Kategorie: Grundlegendes Seite 37 von 59

Veranstaltungstipp für Kiel: Deutsche Gentechnik – Verflechtung von Staat und Konzernen

deutsche-gentechnikIch möchte Euch heute auf eine interessante Veranstaltung von Attac zum Thema Gentechnik und Lobbyismus hinweisen, die am Mittwoch, den 14.10. in der Kieler Pumpe stattfindet:

Deutsche Gentechnik – Verflechtung von Staat und Konzernen
Vortrag und Diskussion: Jörg Bergstedt
Mittwoch 14.10. • 19 Uhr
Pumpe • Haßstr. 22 • Kiel

Warum werden in Deutschland Jahr für Jahr immer neue Versuchsfelder angelegt, obwohl 80 Prozent der Menschen keine Gentechnik im Essen wollen? Warum fließen Steuergelder auch dieser 80 Prozent fast nur noch in die Gentechnik, wenn es um landwirtschaftliche Forschung geht?

Der Blick hinter die Kulissen der Gentechnik mit ihren skandalösen Strukturen und Zuständen bei Genehmigungen und Geldvergabe bietet eine erschütternde Erklärung, warum die überwältigende Ablehnung und der gesetzlich eigentlich vorhandene Schutz gentechnikfreier Landwirtschaft (einschließlich Imkerei) gegenüber der grünen Gentechnik so wenig Wirkung hat. Denn: In den vergangenen Jahrzehnten sind alle relevanten Posten in Genehmigungsbehörden, Bundesfachanstalten und geldvergebenden Ministerien mit GentechnikbefürworterInnen besetzt worden. Die meisten von ihnen sind direkt in die Gentechnikkonzerne eingebunden. Undurchsichtige Geflechte von Kleinstunternehmen und seltsamen Biotechnologieparks namens Biotechfarm oder Agrobiotechnikum sind entstanden, zwischen denen Aufträge und Gelder erst veruntreut und dann hin- und hergeschoben werden, bis sich ihre Spur auf den Konten der Beteiligten verliert. Es wird Zeit für einen Widerstand in Deutschland.

Veranstalter:
www.attac-kiel.dewww.gentechnikfrei-sh.de

Verwandte Beiträge:

Welcome to the Rat Race!

Diesen schönen “Cartoon”, den ein Blogleser gestern in seinem Kommentar verlinkte, möchte ich Euch doch auch nicht vorenthalten (zu finden auf Loleg.com, im Original auf Polyp.co.uk):

polyp_cartoon_rat_race

Der hier gefällt mir auch sehr gut, ebenfalls aus der Rubrik „Consumerism“:

polyp_cartoon_enough

Verwandte Beiträge:

Wikando – Erlebe Engagement

wikando_de_deDass man die sog. „social networks“ des Web 2.0 nicht nur zur persönlichen Bespaßung wie bei Myspace oder Facebook, sondern Sinnvollem, nämlich zu sozialem Engagement einsetzen kann, zeigt seit einigen Monaten das neue Projekt Wikando. Ins Leben gerufen wurde es von den beiden Gründern Mirjam Maier und Peter Kral mit einer so einfachen wie einleuchtenden Idee: viele Menschen würden sich gerne ehrenamtlich einbringen, wissen aber nicht wie oder wo. Und viele Vereine und Projekte suchen auf der anderen Seite händeringend Spender, Unterstützer und Freiwillige. Diese beiden Gruppen will Wikando unkompliziert und direkt via Internet zusammenbringen. So finden sich auf der Website so unterschiedliche Projekte wie Lebenshilfe für Afrika e.V., oder Gewaltpräventions-Workshops oder das Musik- und Kulturfestival Lebenslust, das das Thema Nachhaltigkeit verbreiten möchte. Dabei kann jeder, der mitmachen möchte, natürlich selbst entscheiden, ob er ein Hilfsprojekt mit Sach- oder Geldspenden unterstützt, ob er sein Wissen und seine Fähigkeiten weitergeben will, also Arbeitszeit bietet, oder eventuell auch vor Ort selbst mit Hand anlegt. Inzwischen hat Wikando bereits mehrere Auszeichnungen erhalten und entwickelt sich stetig weiter. Schaut Euch die Website doch auch mal an, vielleicht findet Ihr ja eine Initiative, bei der Ihr Euch engagieren möchtet.

