Too much information? Von Überfluss und Überdruss

© flaivoloka, stock.xchng

Vor einer Weile las ich den zwar nur kurzen, aber dennoch nachdenklich stimmenden Artikel „Vom Leben unter’m Himmel, der uns gleich auf den Kopf fällt“ im Digital Diary-Blog, nebst der dazugehörigen Diskussion im Kommentarbereich. Sie wirft darin die Frage auf, wie man als informierter und kritischer Mensch mit den ganzen Hiobsbotschaften, die tagtäglich auf einen einprasseln, umgeht:

Vielleicht lese ich einfach zuviel? Derzeit kann ich gar nicht anders als mir morgens die Nachrichten über die laufenden Katastrophen zu Gemüte zu führen. Steigende Schulden, sinkendes Wachstum, kriselnder Euro, Kaputtsparen der Länder und Gemeinden, radikale Republikaner auf dem Weg an die US-Macht, Kampf ums Internet und letzte Rohstoffe, Kriegstreiberei in Nahost, massenhafte Verarmung, insbesondere im Alter, wogegen Reiche immer reicher werden. Und während alledem schmilzt das Polareis in der Arktis wie noch niemals zuvor, was unser gewohntes Leben in “gemäßigten Breiten” auf Dauer mehr bedroht als alles andere. (…)

Angesichts dieser Diskrepanz zwischen gefühltem Alltagsbefinden und katastrophaler Weltlage ist mir seltsam mulmig zumute. Der Himmel droht uns auf den Kopf zu fallen, fällt jeden Tag ein wenig mehr – aber noch geht alles so weiter als wär’ nichts.

Eine Frage, der ich mich in der letzten Zeit auch vermehrt stelle. Der derzeitige Sparmodus, in dem mein Konsumpf aktuell läuft, hat zwar vor allem mit stark eingeschränkter Zeit auf meiner Seite zu tun, aber ich komme doch nicht umhin, auch eine gewisse Schreibblockade oder Schreibmüdigkeit bei mir zu konstatieren. Wenn man sieht, welche Strömungen weltweit an Einfluss gewinnen (seien es nun die Rechten in den USA um die Tea Party und Präsidentschaftskandidat Romney, oder auch islamistische Extremisten) und wie große Konzerne immer größer und mächtiger werden, während die Bevölkerung im gleichzeitig atemlos am Ticker von Spiegel Online hängt, um zu erfahren, welche tollen neuen Features wohl das neue iPhone 5 von Apple haben mag, dann kann man schon verzweifeln.

Auf der einen Seite fühlt man sich dann machtlos, weil anscheinend wirklich nur ein geringer Prozentsatz der Menschen sieht oder sehen will, was um sie herum passiert, auf der anderen Seite muss man ernstlich Angst haben, dass unsere jetzige angeblich „freie“ Gesellschaft auf eine große Katastrophe zusteuert. Sehenden Auges, untermalt von den apokalyptischen Reitern von medialer Verblödung und Reklametamtam. Eine extreme Kurzsichtigkeit sowohl bei den Leuten selbst als auch bei den gewählten Vertreten, den Mächtigen, scheint das vorherrschende Paradigma zu sein. Hauptsache irgendein Problem durch Flickenmaßnahmen für ein paar Monate, bis zum Ende der Wahlperiode, in die Zukunft verlagern, und der Rest muss einen dann ja nicht mehr kümmern. Genauso wie für den Erhalt mies bezahlter Jobs Umwelt und Gesundheit geopfert werden, werden viele so halbwegs laufende Prozesse, die aber langfristig zerstörerisch sind (man denke nur an den Wahnsinn Auto) aufrecht erhalten, weil: „wurde ja schon immer so gemacht“! Konservative und beharrende Kräfte gewinnen wieder an Macht, hierzulande ist eine Frau Merkel beliebteste Politikerin, obwohl sie ihre Entscheidungen vor allem auf dem Kalkül der Machterhaltung trifft. Aber Hauptsache, Kandidatin XYZ schafft es in der Supermodelshow in die nächste Runde, dann kommt alles andere von ganz alleine…

Kurz und gut – die Frage, die ich mir auch stelle, ist, ob man nicht eventuell zu viel (negative, bedrückende) Information aufsammelt, wenn man sich in kritischen Blogs und Netzwerken tummelt, und ob einen diese Informationen am Ende vor allem lähmen. Ich weiß es manchmal selbst nicht, zumal ich mit meinem Blog ja durchaus auch viel Mahnendes verbreite. Werden solche Informationen überhaupt etwas verändern oder passieren die wirklich wichtigen Weichenstellungen nicht eh ganz woanders, und ob wir nun Bio und Fair Trade einkaufen oder Nestlé-Produkte meiden, macht am Ende keinen Unterschied. Naja, das musste ich mal loswerden – mal schauen, wie ich mich aus dem aktuellen Motivationsloch wieder empor arbeite. Bleibt mir gewogen. :-)

