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Lesetipps: „Lustig durch die Vulkanasche fliegen“, neuer „brillanter“ Einfall der Reklameindustrie und Verbraucher sind froh, wenn man sie entmündigt

Heute möchte ich Euch wieder mal drei Artikel empfehlen, die mir in den letzten Tagen beim Fischen im Netz ins selbige gegangen sind. Andreas Fanizadeh beschäftigt sich in seinem Kommentar in der taz „Lustig durch die Vulkanasche fliegen“ mit „Natur-, Mensch- und Systemkatastrophen“, also damit, wie wir mit unserem Lebens- und Wirtschaftsstil langsam einem Absturz entgegeneiern:

[…] Es ist ein gängiger Antiabstraktionsirrsinn zu glauben, so lange man nur nichts von den Katastrophen fühle und schmecke und sehe, existierten sie auch nicht. Wenn alles so weiter geht, wird eines Tages der Absturz folgen. Bis dahin mehr vom immer Gleichen.

Finanzkrise und Ölpest sind keine natürlichen Katastrophen wie der Ausbruch des isländischen Vulkans. Aber, dass man zwischen Wien und Berlin fliegt, weil die 500 Kilometer Luftlinie mit der Bahn eine Ewigkeit dauern, wer hats zu verantworten? Die Löcher im Golf von Mexiko und in den Staatshaushalten, vieles führt uns zu einer feigen Politik, die sich einfach den alten Geschäftsmodellen unterwirft, anstatt Alternativen zu organisieren (Finanzsteuern, Bahn, regenerativen Energien etc.)[…]

(Die taz flattrt jetzt übrigens auch, somit hat die erste größere Website diesen neuen Dienst für sich eingesetzt – mal schauen, inweiweit dies flattr und der Idee des Micropayments hilft.)

postkarte-innen1-500x308Apropos Konsum – der österreichiche Wissen belastet-Blog macht in „Die Post, die Werbung und mein Briefkasten“ auf eine neue Aktion der öst. Post aufmerksam, die wirklich dreist ist. Und zwar erhalten alle Haushalte, die vernünftigerweise einen „Keine Reklame“-Aufkleber o.ä. auf ihrem Briefkasten, eine eigens für diese „Verweigerer“ gestaltete Karte, auf der die Leute ankreuzen dürfen, welche Werbung sie zukünftig trotzdem in ihren Briefkasten lassen wollen. Das Ganze ist nicht nur so offiziell aufgemacht, dass sicher der eine oder andere darauf reinfällt und sich genötigt fühlt, etwas anzukreuzen, und zudem verrät die Post im Kleingedruckten, dass die so gesammelten Adressen weiterverkauft werden, und zwar nicht nur an die gewünschten Unternehmen! Ein starkes Stück!

[…] Besonders lachen musste ich über die Zeile: “Bitte beachten Sie, dass kein Anspruch auf den Erhalt von Flugblättern besteht.” […]

[…] Auf gut Deutsch:  “Scheissegal, was sie auf der Vorderseite für Unternehmen und Branchen auswählen, wir verkaufen ihre Adresse eh an alle.” […]

Apropos Konsumenten – auch Spiegel Online interviewt den „Konsumkritiker“ Adam Fletcher in „Verbraucher sind froh, wenn man sie entmündigt“, der ein interessantes und diskutables Konzept vorstellt:

[…] Fletcher: Zumindest leben wir in einer Konsumwelt, in der belanglose Dinge abschreckend kompliziert sind. Wer bei Starbucks einen Kaffee bestellen will, muss eine Art neue Sprache lernen: Grande? Tall? Venti? To go? Karamell-Apfel-Zimt-Macchiato mit weißen Schokokrümeln? Bohnen aus Peru oder aus Mosambik? Wenn Alltagsdinge zur Wissenschaft werden, fühlen wir uns dumm. Man traut sich ja kaum noch, einen Kaffee zu bestellen.

SPIEGEL ONLINE: Unternehmen sprechen vom mündigen Verbraucher.

Fletcher: Ich spreche von obsessivem Entscheidungszwang. Verbraucher wollen unfrei sein. Sie sind froh, wenn man sie entmündigt.[…]

SPIEGEL ONLINE: Eine Wahl haben Sie dem Verbraucher jetzt abgenommen. Sie verkaufen seit zwei Tagen T-Shirts über die Internetseite Hipstery – ohne dem Käufer zu verraten, wie diese aussehen. Sie und ihre Kollegen behaupten, zu wissen, was Leute wollen, die selbst nicht wissen, was sie wollen. […]

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Buchbesprechung: Andreas Völlinger „Im Zeichen des Marktes“

voellinger-im-zeichen-des-marktesNach all den Büchern, die sich mit den mehr praktischen Aspekten des Culture Jamming und der Konsumkritik beschäftigen, stieß ich vor einigen Wochen zu meiner Freude auf ein theoretisch ausgerichtetes Werk, das diese Widerstandsform und die kritische Auseinandersetzung mit dem Konsumkapitalismus (so nennt der Autor unser System konsequent im gesamten Buch) von (kommuniktions)wissenschaftlicher Seite her beleuchtet. Andreas Völlingers „Im Zeichen des Marktes. Culture Jamming, Kommunikationsguerilla und subkultureller Protest gegen die Logo-Welt der Konsumgesellschaft“ gelingt es dabei, die Grundlagen des sog. „semiotischen Widerstands“ gegen die herrschende Logo- und Zeichenflut, die uns durch die Kozerne via Marketing, Werbung und Medien aufgezwungen wird, gekonnt darzulegen als auch über verschiedene Formen subkulturellen Widerstands (wie Skateboarding, Graffitti und Adbusting) zu referieren.

