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Der verkaufte Käufer. Die Manipulation der Konsumgesellschaft.

An dieser Stelle will ich Euch heute wieder einen kleinen Gastbeitrag von Helmut Schnug vom Kritischen Netzwerk (das immer einen Besuch wert ist!) vorstellen, in dem er ein schon älteres, aber thematisch (leider) immer noch top aktuelles Buch vorstellt, das bestens zum Thema des Konsumpf passt.

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Der verkaufte Käufer. Die Manipulation der Konsumgesellschaft.

Autor: Wolfgang Menge

Verlag: Fritz Molden, Wien/München/Zürich (1. Auflage 1971)
ISBN-10: 3-217-00354-3 // ISBN-13: 978-3-217-00354-5
oder
Fischer Taschenbuch ISBN: 3-436-01711-6

Schon vor 40 Jahren schlugen erste Konsumkritiker Alarm. Das interessante historische Zeitdokument gibt es als Tb oder gebunden für ca. 3-6 € (inkl. Porto) und hat nichts an Bedeutung verloren – im Gegenteil: die Verbraucher lassen sich immer mehr verarschen. Achselzuckend und gleichgültig frönt der Verbraucher seiner Gier nach mehr statt sich mal endlich bewußt zu werden, welche Macht er doch eigentlich hat.

Zum Inhalt:

Das Warenangebot wird immer größer – die Irreführung des Käufers auch. Wir kaufen, die Verkaufsstrategen lenken. Was wir nach Hause tragen, ist nicht immer das, was wir eigentlich kaufen wollten oder glaubten, gekauft zu haben.

Ein Blick hinter die Fassaden der Schönfärberei, der schmeichelnden und täuschenden Werbetricks. Man verkauft uns Werbeslogans. Die Ware, für die wir dann bezahlen, ist weniger wichtig. Der Kunde ist längst nicht mehr König. Ahnungslos tappt er in die Fallen, die die Verkäufer ihm gestellt haben. Die Fülle von Beispielen für ökonomischen Machtmissbrauch und professionelles Rosstäuschertum macht aus diesem Buch eine kritische Schule für Verbraucher; dargestellt u.a. anhand der Bereiche Nahrungsmittel, Kraftfahrzeuge und Arzneimittel.

Buchvorstellung im Magazin DER SPIEGEL 41/1971: hier bitte weiterlesen

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Shoppen bis zum Umfallen

Was soll ich mir den Mund fusselig reden über unsere Konsumgesellschaft und die Auswirkungen des Dauerkommerzes auf die Menschen, wenn Arte doch vor einigen Tagen die wunderbare Doku „Shoppen bis zum Umfallen (Shop til you drop)“ brachte (Wiederholung am Freitag, den 9. Juli um 10 Uhr (vormittags!)), die einiges von dem, was ich im Blog ja auch immer mal wieder anspreche, visuell aufbereitet darbietet. Zum Glück gibt es den Beitrag derzeit (noch) in der Arte-Mediathek, so dass auch alle Fernseher-Verweigerer in den Genuss dieses Films kommen können.

Warum wird eigentlich überall und zu jeder möglichen Tages- und Nachtzeit gekauft? Die Dokumentation analysiert auf unterhaltsame Weise die Evolution des modernen Menschen zum Konsumenten. Sie zeigt am Beispiel der USA, dem langjährigen Vorbild der westlichen Hemisphäre, die gesellschaftliche Situation vor 60 Jahren, als der Konsumterror seine Anfänge nahm. Vom neuesten Auto, das schöner und schneller zu sein hatte als das des Nachbarn, bis zum trendigen Mobiltelefon, von dem jedes Jahr ein neues angeschafft werden muss, jedes bunter und hipper als das alte Modell.
Doch auch die Konsequenzen des permanenten Konsums werden ins Bild gerückt. Denn das schöne und bisweilen erhebende Gefühl, mit dem neuen Kauf ein frisches Stück vom Glück erworben zu haben, stellt sich immer schneller als trügerisch, weil unbefriedigend, heraus. Und die Ausbeutung der Ressourcen und das Wachsen der Abfallberge werden immer offensichtlicher. So stehen der Euphorie, das Neueste, Beste und Schönste zu besitzen, die Leere nach dem Kauf und die programmierte Katastrophe für die künftigen Generationen gegenüber.

