Schlagwort: Demokratie

Wir Bankenretter

schatulleDurch Sisyphos Periodicals Artikel „Auch du bist ein Bankenretter“ bin ich auf eine interessante Aktion aufmerksam geworden – tatsächlich fragte ich mich selbst schon seit längerem, wieso eigentlich nur wenige wirklich gegen die Unsummen aufbegehren, die in die Rettung der Banken gepumpt werden, ohne dass es irgend eine transparente demokratische Kontrolle der Geldströme gebe, und statt dessen fast alle Bürger wie brave Lämmer weiter arbeiten und konsumieren. Ungeachtet der neuen Schuldenberge, die die Regierungen aufhäufen. Denn all das „staatliche“ Geld, was da zur Rettung fließt, ist ja eigentlich unser Geld, und somit sind eigentlich wir selbst die Bankenretter. Genau darum geht es auch bei der Website „Wir Bankenretter“:

Wir alle sind Bankenretter. Wir haben bezahlt. Für die Banken. Die Banken, die die Weltwirtschaftskrise verursacht haben. Warum haben diese nicht die Krise nicht bezahlt? Warum müssen wir Bürgerinnen und Bürger und die kleinen Unternehmen diese Krise bezahlen und warum wurden wir von der Politik nicht gefragt, ob wir dem zustimmen? Unser aller Geld wurde ausgegeben ohne unsere Zustimmung, ohne das wir wissen wo das Geld bleibt und ohne maßgebliche sozial-ökologische Bedingungen! Daher fordern wir einen Volksentscheid zum Bankenrettungsplan und Konjunkturprogramm der Bundesregierung sowie die Einbindung der Bürgerinnen und Bürger in maßgebliche gesellschaftliche Fragen durch die Einführung des bundesweiten Volksentscheids.

Die Bloggerpatenschaften haben diese Bürgerinitiative ins Leben gerufen und rufen jetzt dazu auf, dafür zu sorgen, dass die Verteilung der Gelder (unserer Gelder) via Volksentscheid bzw. E-Petition vom Bürger mitbestimmt werden soll.

Denn niemand versteht die Ungerechtigkeit, die da gerade in den politischen Hinterzimmern beschlossen und umgesetz wird: die Banken verursachten die Weltkrise und wir alle sollen dafür bezahlen. Und das auch noch, (1) ohne das wir gefragt werden, ob wir dem zustimmen, (2) ohne Transparenz wohin das Geld wandert und (3) ohne öko-soziale Bedingungen an die Gelder!

(…) Fakt ist, dass es noch immer keine finale Antwort zur eingereichten Petition gibt. Wir – das heißt die aktiven Bürgerinnen und Bürger z.B. auf der Mailingliste – denken nun über eine Klage nach. Eine Rechtsanwältin hat schon grünes Licht gegeben.

Aber wie auch immer der Bescheid zur Petition ausgeht, wir werden nicht nachlassen. Denn auch die Ablehnung der Petition wäre ein riesen Skandal nach dem Motto:

“Wir interessieren uns nicht für die Stimmen der Bürger und wir interessieren uns noch nicht einmal dafür, wenn diese ihre Stimme erheben. Wir entscheiden im kleinen Kreis wo die Milliarden hinwandern. Der Bürger hat da nichts zu suchen.” (..)

Habt ihr auch die Nase voll?

Dann schließt euch an und macht mit. Wir sind alle Chef. Wir sind der Souverän. Zeigt der Bundesregierung, dass Bürgerinnen und Bürger es nicht verlernt haben Gesicht zu zeigen.

Bloggt über “Wir Bankenretter”, twittert, vernetzt die Netzwerke und lasst uns so viele Bürger wie möglich zusammenbekommen. Es ist Zeit, dass wir die Forderungen stellen, was mit dem Geld und den Bürgschaften passiert, wohin die Gelder fließen und an welche öko-sozialen Bedingungen es geküpft sein soll! Wir können uns selbst aus der Krise befreien, denn Krise heißt “Chance” – die Chance, an einem Wendepunkt etwas Altes zu verabschieden und die ENTSCHEIDUNG zu treffen, nun mit kreativen guten Ideen etwas Neues, Mitmenschliches aufzubauen.