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18 Kommentare

  1. “Doch resignieren und aufgeben ist die schlechteste aller Lösungen. Denn dann geben wir auch die Generationen auf, die derzeit noch nicht für den Erhalt ihrer Lebensgrundlagen und ihres Glücks kämpfen können.
    Und Hoffnung zu haben, sind wir unseren Kindern schuldig.”
    (http://www.veganblog.de/2012/09/11/veranderung-zuerst-wir-dann-die-politik/)

    Und das neunte und zehnte Angebot aus den “Zehn Angebote des evolutionären Humanismus” hilft auch!

    Ich wurde letztens noch von meiner Mutter gefragt, wie ich es aushalte, wenn ich mich immer informiere und immer nur schlimmes höre, und ich habe ihr gesagt, dass ich es noch schlimmer fände, nicht zu wissen, denn so kann ich, ganz egoistisch, mir zumindestens keinen Vorwurf machen, es nicht zumindestens versucht zu haben…

  2. Panther

    Bei mir bewirken solche Blogs wie dieser hier (bitte NICHT aufhören, ich LIEBE konsumpf!) eher, dass ich denke: okay, das hast Du auch noch nicht gewusst. Schweinerei, DIE unterstütze ich jetzt nicht (mehr) – und dann fühle ich mich gut, wenn ich eben NICHT (zB) die Kinderklamotten bei KIK kaufe, auch wenn sie dort billiger sind, oder statt Nutella einen Max Havelaar Brotaufstrich nehme usw. Ich finde es gut, kritisch zu sein und versuche, das auch an meine Kinder weiterzugeben. Alles ziehe ich mir auch nicht rein, aber es ist immens wichtig, dass es solche Seiten wie diese hier gibt – und wer braucht schon das Iphone 5? :-)

  3. Hej

    ich kann Deine Gedanken vollkommen nachvollziehen.
    Mir geht es ähnlich, allerdings hilft mir der Humor wieder auf die Beine zu kommen, zu letzt erst vorvorgestern in Mainz beim Auftritt von Nico Semsrott: http://nicosemsrott.de/video/

    Liebe Grüße

  4. Viator

    Ich warte nur darauf, dass der prophezeite Kollaps endlich eintritt und die Medienlandschaft zu ihrem finalen Katastrophgasmus kommt, kurz bevor sie ebenfalls kollabiert. Nichts ist lähmender als die Stille vor dem Sturm und nicht setzt mehr Energien frei, als ein hereinbrechendes Gewitter, nichts reinigt besser, als der begleitende Regen.

    Andererseits könnte auch entgegen aller Erwartungen die Sonne kurzfristig implodieren. Das wäre mir ebenso recht.

  5. Ach! Mach dich nicht verrückt! Das ganze Internet ist eine Hassmaschine Satans! ;)

    Schöne Gefühle produziere ich schon seit langer Zeit aus den kleinen Dingen:
    Die Freude meines Hundes wenn ich alle 3 Tage mit ihm einen ausgedehnten Waldspaziergang mache.
    Die Freude meines 5 Jährigens Neffens, wenn ich ihn 1 mal die Woche meine volle Aufmerksamkeit widme und mit ihm Spiele.
    Zu sehen, wie die Menschen sich doch manchmal liebevoll behandeln.
    Ein Hallo von einem Fremden auf der Straße…es gibt noch so viel schönes auf der Welt, da darf man diese ganzen Horrormeldungen zwar Wahrnehmen, sollte sich aber nich verrückt davon machen lassen.

    Ein bischen Gottes- und Schicksals-glaube helfen mir persönlich auch über diese Dinge hinweg.

    Achja, vergiss die Kritik an dich selbst und habe Mut zur Muße!

    PS: anti-spam word: schenken…na wenn das nich noch ein kleines Lächeln wert ist. ;)

  6. Hi.

    Ich verfolge Dein Blog nun schon eine Weile und hab bisher nicht kommentiert…

    Dein Beitrag hier tut mir gut. Er zeigt, dass Du immer noch ein Mensch bist. Andere Menschen zu informieren wie jede Art von Aktivismus, kann zu einem Vollzeitjob mutieren, wenn man es zu lässt. Das kann zwei, drei Jahre funktionieren, aber entweder kommt dann der Burnout oder die ganzen Horrormeldungen, die man zusammengetragen hat, machen einen fertig. Gefühle von Hilflosigkeit und Ohnmacht machen sich breit. Man informiert und informiert; ja, vielleicht geht man sogar auf Demos mit 10.000 anderen und unterschreibt regelmäßig Petitionen, aber trotzdem kann man etwas bestimmtes nicht verhindern?!