wikando-eyecatcher_de_de

Verwandte Beiträge:

Erfolgreicher Kampf gegen die Wasserflaschen

drinking_water_4Es ist doch auch schön, hin und wieder mal Erfreuliches berichten zu können, von Erfolgen nämlich der Bürger gegen die große, allesverwertende und verschlingende Wirtschaftsmaschine. Dieser Tage machte nämlich eine Meldung in der Medienlandschaft die Runde, die für unsere, an die Durchökonomisierung des Daseins gewöhnten Ohren und Augen, geradezu sensationell klingt. Das kleine australische Städtchen Bandanoon hat den Verkauf von Wasser in Flaschen verboten. Hintergrund dieser Aktion: ein internationaler Konzern plante, das Wasser des Ortes in Flaschen zu füllen, um es anschließend wieder in Bandanoon und dem restlichen Australien zu verkaufen. Statt dieses Irrsinns haben die Bürger beschlossen, dass das Wasser nun kostenlos abgegeben wird – wer einen Behälter mitbringt, kann sich dieses an mehreren Stellen im Ort gratis abfüllen. Dem leider ja auch hierzulande üblichen Quatsch, Trinkwasser aus aller Herren Länder über den Globus zu karren und in (Plastik-)Flaschen für horrende Summen weiterzuverkaufen, wurde damit sogleich, haha, das Wasser abgegraben. Die Stadtoberen sehen darin einen Schritt zum Umweltschutz (da der unsinnige Transport wegfällt) und auch zur regionalen Selbstversorgung. Ein Beispiel, das hoffentlich Schule macht, damit Kraken wie Nestlé (Vittel, San Pellegrino, Perrier) oder Coca Cola (Bonaqua) mit ihren Plänen, sich das Wasser der Welt unter den Nagel zu reißen, in ihre Schranken verwiesen werden. [Dass das Trinken aus Plastikflaschen auch gesundheitlich alles andere als unbedenklich ist, hatte ich ja HIER schon mal thematisiert.] Sicherlich werden jetzt einige FDP-Jünger, die ja gegen jegliche staatlichen Interventionen und für den angeblich „freien“ Markt sind, aufjaulen, allerdings muss man hier sehen, dass die Bürger ja selbst dafür gestimmt haben, es sich also um keine von oben herab verordnete Entscheidung wie bei dem unseligen Glühbirnenverbot handelt. Dass die Interessen der Menschen über die der Konzerne gestellt werden, geschieht schließlich selten genug.

Hier ein kleiner Blick ins Medienecho:

Gegen den Klimawandel: Kleinstadt verbietet Faschenwasser“ taz

Laut Kingston überlegen Gemeinden aus aller Welt, dem Beispiel zu folgen. “Wir haben Anrufe aus Schweden, Deutschland, der Schweiz.” Die Getränkehersteller sind dagegen erbost. “Sie werfen uns vor, wir würden die Leute zwingen, Süßgetränke zu kaufen.” Für Kingston unverständlich: “Wir geben das Wasser ja ab – wenn auch kostenlos. Und die Süßgetränke werden von genau diesen Firmen hergestellt.”

Australische Stadt verbannt Wasserflaschen“ und „Bandanoons Kampf gegen die Wasserpulle“ N24

Für die Flaschenwasserindustrie in Australien war es am Mittwoch die zweite Niederlage innerhalb weniger Stunden. Zuvor hatte der Regierungschef des Staates New South Wales es allen Behörden verboten, in Flaschen abgefülltes Wasser zu kaufen. Er nannte es eine Verschwendung von Ressourcen.