Die Zeit ist daher reif für eine Bürgerbewegung.

Euer Blogeintrag und Euer Tweet oder Retweet (z.B.: Wir Bankenretter – für eine Petition und Volksentscheid zur Bankenrettung! www.bankenretter.org @bankenretter #bankenretter) kann jetzt dabei als Katalysator wirken! Zeigt den Menschen, dass Bloggen mehr sein kann als Tagebuchschreiben, nämlich genau dann, wenn es darum geht, Einzelaktionen miteinander zu vernetzen und einen umfassenden Dialog in Gang zu bringen.

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Zur Halbwertzeit politischer Versprechen

Wenn allüberall Politikverdrossenheit konstatiert wird, so muss man über die Gründe nicht lange rätseln – Aussagen und Entscheidungen wie die folgenden sind es, die den Bürger in die Verzweiflung und Demokratiedepression treiben, wenn Politiker mal wieder nach dem Motto handeln: „Was geht mich mein dummes Geschwätz von gestern an“ [via]:

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Wer mehr zum „Bad-Bank-Gesetz“ lesen will, schaue sich den entsprechenden Spiegelartikel an bzw. auch meinen Beitrag von neulich.

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Innenministerium lässt Satire-Website vom Netz nehmen

Tja, in einem so staatsgläubigen Land wie dem unsrigen darf man sich nicht wundern, dass der Staatsapparat seine Macht mit Klauen und Zähnen verteidigt und gar keinen Spaß versteht. So kam vorgestern die Meldung über den Ticker, dass das Bundesinnenministerium eine private satirische Website durch den Provider domainfactory vom Netz nehmen ließ, bei der es jemand gewagt hatte, eine Parodie auf die BMI-Site zu lancieren und sich dabei der „Corporate Identity“ der Regierung (Bundesadler etc.) zu bedienen:

Stein des Anstoßes war eine auf der Subdomain bmi.pifo.biz gehostete Website, die dem alten Internetauftritt des BMI nachempfunden war. Während die Website in Teilen offenbar eine genaue Kopie der offiziellen Schäuble-Homepage war, setzten sich andere Teile in deutlich satirischer Absicht mit Themen wie Internetsperren oder Überwachung auseinander.

(…) Das BMI, bei dem er nachgefragt hat, weiß nichts von einer Beschwerde, sagt er. Auf Nachfrage beim Hoster wird klar: Beschwert hatte sich das Bundesverwaltungsamt (BVA), das unter anderem über die Verwendung hoheitlicher Kennzeichen wacht. “Unter der o.g. Domain […] wird der Internetauftritt des Bundesministeriums des Innern nachgeahmt”, steht in dem Fax des Bundesverwaltungsamtes. “Wir bitten Sie als Provider, die genannte Domain umgehend zu sperren.”

(…) Dabei räumt das BVA ein, dass es sich um Satire handelt. Eine Abwägung, ob die Seite deshalb etwa von Kunst- oder Meinungsfreiheit gedeckt sei, habe stattgefunden. “Auch wenn die maßgeblichen Inhalte auf ‘bmi.pifo.biz’ als Satire zu bewerten sind”, heißt es in der Stellungnahme der Behörde, “führt es im konkreten Fall zu keiner anderen rechtlichen Bewertung.”

Ist das etwa schon ein Vorgeschmack auf die schöne neue Welt des Webs in Zeiten von Zensursulas Internetsperr-Gesetz? Um so mehr muss man solche Aktionen, wie sie die Yes Men! in den USA mehrere Male durchgeführt haben, beispielsweise, indem sie einen Fake der WTO-Site ins Netz stellten, bewundern (ihre Parodie auf BP mussten sie dann leider auch auf Betreiben des Unternehmens wieder vom Netz nehmen). Denn deren Wirksamkeit basiert ja gerade darauf, dass sie die „Oiginale“ täuschend echt nachmachen und somit für heilsame Verwirrung sorgen. Satire, über die in großen Balkenlettern „SATIRE“ steht, ist hingegen fast schon witzlos…

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Überwachungsstaat & Du bist Terrorist

Passend zu den ganzen geplanten und beschlossenen Gesetzen in Bezug auf Terrorabwehr, Internetzensur usw. hier ein moderner Klassiker der Internetkultur – „Wie ein Frosch im heißen Wasser“, der den schleichenden Prozess der fortwährenden Untergrabung der Persönlichkeitsrechte der Bürger eines Staates pointiert darstellt.