    Lass Dich ruhig mal eine Weile hängen und sammel neue Energie – du bist keine Maschine… Ansonsten kann ich Dir höchstens empfehlen, anzufangen, zu meditieren… Bewusstseinserweiterung und die Erlangung eines ruhigen Hirninhaltes – ganz ohne Drogen. Infos dazu aber bitte möglichst direkt aus Ostasien, weil man sich hier im Westen damit nicht wirklich auskennt.

    Oder, wenn Du keine Infos magst (bezüglich dieses Blogeintrages), dann setz Dich einfach hin, mach ruhige, entspannende Musik an und konzentrier Dich einfach auf Dich selbst… Ich glaube, es ist sehr hilfreich, sich auf die kleinen Dinge zu besinnen.

    Danke für dein Blog und die ganzen Informationen. Du hast gute Arbeit geleistet.

    Solidarische & libertäre Grüße
    Dani

    P.S.: Ich hatte gerade “kaufrausch” als Captcha. Yeah…

  7. Ach so, noch eine kleine Empfehlung von mir:

    http://www.rainymood.com/

    Außerdem wäre es vielleicht ganz gut, absichtlich zutun, was ich in meinem letzten Comic gekritzelt habe. Ich bin sicher, Du verstehst, wie das gemeint ist…

    http://zuhause.bonsaiheld.org/2012/09/13/offline/

  8. mach doch einfach mal ne Pause

  9. Gustav

    Hi,

    Ich persönlich kann deine Gefühlslagen auch sehr gut nachvollziehen.
    Mein Tipp:
    Mach auf jedenfall weiter mit diesem Blog! Deine Arbeit ist echt lobenswert.
    ABER finde dein Gleichgewicht zwischen “Horrormeldungen” lesen/verbreiten und Leben!
    Wenn man zu viel Zeit mit den schlechten Dingen dieser Welt verbringt, fällt man bald in ein Loch; in eine Art Depression. Ich denke, das kennt jeder, der mit offenen Augen durchs Leben geht und sich einfach auch mal zu viele Gedanken über die schlechten Dinge gemacht hat.

    Finde den Ausgleich! Sehr Wichtig !!!

  10. Ketariv

    Hi, jeder stand bestimmt schon an diesem Punkt. Ich finde es gut, dass man jetzt schon bei allgemeinen Anfragen an Suchmaschinen zwangsläufig über solch alternativen Themen stolpern muss. Zudem passieren laufend Pannen, es läuft halt nicht so rund bei denen.

    Wie hieß es so schön “Wir dürfen nicht verzagen!”.

    Versucht eure Kreativität wiederzuentdecken und handelt mit dieser. Kreativität ist nicht berechenbar. Hilfreich ist es die Glotze zu entsorgen. Ungewohnt aber machbar. Internetfreie Tage können einem die natur näher bringen.

    Im Internet wird meiner Meinung nach schon genug “unterrichtet”. Es muss noch ne Schnittstelle zwischen draußen und Internet geschaffen werden und insgesamt muss draußen mehr gemacht werden.

    Sehr schön sonst, Kopf hoch :)

  11. Da

    Dein Blog gehört zu den wenigen die ich regelmäßig besuche. Aus einem ganz einfachen Grund: Klasse statt Masse.

    Und noch etwas: Bei den “Verschwörungstheoretiker” gibt es die Theorie, das die Reizüberflutung der Massen dazu dient die Kontrolle über diese zu behalten. Man fällt nach einer Zeit in eine Art Lethargie. Wenn man da weiterforscht, stellt man dann fest, das das keine Verschwörungstheorie ist, sondern wissenschaftlich fundiert und schon lange in der Kritik steht.(Fachliteratur)

    Da hilft nur eines: Entspannen u d mal was fantasievolles lesen:-)

  12. Sand.

    Die Balance muss man wohl immer wieder neu finden, je nach Lebensphase und -situation gibt es große Unterschiede.
    Diesen Blog liebe ich, er gehört zum Wenigen (bezüglich “tagesaktuell”), was ich regelmäßig lese. Ich erlebe diesen Blog als Glücksfall. Wenn du mal nicht so viel schreibst, gibt es für uns Leser-innen immer noch die Möglichkeit, ältere Einträge durchzusehen, oder deinen Links zu folgen… Der Blog ist für mich ein guter Filter, wirklich relevante Informationen verknüpft mit Engagement, und das auf eine Art, die Freude macht! Ein wohltuender Unterschied zu “reiner Information” (mit einem Mäntelchen namens “Objektivität”) und zu negativen Schlagzeilen ohne jeden Zusammenhang. Du hast einen guten Tonfall gewählt für deine Aussagen, bringst wirklich relevante Informationen und das – trotz aller Ernsthaftigkeit – auf leicht verdauliche Weise… Es macht Spaß, die Einträge zu lesen! DANKE!

