Dez
16
2012
2

Unruhe stiften mit stoersender.tv

Depperte Sendungen und Fernsehsender gibt es in ausreichender Zahl. Aber kritische, gegen den Strich gebürstete Meinungen und Reportagen findet man nur inselgleich im weiten Meer der Beliebigkeit auftauchen, in der Regel im öffentlich-rechtlichen Fernsehen. Umso begrüßenswerter ist es deshalb, dass der politische Kabarettist Dieter Hildebrandt zusammen mit einigen Mitstreitern eine neue, internetbasierte Sendung plant – Störsender.tv. Derzeit befindet sich das Projekt noch in der Finanzierungsphase – mittels Crowdfunding suchen sie Unterstützer, um dann nächstes Jahr auf Sendung und den Großkopferten auf die Nerven gehen zu können. HIER könnt Ihr Euch daran beteiligen (via Startnext).

Der Störsender ist ein unabhängiges Crossover-Projekt. Kabarett, Journalismus, Satire, Kampagne und Stör-Aktionen online wie offline. Jede Menge Störkraft am Werk also.

In der ca. 30minütigen Magazin-Sendung stoersender.tv tritt Dieter Hildebrandt regelmäßig auf. Dazu gibt es Animationen, Interviews, Berichte über Störaktionen und Auftritte von Hildebrandts liebsten und besten Kollegen.
Die Webseite ist dafür die Plattform, und gleichzeitig ein Kampagnen-Werkzeug. Hier verabreden wir Strategien, Störaktionen und überlegen auch gemeinsam, wie sich das Programm entwickeln soll.

Der Störsender ist aktuell, läuft aber nicht jeder Sau nach, sondern scheucht selbst welche auf. Wenn Du eine Sau kennst – her damit! Wir berichten, bis die Schwarte scheppert! Je mehr Störenfriede aus aller Damen und Herren Länder mitmachen – sei es im Interview, sei es im Forum, sei es bei Störaktionen auf eigene Faust – desto besser.

Jeder kann das Programm sehen und im Forum mitreden, allerdings erhalten die Shareholder des Störsender-“Crowd-Fonds” üppige Boni. Pressefreiheitskampf-Dividende, sozusagen…

…zusätzlich zu der süßen Gewissheit, für Pressefreiheit gekämpft zu haben, liefert das Reize, das VIP-Angebot von stoersender.tv gegen Bares zu beziehen. (Paypal ist auch ok). Crowdfunding ist die Heiligsprechung von künstlerischer und redaktioneller Freiheit.

VIP, Very Intelligent Pressefreiheitskämpfer sein heißt:

– Du empfängst stoersender.tv drei Tage vorm (freien) Publikums-Start.
– Du siehst stoersender.tv in HD-Qualität.
– Du hast Wahlrecht im Störsender-Forum und kannst so unter anderem das Programm mit beeinflussen – one woman, one man, one vote.
– Du kannst Deine Videos auf der Webseite einbinden und der Community erzählen, was Dich stört oder wen Du bei seinen (oder ihren) Untaten gestört hast.
– Dein Name steht für ein Jahr samt Logo Deiner Organisation bei den VIP. Natürlich nur, wenn Du das möchtest!

Was sind die Ziele und wer die Zielgruppe?

Ziel des Störsenders ist, Menschen und Organisationen zu stören, die ihrerseits die Demokratie stören.

Wer sich mit dem Status Quo nicht abfinden und wenigstens kämpfen will, wer Fan von Dieter Hildebrandt ist, gerne die Heute-Show, Neues aus der Anstalt und artes Tracks sieht oder sich auf Webseiten wie Project Censored tummelt, ist beim Störsender richtig. Natürlich dient das nur der groben Orientierung – Schubladen sind für Socken da!

Warum sollte man dieses Projekt unterstützen?

– Weil unabhängige Medien aus einem Demokratie-auf-dem-Papier-Tiger einen Rechtsstaat mit Zähnen machen.

– Weil der Einfluss von Politik und vor allem Wirtschaft auf die „etablierten“ Medien wächst und wächst. (Zu den Mechanismen siehe Parenti, 1993, Chomsky, 1992, et al.).

– Weil der Störsender da hingehen will, wo es weh tut. Natürlich muss man dafür auch raus aus dem Studio. Gemeinsam mit Euch!

– Weil es viel zu lachen geben wird.

– Weil das Politische Kabarett eine Kunstform ist, die im Internet bislang nur auf Youtube oder in Mediatheken vorkommt.

– Weil stoersender.tv frei zu empfangen sein soll, aber nicht vom Himmel fällt.

– Weil man dadurch den Status eines Very Intelligent Pressefreiheitskämpfer samt Wahlrecht und anderer Vorteile im Störsender-Forum erwirbt.

– Weil Dieter Hildebrandt immer ausverkauft ist und so mehr Menschen in den Genuss kommen, ihn in Aktion zu sehen.

Was passiert mit dem Geld bei erfolgreicher Finanzierung?

Fernsehen, sorry, Störsehen produzieren ist nicht billig – egal über welchen Kanal es hinterher ausgestrahlt wird, ob via Satellit, Kabel oder Glasfaser.

Durch allerlei Kniffe, Kreativität, ehrenamtliches Engagement und noch mehr Liebe wird mit diesem Geld ein ganzes Jahr stoersender.tv produziert. 20 Sendungen zu jeweils etwa 30 Minuten…

…das sind 10 Stunden Programm!

Bei einer Überfinanzierung werden mehr Sendungen und Kampagnen und die eine oder andere Sondersendung möglich.

Natürlich muss auch die Plattform bezahlt werden, sprich die Webseite selbst, der Shop und das Abosystem, die Sicherheit…, dann Wartung, Moderation des Forums, Support, undundund…

Von dem Geld wollen wir auch Störaktionen finanzieren, die unter Freiem Himmel oder in der Lobby stattfinden.

Last not least: Recherche kostet… stoersender.tv arbeitet sachlich fundiert mit Hand und Fuß.
Hand- und Fußpilz durch unsaubere Recherche wollen wir uns keinen einfangen!