Edit: Danke für den Tipp in den Kommentaren – der tolle Kurzfilm Du bist Terroristvon Alexander Lehmann ergänzt obiges perfekt:

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Parteien-Alternativen: Piratenpartei, Die Basis, Die Guten

So langsam naht ja die Europawahl (Stichtag: 7.6.) – und damit auch die im wahrsten Sinne des Wortes Qual der Wahl… Inwieweit die fünf (bzw. sechs, wenn man die CSU als eigenständige Partei wertet) großen, etablierten Parteien nach all den Geschehnissen der letzten Monate und Jahre für einen freiheitsliebenden Menschen überhaupt noch wählbar sind, muss jeder für sich selbst entscheiden, Fakt aber ist, dass die Unzufriedenheit der Bürger mit der derzeit betriebenen Politik wächst. Und so gründen sich mittlerweile auch wieder einige neue Parteien, die antreten, um etwas frischen Wind in das erstarrte System zu bringen.

piratenpartei-logoDie größten Erfolgsaussichten, tatsächlich eine nennenswerte Zahl von Stimmen zu erringen, hat sicherlich die Piratenpartei, die 2006 in Berlin gegründet wurde, basisdemokratisch organisiert ist und sich vor allem für den Datenschutz, für Bürgerrechte und Open Access (statt Patentwahn) einsetzt. Momentan existiert zwar noch kein vollständiges Parteiprogramm, doch als Korrektiv zum derzeit parteiübergreifend grassierenden Überwachungskrampf sind die Piraten sicherlich sehr wichtig. Immerhin hat diese neue Partei genug Unterstützerunterschriften gesammelt, um bei den Europawahlen antreten zu dürfen – um auch bei der Bundestagswahl im September zugelassen zu werden, benötigt die Piratenpartei allerdings noch zusätzliche Unterschriften; knapp die Hälfte hat sie derzeit immerhin schon beisammen. Auf dieser Seite könnt Ihr Euch das entsprechende Unterstützerformular herunterladen, um dabei zu helfen, die Bürgerrechte hierzulande zu stärken.

Wir lehnen Patente auf Lebewesen und Gene, auf Geschäftsideen und auch auf Software einhellig ab, weil sie unzumutbare und unver­antwortliche Konsequenzen haben, weil sie die Entwicklung der Wissensgesellschaft be­hindern, weil sie gemeine Güter ohne Gegen­leistung und ohne Not privatisieren und weil sie kein Erfindungspotential im ursprünglichen Sinne besitzen. Die gute Entwicklung klein- und mittelständischer IT-Unternehmen in ganz Europa hat beispielsweise gezeigt, dass auf dem Softwaresektor Patente vollkommen un­nötig sind.

Die Abkehr vom „Prinzip der Geheimhaltung“, der Verwaltungs- und Politikvorstellung eines überkommenen Staatsbegriffs und die Beto­nung des „Prinzips der Öffentlichkeit“, das einen mündigen Bürger in den Mittelpunkt staatlichen Handelns und Gestaltens stellt, schafft nach der festen Überzeugung der Pira­tenpartei die unabdingbaren Voraussetzun­gen für eine moderne Wissensgesellschaft in einer freiheitlichen und demokratischen Ord­nung.

