Schlagwort: Konzernkritik

Nichts geht ohne Coca Cola

Anlässlich der Fußball-WM 2006 in Deutschland drehte der Fernsehsender Phoenix die hochinteressante Dokumentation „Nichts geht ohne Coca Cola – Wie ein Konzern die WM dominiert“, in der die teils wenig ersprießlichen Hintergründe des Geschäftsgebarens dieses Weltkonzerns beleuchtet werden. Der Film ist auch ein Lehrbeispiel dafür, wie die von den großen Unternehmen diktierte Globalisierung funktioniert (oder eben nicht funktioniert) und welche Auswirkungen sie auf unser aller Leben hat. Und nebenbei zeigt er auch die dubiose Stellung, die die FIFA im Sportbusiness bekleidet.

Mal abgesehen davon, dass es pervers ist, dass, wie der Film z.B. zeigt, 1 Liter wertvolles Wasser in Indien für die Herstellung von 0,33 Liter der ungesunden Blubberbrause ver(sch)wendet werden, finde ich auch den Teil über das „Tafelwasser„ Bonaqua sehr interessant – mir war bisher nicht bewusst, dass es sich dabei nicht um frisches Mineralwasser, sondern lediglich um aufbereitetes Leitungswasser handelt, das extrem überteuert und mit viel peinlichem Reklameaufwand vom Coca-Cola-Konzern verkauft wird (J.B. Kerner ist sich auch hier wieder nicht zu blöd, seine Visage für diese Werbung hinzuhalten). Mir schmeckte Bonaqua sowieso noch nie, es ist so mit das ekligste Wasser, das man in Flaschen kaufen kann.

Mit Ticketverlosungen, Fußballturnieren und neuen WM-Dosen setzt sich Coca-Cola schon frühzeitig in Szene. Sportlich und fair, so will Sponsor Coca-Cola gerne beim Konsumenten ankommen. Die Sendung überprüft kritisch, welchen Wert diese Attribute tatsächlich im Alltag des Konzerns haben. Was macht der Sponsor im Gastgeberland der WM?

So stellt sich heraus, dass Coca-Cola in Ostdeutschland mancherorts Fördergelder kassierte, ohne langfristig Arbeitsplätze zu schaffen. Die Losung “hier produziert, hier getrunken” ist ebenfalls in Gefahr, denn die Konzernzentrale in Atlanta will offenkundig massiv Produktion und Vertrieb in Deutschland verschlanken. Betriebsräte befürchten die Verlagerung von mehreren Tausend Arbeitsplätzen nach Osteuropa. In Indien wird die Fairness des globalen Konzerns stark angezweifelt. Hier pumpen die Abfüllwerke den Bauern das Wasser ab, um Softdrinks zu produzieren. In verschiedenen Regionen ist der Wasserspiegel bereits um 60 Meter abgesunken. Tagelöhner arbeiten für 1,50 Euro pro Schicht. Es gibt bereits massiven Widerstand der betroffenen Bevölkerung gegen den Coca-Cola-Konzern und dessen Expansionspolitik.

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Surf- & Lesetipp: Coordination gegen BAYER-Gefahren

coordinationgegenWer Bayer nur für den netten Pharmakonzern von nebenan, Produzent von Aspirin und Sponsor von des Fußballclubs Bayer Leverkusen gehalten hat, wird sich vermutlich wundern, wenn er erfährt, dass die Umtriebe des Pharmariesen dazu geführt haben, dass es bereits seit 30 Jahren eine Organisation gibt, das sich ausschließlich mit den Geschäftspraktiken dieser Firma beschäftigt und sie kritisch beleuchtet. Coordination gegen BAYER-Gefahren nennt sich die Initiative, die sowohl online wie auch in Form der Zeitschrift „Stichwort BAYER“ Aufklärung betreibt.

In ihrer Jubiläumsausgabe befasst sie sich z.B. mit „Bayers Krisenmanagement: Rekorddividende und Lohnkürzungen“, und somit mit der Form von Gewinnerzielung und Geschäftsgebaren, wie sie letztlich typisch für alle großen (DAX-)Konzerne ist:

Für BAYER geht trotz Krise alles seinen kapitalistischen Gang: Die AktionärInnen erhalten Rekorddividenden und die Beschäftigten im Gegenzug Arbeitszeit- und Lohnkürzungen. „Wir müssen an den Prinzipien der freien Marktwirtschaft festhalten. Alles andere wäre auf lange Sicht verheerend“, so lautet der verheerenden Lage der freien Marktwirtschaft zum Trotz das Credo von Konzern-Chef Werner Wenning.