Wer steht hinter dem Projekt?

Projektpartner, Investor und Stargast von stoersender.tv ist Dieter Hildebrandt. Der Übervater des politischen Kabaretts übt seinen Beruf seit mittlerweile gut 6 Jahrzehnten aus – mit einigem Erfolg… Es gibt keinen Preis, den er nicht mindestens einmal bekommen hätte.

Besondere Ritterschläge erhielt er von einem regierungsnahen Medium, das seine ARD-Live-Sendung Scheibenwischer einmal sogar komplett ausblendete, sodass die Zuschauer in Bayern buchstäblich schwarz sahen, vom ZDF, das seine bereits produzierten Sendungen manchmal einfach aus dem Programm strich und natürlich vom seligen Franz Josef Strauß, der ihm das Prädikat “Politischer Giftmischer” verlieh. Ist da überhaupt eine Steigerung möglich? Finde es heraus!

Dieter Hildebrandt wird immer wütender. Der Kelch mit der „Altersmilde“ scheint einen Bogen um ihn gemacht zu haben – wohl wissend, dass der Schlesier ihn mit Schmackes in die Ecke gepfeffert hätte. Nun greift er also als Projektpartner mit einem neuen Medium an. Greif mit an!
Noch grantiger kann nur der Karikaturist Dieter Hanitzsch werden. Vor allem dann, wenn man ihn reizt. Sonst ist er ganz reizend. Der Störsender hat damit einen eigenen Wutzeichner, der die Anliegen der Wutbürger seit vielen Jahren für die Süddeutsche Zeitung in Tusche gießt und den Politikern beweist, dass es manchmal schlimm ist, karikiert zu werden, aber noch viel schlimmer, wenn man nicht karikiert wird.

Als Duo Infernale werden Hanitzsch und Hildebrandt ab und an auch gemeinsam vor die Kamera und der Regierung in den Hintern treten. Zum Beispiel Herrn Draghi oder dessen Komplizen Lloyd Blankfein.

Erfinder, Redakteur, Autor und Projektleiter von stoersender.tv ist Stefan Hanitzsch. Er ist freiberuflich an diversen Medien-Projekten beteiligt und investiert seit einer Weile Zeit und Geld in die Verwirklichung des Störsenders.

Als Politik-Student schrieb er unter anderem für den „Münchner Merkur“, die „Süddeutsche Zeitung“ und die Hörfunkabteilung des „Bayerischen Rundfunks“ .

Nach dem Studium hat er quasi „die Seiten gewechselt“ und mehrere Jahre für eine Volkspartei geworben. Zunächst im Deutschen Bundestag in Berlin, wo er als Pressesprecher und wissenschaftlicher Mitarbeiter das Parlament en detail kennenlernen durfte. Dann furiose Wahlkämpfe – Landtag, Europa, Bundestag – und im Anschluss mehrere Jahre Pressesprecher.

Die Erfahrungen in der Politik waren heilsam für Stefans Vorstellungen vom Politischen System. Sie werden in der Redaktion von stoersender.tv nützlich sein.

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Dez
07
2012
10

Goldman Sachs’ Einfluss auf Wirtschaft und Politik

© cempey, stock.xchng

Verschwörungstheorien gibt es vermutlich seit Menschen die Erde bevölkern und sich untertan machen. In Zeiten des Internets scheinen sie besonders aufzublühen, oder zumindest bekommt man sie einfacher und schneller mit. Mit zum Teil an Sekten erinnernder Hingabe wird da an ziemlich krauses, krudes und leider oft genug revisionistisch-rechtes Zeug geglaubt. New World Order, 9/11, Klimaskeptiker usw. usf., die Liste ließe sich noch lange fortführen, Ihr kennt den Kram sicher auch. Häufig wird auch eine Melange aus allem zusammen für die Wahrheit („truth“) genommen und vehement gegen alle Ungläubigen vertreten. Allerdings, und das macht den Reiz dieser VT sicher auch aus, gibt es auch immer Berührungspunkte zur eher „faktengestützen Realität“. Wer also alle diese Theorien als reines Hirngespinst von Fanatikern abtut, macht es sich eindeutig zu leicht, denke ich. Zumal, wenn es sich um die Geldhäuser dieser Welt dreht, wie z.B. Goldman Sachs.

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Dez
02
2012
5

Lesetipps, Internet-Edition: 4 Sheriffs zensieren das Internet | Die Debatte ums Leistungsschutzrecht

© ilco, stock.xchng

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In der sog. Netzgemeinde geht seit einer Weile ein neues Unwort um: das Leistungsschutzrecht oder #lsr (für die Twitteruser unter uns). In diese unselige Debatte, die von den großen Medienhäusern auf der einen und Google sowie Leuten mit Ahnung vom Netz auf der anderen Seite geführt wird, will ich mich gar nicht großartig einmischen, zu absurd, zu durchsichtig ist hier der Versuch von Verlagen & Co., das Rad der Geschichte zurückzudrehen und sich mit einer von Lügen gespickten Kampagne bei der schwarz-gelben Regierung ein ihnen genehmes Gesetz schreiben zu lassen. Wie schon beim antiquierten Urheberrecht, wo versucht wird, mit Gesetzen aus der Postkutschenzeit den Flugverkehr zu regeln, haben auch diesmal die Medienschaffenden in Deutschland den Schuss nicht gehört. Spannend ist auf jeden Fall, dass wir wieder einmal live & in Farbe auf breiter Front miterleben können, wie die mediale Propaganda des sog. „Qualitätsjournalismus“ funktioniert. Stefan Niggemeier seziert in seinem Blog die ganzen ans Peinliche grenzenden Versuche einiger Verlagsanstalten, Leser durch schiere Desinformation zu blenden. Besonders schön fand ich seinen Post von vorgestern „Zwischenstand im Presse-Limbo zum Leistungsschutzrecht“:

Das Wettrennen um die verlogenste, einseitigste, falscheste und irrste Berichterstattung in der deutschen Presse über das Leistungsschutzrecht ist noch im vollen Gang. Insofern wäre es voreilig, heute schon einen Gewinner küren zu wollen, selbst wenn man sich kaum vorstellen kann, dass die bisherigen Teilnehmer noch zu übertreffen sind.

