Kategorie: Grundlegendes Seite 50 von 59

Weise Worte (5)

„Wir können uns eine Zukunft, die aussieht wie die Vergangenheit, nicht leisten.“
US-Pulitzer-Preisträger Thomas L. Friedman zur aktuellen „Finanzkrise“

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society conspiracy – das Spiel

2904Schon im Sommer 2004, also vor mittlerweile annähernd 5 Jahren, hob Norbert Rost in seinem Feldpolitik-Blog das „Spiel“ society conspiracy aus der Taufe. Bei diesem „Spiel“ dreht sich alles darum, das alltägliche Streben nach einer besseren Welt, danach, andere Menschen davon zu animieren, etwas weniger ignorant durchs Leben zu gehen oder lästigen Konzernen oder Reklamekampagnen Einhalt zu gebieten, neu zu definieren, nämlich als Teil eines (lebenslangen) Spiels mit selbst verfassten Regeln und Zielen. Das Ganze ist etwas schwer zu beschreiben ist, deshalb empfehle ich einfach mal, sich den Originalartikel in Gänze durchzulesen, da ich ihn wirklich sehr anregend finde. Übrigens, auch dieser Beitrag von mir ist von nun an ein Teil des Spiels… :-)

Das Konzept. society conspiracy ist ein Erlebnis-Spiel. Es findet in derselben Gesellschaft statt, in der du dich sowieso aufhältst. Das Spiel erweitert dein Tun aber um eine Ebene – du ziehst nicht nur dein Leben durch, nein du spielst nebenbei auch society conspiracy. Als Mitspieler verbreitest du rote Pillen, redest zweideutige Dinge, konfrontierst, provozierst, protestierst. Natürlich heimlich und geheimnisvoll, lieber leise als laut. Und immer mit einem Lächeln auf den Lippen. Humor ist eine Waffe. Verwirrung dein Ziel. Das Denken des Gegenübers zu provozieren, ihn mit roten Pillen aus der vorgegeben Bahn zu bringen kann erhellend sein. Und befreiend.

(…) Alleine spielt sichs immer einsam. Versuche herauszufinden, auf welchem Wege du Mitspieler findest, die nicht vom Spielmechanismus gesteuert werden oder wie es möglich ist, mechanische Spielfiguren zu coolen Mitspielern mutieren zu lassen. Zusammen werdet ihr wissen, wie es weitergeht.

Norberts Spiel ist übrigens eine gelungene Verdeutlichung, worum es beim so genannten „Meme Warfare“ geht, einer der Grundlagen, auf denen Culture Jamming und generelle Subversion beruhen. Dieses wichtige und erhellende Konzept werde ich demnächst in einem gesonderten Beitrag noch etwas ausführlicher erläutern.

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Werbung gegen Realität, Teil 11: Katzen würden (kein) Whiskas kaufen

dosenfutter_2Wer kennt sie nicht, die markigen Sprüche „Katzen würden Whiskas kaufen“, „Ein ganzer Kerl Dank Chappi“ oder die süßlich-schleimige TV-Reklame, in der eine Tierhalterin ihrer Katze eine Dose Fertigfutter öffnet, mit einem Petersilieblättchen verfeinert und das Tier daraufhin in schnurrende Ekstase verfällt (ich verlinke hier generell nicht auf Original-Reklame, um die Spots nicht unnötig noch bekannter zu machen als sie eh schon sind)? Die Botschaft ist klar: dieses Zeug ist so lecker, das hätten die Werbeleute am Set am liebsten selbst gegessen! Natürlich ist es auch extrem gesund, denn Katzen wissen schließlich am besten, was gut für sie ist. Und gerade, weil so große Konzerne dahinter stehen, wird die Qualität ja wohl unbestritten sein, denn das Futter wird doch „von führenden Züchtern empfohlen”! (Es sind übrigens nur sehr wenige Firmen, die sich diesen Markt teilen, auch wenn sie ihren Produkten verschiedene Namen geben, um eine größere Vielfalt zu suggerieren. Marktführer Effem produziert u.a. Whiskas, Sheba, Brekkies und Chappi; Mars z.B. Kitekat, Cesar, Pedigree und Frolic; dazu gibt es dann natürlich noch eine Reihe von Billigprodukten anderer Hersteller und Supermarktketten.)

Auf der Seite Cat Care der Tierhilfe Kassel wird Klartext geredet über das von den Marketingfuzzis in so hohen Tönen angepriesene, angeblich so unheimlich leckere und gesunde Dosenfutter – „Katzen würden Mäuse kaufen. Was ist drin im Katzenfutter?“. Tatsächlich sollte sich auch in diesem Falle niemand der Illusion hingeben, dass vollmundige bunte Werbeversprechungen irgend etwas mit der Realität zu tun hätten, denn in Wirklichkeit kauft der Tierfreund im Supermarkt oft nur schamlos überteuerte und mit Zusatzstoffen „hochgepimpte“ Abfälle! Selten ist das Missverhältnis von schillernder Reklamewelt zum eigentlichen Produkt so krass wie hier.

Wenn man sich aber mal eine Dose Katzenfutter einer x-beliebigen Firma ansieht, ist man sehr erstaunt, darin so ziemlich alles zu finden – nur fast kein Fleisch!

Was ist eigentlich in der Dose?