(…) Ganz egal, ob der Turbo-Kapitalismus nur einen kurzen Boxenstopp einlegt oder aber wegen Materialermüdung einen Unfall mit erheblichem Personenschaden baut, seine ProtagonistInnen sehen trotz kritischem Rennverlauf weniger Grund zur inneren Einkehr als zu Beginn der Pannenserie. Zweifelte letztes Jahr selbst ein Norman Greenspan an der Leitmaxime der Wirtschaftsethik: „Wenn jeder nur bedingungslos seinen eigenen Vorteil sucht, wird es auch dem Gemeinwohl zum Vorteil gereichen“, so gibt es jetzt schon wieder weniger Marx und mehr FDP. Und nach Ansicht des ALLIANZ-Chefs Michael Diekmann ist das ökonomische System bereits wieder zur Tagesordnung übergegangen. „Trotz der öffentlichen Diskussionen läuft das System hinter den Kulissen schön weiter. Ich finde das auch verwerflich. Aber ich kann Verwerflichkeit nur ändern, wenn ich den Markt dafür habe“, sagte er in einem Interview mit der Süddeutschen Zeitung. Und auf die Frage: „Lässt sich das nicht ändern?“ antwortete er: „Solange wir keine Gesetze haben, die das einschränken, herrscht draußen immer noch das Gesetz des Dschungels“.

Wesentlich bedrückender sind allerdings die Dinge, die in Bezug auf Bayers Kerngeschäfte, also Pharma und Chemie, ans Tageslicht gefördert werden. Bayer ist nämlich leider auch im Gen-Bereich aktiv und vertreibt genmanipulierte Rapssorten und giftige Pflanzenschutzmittel, die negative Folgen für Mensch & Umwelt zeitigen: „Traurige Ironie: EU-Zulassung von Gen-Raps

Es ist eine traurige Ironie, dass eine gar nicht mehr angebaute Raps-Sorte nun zum Import zugelassen wird. Kanadischer Raps wurde durch Auskreuzungen gentechnisch veränderter Sorten so umfassend kontaminiert, dass selbst herkömmlich angebauter Raps die Melde-Schwelle überschreitet. Damit ist genau das geschehen, was Gentechnik-Kritiker stets vorausgesehen haben. Ein paralleler Anbau von herkömmlichen und genmanipulierten Raps-Sorten ist wegen der starken Auskreuzungen prinzipiell nicht möglich.

2007 war auch in Deutschland Gen-Raps von BAYER (trotz fehlender Zulassung) gefunden worden. Anbauflächen von über 1000 Hektar mussten umgepflügt werden. Die Coordination gegen BAYER-Gefahren forderte BAYER auf, für den Schaden aufzukommen.

Zudem ist jede Technologie, die auf dem giftigen Herbizid Glufosinat beruht, abzulehnen. Hormonaktive Substanzen wie Glufosinat müssen sofort vom Markt genommen werden.

Auf der Website des CBGnetwork kann man auch im Archiv der vergangenen Jahre blättern und stößt dabei auf eine Fülle von Fällen, die an dem in Reklamekampagnen des Weltkonzerns gerne propagierten sauberen Image zweifeln lassen, wie „Bauern oder BAYER – wem gehört das Grundwasser“ (über den Streit ums Wasserwerk in Wacken) oder „Wir sind seit 1947 Versuchskaninchen der Chemieindustrie“ (über  amerikanische Bayer-Institute). Nicht ohne Grund ist Bayer auch im Schwarzbuch Markenfirmen vertreten, wo ihnen u.a.vorgeworfen wird:

Import von Rohstoffen aus Kriegsgebieten, Finanzierung unethischer Medikamentenversuche, Behinderung eines Entwicklungslandes bei der Herstellung und Vermarktung lebenswichtiger Medikamente, Vertrieb gefährlicher Pflanzengifte, Ausbeutung und Kinderarbeit bei Rohstofflieferanten

Nach dieser ganzen Lektüre braucht man erst einmal eine Kopfschmerztablette – aber bitte nicht von Bayer! :-P Ein Spaziergang an der frischen Luft wirkt da auch schon oft Wunder.