Bis vorhin zum Beispiel dachte ich, dass der »Mannheimer Morgen« unmöglich einzuholen sein würde. Der hat einen Kommentar von Rudi Wais veröffentlicht, der auch in »Augsburger Allgemeiner«, »Main Post«, »Straubinger Tagblatt« und »Landshuter Zeitung« erschienen ist und mit den Worten beginnt:

Diesen Kommentar gibt es nicht umsonst.

Das ist ein Satz, der auf den ersten Blick nicht sehr spektakulär wirkt, es sei denn, man liest den Kommentar auf den Internetseiten von »Mannheimer Morgen«, »Augsburger Allgemeine« oder »Main Post«. Dort gibt es ihn umsonst.

Diesen Kommentar gibt es nicht umsonst. Unsere Leser bezahlen am Kiosk oder im Abonnement für ihre Zeitung — und unser Verlag bezahlt den Autor, der diesen Kommentar schreibt, das Papier, auf dem der nachts gedruckt wird, die Druckmaschinen und natürlich auch Fahrer und Zusteller, die die Zeitungen dann in aller Frühe ausliefern. Im Idealfall haben am Ende alle fünf etwas von diesem Kommentar: Leser, Verlag, Journalist, Fahrer und Zusteller. Sie leben mit der Zeitung oder von ihr. Nur Google will nicht bezahlen.

Ich weiß nicht, wie es Ihnen geht, aber für mich verlieren diese Sätze ein bisschen ihre Überzeugungskraft dadurch, dass sie alle auf dem ersten Satz aufbauen, der so eindeutig falsch ist.

Wie übrigens auch der nächste:

Der amerikanische Internetriese sammelt Texte ohne Rücksicht auf Urheber– und Verlagsrechte in speziellen Nachrichtenportalen.

Nein. Was Google macht — Texte indizieren und mir kurzen Ausrissen verlinken — verstößt nicht gegen das Urheberrecht. Und wenn die Verlage es trotzdem nicht zulassen wollen, könnten sie es einfach verhindern, sogar ohne darauf verzichten zu müssen, über Google trotzdem gefunden zu werden. Die falsche Behauptung ist Teil der gezielten Desinformation der Leser durch die Verlage, was insofern ironisch ist, weil der Kommentator ein paar Sätze weiter schreibt, dass »unkundige Besucher« von Google »gezielt desinformiert« würden.

Der Kommentar endet mit den Worten:

Guter Journalismus kostet Geld — und deshalb darf ihn auch Google nicht umsonst bekommen.

Bevor Sie jetzt ein schlechtes Gewissen bekommen, falls Sie auf den Link geklickt und den Text umsonst gelesen haben: Keine Sorge. Es handelt sich ja nachweislich bei ihm nicht um »Guten Journalismus«. (…)

Dass der Bundestag die erste Lesung des Gesetzes, das natürlich von CDU und FDP mitgetragen wird (und auch in Teilen wohl von der gedanklich ebenfalls im Mittelalter feststeckenden SPD) spätnachts abhielt, wundert wohl keinen. Immerhin haben sich die Jugendorganisationen aller Parteien gegen dieses Schwachsinnsgesetz ausgesprochen – „Keine Einführung des Leistungsschutzrechts – gemeinsame Erklärung“ (Die Linke wurde hier, v.a. auf Betreiben der JU, außen vor gelassen, was einiges über das Demokratieverständnis im Lande sagt…)

(…) Derzeit stellen viele Verlage ihre Inhalte freiwillig kostenfrei und für jedermann zugänglich ins Netz. Sie tun dies, um öffentlich wahrgenommen zu werden und um Werbeeinnahmen zu generieren. Es gibt bereits jetzt die technischen Möglichkeiten, Inhalte im Netz dem Zugriff durch Suchmaschinen und News-Aggregatoren zu entziehen. Damit bleibt es den Verlagen unbenommen, den Zugriff und die Zugriffsbedingungen für ihre Inhalte zu steuern und auszugestalten. Eine Schutzlücke gibt es nicht. Es ist uns unbegreiflich, dass der Gesetzgeber der Argumentation der Verlegerverbände folgt, es müsse eine Lücke geschlossen werden.

Der Entwurf des Leistungsschutzrechts sieht die Pflicht zum Kauf von Lizenzen dann vor, wenn die Verlagsinhalte kommerziell genutzt werden. Unklar ist, wie mit den im Netz massenhaft vorhandenen Angeboten umgegangen werden soll, die nicht eindeutig als kommerziell oder privat zu werten sind – so etwa Blogs, die durch Werbung oder Micropayment-Dienste ebenfalls zu Erlösen führen können. Diese rechtliche Grauzone im Leistungsschutzrecht birgt für Bloggerinnen und Blogger sowie Nutzerinnen und Nutzer die Gefahr, von den Verlagen systematisch mit Klagen überzogen zu werden. Ein staatliches Eingreifen ist hier völlig unnötig und sogar schädlich.

Junge Union, Jusos, Grüne Jugend, Junge Liberale und Junge Piraten sind sich darin einig, dass dieser Eingriff in die freiheitliche Architektur des Internets nicht hinnehmbar ist. Es gibt keine Notwendigkeit für diese Innovationsbremse. Die Verlage müssen sich — wie andere Branchen auch — dem Strukturwandel stellen: Statt an analogen und nicht umsetzbaren Regelungen festzuhalten, sollten sie neue, an das Internet angepasste Geschäftsmodelle entwickeln. (…)

Traurig, dass die „gestandenen“ Politiker besagter Parteien oft so wenig Ahnung haben bzw. eben bewusst Wirtschaftsinteressen folgen. Was natürlich auch niemanden mehr wundert. Selbstredend hat es einen komischen Beigeschmack, dass man bei diesem Kampf gegen die Besitzstandswahrer in den Medienhäusern ausgerechnet mit Google in einem Boot sitzt, also einem Großkonzern, dessen Macht im Netz erklecklich ist und weidlich ausgenutzt wird. Die Zeit brachte vor  einiger Zeit einen höchst lesenswerten und erschreckenden Artikel über den Einfluss der vier großen Internetfirmen Apple, Google, Facebook und Amazon, die jede auf ihre Art für eine gefilterte Wahrnehmung der Welt sorgen – „Vier Sheriffs zensieren das Internet“. Lest Euch den Beitrag bitte in Gänze durch (geht über vier Seiten), es lohnt sich!