Los geht es meist mit „Fleisch und tierischen Nebenerzeugnissen”. Das ist nichts anderes als: billige Schlachtabfälle, zerkleinertes Fell, Knochen, Federn, Schnäbel, Wolle, Urin und etliches mehr. Auch wenn die Katze in der Natur die ganze Maus frisst, ist das Verhältnis der einzelnen tierischen Bestandteile in der Dose nicht ausgeglichen und die Qualität des verwendeten Fleisches nicht sehr hoch, weil das für den Hersteller viel zu teuer wäre. Generell kann man sagen, dass der Fleischanteil daran immer sehr gering ist, und die “4% Huhn, Kaninchen etc.” bedeuten nichts anderes, als dass von diesen Abfällen 4% von entsprechendem Tier stammen. Diese Abfälle sind für den menschlichen Verzehr nicht zugelassen, und fallen deshalb auch nicht unter die Bestimmungen der Lebensmittelindustrie. Nicht alle verwendeten Kadaver sind frisch, und außerdem werden natürlich auch kranke Tiere verarbeitet, so dass sich u.a. auch karzinogenes Gewebe in den Dosen befindet. Nicht sehr appetitlich und auch nicht sehr gesund!
Normalerweise würde eine Katze dieses Zeug nicht anrühren, aber die zugesetzten Fette (Abfallfette, z.B. altes Bratfett), die Geschmacks- und Konservierungsstoffe und der zugesetzte Zucker lassen die Katze ihren Ekel vergessen.

(…) Zum Schluss findet man noch eine besondere Überraschung in der Dose: Zucker! Dieser schädigt nachweislich den Organismus der Katze und verursacht Zahn- und manchmal auch Bauspeicheldrüsenprobleme.

Verdummung im Supermarkt
katzeLeider werden die Tierbesitzer nicht über die Zusammensetzung aufgeklärt, sondern mit netten Bildchen von süßen und zufriedenen Katzen ruhig gestellt, die von der Dose und vom Fernseher prangen. Ob man nun die Firma x, die Firma y oder die Firma mit den lila Aufklebern kauft, ob die Dose schlicht ist oder das Futter in kleinen, teuren 100-g-Schälchen oder Tütchen daherkommt, ob es sich als Ragout, Geschnetzeltes oder Häppchen in Gélé tarnt; der Großteil der Futtermarken kommt aus derselben Fabrik ein und desselben Herstellers – und der hat als Ziel die Optimierung seiner Bilanz und nicht die Gesundheit unserer Katzen.

Fast alle genannten Inhaltsstoffe, einschließlich Zucker, sind billige Rohstoffe, die die Dose füllen, ohne der Katze auch nur ansatzweise von Nutzen zu sein. Hinzu kommen noch Konservierungsstoffe, die meist unter dem Deckmantel „EWG-Zusatzstoffe” laufen und Krebs auslösen können. Hier wird deutlich, dass der Tierbesitzer bewusst im Unklaren gelassen wird.

Guten Appetit, kann man den armen Tieren da nur noch zurufen, und fordern, dass die Hersteller und Reklameleute zur Strafe den Dreck mal selbst fressen müssten… In eine ähnliche Kerbe schlägt auch der Beitrag „Macht Tiernahrung unsere Vierbeiner krank?“:

»Meiner Auffassung gehören viele Verantwortliche der Futtermittelindustrie ins Gefängnis, 5 Jahre mindestens und ohne Bewährung.« (Prof. O. Wassermann, Toxikologie Kiel, 1998)

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Vom Wissen zum Handeln / Sozial-ökologische Forschung

Aha, wird in den Ministerien also auch mal was halbwegs Sinnvolles gefördert und nach vorne gebracht – gerade eben entdecke ich doch diesen Unterbereich auf der Website des Bundesministeriums für Bildung und Forschung: „Sozial-ökologische Forschung“, mit der dort nachzulesenden Absicht:

Ziel des Förderschwerpunktes ist die Entwicklung von Strategien zur Lösung konkreter gesellschaftlicher Nachhaltigkeitsprobleme: z.B. zur Umsetzung der „Agrarwende“, der Verbesserung der Ernährung der Bevölkerung, der Liberalisierung netzgebundener Ver- und Entsorgungssysteme (z.B. Wasser, Energie) und Emissionshandel. Eine derartige Forschung  erfordert ein Zusammenwirken der Wissenschaftler/-innen der Natur- und Gesellschaftswissenschaften. Dabei werden gesellschaftliche Akteure – z.B. Verbraucher/-innen, Kommunen, Unternehmen und Nichtregierungs-Organisationen – in den Forschungsprozess einbezogen. Damit soll der ökologische Umbau der Gesellschaft unterstützt werden, ohne dabei die soziale Gerechtigkeit und die wirtschaftlichen Belange aus den Augen zu verlieren.

Inwieweit in diesen Forschungen tatsächlich nachhaltige Konzepte – und nicht nur von den neoliberalen Thinktanks wie der INSM eingeflüsterte Strategien – erarbeitet und untersucht werden, ist natürlich die Frage. Immerhin können wir uns dort die Info-BroschüreVom Wissen zum Handeln – Neue Wege zum nachhaltigen Konsum“ als 8seitige pdf-Datei herunterladen, die sich mit der Frage auseinandersetzt:

„Bio-Lebensmittel verkaufen sich schon ganz gut, auch das ein oder andere Produkt aus Fairem Handel. Warum wechseln aber nur wenige zu einem Ökostrom-Anbieter? Warum sind umweltfreundliche Autos noch kein Verkaufs-Hit? Warum setzen sich energiesparende und energieeffiziente Geräte nur so langsam durch?“ (Agenda 21)

Bzw. im offiziellen, nicht mehr so plastischen Behörden-Wortlaut:

bmb-soef-nh-konsumZum Thema fördert das Bundesministerium für Bildung und Forschung seit 2008 zehn (Verbund)projekte.