Auch wer sich schon intensiv mit der gesamten Thematik befasst und z.B. die Bücher von Kalle Lasn oder Naomi Klein gelesen hat, wird hier noch einiges Neues entdecken, zumal der Reiz dieser Untersuchung des Autors sicherlich darin liegt, dass er einen weiten Bogen von postmodernen / poststrukturalistischen Theorien von Eco, Debord, Barthes oder Bourdieu, wie sie manch Studenten in der Uni begegnen, hin zu den praktischen und konkreten Aspekten (The Yes Men, Subvertising) schlägt. Dies geschieht alles auch mit einer eindeutigen Sympathie für die Absichten von Culture Jammern und anderen Gruppen, die sich gegen die Durchkommerzialisierung des Alltags stemmen (wie vor allem im persönlich geprägten Ausblick am Ende des Buches deutlich wird). Auf knapp 150 Seiten wird ein umfassender und dennoch recht kompakter Überblick gegeben, wie breit die Ideen des „zeichenhaften Widerstands“ in der Gesellschaft bereits gestreut sind und in welch unterschiedlichen Ausprägungen sie vorkommen können und wo die Grenzen und Risiken liegen. Der Autor zeigt auch, wie weit Konzerne mit ihren Symbolen und Logos in unserem Alltag hereinreichen und dass öffentliche Räume (und damit das gesellschaftliche Miteinander) immer stärker gefährdet sind, zu reinen Konsumräumen zu werden.

Die wissenschaftlich gehaltene Sprache und die vielen Literaturangaben und Querverweise mögen dabei vielleicht den einen oder anderen Aktivisten erst einmal abschrecken – sollten sie aber nicht! Eine wahre Fundgrube stellt nämlich die umfangreiche Literaturliste im Anhang dar, die auch für mich noch viele bis dato unbekannte Internet-Quellen und auch Leseanregungen bereit hält – davon werden alle Leser meines Blogs in der Zukunft sicher noch profitieren. :-)

Mein Fazit: ein spannendes Buch, das eher für Fortgeschrittene gedacht ist bzw. für Menschen, die sich Themen lieber wissenschaftlich-theoretisch nähern. Von daher ist Völlingers Werk natürlich kein Ersatz für „Aufrüttler“ wie Lasns „Culture Jamming“ oder „Das Schwarzbuch Markenfirmen“, sondern eine gute ergänzende Lektüre, die einige neue Facetten der Bewegung aufzeigt und Culture Jamming und Adbusting auch im wissenschaftlichen Diskurs verstärkt ankommen lässt. Ein Angriff auf die Deutungshoheit der Zeichen, die bisher bei den Konzernen und ihren Medien liegt, muss meiner Meinung nach sowieso von den verschiedensten Seiten aus erfolgen, wenn eine Schwächung Aussicht auf Erfolg haben soll, um ein kritischeres Bewusstsein bei den Menschen für die sie umgebenden Botschaften zu wecken und zu schärfen.

Während die Mitglieder einer subkulturellen Gemeinschaft durch semiotischen WIderstand hauptsächlich Abgrenzung betreiben, kann Culture Jamming als Mittel der Kontaktaufnahme dienen, um gerade dort anzusetzen, wo herkömmliche Argumentation gegen das herrschende System versagt:

„Wo Aufklärung nicht ankommt, kann Kommunikationsguerilla die wirksamere Taktik sein, wo es eine aufnahmebereite Zielgruppe oder gesellschaftlichen Druck gibt, ist Aufklärung und Information angesagt, und oft greifen beide ineinander.“ (autonoma a.f.r.i.k.a. gruppe)

Aus dieser Warte bietet Culture Jamming eine Möglichkeit, Gesellschaftskritik auch zu jenen Menschen zu tragen, die sich dieser verweigern – Debord würde hier wohl argumentieren, dass sie der vom konsumkapitalistischen Spektakel erzeugten Passivität erlegen sind – und möglicherweise auch bei ihnen einen Denk- und vielleicht sogar Umdenkprozess anzuregen.

Dieser Aus- und Ansicht des Autors schließe ich mich gerne an.

Andreas Völlinger „Im Zeichen des Marktes. Culture Jamming, Kommunikationsguerilla und subkultureller Protest gegen die Logo-Welt der Konsumgesellschaft“, Tectum Verlag 2010, 148 S., 24.90 €

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BP – der grüne Lack ist ab

Reklame ist ja so eine Sache, vor allem, wenn kaum noch ein konkretes Produkt, sondern nur noch ein Firmen- oder Markenimage medial aufgebaut werden soll – nicht selten eines, das mit der Realität der Unternehmenspolitik wenig zu tun hat oder diesem sogar konträr entgegengesetzt ist. Da lassen Autofirmen ihre stinkenden und umweltzerstörerischen Vehikel durch grüne Landschaften rasen, um zu suggerieren, dass den Konzernen etwas an grüner Natur liegt. Discounter wie Lidl inszenieren sich als verantwortungsvolle Arbeitsgeber. Oder Atomkonzerne stellen in ihren Werbespots quasi als Feigenblatt ihre mickrigen Aktivitäten im Bereich der erneuerbaren Energien in den Vordergrund, um damit zu überspielen, dass ihr Hauptgeschäft ein gefährliches und dreckiges ist. Genauso geht es auch bei den Ölmultis zu – Abermillionen fließen hier in PR und Reklame, um die Öffentlichkeit Glauben zu machen, dass ihr Kerngeschäft völlig ungefährlich und eher ein Segen für den Planeten und die Menschen sei.