Ein paar Hintergrundinformationen zum Wahlprogramm und den Absichten der Piratenpartei findet ihr auch im Büttchenbunt-Blog. Und wer meint, dass seine Stimme, die er für diese Partei gibt, letztlich verloren ist, sollte sich den Bericht Piratenpartei kann mit Sitz im EU-Parlament rechnen im österreichischen Der Standard anschauen, denn tatsächlich werden die Piraten in Schweden wohl über die 5%-Hürde kommen und damit mindestens einen Sitz im Europaparlament erringen!

bild-6Neben den Piraten sind mir noch zwei andere neugegründete Parteien ins Auge gestochen, auch wenn diese vermutlich deutlich schlechtere Chancen haben, viele Stimmen auf sich zu vereinen bzw. überhaupt zu den großen Wahlen antreten zu dürfen. Die Basis ist letztes Jahr zum ersten Mal auf der politischen Bühne aufgetaucht und hat sich, wie der Name schon vermuten lässt, wirkliche Basisdemokratie auf die Fahnen geschrieben:

Auch die Partei “DIE BASIS” verspricht Basisdemokratie, aber sie hat diesen Gedanken zu Ende gedacht. Sie verspricht nicht nur Basisdemokratie, sie hat auch ihren gesamten Aufbau so gestaltet, dass kein Einzelner an der Basis vorbeikommt. Sie hat ihre Satzung, die einzig wirklich einklagbare und deshalb sehr formal und allgemein gehaltene Grundlage einer Partei so gestaltet, dass sie die formalen Vorschriften einhält und dennoch detailliert die Regeln definiert, dass die Basis das einzig bestimmende Glied dieser Partei ist, denn diese Satzung wurde nicht allgemein gestaltet, sondern legt genau fest, wie Basisdemokratie abgewickelt werden muss.

  • Die Partei “DIE BASIS” hat wie jede andere Partei auch ihre Funktionäre, nur mit einem Unterschied: Sie haben keine Macht, denn sie haben keine Entscheidungsbefugnis. Diese liegt ausschließlich bei der Basis, der Summe aller Mitglieder.
  • Die Partei “DIE BASIS” hat wie alle Parteien ihre “Experten”. Aber diese Experten kommen aus den Reihen der Mitglieder, sind keine interessengeleiteten und von Verbänden geführte Rammböcke zur Zerschlagung der Demokratie, sondern einfach Leute mit Fachwissen, die für jedes politische Vorhaben ausarbeiten, was dafür und was dagegen spricht und diese Ausarbeitung als Empfehlung bei einem Vorhaben einbringen, aber entscheiden kann nur die Basis.

Leider ist die offizielle Website von Die Basis ink. Parteiprogramm aktuell nicht erreichbar, sondern nur noch das Forum.

bild-7Dritte im Bunde sind Die Guten – der Name klingt zwar irgendwie nicht besonders politisch und seriös, dennoch vertritt die erst dieses Jahr durch junge Aktivisten in Thüringen gegründete Partei durchaus unterstützenswerte Ansichten. Radio Utopie berichtete unlängst über die Pressekonferenz. Zur Europawahl wird die neue Partei noch nicht antreten, aber es ist beabsichtigt, an den Kommunalwahlen und Landtagswahlen in Thüringen teilzunehmen.

Mit Mitgliedern aus dem gesamten Bundesgebiet hat sich eine Gemeinschaft von Menschen zusammengefunden, welche nicht mehr länger hinnehmen wollen, wie die hiesige Politik sich nach wie vor fälschlicherweise Demokratie nennt, dabei Mensch und Umwelt von einer rücksichtslosen Industrie vergiftet werden. Bestehend aus einer vielschichtigen Mischung von Jugendlichen, Künstlern, Arbeitnehmern und Arbeitslosen möchten -die Guten- für eine Wende in der Politik eintreten.
Die Partei identifiziert sich als Organisation, welche die Menschen wieder zueinander führen, den Glauben an die eigene politische Wirkung eines Jeden stärken möchte und einen uneingeschränkten Respekt gegenüber jedem Leben fordert. Sie verstehen sich als Anwalt aller Gruppen und Minderheiten, welche in der aktuellen politischen Landschaft keine Stimme finden..