(…) Facebooks Schnüffelei ist nur ein Fall von vielen, in denen führende Konzerne den Internetnutzern mit fragwürdigen Methoden ihre Regeln aufzwingen. Etwa zeitgleich verweigerte Apple die Freigabe für ein satirisches Spiel, das Frederic Jacobs aus San Francisco für das iPhone programmiert hat. Es heißt Angry Syrians und kritisiert in bunter Comic-Optik das brutale Regime von Präsident Baschar al-Assad. Warum es bei Apple nicht erscheinen durfte? Weil es angeblich »diffamierend oder beleidigend« gewesen sei, berichtet der Programmierer.

Apple unterdrückt eine politische Meinungsäußerung. Wie oft wohl noch?

Oder Amazon: nahm Anfang Juni das Schwarzbuch WWF vorübergehend aus dem Programm. Der Autor Wilfried Huismann warf darin der Umweltorganisation große Nähe zur Industrie vor, ein juristischer Streit zeichnete sich ab. Amazon verbannte das Buch, noch bevor die Richter die Vorwürfe beurteilten. Aber bedeutet das angesichts der Marktmacht von Amazon nicht, dass faktisch ein einzelner Konzern im Wesentlichen entscheidet, was gelesen wird?

Oder Google: filtert die Ergebnisse seiner Suchmaschine weltweit mal nach politischen Vorgaben, mal nach unterstellten persönlichen Interessen der Nutzer. Jedenfalls nicht immer so neutral, wie es das schlichte Weiß der Internetseite suggeriert. (…)

Auch Jens Berger hatte sich auf den NachDenkSeiten gerade mit dem Thema befasst – „Facebook und die Zensur“:

Als die NachDenkSeiten-Unterstützerin Margareth Gorges vor wenigen Tagen Wolfgang Liebs Kommentar zur Wahl Katrin Göring-Eckardts auf die Facebook-Wall der Grünen postete, staunte sie nicht schlecht – kurze Zeit später war nicht nur ihr Post verschwunden, Frau Gorges wurde vielmehr von Facebook mitgeteilt, dass sie die nächsten 60 Tage nicht mehr auf die Walls anderer Nutzer schreiben darf und sie im Wiederholungsfall ganz vom Facebook-Angebot ausgesperrt wird. Man könnte dies als Lappalie abtun, schließlich besagt ein Facebook-Verbot „nur“, dass man die Seiten dieses Konzerns nicht mehr wie gewohnt nutzen kann. Wäre da nicht der Medienwandel – einige wenige große und gänzlich intransparente Konzerne beherrschen das Internet und bestimmen, welche Inhalte Nutzer zu sehen bekommen und welche Nutzer für andere sichtbar sind. Zensur gehört dabei nicht nur zur Tagesordnung, sondern auch zum Geschäftsmodell. (…)

Den Grünen kann man im konkreten Fall noch nicht einmal einen Vorwurf machen. Natürlich entscheidet jeder Facebook-Nutzer selbst, was auf „seiner“ Wall steht. Auch die NachDenkSeiten löschen (in seltenen Fällen) Nutzerkommentare auf ihrer Facebook-Seite, die beispielsweise einen fremdenfeindlichen Inhalt haben. Für die „Hygiene“ seiner Seite ist jeder Nutzer selbst verantwortlich. Facebook erlaubt seinen Nutzern sogar, anderen Nutzern das Posten auf der eigenen Seite generell zu verbieten. Wer dies wünscht, kann diese Option wählen. Nicht hinzunehmen ist jedoch, dass andere Nutzer vom Netzwerkbetreiber global gesperrt werden, wenn ein Nutzer der Ansicht ist, dass die betreffenden Kommentare inhaltlich „belanglos“ seien. Einem Redakteur einer Zeitung steht es beispielsweise frei, einen Leserbrief nicht zu veröffentlichen, wenn er den Inhalt für belanglos hält. Dies führt im analogen Leben jedoch nicht dazu, dass die Post 60 Tage lang keine Briefe des betreffenden Leserbriefschreibers mehr befördert. Im Netz gelten hier offenbar andere Regeln. (…)

Noch ein Nachtrag – Thomas Stadler schreibt auf Carta etwas über die erstaunliche Subjektivität der Medienberichterstattung über das Leistungsschutzrecht: „Beim Urheberrecht endet offenbar die redaktionelle Unabhängigkeit“:

(…) Aktuell lässt sich in den klassischen Zeitungsmedien erneut eine fast durchgehend einseitige Berichterstattung über das geplante Leistungsschutzrecht für Presseerzeugnisse feststellen. Zu einer ausgewogenen Berichterstattung würde es beispielsweise gehören, zumindest zu erwähnen, dass die Rechtswissenschaft das Leistungsschutzrecht – in seltener Einigkeit – ablehnt. Zu einer ausgewogenen Berichterstattung würde es zudem gehören, nicht nur den Lobbyismus von Google anzuprangern, sondern in gleichem Maße den Verlagslobbyismus zu hinterfragen, der dieses Gesetzgebungsvorhaben überhaupt erst auf den Weg gebracht hat. All das passiert aber nicht, oder bestenfalls unzureichend.