    • @ all: Danke für Eure aufmunternden und verständnisvollen Worte! Das muntert mich natürlich auf, wenn ich lese, dass mein Blog dem einen oder anderen etwas bedeutet. :-)

  13. alex

    Auch ich lese Deinen Blog regelmäßig und sehr gerne – und kommentiere nun zum ersten mal.
    Kann Deine resignierenden Gefühle verstehen, denn ich denke auch oft so (ohne auch nur ansatzweise so viel Zeit und Herzblut in einen solchen Blog zu stecken).

    Es fällt mir so schon schwer, alles “richtig” zu machen und oft wird man bei seinen kläglichen Versuchen noch als “Gutmensch” (was auch immer das bedeuten soll…) belächelt, wenn nicht gar beleidigt.

    Aber jeder Tropfen auf den heißen Stein ist wichtig. Irgendwann kommt vielleicht genug kühlendes Nass zusammen…

  14. sonny_mv

    Hey, hab ne kleine motivierende Anekdote für dich:

    Der Seestern

    Als der alte Mann bei Sonnenuntergang den Strand entlang ging, sah er vor sich einen jungen Mann, der Seesterne aufhob und ins Meer warf.
    Nachdem er ihn schließlich eingeholt hatte, fragte er ihn, warum er das denn tue.
    Die Antwort war, dass die gestrandeten Seesterne sterben würden, wenn sie bis Sonnenaufgang hier liegen blieben.
    “Aber der Strand ist viele, viele Kilometer lang und tausende von Seesternen liegen hier”, erwiderte der Alte. “Was macht das für einen Unterschied, wenn du dich abmühst?”
    Der junge Mann blickte auf den Seestern in seiner Hand und warf ihn in die rettenden Wellen. Dann meinte er: “Für diesen hier macht es einen Unterschied!”

    ;-)

    Ich find die Seite toll, allerdings ist was Wahres dran, dass unsere Gesellschaft inzwischen an einer Informationsüberflutung leidet! Deswegen ist es wichtig und wird in der Zukunft noch wichtiger, das Wesentliche vom Unwesentlichen zu trennen.

  15. Kann ich gut verstehen. Mir geht’s oft ähnlich, dass mich all die ätzenden Nachrichten plätten. Aber ich glaube immer noch daran, dass sie etwas verändern, die kritischen Blogs. Also bitte nicht aufhören.

    (Hihi: das security word ist passenderweise KAUFEN ;-) )

  16. Dein Blog verbreite ich recht viel. Und der hat schon einige dazu bewegt zummindest ein wenig am Konsumverhalten zu ändern

  17. Twilly

    Dieses Ohnmachtgefühl bekommt tatsächlich jeder der ansatzweise damit beschäftigt ist achtsam “zu leben” um von Antibiotika-Wachstumshormon-Fleisch-Alete-Gläschen, Kinderwurst über Nestle Kakao & Kraft- Milka bis hin zu Monsanto wo selbst der WWF einknickt, Abstand zu nehmen bzw. zu boykottieren. Wo wir gleich bei meinem Ansatz sind, oder besser Aufruf. Dieser Unmut darf nicht als Lähmung geschehen sondern eher als Wissensdurst diese Neoliberale Kapitalistische Gesellschaft zu hinterfragen und eben nicht mit dem Strom zu schwimmen. Wichtig ist dabei nicht allen Unmut auf Konzerne zu schieben und sich dann mnachtlos zu fühlen sondern mit seinen eigenen Kaufentscheidungen für Gegenbeweung zu sorgen und dies auch in seinem Umfeld kund zu tun. Jeden den man zum Umdenken animiert ist ein Weiterer etc. etc. Die Menschen selbst sind solange nämlich tatsächlich Komplitzen und genauso daran beteiligt… Beispielhaft genannt seien die SUV-Auto Gucci-Klamottenpatienten, meist vor Aldi und KIK gesichtet. Also… BITTE BITTE weitermachen!!! Konsumpf ist eine ganz tolle Seite welche ich versuche penetrant als sehr gute Infoquelle unter die Leute zu bringen.
    Empört Euch!

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