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Lesetipp: Klaus-Werner Lobos Wirtschaftskolumne bei jetzt.de

kw-loboDen Wiener Autoren Klaus-Werner Lobo habe ich ja schon ein paar Mal in meinem Blog erwähnt – und Lobo bleibt hochaktiv. So hat er seit drei Wochen eine eigene Kolumne bei jetzt.de, dem Jugendblog der Süddeutschen Zeitung, und in seinen interessanten Texten nimmt er des Themas Globalisierung und Konzernkritik an. In Folge 1, Zum Beispiel Globalisierung geht es um die grundlegende Problematik, die mit der rein auf (finanz-)wirtschaftliche Zwecke und Ziele ausgerichteten Globalisierung einhergehen.

Das Problem dabei: Diese Art der Globalisierung bringt nur Vorteile für jene, die von den großen Einkommensunterschieden zwischen reichen und ärmeren Ländern, von der Ausbeutung von Menschen, Umwelt und billigen Rohstoffen profitieren. Das hat dazu geführt, dass heute die zwei reichsten Prozent der Weltbevölkerung mehr als die Hälfte der Weltvermögen besitzen, während sich die ärmere Hälfte der Menschheit gemeinsam ein Prozent der Reichtümer der Erde teilen muss und in absoluter Armut lebt. Es ist vor allem eine Globalisierung der Konzerne: Die 500 größten Firmen der Welt dominieren 70 Prozent des globalen Handels und fast die Hälfte des Weltsozialproduktes, obwohl sie nur 0,05 Prozent der Arbeitsplätze weltweit sichern und kaum noch Steuern zahlen, um zum Sozialsystem beizutragen.

In Folge 2, Zum Beispiel Freiheit wird über die Folgen für Freiheit und Demokratie des sog. „neoliberalen“ Weltbildes berichtet – denn die Wanderbewegungen von Menschen sind, anders als die weltweiten Warenströme, alles andere als frei –, und in Folge 3, Zum Beispiel Bayer schildert Lobo, auch als Reaktion auf einige Kommentare im Blog, anhand des konkreten Beispiels von Bayers Geschäften im Kongo, wie große Konzerne vorgehen, um an Rohstoffe und Einfluss zu gelangen und die dritte Welt („legal“) auszuplündern.

Das ist nur eines von vielen Beispielen, die ich über die Machenschaften korrupter Konzerne recherchiert habe. Ist es wirklich übertrieben, hier von Raubzügen zu sprechen? In den Geschichtsbüchern liest man von den Raubzügen, die König Leopold II im 19. Jahrhundert im Kongo veranstaltete – obwohl er niemals einen Fuß dorthin gesetzt hat. Der belgische Monarch betrachtete das afrikanische Riesenland als sein Privateigentum und profitierte von der Kautschukausbeutung. Die Folge: Millionen tote Kongolesinnen und Kongolesen. Die Chefs und die meisten AktionärInnen von Bayer waren vermutlich auch noch nie im Kongo, aber sie profitieren von der Tantalausbeutung. Auch hier: Millionen tote Kongolesinnen und Kongolesen.

Was also ist der Unterschied zwischen den finsteren Zeiten von Kolonialisierung und Sklaverei des 19. und der neoliberalen Globalisierung des 21. Jahrhunderts? Damals konnte jeder, der es wissen wollte, von den Raubzügen Leopolds und anderer skrupelloser Kolonialherren erfahren. Heute muss ich mich als Journalist an den Rand der Illegalität begeben, um überhaupt nachweisen zu können, woher ein multinationales Unternehmen seine Rohstoffe bezieht. Der globalisierte Kapitalismus ist also nur anonymer und schneller geworden.

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Bertelsmann und die Bertelsmann-Stiftung – die schleichende Untergrabung der Demokratie

krakeDie Auflistung all der Sender, Zeitschriften und sonstigen Firmen, die sich im Laufe der Jahrzehnte unter dem Dach des Gütersloher Medienmolochs Bertelsmann versammelt haben, ist ja eigentlich schon erschreckend genug – doch ich möchte in meinem heutigen Artikel verdeutlichen, wieso diese Marktmacht auf dem Mediensektor nicht nur zu einer Verzerrung der Meinungsbildung führt (das kann man, wie gesagt, allein schon aus der Vielzahl der Beteiligungen schließen), sondern Bertelsmann sich zudem mit der Bertelsmann-Stiftung aktiv um Stimmungsmache und Beeinflussung politischer und sonstiger gesellschaftlicher Kreise bemüht. Hier ist eine Art „Gegenmacht“ entstanden, eine in viele Lebensbereiche herein reichende Krake, die jeden freiheitlich-demokratisch gesinnten, auf Pluralität bedachten Menschen erschaudern lassen müsste.