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Buchbesprechung: Andreas Völlinger „Im Zeichen des Marktes“

voellinger-im-zeichen-des-marktesNach all den Büchern, die sich mit den mehr praktischen Aspekten des Culture Jamming und der Konsumkritik beschäftigen, stieß ich vor einigen Wochen zu meiner Freude auf ein theoretisch ausgerichtetes Werk, das diese Widerstandsform und die kritische Auseinandersetzung mit dem Konsumkapitalismus (so nennt der Autor unser System konsequent im gesamten Buch) von (kommuniktions)wissenschaftlicher Seite her beleuchtet. Andreas Völlingers „Im Zeichen des Marktes. Culture Jamming, Kommunikationsguerilla und subkultureller Protest gegen die Logo-Welt der Konsumgesellschaft“ gelingt es dabei, die Grundlagen des sog. „semiotischen Widerstands“ gegen die herrschende Logo- und Zeichenflut, die uns durch die Kozerne via Marketing, Werbung und Medien aufgezwungen wird, gekonnt darzulegen als auch über verschiedene Formen subkulturellen Widerstands (wie Skateboarding, Graffitti und Adbusting) zu referieren.

Auch wer sich schon intensiv mit der gesamten Thematik befasst und z.B. die Bücher von Kalle Lasn oder Naomi Klein gelesen hat, wird hier noch einiges Neues entdecken, zumal der Reiz dieser Untersuchung des Autors sicherlich darin liegt, dass er einen weiten Bogen von postmodernen / poststrukturalistischen Theorien von Eco, Debord, Barthes oder Bourdieu, wie sie manch Studenten in der Uni begegnen, hin zu den praktischen und konkreten Aspekten (The Yes Men, Subvertising) schlägt. Dies geschieht alles auch mit einer eindeutigen Sympathie für die Absichten von Culture Jammern und anderen Gruppen, die sich gegen die Durchkommerzialisierung des Alltags stemmen (wie vor allem im persönlich geprägten Ausblick am Ende des Buches deutlich wird). Auf knapp 150 Seiten wird ein umfassender und dennoch recht kompakter Überblick gegeben, wie breit die Ideen des „zeichenhaften Widerstands“ in der Gesellschaft bereits gestreut sind und in welch unterschiedlichen Ausprägungen sie vorkommen können und wo die Grenzen und Risiken liegen. Der Autor zeigt auch, wie weit Konzerne mit ihren Symbolen und Logos in unserem Alltag hereinreichen und dass öffentliche Räume (und damit das gesellschaftliche Miteinander) immer stärker gefährdet sind, zu reinen Konsumräumen zu werden.

Die wissenschaftlich gehaltene Sprache und die vielen Literaturangaben und Querverweise mögen dabei vielleicht den einen oder anderen Aktivisten erst einmal abschrecken – sollten sie aber nicht! Eine wahre Fundgrube stellt nämlich die umfangreiche Literaturliste im Anhang dar, die auch für mich noch viele bis dato unbekannte Internet-Quellen und auch Leseanregungen bereit hält – davon werden alle Leser meines Blogs in der Zukunft sicher noch profitieren. :-)

Mein Fazit: ein spannendes Buch, das eher für Fortgeschrittene gedacht ist bzw. für Menschen, die sich Themen lieber wissenschaftlich-theoretisch nähern. Von daher ist Völlingers Werk natürlich kein Ersatz für „Aufrüttler“ wie Lasns „Culture Jamming“ oder „Das Schwarzbuch Markenfirmen“, sondern eine gute ergänzende Lektüre, die einige neue Facetten der Bewegung aufzeigt und Culture Jamming und Adbusting auch im wissenschaftlichen Diskurs verstärkt ankommen lässt. Ein Angriff auf die Deutungshoheit der Zeichen, die bisher bei den Konzernen und ihren Medien liegt, muss meiner Meinung nach sowieso von den verschiedensten Seiten aus erfolgen, wenn eine Schwächung Aussicht auf Erfolg haben soll, um ein kritischeres Bewusstsein bei den Menschen für die sie umgebenden Botschaften zu wecken und zu schärfen.