Selten ist dies so krachend nach hinten losgegangen wie derzeit bei BP. All die schönen hohlen Werbsprüche von „beyond petroleum“, all die teuren Werbespots und gekauften schönfärberischen Präsentationen in den Medien sind mit einem Schlag als die Makulatur und das Greenwashing entlarvt worden, die sie schon immer waren. Dies bringt auch das NDR-Magazin ZAPP in „Wie BP jahrelang ein grünes Image vortäuschte“ ganz klar auf den Punkt:


Man sollte diese Erfahrungen und Erkenntnisse dazu nutzen, NOCH kritischer all das zu betrachten, was einem Konzerne so via medialer Berieselung zu erzählen versuchen. Je größer der Konzern und je aufgeblasener und paradiesischer die Werbung, desto mehr Dreck dürfte das jeweilige Unternehmen am Stecken haben. Das Vorgehen von BP, das ZAPP aufzeigt, ist in dieser Hinsicht geradezu „mustergültig“, denn hier wird mehr Geld für das Erzeugen des Images als für tatsächliche Änderungen im Konzern ausgegeben. Man muss sich an der Stelle übrigens auch mal fragen, inwieweit die Medien, die solche Reklame und PR abdrucken/Senden nicht auch mitschuldig am Grünwaschen sind…

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Blechen für Werbung?

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© adamsphoto, stock.xchng

Immer wenn man meint, man hätte schon alles an medialer Absurdität erlebt, kommt doch aus irgendeiner Ecke eine Idee, die einen neuen Tiefpunkt setzt. Ganz aktuell bemüht sich die Reklameindustrie darum, die Ergüsse der mal mehr, mal weniger Kreativen, die irgendein Produkt anpreisen oder einen Großkonzern grünwaschen, als wertvollen Content zu vermarkten und deshalb auch Gebühren von den Bügern dafür zu verlangen. Nein, das ist kein Scherz – nicht nur, dass der Werbe- und Marketingklimbim den Menschen ohnehin schon auf den Wecker fällt und alle Lebensbereiche gnadenlos durchzieht. Nun sollen wir tatsächlich, analog zu den Urheberrechtsabgaben, die von Sendern für PCs etc. angedacht sind, pauschal eine Abgabe für die tollen Erzeugnisse der Reklamefritzen löhnen. Hut ab, das ist wirklich mal kreativ, auf so eine dreiste Idee muss man erst einmal kommen… Das Fachhandelsmagazin IT-Business schreibt dazu in „Volkssport Urheberrechtsabgabe: Jetzt wollen Werbefilmer kassieren“:

[…] Stellen Sie sich vor: jemand schmeißt Ihnen ungefragt etwas in den Garten, deklariert es zur Kunst und verlangt von Ihnen als Gartenbesitzer dann quasi Eintrittsgeld – Sie finden das verrückt? Andere nennen es ein deutsches Geschäftsmodell. Das erste positive Urteil dazu ist bereits ergangen. […]

[…] muss deshalb jeder Besitzer eines PCs oder eines Festplattenrekorders dafür zahlen? Und ist es nicht pervers, dass auf der einen Seite die TV-Sender mit CI+ versuchen, die TV-Aufzeichnungen so zu reglementieren, dass die Werbeblöcke nicht übersprungen werden können, auf der anderen Seite dann genau damit eine Vergütungspflicht begründet wird? […]

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Lesetipps: Warum Wachstum nicht glücklich macht / In Zukunft ohne Rechthaberindustrie / Werbung vermeiden!

1157866_economy_crisis_2Obwohl Politiker wie Wirtschaftsleute nach wie vor mantraartig das hohe Lied auf das so dringend für das Fortbestehen des Systems nötige Wirtschaftswachstum singen, sickert doch an immer mehr Stellen die Erkenntnis durch, dass diese einseitige Fokussierung auf quantitative Entwicklung dem Planeten und denn Menschen am Ende mehr schadet als nutzt. Dies war auch Thema im Deutschlandfunk, die in ihrer Reihe Studiozeit der Frage nachgingen „Warum Wachstum nicht glücklich macht“ und dabei „neue Messgrößen für gesellschaftliche Wohlfahrt“ vorschlägt. [hier als mp3]

[…] Wer produziert, trägt zum Wachstum des Bruttoinlandsprodukts und des Bruttosozialprodukts und somit zum Wirtschaftswachstum bei. Was dabei herauskommt, ist fast egal. Müll zählt auch. Die Verbraucher kaufen Waren, packen sie aus und stopfen die Verpackung in die Tonne. Nach Gebrauch landet auch das Gekaufte oft im Müll. Ein Entsorgungsunternehmen holt dann alles ab und verdient damit Geld. Die Erträge des Müllsammlers fließen ins Bruttoinlandsprodukt ein: Wirtschaftswachstum durch Verschwendung – oder sogar durch teure Fehlentscheidungen: Ein Unternehmen vergräbt zum Beispiel strahlenden Atommüll in einem Salzbergwerk wie der Asse in Niedersachsen. Der Staat beauftragt später ein anderes Unternehmen damit, die strahlenden Fässer für viel Geld – geschätzt sind bisher rund zwei Milliarden Euro – wieder herauszuholen. Und schon ist wieder das Bruttoinlandsprodukt gesteigert. […]