Tatsächlich wird diese Entwicklung durchaus auch von immer mehr Menschen als Bedrohung empfunden – so findet dieses Wochenende die 4. Bertelsmann-kritische Tagung in Gütersloh statt „Zur Kritik der Staatsmodernisierung durch das Wirken von Bertelsmann in der neoliberalen Ära.” Auf der Website zu dieser Tagung, die an der sich auch Attac und verdi beteiligen, finden sich eine ganze Reihe interessanter Artikel und Texte, die das weltweite Tun des Konzerns genauer unter die Lupe nehmen, beispielsweise auch in Lateinamerika. Es wird auch auf das Informationsportal Bertelsmannkritik.de verwiesen, das eine sehr umfangreiche, fast schon erschlagend detaillierte Wissensdatenbank zu allen Bereichen, in denen sich dieses Unternehmen betätigt, zur Verfügung stellt – die gesammelte Infos gibt es auch als kompakte 106seitige pdf-Broschüre zum Download.

Wir wollen die Berechtigung der Bertelsmann-Stiftung und ihren Status der Gemeinnützigkeit in Frage stellen. Mit diesen Informationen wollen wir dazu beitragen, das eigene Unbehagen auf der Arbeit, in der Schule oder im Krankenhaus ernst zu nehmen. Sich die Widersprüche des Alltags klar zu machen ist notwendig, um aktiv werden und organisiert eingreifen zu können.

„Die Bertelsmann-Stiftung ist eine der mächtigsten Denkfabriken im Lande und als solche Leitakteur für ähnlich operierende Berater und Stiftungen. Sie greift aktiv in die Politik auf allen Ebenen von Regierungspolitik bis zur Kommune und zu Netzwerken von Einzeleinrichtungen ein. Dabei versucht sie, wesentliche Bereiche der Gesellschaft betriebswirtschaftlichen Modellen und Motivationstechniken zu unterwerfen. Die soziale Umverteilung von unten nach oben wie Hartz IV, die Gesundheitsreform, die Einführung von Studiengebühren und Studienkonten, Abwälzung gesellschaftlicher Kosten auf die Einzelnen, Unterstützung von undemokratischen kostenträchtigen Privatisierungsvorgängen sind von der Bertelsmann-Stiftung mitentwickelt worden. Ebenso greift das Bertelsmann-Institut Centrum für angewandte Politikforschung (CAP) mit Vorschlägen zur verstärkten Militarisierung und geostrategischen Ausrichtung der deutschen und europäischen Außenpolitik in die internationale Politik ein.“

518690_magazines_2Wenn man sich ein wenig im Internet umschaut, findet man vor allem abseits der Mainstreammedien (die, wie oben schon erwähnt, zu einem nicht geringen Teil ja direkt oder indirekt von Bertelsmann beeinflusst werden) jede Menge Bedenken und kritischer Kommentare zum Wirken Bertelsmanns und seiner Stiftung in unserer Gesellschaft. Ein paar möchte ich beispielhaft herausgreifen.

Hans-Dieter Hey führt in seinem Artikel „CDU will zurück ins 18. Jahrhundert“ in der Neuen Rheinischen Zeitung einige wichtige Eckpunkte des Bertelsmannschen Treibens auf:

Am 17. Oktober 2007 kam aus Gütersloh frohe Botschaft für Arbeitgeber. Die dort ansässige „Bertelsmann-Stiftung“ teilte stolz mit, dass ein von ihr selbst in Auftrag gegebener Entwurf für ein neues Arbeitsgesetzbuch von der Politik dankbar aufgegriffen wurde. „Was im Sozialrecht möglich ist, sollte im Arbeitsrecht auch möglich sein“, wurde verkündet. Die Bertelsmann-Stiftung hatte zuvor schon maßgeblich an der „Reform der Arbeitslosenhilfe und Sozialhilfe“ mitgewirkt – bekannt als Hartz IV.