Mit der neuen Förderbekanntmachung des BMBF zum Themenschwerpunkt Nachhaltiger Konsum wird ein gesellschaftliches Handlungsfeld aufgegriffen, das in den letzten Jahren an politischer Aktualität kontinuierlich zugenommen hat. Trotz umfangreichen Wissens hinsichtlich der Notwendigkeit nachhaltiger Konsummuster und einer breiten Maßnahmenpalette im Bereich der Verbraucheraufklärung ist es bisher aber kaum gelungen, einen generellen Trend in Richtung nachhaltigem Konsum zu bewirken.

Die sozial-ökologische Forschung hat sich die Aufgabe gestellt, Blockaden, die einer Umsetzung vom Wissen zum Handeln entgegenstehen, zu identifizieren und zu analysieren. Als Ausgangspunkte werden die Verbraucherperspektive und das individuelle Handeln gewählt. Es soll Orientierungs- und Handlungswissen generiert werden, das für unterschiedliche Akteursgruppen nutzbar ist und zur Stärkung der Verbraucherkompetenz beiträgt. Die Vorhaben sollen die im jeweiligen Bedürfnisfeld erwarteten Nachhaltigkeitsgewinne konkretisieren und insbesondere im Hinblick auf Fortschritte der Energieeffizienz abschätzen. Eine besondere Herausforderung besteht darin, eine Brücke zwischen individuellem Handeln und ökologischen sowie gesellschaftlichen Rahmenbedingungen zu schlagen.

Interessant erscheint mir in dem Zusammenhang auch der Bereich „Wie Internet-Handel der Umwelt nutzt. Vom Consumer zum Prosumer – Entwicklung neuer Handelsformen und Auktionskulturen zur Unterstützung eines nachhaltigen Konsums“ – mit dieser Thematik beschäftigt sich das IZT (Institut für Zukunftsstudien und Technologiebewertung) ausführlich auf seinen Seiten.

Auktions- und Handelsportale im Internet haben das Konsumverhalten in den letzten Jahren tief greifend verändert. Sie haben unter anderem bewirkt, dass Konsument(inn)en erworbene Produkte nach einer gewissen Nutzungszeit weiterverkaufen. Damit nehmen sie auch eine Rolle als Produzierende ein und werden so vom reinen »Consumer« zum »Prosumer«. Hier eröffnen sich Chancen zu einem nachhaltigeren Konsum, weil durch die Vermarktung gebrauchter Güter die Lebens- und Nutzungszeit von Produkten verlängert und Umweltbelastungen durch häufigen Neuerwerb vermieden werden. Durch Verpackung, Transport und elektronischen Handel entstehen allerdings ebenfalls Umweltbelastungen. Das Projekt hat sich zum Ziel gesetzt, den Internet-Handel umfassend zu untersuchen – etwa das Kauf- und Verkaufsverhalten, die Motivationen der Nutzer(innen) sowie die mit dem Online-Handel verbundenen Umweltauswirkungen – und aus dieser Analyse gemeinsam mit einem internationalen Internet-Auktions-Unternehmen Innovationsstrategien zu erarbeiten, die zu einer Umweltentlastung beitragen können.

Das IZT veranstaltet übrigens am 24.2. zusammen mit dem rbb im Museum für Kommunikation Berlin unter dem Motto Zukunftsgespräche 2009 eine Podiumsdiskussion, in er es um „‚Grüner Surfen‘ – Wie passen Klimaschutz und Informationsgesellschaft zusammen?“ geht (dieses Thema wurde ja z.B. auch hier und hier schon mal (kritisch) angesprochen).

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Surftipp & Aktionstipp: Autowechsel jetzt

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Sollte die Abwrackprämie der Bundesregierung (von selbiger ja forsch als „Umweltprämie“ tituliert – für wie blöd werden die Bürger eigentlich gehalten? (das war eine rhetorische Frage ;-) ) tatsächlich einen wirklichen Vorteil bringen – neben der kurzzeitigen Ankurbelung der Autoindustrie, was ich jetzt mal nicht als unbedingt positiv bewerte –, so liegt er wohl in der Hoffnung begründet, dass die Leute von großen, umweltzerstörenden auf kleinere, ein paar Prozent weniger umweltzerstörende PKW umsteigen.

Um die anscheinend unbelehrbaren Fahrer der Minipanzer (SUVs, Geländewagen) ein wenig zum Umdenken zu bewegen, haben BUNDjugend und Grüne Jugend ein gemeinsames Projekt aus der Taufe gehoben und mit einer schön gestalteten und informativen Website versehen: Autowechsel jetzt. Dort erfahren wir ein wenig mehr über die Hinter- und Beweggründe und die grundsätzlichen Nachteile dieser perversen Egomanie-Boliden, die das Straßenbild verschandeln und die Straßen für alle anderen Verkehrsteilnehmer unsicherer machen. Wer mithelfen will, kann sich dort (natürlich wieder ablösbare) Aufkleber „Think big, drive small“ bestellen, die man auf die Windschutzscheiben der entsprechenden Karren pappen kann, und einen sog. „Strafzettel“ als zip-Datei herunterladen, zum Ausdrucken und hinter die Scheibenwischer klemmen. Viel Spaß beim Subversieren!