Während die Mitglieder einer subkulturellen Gemeinschaft durch semiotischen WIderstand hauptsächlich Abgrenzung betreiben, kann Culture Jamming als Mittel der Kontaktaufnahme dienen, um gerade dort anzusetzen, wo herkömmliche Argumentation gegen das herrschende System versagt:

„Wo Aufklärung nicht ankommt, kann Kommunikationsguerilla die wirksamere Taktik sein, wo es eine aufnahmebereite Zielgruppe oder gesellschaftlichen Druck gibt, ist Aufklärung und Information angesagt, und oft greifen beide ineinander.“ (autonoma a.f.r.i.k.a. gruppe)

Aus dieser Warte bietet Culture Jamming eine Möglichkeit, Gesellschaftskritik auch zu jenen Menschen zu tragen, die sich dieser verweigern – Debord würde hier wohl argumentieren, dass sie der vom konsumkapitalistischen Spektakel erzeugten Passivität erlegen sind – und möglicherweise auch bei ihnen einen Denk- und vielleicht sogar Umdenkprozess anzuregen.

Dieser Aus- und Ansicht des Autors schließe ich mich gerne an.

Andreas Völlinger „Im Zeichen des Marktes. Culture Jamming, Kommunikationsguerilla und subkultureller Protest gegen die Logo-Welt der Konsumgesellschaft“, Tectum Verlag 2010, 148 S., 24.90 €

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Die Zukunft der Zivilgesellschaft

Zum Wochenende möchte ich Euch heute die Dokumentation „Beherzte Bürger – die Zukunft unserer Zivilgesellschaft“ empfehlen, die 2007 auf 3sat im Rahmen der Reihe „Z wie Zukunft“ lief. Das Thema klingt vielleicht im ersten Moment vielleicht nicht sooo prickelnd, aber tatsächlich spart der Bericht nicht mit intensiver Kritik an der Konsumgesellschaft und den durch unser kapitalistisches Wirtschaftssystem ausgelösten Erodierungen des sozialen Miteinanders. Sehr spannend, wie ich finde, und ein Beispiel dafür, dass Gebührengelder auch sinnvoll, nämlich in aufklärerische Sendungen, investiert werden können.

Welche Funktionen übernimmt künftig bürgerliches Engagement und wie können sich neue funktionierende Gemeinschaften eigenverantwortlich innerhalb der Gesellschaft bilden. Wie können demokratische Entscheidungswege in 10 bis 15 Jahren funktionieren; wie ist soziale Kohärenz und innere Sicherheit in 10 bis 15 Jahren zu garantieren, in – überspitzt formuliert – einer Gesellschaft mit 2/3 Alten und 2/3 Erwerbslosen? Zivilgesellschaftliches Handeln findet immer weniger in Parteien, Gewerkschaften und Kirchen statt als in zweckorientierten Selbsthilfegruppen, Netzwerken und Bürgerstiftungen. Wie sehen in Zukunft die Voraussetzungen für eine Bürgergesellschaft aus? Und wem nützt dieses Engagement?

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Blippy? Neuer Schwachsinn fürs Netz

konsum-peterWas kommt heraus, wenn man den modernistischen Web 2.0-Trend, jede Facette seines Lebens voyeuristisch im Netz zu dokumentieren (Facebook, Myspace) und jede noch so belanglose Nichtigkeit in die Welt zu tröten (Twitter) mit dem uralten Bedürfnis des Menschen, das, was er hat, zur Schau zu stellen, sich also über seinen Konsum zu definieren, kombiniert? Etwas vollkommen Sinnloses und Beknacktes? Stimmt. Und es hat sogar einen Namen: Blippy. Dieser neue, an Twitter erinnernde „Dienst“ ermöglicht es den Teilnehmern, die ganze Bekanntschaft und auch das restliche Web quasi in Echtzeit, live und in Farbe an den eigenen Kaufvorgängen teilhaben zu lassen. Oder in den Worten des Anbieters:

A fun and easy way to see and discuss the things people are buying.