(…) Bertelsmann ist nicht der nette Bücheronkel von nebenan. Die Bertelsmann-Stiftung ist ein knallharter neoliberaler Think Tank mit hohem Einfluss in der Politik. Seine Bedeutung wird offenbar immer noch unterschätzt. Der Diplom-Soziologe Steffen Roski, Mitglied im Bund demokratischer Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler(BdWi) und  bei Attac: “Die ‘Nebenregierung in Gütersloh’ wirtschaftet de facto mit öffentlichem Geld, weil der Bertelsmann-Eigentümer Mohn durch die Übertragung von drei Vierteln des Aktienkapitals auf die Stiftung gut zwei Milliarden Euro Erbschafts- oder Schenkungssteuer gespart habe und die jährliche Dividenden-Zahlung an die Stiftung steuerfrei sei. Insofern gebe sie mit ihrem Jahresetat von rund 60 Millionen Euro nicht mal annähernd soviel aus, wie sie den Fiskus koste. Der Soziologe und internationale Stiftungsforscher Frank Adloff nennt es einen unhaltbaren Zustand, dass sich die Stiftung vor keinem Parlament oder Rechnungshof für den Einsatz dieser Gelder rechtfertigen müsse.“

sender-1117294_parabolicAuf Indymedia wird die Mitverantwortung der Bertelsmann-Stiftung mit der seit einigen Jahren ablaufenden Entwicklung an deutschen Hochschulen (Studiengebühren, mehr auf direkte Verwertbarkeit der Studieninhalte für die Wirtschaft ausgelegte Studiengänge etc.) ausführlich dargelegt: „Bertelsmann und Studiengebühren: Es reicht!“:

Das von der Bertelsmann Stiftung und der HRK gegründete CHE (Centrum für Hochschulentwicklung) fordert erneut allgemeine Studiengebühren. Und sie sind nicht nur im Bildungsbereich aktiv. Es reicht! Warum Kaufen wir eigentlich noch Artikel der Bertelsmann Gruppe?

In eine Pressemitteilung von 31.10.2003 fordert das CHE erneut allgemeine Studiengebühren. Überraschen kann das eigentlich niemand: In Deutschland kommt dem Mitte der 90-er Jahre von der Hochschulrektorenkonferenz und der Bertelsmann Stiftung gegründeten Centrum für Hochschulentwicklung, das CHE, bei der neo-liberalen Umstrukturierung eine Schlüsselrolle zu. Das CHE, mit Sitz in Gütersloh, der Ort, wo sowohl die Bertelsmann Stiftung als auch der Mutterkonzern Bertelsmann ihren Hauptsitz haben, ist mittlerweile als relativ unabhängige (sie sind nur das Kapital vom Mutterkonzern Bertelsmann verpflichtet) und damit auch parlamentarische unkontrollierte Kraft, überall gut vertreten. Schon während der 23. Wahlperiode des deutschen Bundestages (1994-1998) hatte der Leiter vom CHE, Professor Detlef Müller-Böling, enge Beziehungen zum damaligen Wissenschaftsminister Jürgen Rüttgers (CDU). Rüttgers berief Müller-Böling an den runden Tisch, an dem das neue Hochschulrahmengesetz entwickelt wurde. Auch gab es Kontakte zu dem ehemaligen Bundespräsident Roman Herzog (auch CDU), unter dessen Schirmherrschaft der Initiativkreis Bildung tätig wurde. Dieser Impulsgeber des CHE sollte Vorschläge zur Erneuerung des Bildungswesens entwickeln. Auch auf Länderebene ist das CHE aktiv, so leiten sie in Niedersachsen den Wissenschaftlichen Beirat. Mit viel Geduld arbeitet das CHE an die Gewichtsverlagerung von staatlich-normativ-rechtlichen Steuerungsmedien zugunsten pekuniärer, entparlamentarisierter und kontraktualer Steuerungsmedien hin.

Wolfgang Lieb von den NachDenkSeiten referierte letzten Oktober an der Fernuniversität Hagen „Drahtzieher hinter den Kulissen – der Einfluss des Bertelsmann-Konzerns auf die Hochschulen” und geht dort mit der euphemistisch „Hochschulreform“ genannten Umbildung der Studiengänge hart ins Gericht. Wie schon beschrieben, hat die Bertelsmann-Stiftung bei dieser Entwicklung seine Hand sehr wesentlich mit im Spiel.

An die Stelle der Reflexion des Stoffes und der selbständigen systematischen Erarbeitung und Anwendung wissenschaftlicher Methoden auf neue Fragestellungen ist der „workload“ getreten, also der Arbeitsaufwand für das Lernen gemessen in Zeiteinheiten zum Erwerb von „Kreditpunkten“. Die „hohen Schulen“ wurden zu Ausbildungs-Fabriken.

