und Strategien der neuen grünen Imagewerbung und beleuchtet exemplarisch eine Reihe von deutschen Greenwash-Kampagnen aus dem Jahr 2007. So versuchte das Deutsche Atomforum, alte Kraftwerke zu „ungeliebten Klimaschützern“ zu stilisieren. Der Ölkonzern Shell warb mit Blumen, die aus Schornsteinen aufstiegen, und die großen Energieversorger wie E.ON oder Vattenfall werben mit zukünftigen emissionsfreien Kraftwerken, während sie zahlreiche neue Kohlekraftwerke bauen.

Greenwash-Kampagnen sollten immer der Anlass sein, sich alternative, kritische Informationen zu besorgen. Das ist der erste Schritt, um die Strategie hinter der Grünfärberei zu durchkreuzen. Darüber hinaus gebe es weitere Möglichkeiten, wie die Beschwerde beim Werberat oder das Anprangern von Greenwash-Kampagen.

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Welche Religion kommt nach dem Kapitalismus?

Wie wäre es heute zur Abwechslung mal mit etwas grundlegender Konsum- und Kapitalismuskritik? Das ORF brachte vor einiger Zeit die ausgesprochen gelungene Sendung „Der Kurssturz des goldenen Kalbes – Welche Religion kommt nach dem Kapitalismus?“, in der die Rituale, die unser heutiges Konsumentendasein bestimmen mit denen früherer Religionen in Bezug gesetzt werden: „der totale Markt als Erlösungsreligion“ oder „Werbung als milliardenschwere Verkündigungsmaschinerie“ sind einige der hübschen Formulierungen, die die Autoren finden. Generell zeichnet der Beitrag ein, wie ich finde, durchaus zutreffendes Bild dieses zerstörerischen Wirtschafts- und Gesellschaftssystems, untermauert mit einigen (halb)philosophischen Gedanken. [via]

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Zwei gute Nachrichten in einer: „Werbeflaute trifft Bertelsmann mit Wucht“

Das ist doch mal eine schöne Meldung: „Werbeflaute trifft Bertelsmann mit Wucht“, enthält sie immerhin schon in der Überschrift zwei Positiva. Zum einen geht es der Werbebranche schlecht, was mich natürlich schon mal per se freut, denn wenn die Reklameindustrie von sich aus nicht bereit ist, ihre krakigen Umtriebe zu beschränken (siehe den Artikel von gestern), dann hilft die Wirtschaftskrise vielleicht (vorübergehend) dabei. Wer sich das Stadtbild derzeit genauer betrachtet, wird vielleicht auch schon festgestellt haben, dass viele Plakate mittlerweile nicht mehr jede Woche, sondern nur noch alle 2 oder 3 Wochen ausgetauscht werden – ein deutlicher Hinweis darauf, dass die Werbegroschen nicht mehr so locker sitzen wie früher. Nun, und dass Bertelsmann Geld verliert und Probleme bekommt (auf hohem Niveau), ist selbstverständlich immer zu begrüßen:

Dem Medienkonzern Bertelsmann weht der Wind eiskalt ins Gesicht. Wegen schwacher Werbeumsätze schreibt Bertelsmann rote Zahlen.

(…) Bertelsmann trifft wie andere Medienunternehmen die weltweite Wirtschaftskrise empfindlich. In vielen Ländern halten sich die Verbraucher mit Einkäufen zurück. Auch bei den Unternehmen wird das Geld knapper, weshalb sie ihre Werbebudgets kappen. Bertelsmann erlöst jedoch ein Drittel seiner Umsätze mit Reklame. (…)

(…) Sowohl der Fernsehkonzern RTL Group, als auch die Verlagsgruppen Random House und Gruner + Jahr sowie das Club- und Buchhandelsgeschäft büßten teilweise kräftig ein. (…)

Bei aller berechtigten Freude über Bertelsmann: weniger erfreulich ist dies hier – die Konzentration am Medienmarkt geht ungebremst weiter und Walt Disney, einer der größten Konzerne in diesem Bereich, verleibt sich nun Marvel (bekannt durch ihre Comics, Spider Man usw.) ein. Man muss schon sehr naiv, oder Politiker oder Lobbyist sein, um zu glauben, dass dieser Konzentrationsprozess damit abgeschlossen wäre. Die Entwicklung, die sich in den letzten Jahrzehnten abzeichnete und immer weiter voranschreitet, wird, sofern die Menschen nichts dagegen tun, am Ende dazu führen, dass es nur noch 2 oder 3 riesige Konglomerate geben wird, die die öffentliche Meinung nach ihrem Beliebien bestimmen. Schon jetzt beherrschen nur wenige Dutzend Konzerne den Medienmarkt.