Klimaschutz extrem: Gemeinde verbietet Verkauf von Wasserflaschen!“ Blick.ch

Dies führte in dem Ort zu einem wahren Proteststurm, im Juli dann stimmten die Bürger für ein Verbot der Wasserflaschen. Mit seiner Idee wollte Dee die Menschen dazu anregen, über die Klimabelastungen durch die Produktion und den Transport von Plastikflaschen nachzudenken.

Der engagierte Umweltschützer, der sich mit seiner Organisation «Do Something» (Tu ´was) unter anderem auch für ein Verbot von Plakstiktüten in Tasmanien stark machte, hofft nun auf Nachahmer. Bereits der Bürgerentscheid sei weltweit auf Interesse gestossen, sagt er.

Verwandte Beiträge:

Pädagogen kritisieren das Schulsystem

Einen sehr interessanten Beitrag gab es in der letzten quer-Sendung auch zum Thema Schulsystem und insbesondere um die voranschreitende „Zurichtung“ der Kinder auf die Konkurrenz- und Ellenbogengesellschaft, die unser Wirtschaftssystem folgerichtig erzeugt bzw. bedingt: „Schulgewalt: Pädagogen kritisieren das Schulsystem“. Der Beitrag macht in meinen Augen durchaus deutlich, wie verheerend ein auf die komplette Durchökonomisierung des menschlichen Daseins abzielende Ordnung ist, und das diese Form des kapitalistischen Produzierens und (Sich-)Verkaufens gegen den Menschen gerichtet ist und uns am Ende selbst zerstört.

Reflexartig fordern Politiker nach Ansbach und Solln die Verschärfung von Jugendstrafen und schärfere Überwachungsmaßnamen. Aber nützt das wirklich etwas? Experten suchen die Ursachen im deutschen Schulsystem – und werden fündig.

Verwandte Beiträge:

Verursachen Elektroautos die nächste Umweltkrise?

crashed_car

© reisereise, stock.xchng

Passend zu meiner Buchbesprechung von „Asphalt Nation“ neulich, in der es um die vielen Nachteile unserer Autokultur ging, stieß ich jüngst auf einen Artikel auf Utopia, der die interessante Frage aufwirft: „Verursachen E-Autos die nächste Umweltkrise?“. Denn gerade von den Grünen, aber auch von breiten Kreisen der Industrie, werden Elektroautos als DIE ultimative Rettung der Welt dargestellt. Was dabei in den Hintergrund gerät – ist das mit dem Automobil verbundene Konzept des grenzenlosen Individualverkehrs mit all seinen Problemen (von denen die Abgase noch die geringsten scheinen) überhaupt zukunftsfähig, sollte man hier nicht eher versuchen, Kreativität, Energie und Geld in ganz andere Lösungen zu stecken? Regierungen, die Milliarden € in Abwrackprämien pumpen, sind wohl offensichtlich noch ganz im alten Denken verhaftet, von dort darf man keine entscheidenden Impulse erwarten.

(…) Die Krux aber ist: Elektroautos sind gar nicht so umweltfreundlich, wie viele Hersteller tun. Vor allem die Entsorgung der rohstoffaufwendigen Lithium-Ionen-Batterien ist ein Problem. Auf genau diese Akkus setzt die Industrie derzeit für E-Autos, weil sie leistungsstärker sind als andere Batterien. Greenpeace-Verkehrsexperte Wolfgang Lohbeck findet, dass die Industrie mit ihren E-Autos zu kurz denkt. Ein Rechenbeispiel, das er anstellt: Eine E-Autobatterie wiegt um 200 Kilo. Sollte das E-Auto in 20 oder 30 Jahren massentauglich werden, würden dann jährlich 50 oder mehr Millionen Batterien anfallen, also jährlich zehn Millionen Tonnen Abfall! (…)