Die Masse der Studierenden wird künftig durch ein Kurzstudium geschleust, der Übergang zu einem „wissenschaftlichen“ Master-Abschluss steht nur noch einem kleinen Teil der Studierenden offen. Der Bologna-Prozess wird als Selektionsinstrument eingesetzt und entpuppte sich als Sparprogramm zu Lasten der Studierenden.

(…) An die Stelle einer der Gesellschaft und der Allgemeinheit verpflichteten demokratisch verantworteten Forschung und Lehre ist die „unternehmerische“ Hochschule getreten, die durch die Gesetze des Wettbewerbs auf dem Wissenschafts- und Ausbildungsmarkt gesteuert werden soll. Steuerzahler und Parlamente werden zu Zahlmeistern degradiert, die die Hochschulen zwar noch weit überwiegend „bezuschussen“ dürfen, aber alle wesentlichen Entscheidungen treffen Hochschulräte, die als eine Art Aufsichtsrat die „Fachaufsicht“ über die Hochschulen führen.

„Manager erobern die Kontrolle an den Unis“ schreibt unverblümt das Handelsblatt vom 12. Oktober 2007, denn die externen Mitglieder der Hochschulräte kommen weit überrepräsentiert aus Unternehmen und Unternehmensverbänden.

Auf Duckhome berichtet Jochen Hoff in „Die Krake MohnBertelsmann fasst fester zu“ über die weitere Ausbreitung des Konzerns über seine 100%-Beteiligung an Arvato u.a. auch auf webmiles, das Payback-System (geplant) und den Adressenvertrieb AZ Direct, mit den entsprechenden Implikationen für die Informationsfülle, die sich fortan in Gütersloh ansammelt.

Eine Vielzahl von kritischen Quellen und Berichte (u.a. von Heise/Telepolis), anhand derer man sich noch weiter zur Bertelsmann-Problematik informieren kann, hat auch Grilleaus Blog zusammengetragen – wem das hier also alles noch nicht reichen sollte, kann sich von weiteren Artikeln erschüttern lassen.

Ansonsten kann ich jedem nur empfehlen, sich möglichst den Produkten aus dem Hause Bertelsmann zu enthalten (siehe die Liste zu Beginn) und insbesondere dem, was in dessen Medien in die Landschaft geblasen wird, nicht unbedingt zu trauen (RTL sendet beispielsweise eh nur Murks ohne Inhalt – das ist BILD mit Ton…).

Nachtrag vom 27.1.2009: Wolfgang Lieb von den NachDenkSeiten hat auf der Bertelsmann-kritischen Tagung wiederum einen, wie ich finde, sehr spannenden Vortrag gehalten – „Das Centrum für Hochschulentwicklung und die Hocchschulreformen“:

Mohn und mit ihm die Bertelsmann Stiftung vertreten eine Art deutschen Sonderweg in die wirtschaftsliberal globalisierte Welt, der auf eine korporatistische Unternehmenskultur setzt,

  • der den Sozialstaat als überdehnt oder gar überholt betrachtet
  • und der eine über den Wettbewerb hergestellte Effizienz als Steuerungsinstrument an die Stelle von Mitbestimmung und demokratischer Gestaltung setzen will

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Mediamarkt & Saturn, die zweieiigen Zwillinge

Reklame löst bei mir seit geraumer Zeit eher die gegenteilige Reaktion von dem aus, was das werbende Unternehmen beabsichtigt: das Ansehen dieser Firma sinkt in meinen Augen spürbar ab (nach dem ironischen Motto: „Wenn die es nötig haben, so massiv für ihren Kram zu werben, wird er wohl nicht so gut sein”) und ich kaufe fortan, wenn möglich, keine Produkte mehr von diesem Laden. Je aufdringlicher, lauter und unausweichlicher die Reklame, desto größer die Chance, dass das Unternehmen für mich gestorben ist – insbesondere bei Fernsehwerbung, denn dort werben ja auf Grund der damit verbundenen hohen Kosten eh immer nur die gleichen großen Konzerne.

So gesehen ist es nur logisch, dass ich auch keinen Fuß in einen MediaMarkt oder Saturn (gibt’s hier in Kiel eh nicht) setze, denn deren Werbekampagnen sind, so erfolgreich sie leider sind, sicherlich mit die nervigsten überhaupt. Wobei es ohnehin absurd ist, dass sich diese beiden Geschäfte solche „Werbeschlachten” liefern, gehören sie doch beide zum selben Konzern (der MediaMarkt Saturn Holding). Hier wird einem also wieder einmal Wettbewerb vorgegaukelt, den es de facto gar nicht gibt.