Kräftig angekurbelt wird solch ein Wachstum bekanntlich auch durch die Reklameindustrie, die damit letztlich ihren Teil zu Ressourcenverschwendung und dem Anwachsen der Müllberge beiträgt. abfallGUT Dresden e.V. befasst sich in „Werbung vermeiden“ eben mit genau diesem unerfreulichen Zusammenhang und bietet auch das Faltblatt “Die Müllmaschine – Werbung und Marktwirtschaft” als pdf an, mit praktischen Tipps, wie man die Werbeflut im eigenen Umfeld eindämmen kann.

„Ohne Werbung keine Konsumgesellschaft, ohne Werbung hätten wir den Kopf frei, um über andere, wichtigere Dinge nachzudenken.“ (Klaus Traube)

Von dem Gedanken an immerwährendes Wirtschaftswachstum als einziges Ziel des Daseins wegzukommen, bedeutet natürlich letzten Endes, von dem derzeitigen System, wie wir es in den letzten Jahrzehnten kennen, abzurücken und Alternativen zu entwickeln. Von dieser Welt im Wandel schreibt auch Norbert Rost in seinem Feldpolitik-Beitrag „In Zukunft ohne Rechthaberindustrie“, in der er sich mit der Zukunft der Urheberrechte in Zeiten der digitalen Vernetzung beschäftigt.

[…] Seit Jahren sprechen wir über Globalisierung. Seit Jahren wird mit ihr vor allem eines verbunden: Wirtschaftliche Expansion, weltumspannende Ausbeutung von Mensch und Natur, Anpassungsdruck an uns alle. Wo aber bleibt das globale Bewusstsein? Wer setzt sich die globale Brille auf, um sich die Welt des Eigentums einmal im planetaren Kontext anzuschauen? Begreifen wir uns als Spezies, als Schicksalsgemeinschaft unseres Planeten, als Besatzung des Raumschiffs Erde, dann wäre es nur logisch, die Bibliotheken zu öffnen, das Wissen jedem verfügbar zu machen und den Beanspruchern des Geistes den Mittelfinger zu zeigen. Geistiges Eigentum ist geistiger Kleinmut! Egoismus in Reinform.

Wie wir das Problem lösen, daß “dann niemand mehr forschen will”? Dieses Argument halte ich für Unsinn. So lange es Probleme gibt, wird jemand versuchen, sie zu lösen. Albert Einstein war genau wie Niklas Luhmann Beamter, kein professioneller Forscher in industriellen Forscherteams! James Watt und Gutenberg dürften sich genau wie die Erfinder des Rades nicht deswegen an die Arbeit gemacht haben, weil sie sich eine überlebenslange Rente in Form von Geld versprachen. Dasselbe gilt für Autoren, Filmemacher und Musiker. Wer nicht des Spasses wegen kreativ ist, sondern der Gier wegen, dem wird die Kreativität gehörig abgehen. Wie weit kommen wir dann? […]

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Was ist mit Werbung nicht in Ordnung? (What’s wrong with advertising?) Teil 2: Eindringen/Einmischung

Heute setze ich endlich meine Übersetzung der Texte von Prof. Hugh Rank von der Governors State University in Illinois fort, in denen es um Persuasion Analysis, und darin speziell um Werbung geht. Teil 1 war ein Übersichtsartikel, der die vielen möglichen Kritikpunkte an Werbung auflistete. Im heutigen Artikel geht es um den ersten Punkt – „Eindringen/Einmischung („… zu viele Anzeigen“)“.


Was ist mit Werbung nicht in Ordnung?
Eindringen/Einmischung

Viele Menschen beklagen sich über das nervige Eindringen von Werbung in „ihre Zeit“, weil Anzeigen permanent ihr Fernsehprogramm unterbrechen: „zu viel, zu oft, zu viel Reklame“.

„Das wachsende Eindringen von Marketing und Werbung hat zu einem übersättigten Markt geführt und hebt den Widerstand der Konsumenten auf ein Allzeit-Hoch…“ (Yankelovich Report, April 2004)


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© O. Fischer, pixelio

Typische Kommentare von Studenten über die Zudringlichkeit von (TV-)Werbespots:

„… zu viele Spots… sie unterbrechen das Spiel… wiederholen sich zu sehr… Sie spielen die selben Werbeclips immer wieder und wieder… Man kann ein gutes Fernsehprogramm nicht genießen, wenn man andauernd unterbrochen wird… Werbung nervt einen die ganze Zeit… Werbung nimmt zu viel Platz ein… Reklame nimmt zu viel Zeit innerhalb eines Programms in Anspruch… Ich habe Kabelfernsehen, um Werbung zu vermeiden, aber sie ist immer noch da… zu lang… sie unterbrechen das Programm immer an den interessanten Stellen… gerade wenn der Film spanennd wird… Werbung ist zu laut… die selben Spots werden so oft wiederholt, bis man sie nicht mehr ertragen kann… ein Großteil meiner E-Mails besteht aus Spam… Firmen geben zu viel Geld für Werbung aus… Ich hasse diese langen Infomercials… Werbung ist überall… Es werden so viele Werbespots hintereinander gebracht, dass man vergisst, worum es in der Sendung überhaupt ging… Radiowerbung ist langweilig, wenn ich darauf warte, Musik zu hören… Übersättigung… Ich fühle mich von Werbung überschwemmt… Eindringen in mein Privatleben… Sie ist überall…“


