Nachdem ich inzwischen ein wenig intensiver in der neuen Ausgabe der „Magazinierten Transformationslust“, dem Heft Streifzüge, gelesen habe (das man sich nach wie vor HIER komplett als pdf herunterladen kann, und das kostenlos), möchte ich Euch doch noch ein paar weitere Artikel daraus ans Herz legen. Das Oberthema der aktuellen Ausgabe ist „Ressource“, und so geht es vor allem um Energiepolitik, erneuerbare Energien, aber auch um das generell maßlos Ressourcen verschlingende Wirtschaftswachstumssystem, in dem wir leben.
Sehr interessant finde ich beispielsweise Bruno Kerns Beitrag „Die Wahrheit ist den Menschen zumutbar. Energiewende zwischen infantilen Phantasien und Ernüchterung“, der sicher für LOHAS & Co. etwas härtere Kost darstellen dürfte, denn er räumt mit dem Mythos auf, dass man nur einfach ein bisschen seinen Konsum „begrünen“ und benzinbetriebene Autos durch Elektroautos ersetzen müsse (wie das die Grünen planen), und schon können wir im Prinzip so weiterwirtschaften und -wurschteln wie bisher. Kern legt dar, dass ohne eine grundlegende Abkehr vom Wachstumszwang in der Wirtschaft auch solche Techniken uns nicht retten werden.
(…) Die gedanklichen Kapriolen, die man schlägt, um der schlichten Einsicht zu entgehen, dass unser Wohlstandsniveau drastisch abgesenkt werden muss, sind abenteuerlich. Die ach so verheißungsvolle Effizienzrevolution hat Fred Luks mit einer einfachen Rechnung ad absurdum geführt: Wenn der Ressourcenverbrauch in den Industrienationen bis 2050 um einen Faktor 10 sinken soll (was weitgehend Konsens ist), und wenn man gleichzeitig ein bescheidenes Wirtschaftswachstum von 2 Prozent jährlich unterstellt, dann müsste die Ressourcenproduktivität (also die Menge an Gütern und Dienstleistungen pro Einheit einer bestimmten eingesetzten Ressource) um den Faktor 27 wachsen! Ein Wirtschaftswachstum von 3 Prozent setzt bereits eine 43-fache Energie- und Ressourceneffizienz voraus. Um diese Absurdität zu verschleiern, beschränken sich die ökologisch-kapitalistischen Heilspropheten in ihren Bestsellern immer nur auf beeindruckende Einzelbeispiele. (…)
(…) Ernst Ulrich von Weizsäcker spricht offen aus, worum es geht: „Europäern, Amerikanern und Japanern zu empfehlen, sich in Sack und Asche zu kleiden und auf Wohlstand und Fortschritt zu verzichten, ist eine zum Scheitern verurteilte Strategie. Also sollte die neue Wirtschaftsweise den Charakter eines ‚neuen Wohlstandsmodells‘ haben, um politisch durchsetzbar zu sein.“ (1992, S. 12)
Hier wird übrigens auch überdeutlich, für wen dieses neue Wohlstandsmodell gilt und für wen nicht. Weltweit gesehen nimmt eine kleine Elite für sich in Anspruch, die immer knapper werdenden Ressourcen auch noch für den letzten Teil ihrer Wohlstandsparty einzusetzen. Der ressourcensparende, intelligente, ökologiekompatible Wohlstand ist bei Licht besehen chauvinistische Brutalität. Bereits jetzt sind es global gesehen nur 6 Prozent der Menschheit, die jemals in einem Flugzeug gesessen sind, während in Nigeria unter Lebensgefahr Ölpipelines angezapft werden und im Sudan der erste Klimakrieg tobt. (…)
(…) Überdeutlich wird der illusionäre Charakter der aktuellen Diskussion beim Thema „Mobilität“. Verwundert reibt man sich die Augen, wenn man in gleich zwei Ausgaben des SPIEGEL hintereinander zu lesen bekommt, dass die Biomasse der Erde sieben- bis achtmal größer ist als die Menge, die nötig ist, um den alternativen Treibstoff für unser heutiges Mobilitätsniveau zu sichern.