(…) Aber nicht nur die Entsorgung der Batterien ist ein Problem. Die Produktion der leistungsstarken Akkus ist besonders ressourcenaufwendig. Lithium ist zudem nicht endlich, wie etwa die Deutsche Umwelthilfe betont. In zehn, zwölf Jahren könnten die weltweiten Lithium-Vorkommen bereits aufgebraucht sein. Gewonnen wird es zum Beispiel in Ländern wie Chile, Bolivien und China. Die Abbaumethoden im großen Maßstab bedeuten Raubbau an der Natur – von den Arbeitsbedingungen für die Menschen vor Ort einmal ganz zu schweigen. (…)

(…) Greenpeace-Verkehrsexperte Lohbeck bringt das Dilemma mit den Elektro-Autos auf den Punkt: „Der Elektroweg ist dann genauso wenig nachhaltig, wenn lediglich das Element Antrieb ausgetauscht wird in einem ansonsten vollkommen unnachhaltigen Konsumgut: einem Auto, das zur Beförderung von – sagen wir mal – 100 bis 200 Kilo Nutzlast (Mensch mit Aktentasche oder was auch immer) bis zu zwei Tonnen oder mehr Gewicht an Kunststoff, Aluminium und anderer ‘toter’ Last befördert. Da ist es langfristig vollkommen egal, ob so ein Missverhältnis auf einem effizienten Verbrennungsantrieb basiert oder auf Elektro.“

Auf Utopia läuft derzeit eine entsprechende Debatte darüber – hier wird eher (wie so oft) auf die technischen Entwicklungen abgezielt, beispielsweise dass Lithium-Recycling inzwischen, entgegen den Angaben in obigem Artikel, sehr wohl möglich ist. Einer generellen Hinterfragung dieser Form der Mobilität stellen sich die meisten lieber nicht… (Ausnahme: ein User analysiert in seinem Beitrag die Vorteile von Straßenbahnen gegenüber Bussen & Autos)

Verwandte Beiträge:

Reklame – die Pest der Kommerzgesellschaft

kola-kaputtSelten hat mir ein Artikel so aus der Seele gesprochen wie Ludger Lütkehaus’ „Reklame – die Pest der Kommerzgesellschaft“ auf literaturkritik.de. Der Kampf gegen den Werbeterror habe ja auch ich mir hier im Blog auf meine Fahnen geschrieben, von daher passt dieser großartige Text natürlich genau hierher. Ich kann nur jedem von ganzem Herzen empfehlen, sich diesen Artikel in seiner Gänze zu Gemüte zu führen, vor allem denjenigen, die in Reklame noch etwas Tolles, Informatives oder Nützliches sehen. Auf gestrenge und schonungslose Art entlarvt Lütkehaus die ganze hohle Fassade, die die Werbeindustrie gerne um ihre Worthülsen und Bildblasen auftürmt. Ich zitiere nur mal einige besonders schöne Passagen:

Reklame ist nicht Reklame, sondern “Werbung” oder gar “Information”: So will es die Reklame, welche die Reklame für sich selber macht. Denn selbstverständlich ist die Reklame in Wahrheit nichts weniger als Information. (…)

Früher, in den Zeiten, als es noch um die Wahrheit ging, hätten wir gesagt: Das Gegenteil der Wahrheit ist, abgesehen vom Schein, die Lüge. Heute sagen wir: das Gegenteil von Wahrheit ist die Reklame. Nicht im Sinn einer bewussten Täuschung. Gott bewahre, alle wissen ja, was gespielt wird, sondern in dem Sinn, dass der Reklame die Wahrheit gleichgültig ist, völlig gleichgültig. Wahrheit ist für die Reklame überhaupt keine Kategorie, kein Maßstab. Und auch mit der Schwundstufe der Wahrheit im Informationszeitalter: eben der “Information”, hat sie nur zu Desinformationszwecken zu tun.