Man kann also ohne Weiteres konstatieren, dass bei diesem Thema eine objektive Berichterstattung schlicht nicht stattfindet. Stattdessen erleben wir Kampagnenjournalimus, der von Verlegerinteressen geleitet wird. Ob die Verlage unmittelbar Einfluss auf die Redaktionen nehmen, oder es sich um eine Form von vorauseilendem Gehorsam handelt, ist letztlich von untergeordneter Bedeutung, denn das Ergebnis bleibt dasselbe. (…)

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Nov
16
2012
2

Labernde Köpfe statt echter Meinungsbildung

© kovik, sxc.hu

Okay, ich gestehe jetzt etwas ganz Furchtbares, mit dem ich meine Reputation (so ich denn eine hätte) auf Jahre hinaus beschädigen dürfte – es gab eine Zeit, da habe ich gerne politische Talkshows gesehen, sogar „Hart aber fair“! Gerade in der Zeit des Beginns der sog. „Finanzkrise“ (die sich dann, wenig überraschend – außer für die meisten Teilnehmer besagter Gesprächsrunden – zur „Wirtschafts-“, sogar zur „Systemkrise“ entwickelte) war es durchaus für eine Weile ganz interessant zu sehen, wie die neoliberalen Dampfplauderer in die Defensive gerieten und ihre über Jahre hinausposaunten Rezepte „Wachstum“, „Deregulierung“, „Der Markt hat immer Recht“ plötzlich (vorsichtig) in Frage gestellt wurden. Aber kaum war der erste Schock überwunden (so 2008, 2009), kehrte wieder die übliche Gesprächs„kultur“, das Schema F in diese Shows ein.

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Sep
07
2012
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Das Leistungsschutzrecht – Ein Eigentor der Verlagsbranche

Möglicherweise haben sich einige von meinen Lesern gewundert, dass ich noch gar nichts zu DEM brandaktuellen Thema der Netzszene geschrieben habe, dem „Leistungsschutzrecht“, das die Verlagslobby mit der Politik ausgekungelt hat und das, wenn es schlecht läuft, auch Blogs wie meinem Konsumpf das Leben schwer machen könnte. Dies hat nicht nur den Grund, dass ich, wie schon des öfteren erwähnt, derzeit etwas kürzer treten muss, was das Schreiben angeht, sondern liegt vor allem daran, dass über dieses Thema an so vielen Stellen schon etwas geschrieben wurde, dass ich nun nicht auch noch meinen Senf dazugeben muss. Besonders empfehlenswert finde ich diese Artikel:

Eine eigene Initiative, die sich gegen den Gesetzentwurf zur Wehr setzt, existiert inzwischen auch – „Leistungsschutzrecht stoppen“.

Nach mehreren gescheiterten Versuchen hat das schwarz-gelbe Bundeskabinett am Mittwoch, den 29. August 2012 den mittlerweile 3. Entwurf des Bundesministeriums der Justiz zum umstrittenen Leistungsschutzrechts verabschiedet. Damit geht dieser weitreichende und die Struktur des Internets bedrohende Gesetzentwurf in die parlamentarische Beratung.
Der Verein „D64 – Zentrum für Digitalen Fortschritt“ lehnt sowohl den vorliegenden Entwurf, als auch das Leistungsschutzrecht für Presseverleger insgesamt ab.

Dazu Mathias Richel, D64-Vorstandsvorsitzender:

„Das Leistungsschutzrecht soll Presseverlagen weitergehende Schutzrechte als bisher einräumen, bei denen nicht nur gesamte Texte oder Bilder, sondern zukünftig sogar kleinste Auszüge aus Texten (so genannte „Snippets“) erfasst werden, für die dann finanzielle Abgaben fällig werden. Dieses Vorhaben bedroht unser Internet, wie wir es kennen und verhindert den freien Zugang zu Informationen. Die Bundesregierung beweist wieder einmal, dass sie ihnen das Wohl der Verlegerlobby wichtiger scheint, als das freie Internet zu erhalten.“

Und noch ein entsprechender Beitrag vom Videopodcast Elektrischer Reporter:

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Sep
02
2012
8

Der ökonomische Putsch – Was hinter den Finanzkrisen steckt

© Avariz, stock-xchng

© Avariz, stock-xchng

Durch einen Tipp von Egon W. Kreutzer wurde ich auf das höchst interessante Hörfunk-Special auf WDR 5 „Der ökonomische Putsch – Was hinter den Finanzkrisen steckt“ aufmerksam gemacht, das in der Reihe dok5 gesendet wurde (ursprünglich im SWR lief) und derzeit noch als mp3 online verfügbar ist (alternativer Link, direkt vom WDR). Unbedingt anhören oder hier als pdf nachlesen! Wann hört man schon mal solch schonungslosen Klartext in den Medien?!

Gezielte Spekulationsattacken auf ganze Volkswirtschaften, Finanzagenturen, die Regierungen in die Knie zwingen, und ohnmächtige Politiker, die gebetsmühlenartig wiederholen, es gäbe keine Alternative: Europa befindet sich im Wirtschaftskrieg. Wie entstand dieses unumstößlich scheinende System?

Das Experimentierfeld Lateinamerika und die Analysen des Philosophen Michel Foucault machen Dynamik und Reichweite der neoliberalen Umstrukturierungen unserer Gesellschaften deutlich und erhellen die heutigen Finanzkrisen. Zum Vorschein kommt dabei ein Machtergreifungsmodell, das Politik, Gesellschaft und Individuen seit Jahrzehnten formt und konditioniert, ein ökonomischer Putsch. Juristen sprechen von organisierter Kriminalität und von der Mittäterschaft der Politik.