Viele dieser Klagen sind naiv, egozentrisch und fußen auf Ignoranz, auf einem fehlenden Verständnis dafür, dass:

– Kommerzfernsehen der Hauptmarktplatz unserer Gesellschaft ist.
– Fernsehprogramme hauptsächlich deshalb existieren, um Werbetreibenden ein Publikum zu bieten.
– „Wer die Band bezahlt, bestimmt die Musik.“


Verstopfung/Zumüllung

Auch Werbetreibende machen sich Sorgen über „zu viele Anzeigen“. Aber sie befürchten eher, dass ihre Werbung, ihr Produkt, in der Verstopfung durch all die anderen Anzeigen untergeht. Vor dem Amtsantritt von Ronald Reagan gab es eine Verordnung, die die maximal zulässige Sendezeit von Werbung begrenzte. Dann wurden diese Beschränkungen aufgehoben. Heutzutage können Fernsehstationen so viel Werbung senden wie sie wollen, beschränkt nur durch die Gefahr, ihre Zuschauer zu verlieren.

Deshalb hat bis zum Jahr 2000 die Sendezeit für Werbung auf inzwischen 13 Minuten (25–30 Spots) pro Stunde in der Hauptsendezeit zugenommen. Andere Programme mit einem „gefesselteren Publikum“ (wie Samstagvormittags-Kindersendungen und Spätfilme) weisen noch mehr Spots pro Stunde auf. Wenn Sie 7 Stunden Fernsehen am Tag schauen (wie Nielsen es für die „Durschnittsfamilie“ herausfand) sehen Sie täglich über 182 Werbespots (7 x 13 Minuten = 91 Minuten x 2 durch 30 Spots = 182).

Zum Zeitpunkt seines Grundschuleintritts hat ein 6jähriges Kind in Amerika bereits über eine Viertelmillion an Werbebeiträgen im Fernsehen geschaut.

Mehr über diese Zumüllung finden Sie im 2005er PBS-Programm „Frontline – The Persuaders“.


Ausmaß an Toleranz

Menschen ertragen mehr Anzeigen in Printmedien (Zeitungen und Zeitschriften), weil sie die Anzeigen leichter überfliegen und so diejenigen, die sie nicht interessieren, überblättern können. Außerdem suchen sich manche Leute gewisse Zeitschriften (Modehefte, Hochzeitsmagazine, Kochen, Dekoration) und lokale Zeitungen speziell wegen der Anzeigen darin aus.

Zuschauer tolerieren Werbung eher im kommerziellen Fernsehen (wo sie Kommerz erwarten) als im Kabelfernsehen oder auf öffentlich-rechtlichen Sendern. Zu Beginn waren alle kommerziellen Fernsehsender in den USA „frei“ für die Zuschauer (finanziert durch Werbung), anders als in anderern Ländern, wo eine jährliche Gebühr erhoben wird, um werbefreies Fernsehen zu finanzieren. Als das Kabelfernsehen aufkam, versprach es seinen bezahlenden Kunden werbefreie Spezialprogramme, doch bald erschienen Reklamespots auch auf den meisten dieser Sender.

Zu Beginn des öffentlich-rechtlichen Fernsehens (und Radios) waren diese werbefrei (finanziert durch parteienneutrale Regierungsstellen). Doch schon bald „zwangen“ die Politik und Unterfinanzierung die Sender, auch Gelder von Firmen-„sponsoren“ zu akzeptieren, die viele „weiche“, „Wohlfühl“-Anzeigen schalteten und solche, die das Konzernimage stärken sollten. (Wie können Sie sich über die Ölfirmen aufregen, wenn sie so ein gutes Programm sponsorn?) Zuerst zielte solche Werbung nur auf Erwachsene ab (Sonntagmorgens, Talkshows), aber nun attackieren viele Sponsoren Vorschulkinder in ihren Kinderprogrammen; z.B. die Juicy-Juice „Wohlfühl“- und Markenerkennungs-Spots, so dass 4- oder 5jährige, die mit ihrer Mutter einkaufen gehen, diese Produkte wählen.

Leute ertragen Werbung, die in Filmen eingebettet ist („Product Placement“), eher in Hintergrundszenen als in Großaufnahmen, wenn der Filmheld eine Dose eines Softdrinks hochhält, die von dem Konzern produziert wird, der beides (Filmstudio & Getränkeproduktion) besitzt.

Pop-Ups und blinkende Werbebanner im Online-Bereich entwickeln sich rasch zu der störendsten Form des Eindringens der Werbung.


Allgegenwart

Werbung ist praktisch überall in unserer Gesellschaft. Man kann Reklame nicht ausweichen. [Anm. PM: Zwar nicht komplett, aber einen Großteil der Kommerzpropaganda kann man schon aus seinem Leben verbannen: kein Privat-TV oder -Radio, Adblocker im Browser, keine werbefinanzierten Zeitschriften, kein Flanieren in Shopping-Centern.] Werbung wird nicht verschwinden.