(…) Die Reklame kann diese Funktion aber nur um den Preis erfüllen, dass sie nur selten etwas, meist wenig, oft gar nichts mit den Produkten zu tun hat, für die sie Reklame macht. Die spröde, aber präzise Sprache der Bundesrechtsanwaltsordnung hat das auf einen angemessenen Begriff gebracht. Sie definiert Reklame als “allgemeine Anpreisung ohne sachlichen Inhalt”. Die Ökonomie selber drückt das so aus, dass die Produktionskosten der Produkte ein Bruchteil ihrer Reklamekosten sind. Die Herstellung kostet fast nichts, die Vorstellung fast alles. Die Mär, dass die Reklame die Produkte billiger mache, ist eines der merkwürdigsten Kapitel der Reklame, die sie für sich selber macht. Reklame ist eine gigantische Verteuerungsanstalt. Und selbst, wenn der reklamegestützte Massenkonsum die Produkte verbilligen sollte, so ist es doch noch billiger, wenn niemand verbraucht, was niemand braucht. Kein Wunder, dass das Verhältnis der Reklame zur Wahrheit von Grund auf gestört sein muss. Sie darf gar kein Interesse daran haben. Hätte sie es, könnte sie die Überproduktionsgesellschaft nicht entsorgen.

(…) Weil Reklame aber kein Verhältnis zur Wahrheit der Dinge und zum Bewusstsein der Menschen hat und haben darf, höhlt sie auch jeden Glauben an die Glaubwürdigkeit der Menschen und Dinge aus. Sie ist das praktizierte System des Zynismus. Die Einübung in einen nur zu berechtigten General verdacht geht mit ihr einher. Die Versprechen, die sie macht, sind die Lehrmittel eines permanenten Misstrauenstrainings, die von ihr vermittelte Psychologie ist eine Entlarvungspsychologie. Als die Leerform schlechthin, die sich jeden Inhalt einbilden kann, bringt die Reklame alles mit allem und allen in Verbindung – weil sie mit nichts und niemand eine Verbindung hat. Am Ende ist alles Abfall, die Welt überführt in die Halde, die sie für die Reklame von Anfang an war. Der Rest ist Schweigen? Nein, der Rest ist Müll. (…)

Verwandte Beiträge:

Panopti: Die schöne neue Welt der Überwachung

Schon eine ganze Weile, bevor die Piratenpartei die Themen Datenschutz und Überwachung auf die Tagesordnung hob, machte sich der Designer Johannes Widmer im Jahre 2007 daran, mit dem interaktiven Animations-Projekt panopti.com eine sehr anschauliche Darstellung dessen zu geben, was uns im normalen Alltag bereits so an Überwachungstechnik begegnet; oft ohne es zu ahnen. Tatsächlich berichtete damals sogar der Spiegel darüber und fand viele lobende Worte für Widmers aufklärende Website. Wer also schon immer mal hinter die Kulissen schauen wollte und wissen möchte, wie weit unser Alltag inzwischen durchdrungen ist (bzw. sein könnte) von solchen technischen „Errungenschaften“, sollte unbedingt einen Blick darauf werfen. Einen kleinen Auszug daraus (natürlich nicht interaktiv wie panopti) kann man sich auch bei YouTube anschauen:

Die Sache mit dem Frosch hatte ich ja schon mal in meinem Blog, aber manches darf man sich ruhig öfter anschauen:

Verwandte Beiträge:

Gastbeitrag: Suffizienz – Wie viel ist dir genug?

Heute darf ich Euch mal wieder einen Gastbeitrag anbieten, und zwar Norbert RostsSuffizienz – Wie viel ist Dir genug?“, der ursprünglich auf peak-oil.com erschien und durch Markus Heller von autofrei-wohnen.de inspiriert wurde.  Da er thematisch sehr gut in den Konsumpf-Blog passt, gerade was die Implikationen zum Konsumverhalten angeht, habe ich natürlich freudig und dankbar zugegriffen, als mir die Veröffentlichung in meinem Blog angeboten wurde.