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Vieles von dem, was Werbetreibende tun, ist eine Verletzung der Privatsphäre

empty_signDas Thema (Anti-)Werbung bzw. der Widerstand gegen die um sich greifende Kommerzialisierung unseres kompletten Lebens ist ja bekanntlich eines der Kernthemen meines Blogs und beschäftigt mich ohnehin schon seit vielen Jahren. Und so freue ich mich, wenn ich in den Weiten des Netzes auf immer mehr Hinweise darauf stoße, dass dieses Problem des ausufernden Marketings – das auch in direkter Wechselwirkung steht zum ewigen Wachstumszwang der Wirtschaft, das unserem System zugrunde liegt – weltweit nach und nach ins Bewusstsein sickert. So fand ich neulich einen Artikel aus dem Jahre 2004, der in der amerikanischen Werber-Zeitschrift Advertising Age veröffentlicht wurde: Much of what advertisers are doing is an invasion of privacy – immerhin tauchen solch kritische Gedanken damit auch in Marketingkreisen (vereinzelt) auf. Wie gewohnt übersetze ich den Artikel für Euch, da ich ihn für sehr nett halte, auch wenn er sich in seiner Wortwahl etc. halt direkt an Marketingtreibende – die Leser dieses Magazins – richtet und deswegen z.B. den generellen Sinn von Reklame, also die Ankurbelung von (unnötigem) Konsum, nicht in Frage stellt.


Vieles von dem, was Werbetreibende tun, ist eine Verletzung der Privatsphäre
Warum die öffentliche Stimmung gegen rücksichtslos bedrängendes Marketing immer weiter steigt
Advertising Age 26. April 2004, Gary Ruskin

Gary Ruskin ist der Leiter der Non-Profit-Organisation Commercial Alert. Die in Portland beheimatete Gruppe zur Beobachtung/Überwachung von Marketing wurde 1998 von Ruskin und dem Verbraucherschützer Ralph Nader gegründet.
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In den USA und quer über den gesamten Erdball gibt es eine Vielzahl von Anzeichen einer wachsenden Revolte gegen die Werbeindustrie. Umfragen zeigen eine steigende Ablehnung dieser Industrie und ihrer aggressiven Taktiken. Einer neuen Umfrage von Yankelovich Partners zufolge sagen 65% der Amerikaner, dass sie „permanent mit zu viel Werbung bombardiert werden”; 61% denken, dass die Menge an Werbung und Marketing, der sie ausgesetzt sind, „außer Kontrolle geraten ist“; 60% berichten, dass ihre Einstellungen zur Reklame „erheblich negativer sind als noch einige Jahre zuvor“.

Öffentliche Proteste

Als Antwort auf die Abscheu der Fans darüber, dass San Francisco die Namensrechte an seinem Baseballstadion verkauft hatte, beschloss der Stadtrat, es wieder in Candlestick Park zurück zu benennen, womit es das erste Profistadion ist, das seinen alten Namen aufgrund von Protesten zurückerhält. In Denver war Bürgermeister John Hickenhooper der führende Gegner der Entscheidung, die Namensrechte des Mile High-Stadiums zu verkaufen. Das Platzieren von Werbung auf der Kleidung und den Helmen der Baseballprofis löste in diesem Monat eine Flut an negativen Berichterstattungen sowie einen Brief eines US-Senators und ein New York-Times-Editorial aus.

Werbetreibende werden in Massen aus den Schulen verbannt. Channel One, der Serviceanbieter für Werbung in Schulen, wurde letztes Schuljahr aus Nashville entfernt und wird demnächst aus Seattle herausgeworfen. Neue Beschränkungen für Reklame oder Verkauf von Soft Drinks und Junkfood in Schulen wurde z.B. in Kalifornien, Texas, New York City und Philadelphia beschlossen.