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Digitaler Aktivismus: aus dem Netz auf die Straße

Die vorletzte Folge des ZDF-Videopodcasts Elektrischer Reporter hatte es mal wieder in sich – es ging um das hochaktuelle und immer wichtiger werdende Thema „politischer Protest im Internet“, und passt somit erneut perfekt in meinen Blog:

Das Netz bietet für den politisch aktiven Menschen eine Fülle von Kommunikations- und Aktionsmöglichkeiten. Dabei braucht es weder eine Führungsspitze noch Mitgliederlisten, wie das Beispiel der Gruppe “Anonymous” und ihr Kampf gegen die Scientology-Sekte zeigt. Protest im Web entsteht spontan, ist scheinbar chaotisch – und kann dennoch wirkungsvoll sein.

Fest steht: Die digitalen Medien verändern das politische Leben. Politik wird entkoppelt von den Institutionen und kehrt zurück in den Alltag der Bürger. Und wenn dort ausreichend Wut über die herrschenden Umstände vorhanden ist, müssen die Mächtigen mit Attacken aus völlig unerwarteten Richtungen rechnen.

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Lidl/Aldi/Discounter – Profite auf Kosten der Allgemeinheit, oder: Die Spirale abwärts. Teil 2/2

(Dies ist Teil 2 meines Discount-Diskurses – Teil 1 findet Ihr hier.)

Nach alledem ist es nur logisch, dass dieses gnadenlose Drehen an der Kostenschraube bis in den Schmerzbereich hinein nicht an den Unternehmensgrenzen der Discountketten Halt macht, sondern sich nahtlos auf die inländischen Zulieferbetriebe und deren Produzenten etc. ausdehnt. Da Aldi/Lidl usw. gewaltige Warenmengen abnehmen, aber um jeden Cent knausern, werden auch die Zulieferer unter den Druck gesetzt, zu sparen, Kosten zu senken, so billig wie nur irgend möglich zu produzieren/produzieren zu lassen, damit der Betrieb noch profitabel bleibt. Das bedeutet, dass die Probleme, die sich schon bei den Discountern zeigen, also Lohndumping, Ausbeutung der Mitarbeiter, unbezahlte Überstunden, direkt auch bei den nachgelagerten Firmen auftreten. Und dann wiederum bei den Produzenten oder bei den Landwirten, die die Industrialisierung der Landwirtschaft mit all den schädlichen Folgen für Böden & Umwelt (und der Gesundheit der Menschen) immer weiter voranpeitschen müssen. Mehr Chemikalien, um die Erträge zu erhöhen, der Einsatz von Leiharbeitern, von Wanderarbeitern aus Osteuropa, Schwarzarbeit, Aushöhlung der Arbeitnehmerrechte usw. usf. Der letztes Jahr von Günther Wallraff aufgedeckte Skandal um eine Brötchenfabrik, die unter schlimmsten Bedingungen für Lidl poduziert machte Schlagzeilen, wenngleich sich der gemeine Discountkunde offenbar selbst durch solche Meldungen nicht in seinem Kaufverhalten erschüttern lässt…

u1_sw_aldi-2_282x398Selbstverständlich haben die Discounter auch längst die Vorteile der Globalisierung für sich entdeckt und produzieren zuhauf in Billiglohnländern, um noch mehr Kram unter die Leute bringen zu können. Demzufolge herrschen in den Zulieferbetrieben außerhalb Deutschlands noch erbärmlichere Zustände, da hier Menschen unter fast unmenschlichen Bedingungen für den westlichen Billigwahn schuften müssen. Zeitlich sehr gut mit den ARD-Sendungen abgestimmt veröffentliche das Südwind-Institut für Ökonomie und Ökologie in Siegburg Anfang der Woche eine aufrüttelnde Studie über Arbeiterinnen in China, die für Aldi produzieren und bei denen kaum nennenswerte Arbeitsschutzregeln eingehalten werden. Wie auch, wenn das deutsche Unternehmen so wenig wie nur irgend möglich zahlen möchte und diesen Druck, wie eben schon geschrieben, direkt weiterreicht? Man lese dazu den Bericht aus der ZEIT („Aktionsware: Geizen auf Kosten chinesischer Arbeiter“) oder der taz („Aldi verstößt gegen die Arbeitsrechte“), genauso wie auch meine älteren Beiträge (hier, hier) und die ausführliche Studie der Kampagne Saubere Kleidung über die unfeinen Methoden von Lidl & kik bei der Herstellung der chemiedurchtränkten Billigtextilien, die bei uns im Lande ebenfalls reißenden Absatz finden.

Die Freude über diese „Schnäppchenhits“ wird getrübt durch die Umstände, unter denen sie produziert werden. Die meisten dieser importierten Waren stammen aus Zulieferfirmen, in denen “unmenschliche Arbeitsbedingungen” herrschen. ein.

Die Schnäppchen in Deutschland werden „erkauft durch systematische Verletzungen von Arbeits- und Frauenrechten“ in China, sagt die Autorin der Studie, Ingeborg Wick. In der chinesischen Textil- und IT-Industrie seien oft minderjährige Arbeiterinnen beschäftigt. Viele von ihnen müssten einen Teil ihres Lohns als Vermittlungsgebühr an ihre Schulen zahlen. Wochenlange Lohnzurückhaltung, Repressionen gegen Gewerkschaften – all das sei keine Seltenheit, nichts davon entspreche unseren Sozialstandards.

„Die meist weiblichen Beschäftigten arbeiten bis zu 91 Stunden pro Woche und können dennoch von ihren kargen Löhnen kaum leben“, sagt Wick. Der Arbeitsdruck sei enorm, Fehler würden mit Geldbußen bestraft.