——————————-
Suffizienz – Wie viel ist dir genug?
Zu Fragen der Energieversorgung, die sich im “ominösen Punkt Peak Oil” bündeln, gibt es unterschiedliche Sichten. Die pessimistische Sicht meint, mit dem Erreichen des Erdölförderhöhepunktes ist die Zivilisation dem Untergang geweiht und chaotische Zustände sind wahrscheinlich. Die optimistische Sicht ist oft verbunden mit Technikverliebtheit und Fortschrittsoptimismus und besagt, die Menschheit fände in ihrer Kreativität schon die richtige technische Antwort: Neue Energiequellen, neue Maschinen, und vor allem: neue Technologien.

Beide Sichtweise sind Pole, die sich kaum vereinbar gegenüberstehen. Für die meisten Menschen stellen diese Pole Hürden dar, die schwer zu überwinden sind: Die wenigsten von uns sind Techniker, die sich der Forschung zugungsten neuer Technologien widmen können und vermutlich noch weniger Menschen wollen sich passiv in eine bürgerkriegsähnliche Situation verwickeln lassen. Beide Ansätze bieten also nicht unbedingt Handlungsoptionen für die Vielzahl von Menschen, die von der Energiefrage zweifellos betroffen sind. Wir brauchen deshalb neue Sichten! Sichten, die jedem Einzelnen Handlungsmöglichkeiten geben, die uns aus unserer Passivität befreien und die unsere eigenen Fähigkeiten einsetzbar machen.

Suffizienz. Möglicherweise bietet dieses Wort einen Weg. Es entstammt dem Lateinischen und läßt sich am ehesten mit “Genügsamkeit” übersetzen: Wie viel ist “genug”?

Suffizienz

Suffizienz verbindet sich für mich mit Wohlbefinden, Zufriedenheit, einem neuen Wohlstandsverständnis, mit Maß und Maßhalten, mit der Übereinstimmung von Überzeugung und Handeln, von Zielen und Mitteln, von der Beziehung zwischen dem, was benötigt und dem, was produziert wird, mit der Bevorzugung des Optimums vor dem Maximum, mit dem Verhältnis von materiellen Gütern und immateriellen Bedürfnissen, mit aufgeklärtem Eigennutz und mit Solidarität.
(Linz, M.: “Von nichts zu viel – Suffizienz gehört zur Zukunftsfähigkeit”, Wuppertal Institut, Wuppertal, 2002, S.12 f. aus “Das suffizienzorientierte Leben des Individuums”)

Eine Kernfrage der Suffizienz ist: Wie viel ist genug? Genügsamkeit, also Maßhalten bei der Frage danach, wie viel jeder von uns braucht und haben will, ist der Mittelpunkt, um den sich “Suffizienz” dreht. Bedeutet Genügsamkeit Verzicht? Bedeutet Genügsamkeit Einschränkung? Bedeutet Genügsamkeit Wohlstandsverlust? Nicht unbedingt! Wie so oft im Leben lautet die Antwort darauf: Es kommt darauf an…

suffizienz_533x400

Biete Lebenszeit, suche Kaufhaus!

Der technikorientierte Lösungsansatz sagt ja vor allem: Weiter so wie bisher. Nur mit anderer Technik. Also: Weiter Energie verbrauchen, weiter konsumieren, produzieren, verkaufen. Er geht dabei davon aus, dies wolle jeder Mensch. Dabei zeigen Umfragen, daß die Ländern mit dem höchsten materiellen Wohlstand und jene mit der höchsten Wachstumsrate der Wirtschaft längst nicht die glücklichsten Bewohner haben. Glücksempfinden und materieller Wohlstand sind nur bis zu einem gewissen Grade miteinander gekoppelt. Die Wohnung, den Keller und die Garage voller Kram zu haben macht nicht zwingend glücklicher. Auch wenn uns Werbung und der konsumorientierte Zeitgeist vermitteln, der Sinn des Lebens läge im Kaufen und Horten, im Arbeiten und Anhäufen, so stellen immer mehr Menschen diesen Sinn in Frage. Sie erkennen beispielsweise: Um einzukaufen braucht ich Geld. Um Geld zu bekommen muss ich mich der Arbeit widmen. Für die Arbeit allerdings brauche ich Zeit. Sie erkennen also: Sie tauschen Einkaufen gegen Lebenszeit. Lebenszeit, die unwiederbringlich hinter uns liegt, wenn wir sie eingetauscht haben. Lebenszeit, die jedem von uns nur begrenzt verfügbar ist und mit das Wertvollste darstellt, was uns gegeben ist. Die sich daraus entwickelnde Frage, ob uns das Einkaufen unsere Lebenszeit wert ist, führt direkt zur Idee der Genügsamkeit: Wo liegt ein sinnvolles Verhältnis zwischen dem Einsatz unserer Lebenszeit und unseren Konsummöglichkeiten?

