Gerne möchte ich auch dieses Jahr auf zwei spannende Initiativen hinweisen, die sich für ein alternatives Leben und ein Handeln abseits der kapitalistischen Verwertungslogik einsetzen. Zunächst die Transition-Konferenz vom 21. bis 23. September in Witzenhausen (kein Scherz!) bei Kassel. Der Peak Oil-Blog schreibt dazu:
Wer langfristig denkt stellt schnell fest: Irgendwann müssen wir ohne Erdöl auskommen. Diese Erkenntnis ist nicht neu, aber sie rückt mit jeder neuen Preiswelle an den Tankstellen immer stärker ins Bewusstsein. Auch wenn die kurzfristige Diskussion sich dann schnell um Steuersenkungen dreht (Frankreich plant ernsthaft, die Spritsteuern zu senken, um den Benzinpreis zu deckeln), sind die langfristigen Fragen doch andere:
- wie organisieren wir unsere Städte ohne Öl als Mobilitätstreibstoff?
- welche alternativen Energiequellen lassen sich nutzen?
- ist unser heutiges materielles Wohlstandsniveau mit diesen Energiequellen aufrecht zu erhalten?
- wie kann der Abstieg vom Energiegipfel gestaltet werden?
- welche Nebenwirkungen hoher Preise und Ölknappheit können auftreten und wie kann man sie mildern?
Diese Fragen lassen sich nur dann mit einem Halbsatz beantworten, wenn der Glaube an technologische Sprünge so stark verankert ist, dass keine Zweifel übrigbleiben, dass uns (neue) Technologien aus allen bedrohlichen Szenarien herausführen werden. Für Nicht-Ingenieure zeigt der Technik-Glaube jedoch wenig Handlungsmöglichkeiten: Wer kein Forscher ist oder kein Ingenieur kann sich am Erklimmen eines neuen Technik-Gipfels nicht beteiligen. Passives Abwarten ist jedoch nicht jedermans Sache, wissen wir ja sehr wohl, dass möglicherweise viel auf dem Spiel steht.
“Die Politik handelt zu langsam” ist eine der Erkenntnisse, die zur Entstehung der “Transition Town“-Idee geführt hat. Zwar ist in Deutschland ein Energiekonzept auf Ebene der Bundespolitik entstanden, doch dieses formuliert hauptsächlich Ziele, nicht jedoch den Weg, wie genau es zu erreichen ist, in 2050 nur noch 50% des heutigen Primärenergieverbrauchs zu benötigen. Fakt ist: Damit ein ganzes Land seinen Energieverbrauch halbiert, muss rein statistisch jede einzelne Stadt, jedes einzelne Unternehmen, jeder einzelne Haushalt, jeder einzelne Mensch seinen Energieverbrauch halbieren. Bis 2050 mag viel Zeit sein, doch ist es (beispielsweise) eben nicht so leicht, mal eben das Verkehrssystem vom Energiespeicher Öl auf den Energiefluss Strom umzustellen. Vor allem, wenn sich die Politiker dann noch über Stromleitungstrassen streiten und über die Pendlerpauschale, über Einspeisevergütungen und neue Kohlekraftwerke. Die “Energiewende” wird auf politischer Ebene und in den Zeitungen diskutiert (und sie wird geschoben von den Transformateuren), aber kommt sie auch da an, wo sie letztlich umgesetzt werden muss: Vor Ort?
Die Energiewende ist eine Kulturwende – diese Feststellung wurde in einschlägigen Blogs schon diskutiert, da gab es den Begriff der Energiewende in den Medien noch gar nicht. Damit “Energiewende” zum politischen Alltagsbegriff wurde, musste erst noch ein Atomkraftwerk in Japan explodieren. Von einer Veränderung im Umgang mit Ressourcen liest man im Energiekonzept der Bundesregierung wenig, Kulturwende greift demnach noch ein Stückchen tiefer als Effizienzmaßnahmen und die Ernte von Erneuerbaren. Und die Begründung für eine nicht rein technische Herangehensweise ist nicht schwer zu verstehen:
Unsere heutige Kultur entstammt der Industrialisierung, die sich ja nicht nur mit neuen Technologien, sondern insbesondere auch mit einem sich ständig vergrößernden Energieangebot entwickelte. Eine Kultur, mit einem stagnierenden Energieangebot, einem stagnierendem Wirtschaftsoutput (=”Nullwachstum”) oder gar einer Schrumpfung dieser Bereiche umzugehen, muss erst noch entwickelt/erlernt werden!