Thomas Pany kommentiert dies auf Telepolis durchaus treffend:

„In Discountläden würden verstärkt Markenwaren und eine größere Sortimentsbreite für eine zahlungskräftige Mittelschicht angeboten”, heißt es dort und: “die größte Einzelgruppe der Kunden von Aldi [ist] die der Besserverdienenden“. Das ist für viele wahrscheinlich keine neue Erkenntnis und für die Informierten dürfte auch das Kernergebnis der Studie von Ingeborg Wick keine Überraschung sein: die bei Aldi angebotenen billigen Aktionsprodukte werden von den Zulieferbetrieben in China unter “massiver Verletzung von Arbeitsrechten” hergestellt.

Nimmt man aber die beiden Aussagen zusammen, dann ist es ein wenig verwunderlich, wie leicht sich der Mittelstand, der sich als Papa und Mama in Erziehungsgesprächen gerne als sehr informiert und moralisch orientiert zeigt, über solches Wissen in der Realität hinwegsetzt und fleißig beim Discounter einkauft. Oder ist es letztlich die Endorphinausschüttung beim Schnäppchenmachen, die klassenübergreifend ist? Der gelungene Aldi/Lidl-Großeinkauf – Anlass für kleine, wöchentliche Victory-Zeichen von Haushaltsackermännern und -frauen? Es scheint manchmal so.

Dies waren die Auswirkungen, die vor allem diejenigen treffen, die direkt oder indirekt im Umfeld der Discounter arbeiten (müssen) – wem das Wohlergehen anderer Menschen egal ist und wer auf Ethik und Moral pfeift, solange sie nicht ihn selbst betrifft, kann diesen Bereich vermutlich noch ausblenden und einfach weiter seinen Billigmist kaufen und sich freuen, dass er ja scheinbar so viel spart. Aber spart er wirklich? Führt das Pfennigfuchsen nicht vielmehr dazu, dass wir alle – und der Billigkäufer mit – drauflegen müssen und den günstigen Preis mit erodierenden Sozialsystemen, Umweltzerstörung, gesundheitlichen Risiken, der Verschandelung des Stadtbildes etc. am Ende doppelt und dreifach bezahlen? Ich denke schon – selbst, wer nur an die Maximierung des eigenen Nutzens (aber nicht ausschließlich ultrakurzfristig) denkt, ist besser beraten, den Discountern sein Geld nicht in den Rachen zu schmeißen.

einkaufswagen-aldiklBeispielsweise wird durch den niedrigen Preis, den die Aktionswaren haben, die Wegwerfmentalität gefördert – es wird viel Schund produziert, der dann vorschnell zu Müll wird. „Ach, das ist ja so günstig, da macht es ja nichts, wenn ich das Besteck nach einem Jahr wegschmeißen muss. Kauf ich mir halt wieder neues!“ (O-Ton einer Bekannten von mir!) Die daraus resultierende Ressourcenverschwendung zahlen wir alle, genauso wie die Umweltausbeutung und -zerstörung, die uns alle von Jahr zu Jahr teurer zu stehen kommt. Zumal dann, wenn Menschen in der sog. Dritten Welt die Existenzgrundlage entzogen wird, indem ihr Land, ihre Flüsse und Wälder, vergiftet werden, nur um billig und ohne lästige Umweltauflagen irgendeinen Ramsch herzustellen, der dann hier in der Ecke verstaubt oder alsbald auf der Müllkippe landet. Das perverse und selbstzerstörerische System, das unserem Wirtschaften zugrunde liegt (siehe The Story of Stuff), wird durch die Billigläden noch einmal extra angetrieben und verschärft die weltweiten Krisen immens!

Genauso fatal und teuer: die aus der voranschreitenden krebsgeschwürartigen Verbreitung der Discounter bei gleichzeitiger Zurückdrängung anderer, gewachsener Einzelhandelsstrukturen (=> bedrohliche Marktmachkonzentration) resultierende Arbeitsplatzvernichtung. Studien aus den USA haben ergeben, dass für jeden Arbeitsplatz, den WalMart schafft, 1.5 besser bezahlte Arbeitsplätze im Einzelhandel vernichtet werden (siehe z.B. das Buch von Franz Kotteder, Kapitel „Das vermeintliche Jobwunder“). Und WalMart ist im Vergleich zu Schlecker oder Aldi noch üppig mit Personal ausgestattet, so dass man sich die Folgen für den hiesigen Arbeitsmarkt entsprechend ausmalen kann. Die Folge davon ist natürlich ein allgemeines Absinken der Kaufkraft („Die Discounter erschaffen sich ihre eigene Kundschaft“), geringere Staatseinnahmen (durch niedrigeres Steueraufkommen) sowie höhere Staatsausgaben für Arbeitsmarktmaßnahmen (Hartz IV etc.) Diese Tendenz forcieren vor allem Aldi und Lidl noch dadurch, dass sie ihre Unternehmen in ganz besonders undurchsichtigen Stiftungsstrukturen angelegt haben, die dazu führen, dass die „armen“ Multimilliardäre noch zusätzlich Steuern sparen. Oder, anders formuliert: sie bereichern sich auf Kosten der Gemeinschaft. Wer in solchen Läden kauft, unterstützt dieses Sozialschmarotzer-Gebaren der Herren Albrecht und Schwarz aktiv mit seinem eigenen Geld und nimmt sich das, was er beim Einkauf angeblich spart, quasi mit der anderen Hand wieder aus dem Portemonnaie!