Kreativität gesucht!

Die Antworten könnten gefunden werden, wenn wir die menschliche Kreativität in andere Bahnen lenken. Kreativität nicht dazu zu verwenden, wie wir noch mehr Produkte herstellen, um uns gegenseitig unser Geld (=Lebenszeit) aus den Taschen zu ziehen, sondern beispielsweise darüber nachzudenken, wie wir Gesellschaft organisieren. Wie läßt sich ein bestimmtes Wohlstandsniveau bei möglichst geringem Zeit- und Ressourcen-Einsatz bewerkstelligen?

Für den Einzelnen liegt diese Antwort nah: Verschwendung vermeiden. Auch Energie will gekauft und bezahlt werden. Wer Energie verschwendet muss mehr Zeit aufwenden, um die finanziellen Mittel dafür ranzuschaffen. Wer mit Energie sparsam umgeht, spart sich Geld und damit Zeit. Unter der Maßgabe, daß “Peak Oil” ein reales Phänomen ist, ist im Laufe der kommenden Jahre mit steigenden Energiekosten zu rechnen. Und mit einem niedrigeren Energieangebot. Die eigene Verschwendungssucht in den Griff zu bekommen ist also ein erster Schritt, mit dem sich jeder selbst helfen kann: Mehr Geld/Zeit für den Genügsamen, weniger Energieverbrauch für uns alle. Und wer einen Schritt weitergehen will, der wird sich fragen: Brauche ich dieses oder jenes technische Gerät wirklich? Ist es sinnvoll, die Heizung bei offenem Fenster zu betreiben? Muss ich den nächsten Weg mit dem Auto zurücklegen oder habe ich Alternativen wie Fahrrad oder den öffentlichen Verkehr?

Der öffentliche Verkehr ist ein Beispiel dafür, wie kollektive Genügsamkeit aussehen kann. Für viele Menschen ist das Auto Statussymbol (böse Stimmen sagen “Schwanzverlängerung”) und Bequemlichkeitsfaktor in einem. Aber es ist auch teuer: Ein Einzelner muss meist viele Monate arbeiten, um soviel Geld angesammelt zu haben, um sich ein Auto zu kaufen. Dieses Auto, in welches schon bei der Herstellung große Mengen Energie eingeflossen sind, steht dann den Großteil seiner Lebenszeit ungenutzt herum, während andere sich ebenfalls Autos kaufen, denen dasselbe Schicksal beschieden ist. Auch die Nicht-Nutzung eines Autos kostet: Versicherungsgebühren, Steuern, Platz in den Gemeinden. Welch Verschwendung von Ressourcen, Kapital und Zeit! CarSharing ist ein kreativer Ansatz, der dieses Problem aufgreift. In einem CarSharing-System teilen sich mehrere Menschen mehrere Autos, so daß deren Auslastung steigt und damit die Gesamtkosten für den Einzelnen sinken. Dieser Weg des Teilens von Ressourcen läßt sich sicherlich in andere Bereiche der Gesellschaft übertragen – wenn wir als Gesellschaft unser Augenmerk und unsere Kreativität darauf richten. CarSharing zeigt den Tausch, den der Einzelne vornimmt: Er verliert den Eigentumsstatus über ein Auto und dessen jederzeitige Verfügbarkeit, er gewinnt Zeit&Geld, welches er nicht für die Anschaffung eines Autos einsetzen muss. Derzeit müssen CarSharing-Nutzer intensiver planen und die Nutzung eines Autos anmelden. Aber wie sähe unsere Mobilität aus, wenn CarSharing ein allgemein genutztes Prinzip wäre. Wenn Autos an jeder Ecke stünden, die man mietet statt sie zuvor kaufen zu müssen? Könnte man dann nicht Bequemlichkeit und Ressourceneinsparungen zu einer Win-Win-Situation verknüpfen?