Beispiele für viele neue Techniken finden Sie hier: „Zipping and zapping ads works with VCRs, but not in reality“ (Wegzappen von Werbung geht beim Videorecorder, aber nicht im realen Leben)


Geräuschbelästigung

Glücklicherweise gibt es in den meisten amerikanischen Städten Gesetze gegen Lastwagen, die mit ihren plärrenden Lautsprechern umher fahren, aber diese Wagen sind in anderen Ländern ohne solch strengen Gesetze oder Konsumentenschutz, durchaus üblich.


Visuelle Verschmutzung

Im Jahre 1965 leitete die Frau von Präsident Lyndon Johnson (Lady Bird Johnson) eine Kampagne für den „Highway Beautification Act“, um die 600.000 Plakatwände loszuwerden, die schnell am Rande des neuen Interstate-Autobahnnetzes entstanden waren. Unter großem öffentlichen Druck verabschiedete der Kongress schließlich das Gesetz.

Aber nachdem das öffentliche Interesse wieder eingeschlafen war, überzeugten die Werbetafel-Lobbyisten im Stillen genügend Mandatsträger, um den Etat zu begrenzen, der jedes Jahr nötig war, um den Besitzern der existierenden Plakatwände die „Entschädigung“ zu zahlen. Deshalb stehen auch 40 Jahre später noch über 200.000 Plakatwände an den Straßen.

Viele Städte verkaufen heutzutage Werbefläche (Bänke, Bushaltestellen) und „Sponsor“rechte für öffentliche Erholungseinrichtungen, und erlauben so das zeitweise Aufstellen von Plakaten und Werbebanner bei Konzerten, Festivals, Rennen oder jeglicher Versammlung größerer Menschenmengen im öffentlichen Raum.

In den Schulen verspricht Channel One seinen Werbekunden, dass sie keine Überfüllung zu befürchten habe, keine andere Werbung, im wertvollen „Tagesteil“ (9 Uhr morgens bis 3 Uhr nachmittags), während sie ein Zielpublikum von über 8 Millionen Schülern in 15.000 Schulen liefern. [Anm. PM: Zum Glück gibt es inzwischen immer mehr Initiativen an Schulen, die diesen Sender aus dem Unterricht verbannen.]

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Fake TV – Reklame statt Recherche

Ein Grund mehr, kein Fernsehen zu sehen, insbesondere die dortigen „News“ nicht… das N3-Medienmagazin ZAPP berichtete über PR-Beiträge in Nachrichtensendungen in „Fake TV: Reklame statt Recherche“:

Ein leidiges Thema ist Schleichwerbung. Die ist leider längst nicht mehr nur ein Problem von Unterhaltung im Fernsehen. Der Sender RTL II wurde gerade gerügt, weil in einem Nachrichtenbeitrag über die Kölner Möbelmesse vor allem die eigene RTL II Möbelkollektion in höchsten Tönen gelobt wurde. Mit seriöser Information hat das wenig zu tun. Werbung wäre wohl der passendere Begriff. Solche gefakten Informationen kommen offenbar in fast allen Sendern vor. Zapp hat Nachrichten der vergangenen Jahre auf Fake-TV untersucht.

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Zott „gewinnt“ den Goldenen Windbeutel 2010 und die Komplett-Kommerzialisierung der Sozialen Netzwerke

monte-drink_windbeutel_186x4101Da trifft es auf jeden Fall den Richtigen – der überzuckerte Monte Drink von Zott hat die Wahl zum Goldenen Windbeutel 2010, der dreistesten Werbelüge, „gewonnen“ – herzlichen Glückwunsch!

Das Ergebnis ist eindeutig: 81.451 Verbraucher beteiligten sich an der Wahl zur dreistesten Werbelüge des Jahres, und 37,5% stimmten für den „Monte Drink“ von Zott. Damit erhält die Großmolkerei aus dem bayerischen Mertingen den Goldenen Windbeutel 2010. Und das aus gutem Grund, denn Zott suggeriert Verbrauchern, bei Monte handele es sich um ein gesundes und ausgewogenes Produkt und einen „idealen Begleiter für Schule und Freizeit“. In Wahrheit aber steckt in dem „Milchmischgetränk“ vor allem eines: jede Menge Zucker. Umgerechnet 8 Stück Würfelzucker enthält ein Fläschchen Monte – mehr als die gleiche Menge Cola. Den Hersteller stört das nicht: Zott jubelt Eltern eine Zuckerbombe, die dazu noch mit Aroma und Zusatzstoffen aufgepeppt ist, als Zwischenmahlzeit für Kinder unter – unverschämter kann man nicht täuschen.

Am 23. April 2010 hat Zott anlässlich der Verleihung des Goldenen Windbeutels angekündigt, Rezeptur und Aufmachung von Monte Drink ändern zu wollen.

