Ich bin ja immer hocherfreut, wenn es in der Reihe der konsumkritischen Blogs einen Neuzugang gibt, um auch diesen Stimmen in der Gegenöffentlichkeit stärker Gehör zu verschaffen. So möchte ich Euch heute den Blog www.konsum-los.de wärmstens ans Herz legen – Simplicita, die den Blog Anfang der Woche gestartet hat, studiert Umweltwissenschaften und Wirtschaftspsychologie und ist u.a. durch Auslandsaufenthalte in Indien ins Grübeln gekommen, ob die Form des Konsumismus, wie wir ihn in unseren Breiten hemmungslos ausleben, wirklich glücklich macht und sinnstiftend ist. Ich kaufe, also bin ich? Simplicita zweifelt dies an und will 100 Tage lang ihre Konsumgewohnheiten radikal verändern, um durch Verzicht (und der damit verbundenen Reflektion über das bisherige eigene Konsumverhalten) aus dem zwanghaften Hamsterrad von krampfhaftem Geldverdienen, um sich dann ein wenig Entspannung kaufen zu können, zu entrinnen. In ihrem Artikel „Warum?! – weltlich“ stellt sie in hervorragender Weise ihre Beweggründe dar und gibt gleichzeitig eine pointierte Analyse dessen, was in unserer konsum- und marketinggetriebenen Welt alles schief läuft. Lest Euch diesen Beitrag unbedingt mal durch – er ist zwar lang, aber es lohnt sich! Ich werde ihn auch als Referenzartikel zu dem Thema in meine Wissensbasis aufnehmen. Hier ein paar Auszüge:
(…) Doch während wir Tag für Tag Alltags-Produkte, von Zahnpasta über  Haargel, Schokoaufstrich und Reiniger konsumieren, sind unsere  Möglichkeiten stark beschränkt, mehr Bewusstsein über die Auswirkungen  unseres Handelns zu erlangen. Die Bäume unseres Papiers werden nicht vor  unserer Haustür gefällt, das Öl nicht im Nachbarsgarten gefördert und  auch das Wäldchen nebenan läuft keine Gefahr, in eine  Palmöl-Monokultur-Plantage verwandelt zu werden.Wir leben in einem Zeitalter unserer Gesellschaft, in dem wir  abgetrennt von der Geschichte unserer täglichen Güter sind. Beinahe  unschuldig blicken wir wie durch eine verspiegelte Scheibe. Essen wir  ein Brot mit besagtem Schokoaufstrich, bringt uns nichts dazu, darüber  nachzudenken, wo das Kakaopulver herkommt. Genauso wenig wissen wir  irgendetwas über die Herkunft der über 60 verschiedenen Stoffe, die zur  Herstellung von konventionellem Glas benötigt werden. Wir wissen auch  nicht, woher die Energie stammt, mit denen die Glasöfen, die das Glas  des Schokoaufstrichs formen, befeuert wird – ob Kohle oder Atomstrom!  Wir wissen nicht, in welchem Land der Strom erzeugt wurde, unter welchen  Umweltbedingungen die Kohle abgebaut wurde oder der radioaktive Müll  gelagert wird. Wir wissen nicht, wie viel Trinkwasser im Verlauf der  Produktion in eine gesundheits-gefährdende Flüssigkeit verwandelt wurde,  wie viel Beamte wegen Kinderarbeit bestochen wurden, und wir haben  keine Ahnung wie viel Öl für den Transport der einzelnen Bestandteile  aus einem ehemaligen Regenwaldgebiet gefördert wurde. Wir wissen es  nicht und können es auch nicht wissen. Leider führt die Kette der  Ahnungslosigkeit in unserem heutigen Wirtschaftssystem noch weiter, denn  auch Ferrero, der Hersteller von Nutella, kann die meisten dieser  Fragen nicht beantworten. Lange Ketten der Wertschöpfung und  komplizierte Stoffströme erschweren uns täglich das Ausmaß des  Ressourcenverbrauchs zu begreifen. (…)
(…) Wenn die Möglichkeiten des Neukaufs eingeschränkt sind, wird Kreativität  entfesselt, wie wir mehr untereinander teilen können. Was einem  Menschen wertlos erscheint, kann der andere perfekt gebrauchen. Je  spezialisierter und aufwendiger verarbeitet ein Produkt (in Bezug auf  Farbe, Form, Design etc. desto geringer die Wahrscheinlichkeit, dass es  jemand anderem gefällt oder nützlich ist). Viele unserer  Alltagsgebrauchsgegenstände, von Bohrmaschine über Spätzlereibe können  mit Freunden und Nachbarn geteilt werden. (…)
(…) Wer sich mit Konsum-losigkeit und Grenzen des Wachstums befasst,  landet gerne vor der Mauer des Arguments „Konsum ist Kultur.“ Denn Fakt  ist, dass Konsum in unserer Kultur fest verankert ist. Er ist  gesellschaftlich akzeptiert wie verwurzelt. Ob Arbeit, soziale Kontakte  oder Unternehmungen in der Freizeit, vieles erscheint ohne die  Verbindung zu Konsum schwer vorstellbar. Beispiele dafür liefert das  alltägliche Leben viele: der Kinogang mit der Familie, das Treffen mit  der Freundin zum Shoppen oder der Kurzurlaub in einer europäischen  Stadt. Für viele konsumlose, spontane Aktionen wie Volleyballspielen im  Park oder gemeinsamen saisonalem Kochen haben Menschen mit straffem  Terminplan keinen Freiraum mehr. Auch Freiräume im stadt-geograhischen  Sinne, d.h. Orte, die nicht kommerziell genutzt werden, wo Menschen sich  aufhalten können ohne zu konsumieren, sind rar in deutschen Städten.  Solche Freiräume unterstützen kreative Schaffensprozesse, Selber machen,  Ideen entwickeln und gemeinsam umsetzen.