Der MediaMarkt hat mich aber schon vor einigen Jahren für immer als Kunden verloren, als Berichte über ihren damaligen Geschäfts„stil” durchsickerten – ihr „Staranwalt” S., auch noch bekannt als unsympathischer Moderator aus R.SH-Zeiten, mahnte kleine Geschäfte in großem Stile ab, oft auf Grund kleinlichster Vorwürfe. Während des dann folgenden Rechtsstreits gaben viele der kleinen Läden auf, da sie gegen den großen Konzern natürlich keine Chance hatten. „Marktbereinigung” nennen die Wirtschaftler das wohl in ihrer kalt-berechnenden Weise. Aktiv forciert durch die Großen, in diesem Falle.

Noch mehr zu diesem Thema findet ihr im Alarmschrei-Blogbeitrag „Neulich im Kapitalismus”, in dem noch diverse andere unangenehme Facetten der Vorgehensweisen der Elektronikriesen beleuchtet werden. Kritik oder Satire sieht man dort beispielsweise auch gar nicht gerne – so „lustig” man sich auch seinen Reklamespots gibt, so humorlos und dünnhäutig reagiert man doch auf alles, was einen Schatten auf das so leuchtende Billigimage von MM oder Saturn werfen könnte. Die Satireseite media-bloed.de bekam zum Beispiel eine Abmahnung, was von einigen Blogs auch süffisant kommentiert wurde.

Übrigens: wie bei großangelegter Reklame nicht anders zu erwarten, ist die Aura der besonders günstigen Preise, die diese Firmen umgibt, auch Tinnef, denn die meisten Sachen findet man im Internet oder sogar in lokalen Läden mindestens ebenso preiswert.

»Nach Angaben von Stiftung Warentest sind Saturn und Media Markt keinesfalls billiger als andere Geschäfte«.

Klar, diese aufwändigen, plärrigen, bunten Reklamefeldzüge der beiden müssen ja auch irgendwie bezahlt werden, und warum nicht gleich vom Kunden selbst, obwohl der doch angeblich „nicht blöd” ist…

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Buchbesprechung: Klaus Werner / Hans Weiss „Das neue Schwarzbuch Markenfirmen”

Klaus Werner / Hans Weiss
Das neue Schwarzbuch Markenfirmen. Die Machenschaften der Weltkonzerne.

Es ist nicht gerade leicht verdauliche Kost, die uns die beiden österreichischen Autoren Klaus Werner und Hans Weiss in ihrem neuen Schwarzbuch Markenfirmen auf annähernd 400 Seiten präsentieren. Wer immer geglaubt haben mag, dass wir in einer freien Marktwirtschaft mit fairem Wettbewerb leben, wird hier schnell eines Besseren belehrt. So berichten die Autoren von der Bedeutung, die Korruption und Bestechung in unserem Wirtschaftssystem weltweit inzwischen erlangt haben und mit deren Hilfe auch umweltschädliche und für die betroffenen Regionen oft nachteilige Projekte realisiert werden. Die Gewinner sind andere – es sind die großen Weltkonzerne, die mit Hilfe der Politik und ihren Instrumenten wie WTO oder IWF, Zugang zu den Märkten in der ganzen Welt erlangen und ihren Einfluss dort zu Lasten der jeweiligen Staaten ausbauen.

Detailliert schildern Werner & Weiss die Menschenrechtsverletzungen, die diese Firmen billigend in Kauf nehmen, um ihre Geschäfte abzuwickeln. Und dies trifft die meisten der großen Firmen, quer durch die Branchen. Seien es die skandalösen Umstände, mit denen Shell und andere Ölkonzerne sich in den Rohstoffländern aufführen und die Ölförderungen betreiben. Seien es die bereits seit längerem bekannten skandalösen Zustände in den “Sweatshops” Asiens und Lateinamerikas, die für wenige Cent in der Stunde prestigeträchtige Kleidung für Nike & Co. herstellen. Ein eigenes Kapitel “verdienen” sich auch vermeintlich so honorige deutsche Unternehmen wie Bayer (wegen ihrer Verwicklung in den blutigen Bürgerkrieg im Kongo, der um die dortigen Bodenschätze geführt wird) oder Siemens (auf Grund ihrer Beteiligungen an ökologisch und ökonomisch höchst fragwürdigen Großprojekten wie Staudämmen in Indien oder China). Kaum eine Branche bleibt verschont – seien es die Lebensmittelindustrie, Spielzeughersteller oder Pharmafirmen, die mit dem Elend der Dritten Welt ihre Geschäfte machen und die Vor-Ort-Produktion kostengünstiger Generika für Aids-Kranke in Afrika per Gerichtsbeschluss verhindern lassen.