Wo genau jetzt der „fun“ sein soll, dass alle sehen können, für welchen Mist ich gerade mein Geld aus dem Fenster geworfen habe, erschließt sich mir leider nicht, aber die Tatsache, dass sich derzeit tatsächlich schon Benutzer bei Blippy tummeln, spricht dafür, dass keine Idee bescheuert genug sein kann, dass nicht noch Leute darauf anspringen. Der De-Branding-Blog schreibt in „Image-Konsum 2.0 und weiter“ passenderweise:

Konsum mag identitätsstiftend sein, aber vor allem dient er der Pflege des eigenen Image – doch nur, wenn die Anderen auch wahrnehmen, was ich konsumiere! Denn alles was ich sichtbar konsumiere verweist auf bestehende Images (von Marken, Lifestyles, etc.). Die Verlagerung des Konsums in’s Virtuelle verlangt neue Formen des sichtbar machens von Image-Referenzen. Nirgendwo werden Referenzen so explizit gesetzt, wie im Web: ich bin “Follower von…”, “Freund von…”, “Fan von…”, ich habe Lieblingslisten bei eCommerce-Anbietern, Links auf Social-Bookmark-Plattformen, etc. etc. Nur mein Konsum verbleibt im Netz wenig sichtbar. Man kann gespannt sein, was da noch so kommen wird. (…)

Auch im Heise-Artikel „Shopping-Porno“ wird kritisch zu Blippy Stellung genommen:

(…) Sharing ist doch die neue Tugend des Netzzeitalters, wieder mehr Gemeinschaftsgeist undsoweiter. In den allgemeinen Geschäftsbedingungen bei Blippy ist unter “Information Sharing” zu lesen, dass man sich die Möglichkeit vorbehalte, verschiedene Dinge mit “vertrauenswürdigen Dritten” zu teilen, etwa für Direktmarketing-Kampagnen. Der Nutzer erklärt sich damit einverstanden, dass auch seine persönlichen Daten “im notwendigen Maß” mit diesen Dritten geteilt werden.

“Diese Leute”, sagt die Datenschützerin und Bürgerrechtlerin Rena Tangens, “dürfen sich nicht beschweren, wenn etwas Schlimmes mit ihren Daten passiert”. Mit anderen Worten: Wer sich auf einen Service wie Blippy einlässt, verdient kein Mitleid.

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Mumpitz Marke

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Unlängst empfahl ich Euch ja schon den ausgesprochen gelungenen Artikel „Reklame – die Pest der Kommerzgesellschaft“ der Website literaturkritik.de. Just dort fand ich einen nicht minder lesenswerten Text, der allerdings wirklich umfangreich und umfassend ist. Er heißt „Mumpitz Marke“, stammt von Frank Müller und befasst sich intensiv mit dem uns umgebenden Markenwahn, dem Schwachsinn, der darin liegt, nur für ein von Marketingleuten aufgeblasenes Image unglaublich viel Geld zu bezahlen und dabei irgendwelchen künstlichen Trends und Moden hinterher zu hecheln. Ich denke, jeder, der sich für das Thema Konsumkritik interessiert, sollte, nein, MUSS diesen Artikel einmal gelesen haben, trotz des beachtlichen Umfangs. Einfach mal eine halbe Stunde den Fernseher ausschalten und statt dessen in Ruhe Müllers sog. „Pamphlet“ lesen, der in seinem Beitrag viele Facetten des „Erlösungswahnsinns Marke“ zur Sprache bringt.