Die Guten stehen für: Vernunft, Freiheit, Toleranz, Ehrlichkeit, Moral, Offenheit, Transparenz, Entschlossenheit, Frieden, Vertrauen, Interesse, Wachsamkeit, Orientierung,, Aufklärung, Information, Nachhaltigkeit, Selbstständigkeit, aktives Handeln, Mitentscheidung, Mitbestimmung, Selbstbestimmung, Kommunikation, Veränderung, Bewusstsein für Freiheit Recht, Gerechtigkeit, Gleichberechtigung, Grundgesetz, Menschenrechte, Zivilcourage, freie Entfaltung und freies Wissen.

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Weise Worte (8)

Die Werte, die heute unser Leben bestimmen, sind ökonomische Werte, keine demokratischen Werte. Unser System wird vor allem definiert durch die Gesetze und Regelungen, die wir als Angestellte, Kunden und Konsumenten erfüllen. PR-Firmen sind selbst Unternehmen, die existieren, um die Propaganda-Interessen ihrer Kunden zu vertreten. Und wie jeder weiß, der für ein Unternehmen tätig ist, gibt es am Arbeitsplatz keine Demokratie. Genauso wenig wie in Washington und in den Hauptstädten der Bundesstaaten, wo die Partikularinteressen der Unternehmen die politischen Geldbörsen kontrollieren, die Kandidaten ins Amt bringen und sie dort halten.

PR existiert, um die nötigen Illusionen zu erzeugen, um die Lücke zwischen dem Traum von Amerika und der Realität der amerikanischen Gesellschaft zu überbrücken.

John Stauber & Sheldon Rampton, Giftmüll macht schlank (1995/2006)

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Buchbesprechung: Robert W. McChesney, John Nichols „Unsere Medien? Demokratie und Medienkonzerne in den USA“

mcchesney-nichols-unsere-medienNicht immer muss ein Buch dick und schwer sein (wie z.B. Naomi Kleins Bestseller „No Logo!“ oder „Das neue Schwarzbuch Markenfirmen“) um zu beeindrucken. Schlank und elegant kommt beispielsweise „Unsere Medien? Demokratie und Medienkonzerne in den USA“ von Robert McChesney, John Nichols u.a. daher, veröffentlicht in der Open Media-Reihe des Verlags Schwarzerfreitag aus Berlin. Die Open Media-Reihe wurde ursprünglich Anfang der 90er Jahre in Amerika ins Leben gerufen, als Opposition zum ersten Golfkrieg, und konnte bislang auch Autoren wie Noam Chomsky (der auch zu diesem Buch einen Kommentar beisteuert) gewinnen.

Der Titel macht bereits klar, worum es den beiden Autoren in ihrem Buch geht – sie wollen eine Bestandsaufnahme der derzeitigen Entwicklung des Mediensektors in den USA bieten, die so oder in ähnlicher Form mittlerweile auch weltweit zu beobachten ist. Innerhalb weniger Jahrzehnte hat die Zahl der den Markt bestimmenden Konzerne von über 50 auf inzwischen nur noch 10 Big Player abgenommen. Solch eine Konzentration wäre auch auf anderen, „normalen“ Gütermärkten bereits bedrohlich und eine potentielle Gefahr für die freie Gesellschaft, aber gerade im Medienbereich, wo schließlich auch Meinungen gemacht und beeinflusst werden, ist dies mehr als nur eine latente Bedrohung der Demokratie.

McChesney (Professor an der University of Illinois) und Nichols (Korrespondent von The Nation) legen in ihrem dreigeteilten Werk (Teil 1: Analyse, Teil 2: Problembeschreibung/Unzufriedenheit und Teil 3: Aufbau einer Medienreform-Bewegung) den Finger sehr eindringlich auf mehrere Wunden, die sich diesbezüglich auftun. Die ursprüngliche Aufgabe der sog. „freien Presse“, die auch die Gründerväter der USA so in der Verfassung vorgesehen haben, war die Kontrolle derjenigen, die die politische Macht innehaben – sie sollte dazu dienen, „die Freiheit zu beschützen“, wie James Madison im 18. Jahrhundert schrieb.