Also, kurz und gar nicht gut, mein leicht polemisches Fazit: Der Einkauf bei Discountern ist ignorant, unsozial und zerstörerisch (von dieser Einschätzung nehme ich diejenigen, die auf Grund ihrer persönlichen finanziellen Lage quasi dazu gezwungen sind, so billig wie nur irgend möglich einzukaufen, natürlich aus). Und, nein, Biowaren bei Aldi & Co. zu kaufen, ist KEIN „politischer Konsum“, sondern unterstützt ebenfalls nur dieses ausbeuterische und kranke System, statt nachhaltigere Alternativen zu fördern (auf dieses Thema werde ich noch mal in einem gesonderten Beitrag eingehen). Deswegen sollte sich auch bloß niemand von der neuen scheinheiligen Lidl-TV-Reklame einlullen lassen – das Discount-Prinzip ist und bleibt eine Abwärtsspirale, für uns alle.

Ein Kommentar der Süddeutschen Zeitung zur neuen Südwind-Studie soll meine Ausführungen beschließen – „Discounter in der Kritik – Wer auf Aldi zeigt…“:

Wer dies alles empörend findet, mag sich nun über Aldi aufregen – aber eines nicht vergessen: Wer mit dem Finger auf andere zeigt, zeigt immer auch mit drei Fingern auf sich. Ein Computer, der bloß 499 Euro kostet? Winterstiefel für 19,99 Euro? Lattenrost für 39,99 Euro? Dass an diesen Preisen irgend etwas nicht stimmen kann, konnte sich im Grunde jeder schon immer denken.

Und wer es jetzt nicht weiß, der will nicht wissen, sondern haben.

[Eins muss ich natürlich der Gerechtigkeit halber anmerken – diverse der oben aufgeführten Kritikpunkte betreffen nicht exklusiv nur die Discounter, sondern mittlerweile (wenn auch i.d.R. in abgeschwächter Form) ebenso generell große Handelsketten. Denn auch Markenware kann unter ausbeuterischen Bedingungen hergestellt werden (siehe Nike, H&M), so dass man dort den höheren Preis nicht für höhere Qualität, sondern fürs Image und die aufgemotzten Reklamekampagnen bezahlt. Deswegen sollte man sehr gut schauen, wo man kauft – Produkte, die NICHT von den weltweiten operierenden Megakonzernen stammen, sind schon mal eine gute Idee…]

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Wer nach alledem Discounter immer noch für tolle Einkaufsmärkte hält, dem habe ich noch eine Reihe weiterer Informationen anzubieten. So hatte Attac München 2005 eine Aktion gestartet, um auf die Missstände speziell bei Lidl hinzuweisen und dafür ein sehr gut gelungenes Adbusting eines Lidl-Werbezettels erstellt. Diesen Flyer könnt Ihr Euch hier herunterladen. Ideal zum Ausdrucken, Weiterverteilen und Aufklären ist auch dieses darauf basierende, im Internet kursierende doppelseitige Flugblatt.

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Lidl/Aldi/Discounter – Profite auf Kosten der Allgemeinheit, oder: Die Spirale abwärts. Teil 1/2

lidlattacWer diesen Blog (und auch meinen musikbezogenen Coast Is Clear) seit einer Weile verfolgt, wird wissen, dass der Kampf gegen die Discounterschwemme und den Billigwahn von Anfang an ein wichtiges Thema für mich war. Schon seit längerem wollte ich an dieser Stelle eine ausführlichere Analyse der fatalen Folgen dieses Geschäftsmodells für Umwelt, Menschen und Gesellschaft schreiben – seit einigen Tagen ist ja auch in den Mainstreammedien das Interesse an Aldi, Lidl & Co. neu aufgeflammt. Ausgelöst nicht zuletzt durch den TatortKassensturz“ am letzten Sonntag, in dem es um die schlimmen Arbeitsbedingungen beim fiktiven Discounter „billy“ ging, und die anschließende Diskussionsrunde bei Anne Will mit dem Thema „Harte Bandagen beim Discounter” und Schilderungen von Betroffenen, die unter den Schikanen bei Lidl etc. zu leiden hatten und haben.

Dies nehme ich nun mal zum Anlass, genauer darzulegen, wieso Discounter ein Verarmungsmodell für uns alle (abgesehen von den Discountmilliardären selbst) und grundsätzlich nicht zu akzeptieren sind. So mancher Kritikpunkt an den Billigheimern ist natürlich schon länger bekannt, nur werden entsprechende Diskussionen meines Erachtens oft zu verengt geführt, d.h. sie berücksichtigen in der Regel nur einzelne Aspekte des leider sehr vielschichtigen und auch mit anderen Entwicklungen in der Wirtschaft & Gesellschaft verzahnten Problemfeldes. In meiner Buchrezension von Franz Kotteders Buch „Die Billig-Lüge. Die Tricks und Machenschaften der Discounter“ hatte ich vor einer Weile einige der Angriffspunkte ja bereits angerissen und dort auch erwähnt, dass die Mehrzahl der Discount-Kunden keineswegs zu den Einkommensschichten gehören, die quasi gezwungen sind, zu sparen, wo es nur geht, sondern es sich sehr wohl leisten könnte, andere Geschäfte zu besuchen.

Also, was ist so schlimm an der Aldisierung der Welt? Geld zu sparen und Lebensmittel und sonstige Waren für niedrigere Preise als im „normalen“ Einzelhandel zu kaufen, ist doch eigentlich eine tolle Sache? Ist Geiz nicht geil? Und tauchen Discounter-Produkte nicht bei Waren- und Geschmackstests immer mal wieder auf erstaunlich oberen Plätzen auf, trotz ihres billigen Preises? Wieso also mehr zahlen für eine (vermeintlich) mehr oder weniger vergleichbare Leistung?