Hier wie üblich ein paar Auszüge:

(…) Marken schüren ein künstliches Verlangen; sie ketten uns an die Ware und machen uns dadurch immer dürftiger. Über die Inhaltsleere ihrer pausenlosen Selbstaffirmation trösten sie uns hinweg, indem sie uns das Brandzeichen des Logos aufdrücken. (…)

(…) Sobald sich ein Ding von seinem physischen Substrat abgekoppelt hat, entscheiden immer mehr die Wahrnehmungen, Emotionen, Images und Fantasien über Markenpräferenzen – jenseits der faktisch nachweisbaren Leistung. Werbung der vierten Art wirbt folgerichtig mit sich selbst. (…) Oder, noch einmal zugespitzt: Das eigentliche Produkt ist die Werbung. (…)

(…) Man höre und staune: Während die Dresdner Bank “ökologische und soziale Verantwortung übernehmen” will, Hennes & Mauritz “unter guten Arbeitsbedingungen” produzieren und die Karstadt Quelle AG “Leistung für Mensch und Umwelt” erbringen möchte, preist McDonald’s sein “weltweites Engagement zugunsten der Kinder” an. Der imageträchtige Budenzauber ist leicht durchschaubar. Die Investitionen für das vorgebliche Engagement sind lächerlich gering, gemessen an dem, was die Konzerne durch unlautere Methoden erwirtschaften. Es kostet nicht mehr als ein Lächeln in die Kamera des kritischen Journalisten, um Verhaltens- oder Produktionsnormen zu formulieren, ohne sie anschließend durchzusetzen und zu kontrollieren.

(…) Der moralische Konsum ist zu einer Geschäftsidee unter anderen geworden: Fair gehandelter Kaffee, garantiert kinderarbeitsfreie Teppiche und ohne den Einsatz von Pflanzenschutzmitteln heran gezüchtetes Gemüse sind Antworten auf die Frage des politisch korrekten Konsums, die vielleicht die Spielregeln, nicht aber das Spiel verändern. Kampagnen gegen Marken werden zu ethischen Verkaufsführern, die den Konsum keineswegs drosseln, sondern ihm lediglich ein anderes Vorzeichen verpassen, unter dem er sich umso ungehinderter austoben kann. (…)

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Weise Worte (14)

Wir leben in einer Konsumgesellschaft. Kaufen und Verkau­fen stehen unter dem Motto „caveat emptor“ („Kunde, sieh dich vor!“). Ganz gleich, was wir kaufen oder verkaufen, wir sind fest ver­wurzelt in der Lüge. Schließlich bedeuten Vermarktung und Werbung nichts anderes, als Dinge durch Lügen zu verkaufen. Auch uns selbst verkaufen wir durch Lügen.

Zeitungen und Fernsehen leben vom Verkaufen (durch Lügen). Ge­setze gegen unlautere Werbung beziehen sich nur auf den Text und ha­ben kaum Einfluss auf den Lügengehalt von Bildern und Auslassungen. Wir erwarten von der Werbesendung ebenso wenig die Wahrheit, wie von den Sendungen dazwischen, seien dies Nachrichten oder politische Reden. Wir wissen, dass wir von Lügen umringt sind, aber wir wissen nicht, was wir dagegen tun können.

Als zivilisierte Erwachsene sind wir gänzlich darauf eingerichtet, zu lügen und die Lügen anderer hinzuneh­men. So betrachtet ist es gar kein Wunder, dass die Menschen die Lügen ihrer gewählten Vertreter genauso wie die der Werbung und der Massenmedien ein­fach passiv hinnehmen: Von früher Jugend an wurden sie unermüdlich in dieser Haltung trainiert­.

Claude Steiner, „Wie man Lebenspläne verändert“, 1998/2009

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Giftige Papiere und Konsumgesellschaft

Neulich gab es in meiner Lieblingssendung quer (immer wieder erstaunlich, dass so etwas im Bayerischen Fernsehen läuft) wieder einmal ein kleines, feines Highlight zu bewundern – der Sozialpsychologe Prof. Harald Welzer war zu Gast und unterhielt sich mit Moderator Christoph Süß über die Finanzkrise, über die Folgen, aber auch die Gründe sowie unsere „Kultur des Konsums und der Verschwendung“ und das alles verschlingende Wirtschaftswachstumspostulat, die er (wie ich denke: vollkommen richtiger Weise) als grundlegendes systemisches Problem begreift. Absolut sehenswert!