Weit entfernt davon, die Zivilisation insgesamt zu stärken, liefert das Mediensystem, wie es zur Zeit in den Vereinigten Staaten opereriert, noch nicht einmal die Grundlagen für die Staatsbürgerschaft: Es beschützt nicht und dient nicht dem Allgemeinwohl. Es ist kein Mediensystem nach unserem Bedarf, aus unseren Händen oder in unserem Interesse – weil wir es heute nicht mit unseren Medien zu tun haben. Es sind deren Medien.

Doch wer sind sie? Eine Handvoll enormer Konglomerate, die sich die monopolistische Kontrolle über weite Teile der Medienlandschaft gesichert haben. Die Oligopole spotten der traditionellen Vorstellung einer freien Presse, in der jeder am freien Markt der Ideen teilhaben kann. Dabei werden die Monopole von Jahr zu Jahr erdrückender.

Wem dienen diese Medien? Zu allererst den Aktionären – große Medienunternehmen in den USA können hochprofitabel sein. Um diese Profitabilität aufrechtzuerhalten, dienen sie den Interessen der großen Konzerne, die weite Teie der Medien mit ihren Werbegeldern finanzieren. Um einer Regulierung im öffentlichen Interesse zu entgehen, dienen sie einer politischen Klasse, die sich revanchiert, indem sie den Medienkonzernen kostenlosen Zugang zu den öffentlichen Rundfunkfrequenzen gewährt und regelmäßig Grenzen der kommerziellen Kontrolle unserer Kommunikation einreißt. (…) Profit geht dabei immer vor Gesellschaft.

Bereits diese wenigen Absätze im vorderen Teil des Buches umreißen sehr gut, worin die Autoren die Probleme mit dem heutigen Mediensystem sehen – es dient primär kommerziellen Interessen und ist somit, auf Grund dieser Verquickung mit anderen Konzernen, weit davon entfernt, wirklich kritisch zu berichten. Diese mangelnde Kritik bewirkt aber nicht nur, Zuschauer und Leser primär als Zielgruppe für Konsum zu sehen, sondern lässt auch viele politische Geschehnisse, die eigentlich hinterfragt werden müssten, nahezu propagandistisch verbrämen.

Die Konzentration führt zu zwei zentralen Problemen: extreme Kommerzialisierung und Vernachlässigung des Dienstes am Bürger. Je besser die großen Medienkonzerne die Gesellschaften kommerziell durchdringen, desto weniger sind sie gewillt oder in der Lage, kreative oder redaktionell integre Inhalte zu erzeugen.

Ausführlich wird geschildert, wie diese Marktmachtkonzentration im Zeitungsbereich dazu führt, dass lokale Redaktionen nach und nach abgebaut und ausgedünnt werden, bis sie schließlich kaum noch in der Lage sind, kritisch zu recherchieren, sondern statt dessen PR-Meldungen etc. übernehmen, um ihr Blatt termingerecht füllen zu können. So etwas kann man ja auch hierzulande erkennen, wenn selbst honorige Zeitungen wie die FAZ Advertorials abdrucken; von Magazinen wie der Vogue, die eh nur aus Reklame und Produktlobhudeleien bestehen, ganz zu schweigen.

Die politische Kultur, die mit dem weltweiten Aufstieg des kommerziellen Mediensystems einhergeht, ähnelt immer mehr der der USA: An die Stelle informierter Debatten und eines kompletten Spektrums politischer Parteien treten ein leerer Journalismus und Wahlkämpfe, die von PR-Agenturen, Geld, schwachsinniger Werbung und eng begrenzten Debatten bestimmt werden. So entsteht eine Welt, in der der Markt und kommerzielle Werte die Demokratie und die Zivilkultur ersticken – eine Welt sich rasend ausbreitender Entpolitisierung, in der die wenigen Reichen immer weniger politische Hürden zu überwinden haben.