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Aug
24
2012
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Zwei interessante Veranstaltungen – Transition-Konferenz und Umundu-Festival

Gerne möchte ich auch dieses Jahr auf zwei spannende Initiativen hinweisen, die sich für ein alternatives Leben und ein Handeln abseits der kapitalistischen Verwertungslogik einsetzen. Zunächst die Transition-Konferenz vom 21. bis 23. September in Witzenhausen (kein Scherz!) bei Kassel. Der Peak Oil-Blog schreibt dazu:

Kulturwende voraus: Transition-Konferenz im September 2012

Wer langfristig denkt stellt schnell fest: Irgendwann müssen wir ohne Erdöl auskommen. Diese Erkenntnis ist nicht neu, aber sie rückt mit jeder neuen Preiswelle an den Tankstellen immer stärker ins Bewusstsein. Auch wenn die kurzfristige Diskussion sich dann schnell um Steuersenkungen dreht (Frankreich plant ernsthaft, die Spritsteuern zu senken, um den Benzinpreis zu deckeln), sind die langfristigen Fragen doch andere:

  • wie organisieren wir unsere Städte ohne Öl als Mobilitätstreibstoff?
  • welche alternativen Energiequellen lassen sich nutzen?
  • ist unser heutiges materielles Wohlstandsniveau mit diesen Energiequellen aufrecht zu erhalten?
  • wie kann der Abstieg vom Energiegipfel gestaltet werden?
  • welche Nebenwirkungen hoher Preise und Ölknappheit können auftreten und wie kann man sie mildern?

Diese Fragen lassen sich nur dann mit einem Halbsatz beantworten, wenn der Glaube an technologische Sprünge so stark verankert ist, dass keine Zweifel übrigbleiben, dass uns (neue) Technologien aus allen bedrohlichen Szenarien herausführen werden. Für Nicht-Ingenieure zeigt der Technik-Glaube jedoch wenig Handlungsmöglichkeiten: Wer kein Forscher ist oder kein Ingenieur kann sich am Erklimmen eines neuen Technik-Gipfels nicht beteiligen. Passives Abwarten ist jedoch nicht jedermans Sache, wissen wir ja sehr wohl, dass möglicherweise viel auf dem Spiel steht.

“Die Politik handelt zu langsam” ist eine der Erkenntnisse, die zur Entstehung der “Transition Town“-Idee geführt hat. Zwar ist in Deutschland ein Energiekonzept auf Ebene der Bundespolitik entstanden, doch dieses formuliert hauptsächlich Ziele, nicht jedoch den Weg, wie genau es zu erreichen ist, in 2050 nur noch 50% des heutigen Primärenergieverbrauchs zu benötigen. Fakt ist: Damit ein ganzes Land seinen Energieverbrauch halbiert, muss rein statistisch jede einzelne Stadt, jedes einzelne Unternehmen, jeder einzelne Haushalt, jeder einzelne Mensch seinen Energieverbrauch halbieren. Bis 2050 mag viel Zeit sein, doch ist es (beispielsweise) eben nicht so leicht, mal eben das Verkehrssystem vom Energiespeicher Öl auf den Energiefluss Strom umzustellen. Vor allem, wenn sich die Politiker dann noch über Stromleitungstrassen streiten und über die Pendlerpauschale, über Einspeisevergütungen und neue Kohlekraftwerke. Die “Energiewende” wird auf politischer Ebene und in den Zeitungen diskutiert (und sie wird geschoben von den Transformateuren), aber kommt sie auch da an, wo sie letztlich umgesetzt werden muss: Vor Ort?

Die Energiewende ist eine Kulturwende – diese Feststellung wurde in einschlägigen Blogs schon diskutiert, da gab es den Begriff der Energiewende in den Medien noch gar nicht. Damit “Energiewende” zum politischen Alltagsbegriff wurde, musste erst noch ein Atomkraftwerk in Japan explodieren. Von einer Veränderung im Umgang mit Ressourcen liest man im Energiekonzept der Bundesregierung wenig, Kulturwende greift demnach noch ein Stückchen tiefer als Effizienzmaßnahmen und die Ernte von Erneuerbaren. Und die Begründung für eine nicht rein technische Herangehensweise ist nicht schwer zu verstehen:

Unsere heutige Kultur entstammt der Industrialisierung, die sich ja nicht nur mit neuen Technologien, sondern insbesondere auch mit einem sich ständig vergrößernden Energieangebot entwickelte. Eine Kultur, mit einem stagnierenden Energieangebot, einem stagnierendem Wirtschaftsoutput (=”Nullwachstum”) oder gar einer Schrumpfung dieser Bereiche umzugehen, muss erst noch entwickelt/erlernt werden!

Nur wenige Menschen haben ein Gefühl dafür, wie ein echter Ölschock in unserer so “hochentwickelten” Zivilisation aussehen würde. Ein plötzliches Ausbleiben des Energiezuflusses würde uns die Fallhöhe, auf die wir uns begeben haben, schmerzlich vor Augen führen. Selbst die strategische 90-Tage-Reserve ist nur ein Tropfen auf den heißen Stein, nach ihrem Aufbrauchen würden wir mit Entwicklungen konfrontiert, die die Handy-Generation nur aus Action-Filmen kennt. Daher ist der Transition-Ansatz eng damit verbunden, krisenfestere Gemeinschaften, krisenfestere Kommunen zu entwickeln.

Wie genau eine Kommune krisenfester werden kann, ist unklar: Zu wenig historische Erfahrungen sind vorhanden. Daher ist der Weg einer Verwandlung der eigenen Stadt auch immer ein Weg mit Versuch und Irrtum. Immer hilfreich dabei ist der Austausch mit anderen, die einen ähnlichen Weg versuchen.

Für diesen Austausch gibt es vom 21. bis 23. September Gelegenheit bei der 3. deutschsprachigen Transition-Konferenz. Witzenhausen bei Kassel ist keine Groß-, aber Universitätsstadt, wer ökologische Agrarwissenschaften studieren will kann das nur dort tun. Das Konferenz-Programm steht noch nicht vollständig, aber einzelne Programmpunkt sind sicher: Komplementärwährungen, Open Source-Technologien, Permakultur und Stadtgärten, aktuelle Peak-Entwicklungen und Organisationswerkzeuge werden diskutiert und vorgestellt, ein Open Space erlaubt jedem sein Thema einzubringen und für Musik und Kultur ist gesorgt. Die Witzenhausener Transition-Initiative will sich dem Thema Lebensmittelverarbeitung (“Vom Solartrocknen bis zum Saftpressen”) widmen und damit für den Erhalt alten Wissens sorgen.