Banken vor neuen Milliardenlöchern: Was sagt ein Experte zur Finanzkrise?

Deutschlands Geldinstitute horten noch Unmengen von faulen Wertpapieren, die längst nicht abgeschrieben sind. Wenn diese Giftpapiere platzen, dann droht der nächste Bankencrash.

bild-3(Auf das Bild klicken, um den Film zu starten)

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Drei Artikel über unsere Konsumgesellschaft

einkaufswagen-alleineIn den letzten Tagen bin ich beim Herumstöbern im Netz auf drei sehr lesenswerte konsumkritische Artikel gestoßen, deren grundsätzlichen Aussagen der Bundesregierung und ihren Kaufappellen sicher nicht gefallen dürften, die jedoch, jeder auf seine Art, die (oft negativen) Facetten unserer Konsumgesellschaft beleuchten. Sicherlich ist es kein Zufall, dass gerade vor Weihnachten der eine oder andere mal innehält und sich so seine Gedanken über das Treiben, das sich in den Innenstädten und Shoppingcentern der Welt macht, denn zu keiner anderen Jahreszeit steht der Konsum so dermaßen offen im Mittelpunkt des allgemeinen Treibens. Aus einem spontanen, freudigen Schenkakt ist über die Jahre ein echter Krampf geworden – als ich selbst noch an diesem Ritual teilnahm (seit Jahren verschenke ich nichts mehr zu Weihnachten) waren die Tage vor dem Fest von echtem Stress begleitet, da ich ja noch auf Teufel komm raus irgendetwas für den einen oder anderen finden musste. Und so wurde viel Unnützes ausgetauscht und womöglich direkt nach den Feiertagen nie wieder benutzt. (Wobei schenken und beschenkt werden durchaus auch Spaß machen kann, das ist klar.)

Unter anderem darum dreht sich auch der Artikel von Wolfgang Neef „Glück vom Konsum abkoppeln aus der taz – für den Autoren hat „die Verschleißwirtschaft keine Zukunft”:

Dass just dieses Wachstum das Problem sein könnte, wird immer noch verdrängt, obgleich schon das EU-Weißbuch 1993 auf unser falsches Entwicklungsmodell aufmerksam machte: Wir rationalisieren seit 200 Jahren in ungebremstem Tempo, ersetzen menschliche Arbeitskraft durch Energie- und Rohstoffaufwand und handeln uns damit Arbeitslosigkeit und Umweltkrise gleichzeitig ein. Zudem pflegen wir einen Innovationswahn: Statt die Technik auf die wesentlichen Lebensbedürfnisse zu beziehen, erfinden wir laufend neue Spielzeuge. Um diese dann zu vermarkten, werden bis dahin nicht existierende Bedürfnisse durch die Werbung neu erzeugt.

(…) Wo liegt der Ausweg? Abgesehen von der nötigen intellektuellen Dekonstruktion des Neoliberalismus geht es darum, echte Alternativen in Ökonomie und Technik zu finden – und zwar jenseits der Gebetsmühle, sie müssten sich “rechnen”. Kenneth Boulding hat dafür eine schöne Metapher geprägt: Wir brauchen eine “Raumfahrer-Ökonomie”, die mit begrenzten Ressourcen arbeitet. “Fortschritt” ist damit jene soziale und technische Innovation, die die Vorräte weitgehend unangetastet lässt und den Verwertbarkeit erhöht. Also: Weniger Produktion und weniger Verbrauch – bei gleichzeitig besserer Erfüllung der menschlichen Bedürfnisse.