Konsum erleichtert Integration und vermittelt oft ein Gefühl von  Zusammengehörigkeit. Niemand mag das Gefühl ausgeschlossen zu sein. Aus  diesem Grund lassen sich viele treiben vom Strom neuer Angebote, Trends,  Technologien, um das Gefühl zu haben, ein Teil der Gesellschaft zu  sein. Das ist besonders wichtig, weil unsere sozialen und familiären  Auffangnetze in Deutschland nicht so stark sind wie anderswo. Von Kopf  bis Fuß ausgestattet wie der „mainstream“ kann niemand etwas „falsch“  machen. Wer „mithalten“ möchte, folgt dem Tempo in dem neue Produkte auf  unsere Märkte schwemmen, kleidet sich entsprechend der neuen Mode.  Neuer, moderner, schneller, größer und seit neuestem auch gerne  umweltfreundlicher. Konsum, als eine Ausprägung von Passivität, ist es  dennoch. (…)
(…) „Ein hoher Verkauf der Seele bringt auch viel Geldscheine“, so könnte  mensch zynisch sagen – Geld, mit dem neues Eigentum erworben kann.  Besitz- und Eigentum sind Dinge, die mir als Individuum gehören und über  die ich frei verfügen kann, wenn schon der Alltag einer Vielzahl von  „Ich muss“ – Zwängen unterliegt. Die Kehrseite vieler hoher  Investitionen ist dabei: Sie verringern die eigene Lebensflexibilität  und – mobilität. Spontane Reisen, Mitarbeit in Projekten, Praktika an  spannenden Orten und andere neue Lebenspläne sind schwerer zu  verwirklichen. Mehr Eigentum bedeutet häufig weniger Freiheit. Viele  Kostenpunkte entstehen erst durch einen modernen, konsumintensiven und  ressourcenverbrauchenden Lebensstil: Wer heute auf Kosten seiner eigenen  Gesundheit lebt, sollte vielleicht wirklich in eine Krankenversicherung  für die Zukunft investieren. Ein chronisch müder Pendler ist sicher  generell dankbar für eine Vollkasko-Autoversicherung und ein Haus voll  wertvollem Eigentum möchte natürlich gegen Diebstahl versichert sein.  Ein hoher Strom- und Wasserverbrauch, Handyrechnung, Zeitungsabo und die  Mitgliedsbeiträge von Fitnessstudio, Videothek & Co treiben die  monatlichen Kosten weiter in die Höhe. Ein Mensch, der viel Geld  ausgibt, könnte glatt auf die Idee kommen, er wäre gezwungen Vollzeit zu  arbeiten. (…)
(…) Wer einmal in anderen Kulturkreisen gelebt hat, begegnet in  Deutschland oft dem Menschenbild einer perfekt geölten, funktionierenden  und selbstverständlich hocheffizienten Maschine, die mit „führender  Technologie“ ausgestattet ist. Das verkniffene Lächeln sitzt immer, für  nachlassende Konzentration gibt es Kaffee, für einen schlechten Tag  Schokoriegel, für ungesundes Essen Vitaminpillen, für Kopfschmerzen  Aspirin und für Sorgen in der Nacht Schlaftabletten.
Ich ertappe mich als nur eines vieler Opfer immer wieder dabei, mich  von Leitbildern, die durch Werbung und Medien in die Gesellschaft  getragen werden, verunsichern zu lassen. Dicke glänzende Haare, glatte  Beine und lange Wimpern soll Frau haben. Eine lange, wilde, anstrengende  Nacht soll man mir am Besten gar nicht erst ansehen. Viele Menschen,  die ich beobachte, scheinen sich immer wieder nach dem Motto zu richten:  „Wenn innen alles fault und modert, soll wenigstens die Fassade  glänzen.“ (…)
Ich kann nur empfehlen, regelmäßig auf Leas Blog vorbeizuschauen, da sie dort ihren Weg hin zu einem einfacheren Leben darlegt und sicherlich auch manch anderem Denkanstöße vermittelt.