Mehr Informationen, Unterkunft-Vorschläge und Anmelde-Formular gibt es auf der Webseite der Konferenz. Eine Kinderbetreuung wird organisiert, Sponsoren werden noch gesucht…

Der zweite Tipp bezieht sich auf das hier im Blog ja schon ein paar Mal erwähnte Umundu-Festival in Dresden, bei dem sich dieses Jahr alles ums Thema „Selbermachen“ dreht:

4. Umundu-Festival für global nachhaltigen Konsum

Wissenswertes und Kontroverses über unseren Konsumalltag vom 18.–27. 10 in Dresden

Vom 18. bis zum 27. Oktober können interessierte Bürger_innen wieder viel Wissenswertes und Kontroverses zum Thema Global Nachhaltiger Konsum in unserem vielfältigen Programm erfahren. Während der zehntägigen Veranstaltungsreihe soll über unseren Konsumalltag und die lokalen und globalen Zusammenhänge berichtet, diskutiert und auch über aktuelle Entwicklungen informiert werden.

Fokusthema „Selbermachen!“

In diesem Jahr wollen wir uns mit unserem Programm dem Thema „Selbermachen!“ zuwenden. Wir möchten hiermit die Rolle einer aktiven Bürgergesellschaft vor dem Hintergrund aktueller globaler Problemlagen und die Potentiale für eine Nachhaltige Entwicklung durch Nachhaltigen Konsum aus ganz unterschiedlichen Perspektiven beleuchten.  

„Was können wir tun?“ So könnte die Frage lauten, die uns – in Bezug auf das Motto „Selbermachen!“ – während des Festivals begleiten soll und auf die wir vielleicht gemeinsam Antworten finden werden.

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Jul
17
2012
2

Für ein Recht auf Stadt – der Kampf gegen Immobilienhaie und Gentrifizierung

In den digitalen Spartenkanälen der öffentlich-rechtlichen Sendern finden zum Teil wirklich interessante Sendungen ihren Platz. Beispielsweise die relativ neue Reihe „Ulrich protestiert“ auf ZDFinfo, in der der Journalist Wolf-Christian Ulrich aktuellen Protestformen und Widerständen der Menschen gegen diverses Unrecht auf den Grund geht. In der ersten Folge (die letztes Jahr ausgestrahlt wurde) ging es zum Beispiel um das Thema Gentrifizierung, die vor allem in großen Metropolen wie Hamburg dazu führt, dass immer mehr ursprüngliche Viertel zu Eigentumswohnungen oder Bürokomplexen umgerüstet werden und so ihren ursprünglichen Charme verlieren. Mit der Folge, dass viele Bürger aus den einstmals attraktiven Wohnlagen vertrieben werden, weil sie sie sich nicht mehr leisten können. Logisch, dass sich hier vermehrt Protest regt, wie man in „Für ein Recht auf Stadt“ sieht – sehr schön!

Kampf um den Hamburger Kiez. Nach und nach verlassen alteingesessene St. Paulianer den Stadtteil. Der Grund: Luxusbauten, Bürogebäude und teure Mieten verändern den Kiez und damit auch seine Bewohner. Doch die wollen sich nicht vertreiben lassen und kämpfen für ein Recht auf Stadt. In “Ulrich protestiert” taucht Wolf-Christian Ulrich ein in die Protestkultur. Er trifft Menschen, die sich einmischen, fragt nach ihren Motiven und verfolgt die Misstände, auf die sie hinweisen.

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Mai
24
2012
7

Schulden – Die ersten 5.000 Jahre

Während Blockupy am letzten Wochenende für einige Furore gesorgt hat und die Frankfurter Polizei zu überhartem Eingreifen animierte (siehe z.B. diesen Bericht in der taz), erscheint zeitgleich das Buch „Schulden – die ersten 5.000 Jahre“ von David Graeber, einem der „Masterminds“ hinter der Occupy-Bewegung. Erfreuliche Nebenwirkung – auch in einigen Medien wird das Thema Kapitalismuskritik wieder aktuell. So berichtete titel thesen temperamente über das Werk und portraitiert den Autor und seine Ansichten – „Das neue brillante Buch von David Graeber“:

Ist das der Anfang vom Ende des Kapitalismus? In den USA verlieren Hunderttausende verschuldeter Familien ihre Häuser. In Griechenland leben viele Menschen auf der Straße. Die Schuldenkrise kann jeden treffen. Führt ein Finanzsystem, das sich weitgehend über Schulden finanziert, zwangsläufig in den Abgrund?

Wenn es einen Satz gibt, den jeder unterschreiben würde, dann den: Schulden muss man zurückzahlen. Doch jetzt kommt ein Mann, der unser Finanzsystem analysiert wie ein Ethnologe einen exotischen Stamm in Neuguinea. Und dieser Mann sagt: Nein, Schulden muss man nicht unbedingt zurückzahlen.

David Graeber ist der neue Star der Kapitalismuskritik. Er ist Professor für Anthropologie in London, bekennender Anarchist – und Mastermind der weltweiten Occupy-Bewegung. Aber sein Buch „Schulden. Die ersten 5.000 Jahre“ halten auch Banker und konservative Politiker für einen Meilenstein.

„Schulden erzeugen immer ein Machtverhältnis“, sagt Graeber. „Die alten Eroberer haben das verstanden, ein Mafioso versteht das. Du schuldest mir was, sagen sie, und machen dir ein Angebot, das du nicht ablehnen kannst. Das heißt, es sieht plötzlich so aus, als habe das Opfer eine Schuld ihnen gegenüber. Als hätte der Schuldner etwas Böses getan. Das kann man über die ganze Geschichte der Menschheit verfolgen.“ (…)

Auch Die Zeit widmet sich dem Buch – „Am Wendepunkt“:

 (…) Der Massenwohlstand Europas verdampft. Die Willy Lomans der USA zahlen mit drei Jobs ihre Häuser ab, die weniger wert sind als die Hypothekenschulden, die Studenten sind mit einer Billion verschuldet. Auf diesem Boden wuchs Occupy Wall Street, zu dessen Initiatoren David Graeber gehört, dem es den Slogan »We are the 99 percent« verdankt.