Leider ist diese Aussage nicht weiter belegt. Aber der Unsinn liegt ohnehin auf der Hand. Die hohen Verluste an fruchtbarem Ackerland durch Bodenerosion, die Ausdehnung der Wüsten etc. sind jedem auch nur oberflächlich Informierten bekannt. Selbstverständlich steht die Erzeugung von Biomasse in unmittelbarer Konkurrenz zur Ernährung der Weltbevölkerung. Der gegenwärtige weltweite Boom beim Anbau von Plantagen für pflanzliche Treibstoffe bedeutet letztlich, dass weltweit gesehen 800 Millionen Autobesitzer (mit entsprechend mehr Kaufkraft) gegen die 2 Milliarden Menschen konkurrieren, die heute unter der Armutsgrenze leben. (…)
Abgesehen vom (hier nicht zitierten) Schlussabsatz des Textes, in dem der Autor quasi für eine staatlich gelenkte Verteilung der Ressourcen (also eine Art Planwirtschaft) eintritt, ist die Lektüre des Artikels meines Erachtens in seiner Gänze nur zu empfehlen!
© nkzs, stock.xchng
Und wo wir schon mal beim Thema Illusionen in Bezug auf die Rettung des Systems durch höhere Effizienz sind – einen recht spannenden Beitrag verfasste auch Andreas Exner mit „Sackgasse Grünpartei?“ (das sind die Grünen in Österreich), in dem er vor allem auf die Grundproblematik JEDER Partei in unserem System eingeht, nämlich im Grunde staatstragend zu sein. Das passt zu der hier im Blog entbrannten Diskussion bezüglich Anarchie & Demokratie…
Den Charakter der politischen Partei prägt ihre Orientierung auf den Staat. Sie nimmt die Interessen, die der Kapitalismus setzt, in sich auf, formiert sie, tariert Antagonismen wie jenen zwischen Kapital und Arbeit aus und setzt den resultierenden Kräftevektor in Staatshandeln um.Die von einer Partei formierten Interessen zielen grundsätzlich darauf, den Kapitalismus aufrechtzuerhalten: Lohnabhängige wollen Lohnarbeit und wollen ergo Lohn; Kapitalisten wollen Agenten des Kapitals bleiben und ergo Profit. Alle wollen Wirtschaftswachstum, denn ohne Akkumulation von Kapital läuft im Kapitalismus nichts. (…)
(…) Die Partei ist strukturell gesehen ein Stimmenmaximierungs-Apparat. Die Bedingung seiner Möglichkeit ist die Abtrennung der Einzelnen von ihren Entscheidungsmöglichkeiten. Die Abgabe der Stimme bei der Parteienwahl ist ein Mechanismus, mit dem der Staat sich Legitimität verschafft. Es ist kein Mechanismus der kollektiven Selbstbestimmung. Umgekehrt ist die Abtretung von Stimmen an eine Partei kein Mechanismus der Delegation von Entscheidungen zwecks Komplexitätsreduktion. Ihr Ergebnis ist vielmehr Repräsentation der Entscheidungsbefugnis, die den Wählenden per Wahl entzogen wird. (…)
(…) Der Partei geht es nicht wesentlich um die Veränderung gesellschaftlicher Verhältnisse, sondern um deren effiziente Ausnutzung zur Maximierung der eigenen Macht und Mittel. Ebenso wie der Markt dazu führt, dass sich TV-Programme angleichen, Zeitungen immer ähnlicher werden und Waschmittel nur an der Verpackung zu unterscheiden sind, tendiert jede Partei zur Mitte. Die Wirtschaftspolitik von SPÖ, ÖVP, Grünen, FPÖ und BZÖ differiert marginal. Die marginale Differenz wird dadurch bestimmt, der anderen Partei nicht zu ähnlich sein zu dürfen.
Freilich, es ist denkbar, dass eine Partei dieser Handlungslogik, die in ihr als sozialer Form angelegt ist, explizit widerspricht. Die Grünparteien der Anfangsjahre sind dafür ein Beispiel. Gerade sie zeigen allerdings auch, dass sich die Logik der Partei selbst in einer fundamentaloppositionellen Parteiarbeit letztlich durchsetzt. (…)
(…) Wohlgemerkt: Am „Green New Deal“ ist nicht zu kritisieren, dass Geldmittel für erneuerbare Energiesysteme ausgegeben, die Effizienz gesteigert und der öffentliche Verkehr verbessert werden sollen. Zu kritisieren aber ist die gefährliche Illusion, damit das ökologische Problem oder die Wirtschaftskrise zu lösen.
Die Einsicht in die Borniertheit der Parteienlogik heißt jedoch nicht, die Parteien aus ihrer Verantwortung zu entlassen. Ganz im Gegenteil ist von allen Akteuren einzufordern, sich der Realität zu stellen. Profit- und Machtproduktion sind keine legitimen Argumente. Dissidente in den Grünparteien sind explizit zu stärken und als Auflösungspunkte der Parteiform, das heißt notwendiger Teil einer emanzipatorischen Perspektive zu unterstützen.
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