Die mittlereweile nicht mehr ganz so neuen großen Websites des Web 2.0-Zeitalters – allen voran Facebook, Twitter und Myspace – boomen wie nie zuvor. Es gehört immer stärker zum „guten Ton“, auch eine Facebookseite zu haben (wozu auch immer die gut sein soll). Im Hintergrund dieser ganzen Usereuphorie spielen sich allerdings die in unserem Wirtschaftssystem üblichen Prozesse ab: es geht um das kommerzielle Ausschlachten der Userinteressen, darum, möglichst früh einen möglichst großen Marktanteil zu sichern und auch in diesem Medium eine weitere Plattform zu entwickeln, die dem Abverkauf von Produkten und Images dient. Deshalb kann es gar nicht schaden, mal einen Blick auf die „andere Seite“ zu werfen, beispielsweise in den erfrischend offenherzigen Artikel „Kurzreklame: Das Vöglein Twitter wird flügge“ in der Financial Times Deutschland. Natürlich erwartet man von der FTD keine Analyse der sozialen Komponenten des Internets, dennoch lese ich solche Texte mit großem Unbehagen und Befremden:

[…] Die Werbebranche erkennt langsam den Nutzen der bisher wenig profitablen Netzwerke, zu denen etwa auch Myspace gehört. […] Investoren sind daher überzeugt, dass den reichweitenstarken Netzwerken künftig ein Milliardengeschäft sicher ist. […]

Pepsi und Co. setzen verstärkt auf das sogenannte virale Marketing, auf eine Werbeform also, bei der sich Botschaften allein über die Kommunikation der Nutzer wie ein Lauffeuer verbreiten. “Auf Twitter und anderen Netzwerken geht es weniger um die direkte Produktwerbung als um Imagepflege” […]. Das seien teilweise neue Formen der Unternehmenskommunikation. […]

[…] Marktneuling Twitter, geschätzter Unternehmenswert bislang rund 1 Mrd. $, hat nun am Dienstag erste Pläne für das Onlinewerbegeschäft veröffentlicht – und dabei gleich eine Reihe namhafter Kunden präsentiert: Die weltweit größte Kaffeehauskette Starbucks , der größte US-Elektronikhändler Best Buy sowie die Fluggesellschaft Virgin America bezahlen Twitter ab sofort für den Vertrieb ihrer Botschaften. […]

Bei der Gelegenheit, als  kleiner Kontrast zur Totalreklame noch ein Fernsehtipp: heute Abend von 20:15–21:45 Uhr im ZDF der Doku-Spielfilm „Dutschke“.

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Adbusting: Der Axt-Faktor

gord-2298549953_0e01fbb676Heute nur ein kurzer Lesetipp, auf den ich aufmerksam gemacht wurde – das einestages-Magazin auf Spiegel Online hat sich in dieser Woche dem Phänomen des Adbusting, also des Verfremden von Reklame mit dem Ziel, die hinter der schillernden Werbefassade liegende Aussage deutlich oder auf die Abgründe der Konzerne aufmerksam zu machen, gewidmet: „Der Axt-Faktor“. In dem Artikel gibt Danny Kringiel einen Überblick über die Geschichte dieser Widerstandsaktionen gegen den Kommerz sowie die Entwicklung der letzten Jahre und die Versuche der Vereinnahmung durch die Reklameindustrie selbst. Besonders schön ist die Bildergalerie mit gelungenen Adbust-Beispielen. Wollen wir mal hoffen, dass Adbusting weiterhin subversiv und gegen die Durchkommerzialisierung des Lebens gerichtet bleibt und nicht zum bloßen Spaß oder zum Kunstgag verkommt (was der Autor gegen Ende seines Textes befürchtet)…

Ecstasy von McDonald’s, Charles Manson als Jeansmodel: Seit den siebziger Jahren bekämpfen sogenannte Adbuster mit satirisch verfremdeten Werbeplakaten die Konsumkultur. einestages erzählt, wie aus der Reklame-Guerilla eine Massenbewegung wider Willen wurde (…)

In Sydney gründete 1980 eine Schar australischer Sprayer die Organisation B.U.G.A U.P, Billboard Utilising Graffitists Against Unhealthy Promotions, also: Reklametafeln verwendende Graffitikünstler gegen ungesunde Werbung. Frustriert über die nachsichtige Haltung der australischen Regierung gegenüber der Tabak- und Alkoholindustrie richteten sie ihre Angriffe ausschließlich gegen Zigaretten- und Alkoholwerbung. B.U.G.A U.P kooperierte sogar mit einer Bürgerinitiative, die sich für ein Verbot von Tabak- und Alkoholwerbung stark machte. Die gesundheitsbewussten Sprayer trafen den Nerv der Zeit.

Schnell schlossen sich Hunderte von Studenten, Lehrern, Kindergärtnern, Designern, Ärzten, zum Teil ganze Familien der Gruppe an. Anders als die Billboard Liberation Front war dies keine Gruppierung abenteuerlustiger Freigeister, sondern eine Art Bürgerrechtsbewegung aus allen Schichten der Bevölkerung. Überall in und um Sydney fand man plötzlich auf Zigaretten- und Bierwerbungen Kommentare wie “Viel Spaß mit dem Krebs!” oder “Die letzte Nachricht an deine Leber”. Allein 1983 betrug der durch B.U.G.A U.P verursachte Schaden eine Million Dollar. Als die australische Regierung schließlich 1994 ein Verbot gegen Tabak-Plakatwerbung erließ, hatte B.U.G.A U.P den Beweis angetreten, dass sich die Welt durch Adbusting tatsächlich ändern lässt. (…)