Nur wenige Menschen haben ein Gefühl dafür, wie ein echter Ölschock in unserer so “hochentwickelten” Zivilisation aussehen würde. Ein plötzliches Ausbleiben des Energiezuflusses würde uns die Fallhöhe, auf die wir uns begeben haben, schmerzlich vor Augen führen. Selbst die strategische 90-Tage-Reserve ist nur ein Tropfen auf den heißen Stein, nach ihrem Aufbrauchen würden wir mit Entwicklungen konfrontiert, die die Handy-Generation nur aus Action-Filmen kennt. Daher ist der Transition-Ansatz eng damit verbunden, krisenfestere Gemeinschaften, krisenfestere Kommunen zu entwickeln.
Wie genau eine Kommune krisenfester werden kann, ist unklar: Zu wenig historische Erfahrungen sind vorhanden. Daher ist der Weg einer Verwandlung der eigenen Stadt auch immer ein Weg mit Versuch und Irrtum. Immer hilfreich dabei ist der Austausch mit anderen, die einen ähnlichen Weg versuchen.
Für diesen Austausch gibt es vom 21. bis 23. September Gelegenheit bei der 3. deutschsprachigen Transition-Konferenz. Witzenhausen bei Kassel ist keine Groß-, aber Universitätsstadt, wer ökologische Agrarwissenschaften studieren will kann das nur dort tun. Das Konferenz-Programm steht noch nicht vollständig, aber einzelne Programmpunkt sind sicher: Komplementärwährungen, Open Source-Technologien, Permakultur und Stadtgärten, aktuelle Peak-Entwicklungen und Organisationswerkzeuge werden diskutiert und vorgestellt, ein Open Space erlaubt jedem sein Thema einzubringen und für Musik und Kultur ist gesorgt. Die Witzenhausener Transition-Initiative will sich dem Thema Lebensmittelverarbeitung (“Vom Solartrocknen bis zum Saftpressen”) widmen und damit für den Erhalt alten Wissens sorgen.
Mehr Informationen, Unterkunft-Vorschläge und Anmelde-Formular gibt es auf der Webseite der Konferenz. Eine Kinderbetreuung wird organisiert, Sponsoren werden noch gesucht…
Der zweite Tipp bezieht sich auf das hier im Blog ja schon ein paar Mal erwähnte Umundu-Festival in Dresden, bei dem sich dieses Jahr alles ums Thema „Selbermachen“ dreht:
Vom 18. bis zum 27. Oktober können interessierte Bürger_innen wieder viel Wissenswertes und Kontroverses zum Thema Global Nachhaltiger Konsum in unserem vielfältigen Programm erfahren. Während der zehntägigen Veranstaltungsreihe soll über unseren Konsumalltag und die lokalen und globalen Zusammenhänge berichtet, diskutiert und auch über aktuelle Entwicklungen informiert werden.
Fokusthema „Selbermachen!“
In diesem Jahr wollen wir uns mit unserem Programm dem Thema „Selbermachen!“ zuwenden. Wir möchten hiermit die Rolle einer aktiven Bürgergesellschaft vor dem Hintergrund aktueller globaler Problemlagen und die Potentiale für eine Nachhaltige Entwicklung durch Nachhaltigen Konsum aus ganz unterschiedlichen Perspektiven beleuchten.
„Was können wir tun?“ So könnte die Frage lauten, die uns – in Bezug auf das Motto „Selbermachen!“ – während des Festivals begleiten soll und auf die wir vielleicht gemeinsam Antworten finden werden.