Diese Fragen und Entgegnungen sind wohl die häufigsten, die man in entsprechenden Diskussionen zu hören bekommt. Es sind Äußerungen, die ausschließlich die (vermutete) kurzfristige Eigennutzenmaximierung ins Zentrum der Argumentation stellen und die demnach dem in unserem neoliberalen Wirtschaftssystem weithin propagierten Credo des schnellen Profits, der Quartalszahlenfixierung, kurz, dem „Nach mir die Sintflut / Hauptsache, mir geht’s gut“ perfekt entsprechen. Doch wie meistens bei extrem kurzsichtigen Betrachtungsweisen komplexer Abläufe werden die Mittel- bis Spätfolgen, die nicht nur zukünftige Generationen, sondern auch schon die Geizkäufer und Knauser selbst betreffen dürften, sowie die oft skandalösen Bedingungen, unter denen die Billigware aus dem Boden gestampft und vertrieben wird, von solchen Leuten komplett übersehen und unter den Teppich gekehrt.

Beginnen wir mit dem Punkt, den auch der Tatort und Anne Will besonders hervorhoben – den miesen Arbeitsbedingungen bei den Discountern selbst. Jedem, der sein Gehirn mal kurz einschaltet, sollte klar sein, dass die Discounter ihre billigen Preise primär auf Grund extremer Einsparungen erreichen können (und nicht etwa wegen großer Abnahmemengen oder spartanischer Architektur). Und da Mitarbeiter einen wesentlichen „Kostenfaktor“ für jede Bilanz darstellen, wird hier „natürlich“ (der Logik des Marktes folgend) als erstes gespart. Dies wirkt sich derart aus, dass in Discountläden weniger Menschen arbeiten als sonst im Einzelhandel üblich (=> höhere Belastung für den Einzelnen sowie generell steigende Arbeitslosigkeit im Sektor) und diese zudem noch schlechter bezahlt werden und generell unterhalb der üblichen Sozialstandards, wie man sie in reichen Ländern erwarten dürfte, schuften müssen.

aldi_250Beispielsweise verfügen gerade einmal 7 der ca. 3000 Lidl-Filialen in Deutschland über einen Betriebsrat, und auch die anderen Ketten wie Aldi und Schlecker unternehmen alles, um Betriebsräte zu verhindern und diejenigen, die sich gewerkschaftlich engagieren, psychisch unter Druck zu setzen und gar aus der Firma zu mobben (u.a. nachzulesen bei Kotteder). Der als-ob-leben-Blog präsentierte vor einigen Tagen eine kleine Auswahl aus tausenden von Beiträgen, die Betroffene im Discount-, aber auch dem sonstigen Handelsbereich nach der Anne Will-Sendung in den dortigen Blog schrieben und die einen erschreckenden Einblick in die Arbeitssituation heutzutage geben:

Hier mal einen kleinen Einblick in den Arbeitstag von mir und meinen Kollegen im Discounter.2 Frauen haben freiwillig gekündigt, weil sie den Druck nicht mehr aushalten konnten, ein Kollege hat sich runterstufen lassen vom Filialleiter zum stellv. Filialleiter (weniger Stunden) und ein Kollege ist so nervlich kaputt, dass er jetzt beim Arzt war und am Montag zum Nervenarzt überwiesen wurde, ganz zu schweigen von den Kolleginnen, die sich einen neuen Job gesucht haben – und das alles in eineinhalb Jahren.

Oder:

Folgendes hat sich bei mir zugetragen.
Eine Angestellte im 7 Berufsjahr wurde zu teuer.
Ich bekam vom Bezirksleiter die Anweisung “die muss weg ist zu teuer“
Ich habe nichts unternommen (Diebstahl unterschieben u.a)
Dann wurde ich aus meinem Urlaub zu Feierabend in die Filiale bestellt.
Der Bezirksleiter setzte mich und die Angestellte in den Aufenthaltsraum.
Der BZ-Leiter plusterte sich in seiner Manneskraft auf und warf der Angestellten Diebstahl vor. Sie stritt ab. Er wurde lauter und drohte!! Der BZ-Leiter erhöhte die Drohungen bis die Angestellte endlich nach gab und unter Tränen ihre Eigenkündigung schrieb.
Dann gingen alle nach Hause. Ich wusste nicht wie mir geschah.
Die Angestellte ging vor Gericht.
Ich musste aussagen.
Vor meiner Aussage wurde mir nahe gelegt, dass ich Alleinverdiener bin 3 Kinder und gebaut habe. Ich würde doch wissen, wer mein Arbeitgeber ist.
Ich der Zwangslage und unter Angst meine Existenz zu verlieren habe ich doch die Wahrheit gesagt.
Danach wurde ich so lange gemobbt bis ich selbst gekündigt habe.
Ein ex Aldi Marktleiter

aldi-chefs_250Ähnliche Schilderungen finden sich schon seit längerem auch auf der Seite Chefduzen – es lohnt sich, den dortigen Beitrag bzw. den Thread „Ob Lidl, Schlecker oder Aldi“, durchzulesen (hier als pdf, falls nicht mehr online). Er beginnt mit dem Zitat des Artikels „Fiese Arbeit – Alle unter Kontrolle“ aus der ZEIT vom 17.11.2005:

Ob Lidl, Schlecker oder Aldi – bei den Discountern regieren die Patriarchen. Und die Mitarbeiter dürfen nur eines: Funktionieren

(…) In einigen Filialen von Lidl kontrolliert bereits der Kassencomputer die Kassiererinnen. Pro Minute müssen sie mindestens 40 Artikel über den Scanner ziehen; Neulinge haben vier Monate Zeit, um die hohe Schlagzahl zu erreichen. Erzeugt wird eine Atmosphäre der Angst: Eine Verkäuferin aus Bremen berichtet, aus Furcht vor Kündigung mit hohem Fieber so lange im Laden gestanden zu haben, bis sie zusammenbrach. Lidl will sich zu einzelnen Vorwürfen nicht äußern.