Mächtige Gegner

Dies sind nur einige Beispiele, ich könnte noch viele mehr anführen. Fakt ist, dass die Werbeindustrie sich eine gewaltige Gruppe an Gegnern heranzüchtet. Es täte der Industrie gut, darüber nachzudenken, warum dies geschieht. Der Hauptgrund, vermute ich, ist, dass diese Industrie keine Grenzen oder Beschränkungen anerkennt. Es gibt praktisch keinen Ort, an dem die Werber keine Reklame platzieren würden. Viele Amerikaner akzeptieren Werbung zwar als einen Teil des „Lebensspektakels“, aber die Werbeindustrie scheint in einer Todesspirale aus mangelndem Respekt zu stecken. In ihrem verzweifelten Kampf, die Aufmerksamkeit von potentiellen Kunden zu erhaschen, erfindet die Industrie praktisch jede Woche eine neue aufdringliche Methode – bis die Bürger alle in den Wahnsinn getrieben werden durch die ganzen Plakate, Product Placements, Spamfaxe, Pop-Up-Fenster und den ganzen anderen Kram.

Was den Spruch „Der Kunde ist König“ angeht – nun, niemand belästigt einen wirklichen König.

Mangel an Respekt

Die implizite Botschaft, die die Werber aussenden, ist eine komplette Ignoranz in Bezug auf unsere Zeit, unsere Privatsphäre, unseren klaren Kopf („peace of mind“) und nicht zuletzt in Bezug auf unsere Sorge um unsere Kinder, „Deine Aufmerksamkeit gehört mir“, sagt die Industrie indirekt. „Wir widmen uns ihr die ganze Zeit.“ Dieser implizite Mangel an Respekt vor den Konsumenten beginnt die expliziten Botschaften zu überlagern, die jeder Werbetreibende rüberzubringen versucht.

Der Mangel an Respekt dieser Industrie wird deutlich in der Verbreitung von aufgezwungener Werbung. Wenn Reklame beliebt wäre, wieso zwingt uns die Industrie dann, sie zu sehen? Aber sie tut es; die Industrie macht sich die „gefangenen“ Zuschauer in u.a. Schulen, Universitäten, Kinos, Flughäfen, öffentlichen Verkehrsmitteln, Tankstellen und Arztpraxen zunutze. Noch schlimmer ist die Missachtung der Industrie für unsere Gesundheit und die unserer Kinder. Amerikanische Kinder leiden unter einer Vielzahl von mit Marketing zusammenhängenden Krankheiten, so wie Fettleibigkeit und Typ 2-Diabetes, während Millionen von Kindern durch die Werbung für Zigaretten sterben werden, wenn sie älter sind. Dennoch verneint die Industrie jegliche Verantwortung für die nachlassende Gesundheit unserer Jugend und die Aussicht, dass unsere Kinder eine kürzere Lebensspanne haben werden als wir.

Weltweit hat die Werbeindustrie eine mächtige Gegenreaktion in Bezug auf ihren Einfluss auf die öffentliche Gesundheit ausgelöst. Letztes Jahr hat die Weltgesundheitsorganisation (WHO) die „Framework Convention on Tobacco Control“ beschlossen, die Werbung für Tabakprodukte in den Ländern verbietet, deren Verfassung sie erlauben. Hunderte Gesundheitsorganisationen, Wissenschaftler und Politiker auf der ganzen Welt haben sich für den Vorschlag eines weltweiten Verbots von Werbung für ungesunde Nahrung, die sich an Kinder & Jugendliche richtet, ausgesprochen

Korrumpierung bürgerlicher Einrichtungen

Und dann ist da die Korrumpierung öffentlicher Einrichtung, wie Stadtverwaltungen, Schulen und Polizei. Coca-Cola hat einen Marketing-Vertrag mit Huntington Beach und East Lansing geschlossen, während PepsiCo Verträge mit San Diego und Fresno hat. Die Schulen sind gespickt mit Werbung. Genauso wie unsere Postämter. Eine Firma hat sogar versucht, Reklame auf Polizeiautos durchzusetzen. Unsere öffentlichen Einrichtungen sehen immer mehr wie der kommerzielle Pfand in einer Banenenrepublik aus.

Wir Amerikaner sind ein toleranter Haufen, aber es gibt eine Grenze für das Maß an Ärger und Beleidigung, die wir hinnehmen.

Fazit: wenn Ihr Geringschätzung für uns Bürger habt, so haben wir für Euch ebenfalls nur Verachtung. Das Resultat dieser gegenseitigen Missachtung wird in Gerichten und Gesetzgebungen in den nächsten Jahrzehnten entschieden werden, aber die wachsende Aufdringlichkeit und Unbeliebtheit der Werbeindustrie lässt keine großen Hoffnungen auf deren Überlebenschancen aufkommen.

Gegenseitige Missachtung ist schlecht fürs Geschäft. Aber sie könnte zurückgedreht werden. Ihr könntet mit ein wenig Selbst-Beschränkung beginnen.