Wir stehen, auch wenn es noch nicht 99 Prozent ahnen, in einem Zwischenraum der Geschichte, der Anfang eines »grausamen Endspiels« sein könnte oder der »Anfang von etwas, das noch nicht bestimmt werden kann«. In dieser Atempause stellt Graebers Buch Schulden die Frage: Wie sind wir eigentlich in diese Bredouille geraten? Und dazu holt er 5.000 Jahre aus. (…)

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Mai
10
2012
5

Die Riestersche „Jahrhundertreform“

Es tut mir leid, Euch heute schon wieder nur eine Doku zu präsentieren, aber als ich mir neulich „Das Riester-Dilemma – Portrait einer Jahrhundertreform“ anschaute, war ich doch so entsetzt über das, was dort zu sehen war, dass ich die SWR-Sendung hier unbedingt vorstellen muss. Wie sehr hier eine Umverteilung von den Bürgern hin zu den Versicherungen stattfindet, eingeleitet durch die rot-grüne Regierung unter Schröder, aber wie man sehen kann auch heutzutage in der SPD noch unterstützt, und gepusht durch einseitige Meinungsmache in den Medien, ist wirklich beispielhaft. Sehr schlimm!

Die Verfechter der Riester-Rente waren sich damals einig: Die gesetzliche Rente alleine könne es nicht mehr schaffen. In einer älter werdenden Gesellschaft müsse jeder privat vorsorgen. Mit großzügigen staatliche Zuschüsse sollten die Bürger ermuntert werden, ein privates Zusatzpolster für Ihr Alter anzusparen.
Doch heute, rund zehn Jahre später entpuppt sich die vermeintlich renditeträchtige Privatvorsorge à la Riester mehr und mehr als Rohrkrepierer: Die staatlichen Zuschüsse kommen vor allem den Versicherungsgesellschaften zugute und nicht den kleinen Sparern.
Oft werfen Riesterversicherungen sogar weniger ab als viele ungeförderte Produkte – auch, weil der Staat zwar die Ansparphase großzügig fördert, aber bei der Auszahlung ebenso großzügig Steuern erhebt. Viele Rentner müssten über neunzig werden, um auch nur das Geld wiederzusehen, das sie in die Riester-Versicherungen eingezahlt haben.

Und schließlich droht gerade Geringverdienern der Totalverlust. Denn wer im Alter auf Sozialhilfe angewiesen ist, bekommt die angesparte Riester Rente nicht oben drauf. Sie wird viel mehr verrechnet von der Sozialhilfe abgezogen.
Schließlich haben nur knapp die Hälfte aller Antragsberechtigten eine Riester Rente abgeschlossen. Aber alle sind von der parallelen Rentenkürzung betroffen. Es sparen bei weitem nicht alle und tendenziell die Falschen. Viele Besserverdienende nehmen die Riesterförderung gerne mit, aber die, die wirklich darauf angewiesen wären, bleiben – mit gutem Grund – der Privatvorsorge fern, weil sie das Geld nicht aufbringen wollen oder können,
Zudem haben sich die Hoffnungen, dass sich das Geld der Sparer auf den Kapitalmärkten quasi von selbst vermehrt, in der Finanz- und Eurokrise längst zerschlagen. Staatsanleihen gelten entweder als riskant oder nicht profitabel. Die Verzinsung, die die Lebensversicherer ihren Kunden garantieren, ist mittlerweile auf mickrige 1,75 Prozent gesunken – und das auch nur auf den sogenannten Sparanteil.

Es wird immer unwahrscheinlicher, dass man mit privatem Sparen die Kürzung bei der gesetzlichen Rente ausgleichen kann. Die Reformen der letzten Jahre haben dafür gesorgt dass die Rente künftig um bis zu 20% geringer ausfallen wird. Der Vergleich mit den europäischen Nachbarn zeigt: In keinem anderen Land wurde das Rentenniveau so stark gesenkt. Selbst wer 32 Jahre durchgehend zum Durchschnittslohn gearbeitet hat, wird künftig im Alter Sozialhilfe benötigen.
Dabei hatte die Politik doch 2001 behauptet, es werde niemand schlechter, sondern allen besser gehen mit der Riester-Rente.

Profitiert haben von der Reform vor allem Arbeitgeber. Sie sollten von steigenden Rentenbeiträgen entlastet werden. Für die Arbeitnehmer dürfen die Beiträge dagegen weiter steigen. Zusätzlich müssen sie komplett aus eigener Tasche die private Vorsorge finanzieren. Sie zahlen also deutlich mehr als vor der Reform – für ein schlechteres Absicherungsniveau.
Für die Rentner hat sich die Operation nicht gelohnt, wohl aber für die Versicherer und ihre politischen Förderer. 37 Milliarden wurden inzwischen in privaten Riesterprodukten der Finanzindustrie angespart. Und wichtige politische Protagonisten der Rentenreform stehen heute auf der Pay Roll der Versicherungswirtschaft: Walter Riester hält heute hoch bezahlte Vorträge für Banken und Versicherung und sitzt im Vorstand von Union Invest. “Rentenpapst” Bert Rürup, der die Rentenpolitik unter Schröder maßgeblich geprägt hat, wechselte erst zum AWD und ist inzwischen Geschäftsmann und Unternehmensberater in einer gemeinsamen Firma mit dem umstrittenen Ex-AWD-Chef Carsten Maschmeyer. Andere einflussreiche Experten Regierungsberater wie Bernd Raffelhüschen oder Meinhard Miegel leiten Institute, die von der Versicherungswirtschaft gefördert werden oder wurden.
Der Lack ist ab von der privaten Vorsorge à la Riester. Teuer, ineffizient und für viele Bürger viel zu kompliziert. Gerade in der Krise zeigt sich, dass die gesetzliche Rente mit ihrem Umlageverfahren das erheblich stabilere und günstigere System ist. Doch ein Weg zurück ist nicht in Sicht – zu mächtig scheint die Macht der Lobby aus Wirtschaft und Politik.

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