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Adblocking

logo-adblock-plusLustig – angeregt durch die Zuschrift eines Lesers habe ich in meinem Firefox-Browser auch endlich das grandiose Adblock Plus-Plugin installiert, das mittlerweile eine Qualität erreicht hat, wie man sie sich wünscht. Wurde die Performance des Rechners durch den Adblocker früher eher noch verringert und manches an eigentlichem Inhalt weggeblockt, so kann man mit der Erweiterung in der Version 1.1.3 inzwischen wirklich ganz entspannt durchs Netz surfen, ohne dass einen nervige, bunte, blinkende Reklame den Blick verbaut (Ausnahme: die besonders lästigen Layer-Ads). Selbst Websites wie Myspace, die sonst zu 2/3 aus Kommerzpropaganda für McDoof und ähnliche Konzerne bestehen, werden nun plötzlich wieder halbwegs ansehnlich. Großartige Sache – hier gibt es das Plugin, natürlich kostenlos: https://addons.mozilla.org/de/firefox/addon/1865

Ich empfehle das Abonennement für Deutschland auszuwählen, dann werden die wichtigsten Websites hierzulande gleich richtig von den Reklameeinblendungen entkernt.

Das Lustige? Nun, ich hatte gerade vor, diesen Beitrag über das Add-on zu schreiben, da erreicht mich ein Hinweis einer Blogleserin, die mich auf einen Artikel im österreichischen Der Standard aufmerksam macht – „Werbeblocker gefährden Arbeitsplätze“ heißt es da. Bekanntermaßen kann man mit dem Erhalt von Arbeitsplätzen heutzutage ja alles rechtfertigen, also auch die visuelle Zumüllung des Gesichtsfeldes der Benutzer, und die omnipräsente Gegenwart von Kaufpropaganda und Dauerkommerz, an die wir uns mittlerweile fast schon gewöhnt haben, die aber nicht wirkungslos an uns vorüber geht, da sich gewisse Marken und Logos tief in uns einbrennen, wenn wir sie dauernd zu Gesicht bekommen. Okay, ich klicke sowieso nie auf einen Werbebanner, somit ist es für die Firmen eher von Vorteil ist, wenn ich sie nicht negativ mit Reklame in Verbindung bringe… :-)

Die Diskussion, die der Standard da anfacht, ist aus zweierlei Hinsicht aber nicht so einfach zu ignorieren – zum einen wegen der von mir schon angesprochenen einseitigen Präferierung des Kommerzgedankens gegenüber der Unbeschadetheit des eigenen Geistes durch Weglassung von Reklame. Gerade, weil Der Standard eine eher linke Zeitung ist, finde ich es schon bemerkenswert, dass dieser Adblocking-Trend nicht etwa als Anlass genommen wird, sich vielleicht zu überlegen, ob Geschäftsmodelle, die darauf aufbauen, Menschen mit etwas zu nerven was diese nicht wollen, was sie stört und ärgert, eventuell nicht nachhaltig und kontraproduktiv sind. Auf der anderen Seite muss man natürlich auch ganz klar sehen, dass in unserem heutigen System die Werbefinanzierung viele Angebote, die wir im Internet gerne und umsonst annehmen, erst ermöglicht und tatsächlich also Menschen davon leben. Eine zweischneidige Sache also, wenn man Reklame automatisch wegblockt. Der Preis für die kostenlosen Netzangebote ist aber  eben sehr hoch, nämlich die permanente Berieselung mit Reklame und das Weichkochen und allmähliche Einsickern ds Kommerz in jede Ritze des Lebens – man muss sich fragen, ob dieser Preis, den die Gesellschaft zahlt, letztlich nicht zu hoch ist. Die meisten User, die etwas zu dem Standard-Artikel schrieben, befürworteten die Adblocker und bekräftigten ihre Genervtheit von den Reklameeinblendungen, die ja teilweise in Richtung Nötigung gehen (gerade bei den von mri schon erwähnten Layer-Ads).

Diese Diskussion entbrannte unlängst auch im Blog von Brian Carper – sein Beitrag mit dem sympathischen Titel „Advertising is devastating  to my well-being“ spricht sich eindeutig für Adblocker aus, und in der anschließenden Debatte in den Kommentaren ging es dann wiederum hoch her! Carper verfolgt einen durchaus radikalen Ansatz:

(…) Here’s the state of the world today: I can’t drive down the street without seeing billboards everywhere. The radio is literally 25 to 50% ads, which is why I don’t listen to the radio. Television is what, 20 minutes of commercials per hour? Which is why I haven’t had television in 6 years. Newspapers and magazines are saturated with ads, and of course I don’t read them either. Even then, ads are nearly unavoidable. (…)

(…) Businesses are not your friends. Businesses are not ethical entities. Businesses do not deserve the benefit of the doubt. Businesses exist to milk you of as much of your money as possible. The only sane reaction for the average person is a similar one: I want to deprive businesses of my money. I want to get as much from them as I can, while giving up as little as possible.

If I politely suggested that it’s “unfair” for a business to have such a huge profit margin, and “if they cared about their customers, they would lower all their prices”, I’d be laughed at. Why would a company do anything less than the absolute most they can do to bleed money out of me, after all? I laugh at any business which says the same thing to me. I will bleed you of product, as far as it’s legal to do so. It so happens that advertisements are devastating to my well-being. (…)

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