Richtlinienentscheidungen

Dieses Land hungert nach Entscheidungen für strengere Richtlinien im Werbebereich. Wenn Werber im allgemeinen Lärm auffallen wollen, sollten sie kommerzielles „unerlaubtes Betreten“ beenden. Sorgt dafür, dass Ihr uns respektiert, und unsere öffentlichen Einrichtungen, unsere Kinder, nichtkommerzielle Kultur, Gesundheit und öffentliche Plätze. Dann handelt entsprechend. Dies würde Werbung weniger belästigend und vermutlich auch effektiver machen.

Wenn Ihr keine Verantwortung für Euer eigenes Tun übernehmt, seid nicht überrascht, wenn die Bürger Linderung verlangen. Zum Beispiel: Maßnahmen dagegen, dass jemand dazu gezwungen wird, Reklame zu schauen; das Verbot von Anzeigen, die die Verbreitung von Marketing-bezogenen Krankheiten fördern; keine Werbung für Kinder unter 12 Jahren; und keine Verwandlung von Verwaltungen, Schulen und öffentlichen Plätzen in Werbeflächen.

Es ist besser für die Industrie, freiwillig zu handeln. Ansonsten werden verärgerte Bürger nach langem Gerichtsstreit sich von der kommerziellen Beschallung befreien und sie durch das Recht, in Ruhe gelassen zu werden, ersetzen.

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Peak Wachstum

Keine Zeit, keine Zeit – das gilt auch heute für mich. Darum verweise ich wiederum nur mal kurz auf einen spannenden Artikel, den ich vor einiger Zeit gefunden habe: „Peak Wachstum“ beim Philosophenstübchen. Gerade jetzt, wo neues Wirtschaftswachstum als einzige Lösung aus der Krise von allen neoliberal unterwanderten Stellen propagiert wird (dabei ignorierend, dass vielleicht gerade dieser Zwang zum ständigen Wachsen solche Krisen heraufbeschwört wenn nicht sogar begründet), scheinen mir solche Gedanken, wie man aus der Wachstumsfalle entkommen kann, um so wichtiger. In dem Artikel werden eine Menge gute Anregungen zusammengetragen und auf diverse interessante Bücher zum Thema verwiesen. Lohnt sich also!

(…) Denn in Wahrheit sind es ja nicht „natürliche Grenzen“, die uns derzeit stoppen. Es ist nicht die Aneignung und Umwandlung von Natur durch menschliche Arbeit, die prinzipiell an ihre Grenzen stößt, sondern es ist jene Form von Naturaneignung, die einseitig von Gewinnmaximierungsprinzipien gesteuert wird und jene Form von Wohlstand, die sich immer mehr entfernt von menschlichem Wohlbefinden. Wenn wir diese gesellschaftliche Beschränktheit überwinden, können sich neuartige Selbstorganisationsdynamiken aus Natur und Gesellschaft entfalten, die das Verhältnis „Mensch-Natur“ nicht statisch-stabil zu halten versuchen, was letztlich erfolglos wäre, da die Natur selbst ein dynamisch und sich selbst organisierend entwickelndes System ist. Erst dann gilt, dass wir nicht nur reden müssen über die „Grenzen des Wachstums“, sondern wir können ein „Wachstum der Grenzen“ organisieren. Aber ohne gesellschaftliche Umwälzungen und die grundlegende Neuausrichtung und Neuorganisierung unserer gesellschaftlichen Lebens- und Wirtschaftsformen wird dies nicht gehen. Wer die Natur liebt, muss gesellschaftspolitisch aktiv werden.

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The Meatrix

Die gleichen Leute, die schon The Story of Stuff so schön umsetzten, die Free Range Studios, hatten sich einige Zeit zuvor bereits Gedanken darüber gemacht, wie man die Menschen darüber aufklären könnte, auf welch im wahrsten Sinne des Wortes bestialische Weise industrielle Massentierhaltung funktioniert. Herausgekommen sind einige kleine amüsante Animationsfilme, die The Meatrix-Reihe. Ja, klar, es wird das hohe Lied auf Biofleisch gesungen und nicht Vegetarismus propagiert (um dem Einwurf eines gewissen Bloglesers gleich mal zu entgegenen), aber generell finde ich es gut, wenn das Bewusstsein der Leute dafür geschärft wird, was sie bei ihrem Kauf- und Essverhalten so alles unterstützen und mittragen. Generell ist weniger Fleischkonsum natürlich besser als mehr Fleischkonsum. [via Karmakonsum]

The Meatrix I:

The Meatrix II: Revolution:

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