(…) Der US-Handelsgigant Wal-Mart wollte seinen hiesigen Angestellten sogar ins Liebesleben hineinregieren und verbot ihnen Anfang des Jahres »private Beziehungen/Liebesbeziehungen« untereinander. Am Montag erklärte das Landesarbeitsgericht Düsseldorf diesen Teil der »Unternehmensethik«-Richtlinie für rechtswidrig. Wal-Mart betonte, man habe nur Abhängigkeitsverhältnisse verhindern wollen.

Von den Überwachungsskandalen speziell bei Lidl (für die das Unternehmen auch gerichtlich verurteilt wurde) hatte ich an dieser Stelle ja schon mal berichtet – und dass diese Art des „Mitarbeiterhandlings“ sich leider bei den anderen Ketten in ähnlicher Weise wiederfindet, zeigt z.B. dieser Bericht über Bespitzelungen bei Plus (die Staatsanwaltschaft ermittelt auch in diesem Fall).

Dieses war der erste Streich – morgen folgt Teil 2 meines Discount-Diskurses, in dem es um all die anderen üblen Auswirkungen der Billigheimer-Schwemme geht.

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Surftipp / Lesetipp: Zeitschrift Humane Wirtschaft

zeitschrift-humanwirtschaftWirtschafts- und Finanzzeitschriften gibt es wie Sand am Meer. Die überwiegende Zahl schwimmt aber letztlich auch nur mit dem Strom, predigt die Heilslehren unseres derzeitigen Wirtschaftssystems und dient doch oft genug der Optimierung der Rendite der Leserportfolios. Wie gerade in den letzten Monaten immer deutlicher geworden sein sollte, wird es mit dem „Immer nur weiter so!“, das uns auch die Regierung mit ihrer Aufforderung zum Konsum und dem Hauptaugenmerk auf Ankurbelung des Wachstums und der „Vorfahrt für Arbeit“ permanent einzubläuen versucht, eben nicht immer weitergehen (können); das habe ich an dieser Stelle ja auch schon das eine oder andere Mal zu vermitteln versucht.

Sinnvoller als die Lektüre vom Manager Magazin, Focus Money oder der Wirtschaftswoche erscheint mir in diesen Zeiten, sich mit Alternativen zum Mainstream zu beschäftigen. Denn Ansätze für ein neues Denken und für ein Aufweichen der Dogmen der „Marktwirtschaft“ in ihrer momentanen Ausprägung gibt es durchaus, sie finden nur noch zu selten Gehör. Diesem Missstand will seit einigen Jahren die Zeitschrift Humane Wirtschaft (früher: Humanwirtschaft, davor: humanökonomie) abhelfen – das zweimonatlich erscheinende Magazin befasst sich vorrangig mit Möglichkeiten, das Geldsystem anders zu gestalten, als wir es kennen (Stichwort Regiogeld, regionale Währungen), mit den Problematiken des Zinseszinses, mit den Auswirkungen unseres Wachstumswahns auf Umwelt und Gesellschaft und generell mit der Art und Weise, wie Arbeit und Soziales in unseren Breitengraden organisiert und exerziert werden. Dabei bemühen sich Redaktion und Autoren – darunter u.a. die Buchautoren Helmut Creutz und Günther Moewes –, nicht nur den Ist-Zustand kritisch zu beleuchten und aufzuzeigen, wo es eklatante Fehlentwicklungen zu vermelden gibt, sondern es werden auch Denkanstöße und konkrete Alternativen dargelegt. Sicher ist nicht jeder Artikel eine Offenbarung und so manches auch diskussionswürdig, aber gute Anregungen gibt es dennoch zuhauf.

Sehr erfreulich und leider längst nicht bei allen Publikationen anzutreffen: es gibt ein komplettes Archiv aller Ausgaben mit allen Artikeln zum kostenlosen pdf-Download. Und ein Probeexemplar der neuesten Ausgabe kann man sich auf der Website ebenfalls gratis und unverbindlich bestellen.

Ein paar Artikel, die zu lesen sich meiner Meinung nach lohnt:

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Giftige Papiere und Konsumgesellschaft

Neulich gab es in meiner Lieblingssendung quer (immer wieder erstaunlich, dass so etwas im Bayerischen Fernsehen läuft) wieder einmal ein kleines, feines Highlight zu bewundern – der Sozialpsychologe Prof. Harald Welzer war zu Gast und unterhielt sich mit Moderator Christoph Süß über die Finanzkrise, über die Folgen, aber auch die Gründe sowie unsere „Kultur des Konsums und der Verschwendung“ und das alles verschlingende Wirtschaftswachstumspostulat, die er (wie ich denke: vollkommen richtiger Weise) als grundlegendes systemisches Problem begreift. Absolut sehenswert!

Banken vor neuen Milliardenlöchern: Was sagt ein Experte zur Finanzkrise?

Deutschlands Geldinstitute horten noch Unmengen von faulen Wertpapieren, die längst nicht abgeschrieben sind. Wenn diese Giftpapiere platzen, dann droht der nächste Bankencrash.

bild-3(Auf das Bild klicken, um den Film zu starten)

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