Glücklicherweise belassen es McChesney und Nichols nicht bei dieser bloßen Medienschelte, sondern stellen in dem Kapitel über den sich formierenden Widerstand gegen diese Form der Medienorientierung auch hoffnungsvolle Ansätze für wirklich freie Medien dar (denn wie „frei“ die Medienlandschaft z.B. in Deutschland ist, kann man sehen, wenn man sich die lange Liste der Produkte anschaut, die alleine Bertelsmann unter seinem Dach vereint). So gibt es in Schweden eine Partei, die auch das Verbot von Fernseh- und Radiowerbung in ihrem Programm hat (und immerhin bei Wahlen 10% der Stimmen erhält). In Neuseeland haben fortschrittliche Politiker eine Neuordnung des Rundfunks beschlossen, nach der Rundfunkfrequenzen öffentliches Eigentum sind, das die Bürger kontrollieren sollen – die Übernahme lokaler Stationen durch Großkonzerne wurde erschwert, der öffentliche Rundfunk ausgebaut etc. In Amerika selbst wird die Förderung des sog. „Mikroradios“ (nichtkommerzielle Gemeinderadiostationen) vorangetrieben und man versucht die Torpedierung dieser Projekte durch einige, den Medienkonglomeraten nahestehenden Teilen der Politik aufzuhalten.

Alles in allem ist „Unsere Medien?“ ein gleichermaßen erschreckendes, wie auch aufrüttelndes und Mut machendes Buch, das zudem leicht und locker zu lesen ist.

Robert W. McChesney, John Nichols „Unsere Medien? Demokratie und Medienkonzerne in den USA“, Schwarzerfreitag 2004, 151 S., 11,– €

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Weise Worte (6)

Das 20. Jahrhundert ist durch drei Entwicklungen von großer politischer Bedeutung charakterisiert: Das Wachsen der Demokratie, das Wachsen der Macht der Unternehmen und das Wachsen der Unternehmenspropaganda, die die Macht der Unternehmen vor der Demokratie schützt.

Alex Carey, Der Demokratie das Risiko nehmen

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Scroogle – Google ohne Kommerz und ohne Spuren im Netz zu hinterlassen

scrooge3Es gab einmal eine Zeit, da galt Google als das kleine, sympathische Außenseiterunternehmen, das angetreten war, den großen, marktbeherrschenden Suchmaschinen von Yahoo! (und MSN) das Fürchten zu lehren. Tatsächlich schaffte Google es in wenigen Jahren, Yahoo! vom Thron zu stoßen und sich damit selbst an die Spitze des Feldes zu setzen. Seitdem hat Google einen Marktanteil von an die 90% erreicht und besitzt damit quasi eine ähnliche Monopolstellung wie Micro$oft bei den Betriebssystemen. So viel Marktmacht löst nicht nur bei mir ein ziemliches Unbehagen aus, denn wenn ein Konzern die Spielregeln bestimmen kann, geht das in der Regel zu Lasten von Vielfalt und Freiheit (und im Falle von Microsoft-Produkten eindeutig auch zu Lasten der Qualität). Und so hört man immer öfter darüber, dass Google Daten der User beim Benutzen ihrer Dienste mit übertragen lässt und somit eine Art Surfprofil anlegen kann. Da klingeln natürlich auch beim Thema Datenschutz die Alarmglocken. Und nicht nur nur bei mir – Mehmet Toprak schrieb am Mittwoch in der eWeek EuropeGoogle: Der stille Skandal“:

An die Übermacht von Google hat sich die Internet-Branche weltweit gewöhnt. Das ist ein Fehler. Denn die Risiken sind beträchtlich. Auch für Unternehmen. (…)

(…)  Früher war eine Suchmaschine dazu da, das Internet nach Informationen zu durchsuchen. Heute hat sich das Verhältnis umgedreht. Das Internet ist zum Diener Googles geworden. Unternehmen, die von ihrer Web-Präsenz leben, sind darauf angewiesen, im Google-Ranking gut abzuschneiden. Wer da nicht mit allen Tricks arbeitet und unter den Top 10 bei den Suchanfragen landet, kann den Laden gleich dicht machen. Folglich werden auch die Inhalte mit Keywords, passenden Schlagzeilen und anderen Tricks immer mehr fürs Google-Ranking zurechtgebogen. Dabei bleiben Qualität und Unabhängigkeit vielfach auf der Strecke.