Auf die widersinnige und das ganze System letztlich als hohles Gerüst entlarvende, mantraartig von den Regierungschefs vorgebetete Konsumaufforderung an uns Bürger geht der Feldpolitik-Blog in „Kauft um Euer Leben!” weiter ein und wirft auch die Frage auf, ob dieses „Hamsterrad” aus mehr arbeiten, um mehr zu konsumieren usw. uns wirklich etwas bringt:

Werden weniger Autos gekauft, fahren die Autoproduzenten ihre Produktion zurück. Sie entlassen Leute und stornieren Aufträge bei Zulieferern, was letztlich entlang der Wertschöpfungskette zu Entlassungen und Einsparungen führt. Das ist die eine Seite der Medaille. Die andere Seite sieht so aus, daß ja eigentlich nur das WENIGER gekauft wird, was offenbar gar nicht so dringend GEBRAUCHT wird. Aus gesellschaftlicher Sicht heißt das, daß wir mit derselben Menge an Autos klarkommen. Wir haben also erstmal denselben Wohlstand wie zuvor. Aber: Wir sparen Zeit! Muss bei selbem Wohlstandsniveau weniger Arbeitszeit investiert werden, so bleibt mehr Freizeit! Das mag zynisch gegenüber jenen klingen, die grade von Entlassungen bedroht sind, soll aber folgendes verdeutlichen:

Wir jammern darüber, daß wir selbst und unsere Mitmenschen weniger einkaufen. Warum nutzen wir diese Situation nicht einmal, um darüber nachzudenken, warum wir Wirtschaft bislang so organisiert haben, dass möglichst VIEL zu tun ist? Was ist so gut daran, möglichst viele Autos zu herzustellen und möglichst jedes Jahr noch ein Stück Wachstum obendraufzulegen? Steigern die überfüllten Strassen unser Wohlbefinden? Macht Arbeit so viel Spaß, daß wir immer mehr davon haben müssen?

In die gleiche Richtung zielt auch „Ihr Kinderlein, kaufet, so kaufet doch ein” auf Spiegel Online:

Shoppen für das Vaterland wird sich bei uns nicht machen lassen. Das klingt wie “Ficken für den Frieden”, das ist ein Witz, das ist Satire. In einer düsteren Prognose auf 2009 beklagt ein Wirtschaftsexperte das “Fehlen sportlicher Großereignisse” im kommenden Jahr. So ist der Mensch: rührend. Frauen brauchen Einladungen, um Geld für ein neues Kleid locker zu machen, Männer Fußballweltmeisterschaften, um einen großen neuen Flachbildfernseher als absolut notwendig zu empfinden. Auch das ein Witz. Zumindest dem Fernsehgerätemarkt und den Fähnchenherstellern wäre mit einer eingeschobenen Sonderweltmeisterschaft geholfen.

Werbung wird längst als Schmieröl der Wirtschaft empfunden. Nichts geht ohne Anzeigengeschäfte. Vorbei die Zeiten, da man der Werbung vorwarf, Konsumterror auszuüben. Exzessives Shoppen war ein Sport der Spaßgesellschaft. Es ist aber auch neurotisch. Etwas zu kaufen, was man nicht unbedingt braucht, ist eine Ersatzhandlung. Dass die Regierungen ihre Bürger nun dazu bewegen wollen, dem Wachstum der Wirtschaft zuliebe ein bisschen unsolide und verschwenderisch zu sein, ist nicht ohne Komik.

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The Consumer Paradox – Die Zufriedenheit der Menschen hängt von ihrem Konsumverhalten ab

[Dieser Artikel stammt wieder von meinem geschätzten Gastautoren D. Anger.]

Am 8. Dezember dieses Jahres verwies Peter auf einen sehr guten Film über die Produktion vieler bewusst kurzlebiger Verbrauchsgüter, namens The Story of Stuff. Darin taucht ein interessanter Gedanke auf: Je mehr ein Mensch konsumiert, desto unzufriedener wird er. Das Phänomen bezeichnen US-amerikanische Forscher als „The Consumer Paradox”, hierzu gibt es bereits verschiedene Studien, beispielsweise die Kollaboration der US-Universitäten von Illinois und Minnesota. Auch der britische Professor Richard Layard von der London School of Economics befasst sich bereits seit einiger Zeit mit diesem Thema.