Dank der sich immer weiter beschleunigenden, neoliberal gestalteten Globalisierung ist die Macht einzelner Konzerne inzwischen so groß geworden, dass deren Umsätze das BIP ganzer Länder übersteigen – so liegen Multis wie Wal-Mart, ExxonMobil oder BP inzwischen auf einer Höhe mit Staaten wie Österreich, Indonesien oder Norwegen – mit den entsprechenden Folgen in Form der zunehmenden Einflussnahme durch diese Unternehmen und der Untergrabung unserer Demokratien.

Der vielleicht bedrückendste Teil des Buches befindet sich am Ende – auf ca. 100 Seiten werden die jeweils größten Vergehen von ungefähr 50 weltbekannten Marken und Konzernen aufgelistet, zusammen mit Ratschlägen, was man als einzelner gegen diese Umtriebe tun kann. Zu den hier behandelten Unternehmen gehören z.B. Aldi, Deutsche Bank, Dole, Exxon/Esso, Ford, H&M, Kraft (Philip Morris), Mattel, McDonald’s, Nestlé, Pfizer, Reebok und Unilever – also allesamt Firmen, die durch eine enorme Medien- und Werbepräsenz in aller Munde sind und (offenbar nicht ohne Grund) so viele Milliarden in Imagekampagnen stecken.

Kritisch, aber stets gut informiert, öffnen uns die beiden Autoren so die Augen für die Folgen der Globalisierung und darüber, wozu die ständig steigende Marktmacht einzelner Konzerne weltweit führt. Abgerundet wird das Buch mit vielen Literaturtipps und Links zu weiterführenden Informationen und Diskussionen im Internet. Beim nächsten Einkauf im Supermarkt oder Shopping-Center wird der Leser vielleicht einen anderen Blickwinkel auf die dort so bunt & billig lockenden Waren haben.

Siehe auch: http://www.markenfirmen.com (die eigene Website für dieses Buchprojekt)

(Mittlerweile ist übrigens auch das neue Buch von Klaus Werner-Lobo erschienen: Uns die Welt)

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Willkommen im Konsumpf!

Nicht erst seit der aktuell besonders heftig brodelnden Finanzkrise gerät unser derzeitiges Geld- und Wirtschaftssystem und die dahinter stehende Konsum”kultur” aus den verschiedensten Richtungen immer öfter ins Kreuzfeuer der Kritik. Schlagworte wie politischer bzw. nachhaltiger Konsum (LOHAS), Globalisierungs- und Konzernkritik oder auch Kapitalismusschelte machen dabei auch in den Medien vermehrt die Runde.

Dies ist, wie ich finde, eine erfreuliche Entwicklung, zeigt es doch, dass die Menschen nicht mehr alles widerspruchslos hinnehmen und manche auch beginnen, ihre Macht als Konsument zu entdecken und ihre eigenen Konsumgewohnheiten zu hinterfragen. Denn eins ist klar: in der Art, wie vieles bei uns und in der Welt im Moment (schief)läuft, sei es in Wirtschaft, Ökologie, Politik oder Gesellschaft, kann und darf es nicht einfach weitergehen! Probleme wie die immer weiter zunehmende Konzentration von Marktmacht in den Händen weniger Konzerne beispielsweise bedrohen nämlich nicht nur Vielfalt und Auswahl, sondern letztlich sogar unsere Demokratie.

In meinem Konsumpf-Blogprojekt möchte ich Neuigkeiten und Erkenntnisse, die mir bei der intensiven Auseinandersetzung mit den verschiedenen Thematiken begegnen, weitergeben, möchte das Thema Culture Jamming/Adbusting, also den Einsatz gegen Reklame und Überkommerzialisierung, verstärken – und vielleicht auch für ein wenig Struktur und Klarheit im oft doch auch verwirrenden Dschungel der Informationen & Stimmen geben.

Ich werde in den nächsten Tagen vornehmlich erst einmal die konsumkritischen Beiträge, die ich bisher in meinem Musikblog Coast Is Clear “eingeschmuggelt” hatte, in den neuen Blog übernehmen. Denn leider sind diese unverändert aktuell.

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