Das meistgehörte Wort in den Besprechungsräumen vieler Unternehmen ist heute »Google«. Als Unternehmen ist man praktisch gezwungen, seine Web-Präsenz auf dem Google-Marktplatz auszurichten. Dem weltweiten Marktplatz der Informationen, dessen Spielregeln von einem einzigen Unternehmen bestimmt werden. Wem da nicht gruselt …

Es gibt aber zum Glück neben den anderen kommerziellen Anbietern auch Alternativen – so z.B. Scroogle, die sich zur Aufgabe gemacht haben, die eigene IP-Adresse bei der Suchanfrage an Google wegzufiltern. Zu den Vorteilen gehören: * ohne Werbung * ohne Übertragung der IP * ohne Platzierung eines Cookies * ohne langfristige Speicherung der Suchanfragen [via] / zur deutschen Suchmaske von Scroogle Wer nicht auf Googleverzichten mag, jedoch die GoogleAds ausblenden (und auch andere Dienste in seine Suche mit einbeziehen) möchte, kann dies übrigens mit der schönen kostenlosen Firefox-Erweiterung CustomizeGoogle tun.

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„Kreuz gemacht und abgehakt – Demokratie ohne Demokraten?“

Wenn man sich in den Weiten des Internetzes so umschaut, kann man durchaus eine ziemliche Parteipolitikmüdigkeit bzw. eine große Erzürntheit über das, was die Parteien (aller Couleur) so machen, feststellen. Mit diesem Thema befasste sich letzte Woche auch eine Sondersendung des ARD-Magazins Monitor, die der Frage nachgingen, ob wir inzwischen eine Demokratie ohne Demokraten seien. In einer Umfrage fanden sie heraus, dass beispielsweise 29% der Leute auf Teile ihrer demokratischen Rechte verzichten würden, wenn nur der Wohlstand gesichert sei (bezeichnender Weise gab es die höchste Zustimmung hierzu bei CDU/CSU- und Linke-Anhängern!). Sind wir also alle zu bequem in dieser Servicedemokratie geworden und hoffen, dass „der Staat“ es für uns richten werde?

Ein Auto muss man tanken, klar, sonst fährt es nicht. Eine Blume gießen. Aber Demokratie, die läuft immer, wächst und macht sich von selbst? Demokratie braucht Bürger mit eigenen Ideen und persönlichem Einsatz. Volkspartei, so hieß das mal. Die großen Bundestagsparteien haben heute so wenig Mitglieder wie nie.

Dabei engagieren sich Millionen Demokraten ohne großes Aufsehen darum zu machen: Jeder Dritte gestaltet mit – ob in der Suppenküche oder bei der Schulpflegschaft – sogar mehr junge als ältere Menschen sind dabei. Und nicht nur in den USA organisieren sich Millionen, um über das Internet direkt Einfluss auf die Politik zu nehmen. Die Politprofis bedienen sich moderner Marketingmethoden, um sich und ihre Botschaften zur Wahl zu stellen. Gleichzeitig werden demokratische Werte und bürgerschaftliches Engagement verwässert, wenn Politik bei Menschenrechtsverletzungen wegschaut, um den wirtschaftlichen Gewinn nicht zu gefährden.

MONITOR-Spezial widmete sich zu Beginn des Wahljahres 2009 ausschließlich der Demokratie und den Demokraten.

bild-11(auf das Bild klicken, um den Film in einem neuen Fenster zu starten)

Dazu passt dieser Artikel aus der ZEIT auch noch wie die Faust aufs Auge – „Generation Krise – Jugend in Deutschland“:

Die deutsche Jugend ist politischer als ihr Ruf: Rechte wie linke Gruppen erleben Zuspruch. Selbst eine Rebellion ist nicht ausgeschlossen.

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