Bei diesen Studien fanden die Forscher heraus, dass ein Hang zum Materiellen nicht nur mit einem schwach ausgeprägten Selbstwertgefühl korreliert, sondern sogar ursächlich für die geringe Eigenwertschätzung sein kann. Als Gegensatz konnte beobachtet werden, dass das Selbstwertgefühl einer Person steigt, wenn sie sich weniger von Materiellem abhängig macht.

Dies ist ein Paradoxon auf zweierlei Weise:

  • Zum einen denken sehr viele Verbraucher, dass es ihnen besser ginge, wenn sie nur ein bisschen mehr verdienten. Schließlich könnten sie sich dann den teuren Fernseher, den schicken Anzug, den neuen Computer, die Schönheitsoperation oder etwas Ähnliches leisten. Der Kauf soll dann die harte Arbeit entlohnen; man hat sich dieses oder jenes „verdient”.
    Ein „bisschen mehr verdienen” geht aber in der Regel mit längerer Arbeitsdauer und höherer Verantwortung einher. Beides sind Faktoren, die für viele Menschen belastend wirken, wenn sie über eine längere Zeit diesen Faktoren ausgesetzt sind. Somit sinkt ihre Zufriedenheit, obwohl sie durch Geld und Einkäufe doch angeblich steigen sollte.
  • Zum anderen gilt das „Ankurbeln der Binnenkonjunktur” als Allheilmittel in konjunkturell schwierigen Zeiten. Wenn Einnahmen von Staat und Wirtschaft sinken, weil die Menschen ihr Geld lieber sparen, anstatt es auszugeben, machen sich eine Reihe angeblich kluger Köpfe auf und entwickeln Maßnahmen, die die Menschen zum Konsum bewegen sollen.
    Über „Konsumgutscheine” wird ebenfalls nachgedacht, obwohl diese Maßnahme sehr umstritten ist, da das der Allgemeinheit zur Verfügung gestellte Geld ohnehin vom Steuerzahler stammt und schließlich auch von diesem wieder eingeholt werden muss.
    Auch wenn die erdachten Maßnahmen zum gewünschten Ergebnis führen, ist der dafür gezahlte Preis höher, als es die Statistik am Ende zeigt. Die Zufriedenheit weiter Teile der Gesellschaft nimmt weiter ab, mit den möglichen Konsequenzen von beispielsweise mehr Depressionen und mehr Suchtkranken. Die Umwelt wird stärker belastet, weil beim Anstieg der Verkäufe auch mehr schädliche Produkte erworben werden. Die Belastung der Umwelt führt ebenfalls zu einer steigenden Unzufriedenheit innerhalb der Gesellschaft. Die Ausbeutung billiger und stets verfügbarer Arbeitskräfte in Ostasien geht ungehindert weiter und nimmt womöglich zu. Der eigene Energieverbrauch erhöht sich, so dass auch diese Kosten ungeplant anwachsen.

So gilt es also – ganz egoistisch – der eigenen Zufriedenheit wegen, auf kurzfristigen Konsum zu verzichten. Der Besuch bei guten Freunden tut der eigenen Seele auch viel besser als ein neuer Fernseher. Und auch das eine oder andere Geschenk zur Weihnachtszeit darf gerne ein Taschenbuch und kein elektronisches Spielzeug sein. Es gilt, aus der Spirale der immer teureren und bunteren Geschenke auszubrechen und zu ein wenig Ruhe zu finden.

Diverse Quellen beschreiben, dass die Menschen vor 50 Jahren weniger Besitz als heute hatten, aber deutlich zufriedener waren. Man darf jedoch „weniger Besitz” nicht mit existenzbedrohender Armut oder dem Zustand eines kriegsversehrten Landes verwechseln. Es geht eher darum, das eigene Leben so zu vereinfachen, damit die wirklichen Freuden Zeit und Raum erhalten.

D. Anger

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