carsharing1_533x400

Mit der Maus über das Bidl fahren, um den Effekt zu sehen.

Wohin wollen wir?

Autos stehen auch heute schon an jeder Straßenecke. Und man könnte meinen: Das muss so sein! Weltweit sind alle Volkswirtschaften auf ein Hauptziel ausgerichtet: Wachstum. Es wird nicht hinterfragt. “Mehr Wirtschaftswachstum” ist (in)offizielle Agenda jeder Regierung der Welt. Um das zu erreichen ist es wichtig, so viele Produkte wie möglich herzustellen und zu verkaufen. Im Sinne der Steigerung des Bruttoinlandsproduktes ist Mehr immer besser. Natürlich verträgt sich das schlecht mit der Idee einer “kollektiven Suffizienz”. Je mehr Menschen sich “genügen” würden, umso schwieriger wäre es, das Ziel des ewigen Wachstums aufrecht zu erhalten. Suffizienz und Wachstumsideologie passen also nicht zusammen.

Doch vielleicht ist die Zielsetzung des ewigen Wirtschaftswachstums auch nicht unbedingt die sinnvollste. Auch wenn die große Politik und die Medien diese Zielsetzung unhinterfragt wiederkäuen: In einer demokratischen Gesellschaft ist es nötig, daß über Ziele diskutiert wird! Worauf wollen wir unsere Wirtschaft eigentlich ausrichten? Welchem Ziel soll unser Wirtschaften dienen? Wofür wollen wir unsere Lebenszeit “opfern”? Einfach nur für “mehr”? Was fehlt uns denn eigentlich noch?

”Was will ich wirklich wirklich?”
(Fridtjof Bergmann)

Dass wir die Wahl haben, dass wir bestimmen könnten, in welche Richtung wir unsere gesellschaftliche Entwicklung ausrichten wollen, wird leider in der Öffentlichkeit viel zu selten thematisiert. Doch es ist so! Wirtschaftswachstum ist längst nicht das einzige Ziel, das sich eine Gesellschaft setzen kann. In den 1980er Jahren hat das Königreich Buthan seinem Wirtschaftssystem eine andere Zielsetzung verpasst: Dort will man das Bruttonationalglück steigern (Gross National Happiness), nicht das Bruttoinlandsprodukt. Wirtschaft soll also nicht auf möglichst großen Output optimiert werden, sondern die Rahmenbedingungen sollen so gesetzt werden, daß die Bewohner Buthans möglichst glücklich werden. Solch eine Zielsetzung scheint ungewohnt für jene, die Wirtschaftswachstum als einziges Kriterium kennen. Die Idee des Bruttonationalglücks zeigt jedoch eins: Wirtschaft könnte auch ganz anderen Zielen dienen! Doch welche Ziele wollen wir?

ziele_wirtschaftssystem_533x400

Ausgehend von “Peak Oil” könnte eine Zielsetzung lauten: Energieeffizienz steigern! Dasselbe produzieren bei halbem Energieeinsatz – wäre das nicht eine Herausforderung für das gesamte Ingenieurwesen? (Wobei der Rebound-Effekt zu beachten sei, denn leider führt eine höhere Energieeffizienz selten zu echten Einsparungen, vielmehr wird – durch Preis-Effekte – das Eingesparte anderswo durch Mehrverbrauch wieder verpulvert. Ein klassisches Dilemma.) Die Zielsetzung könnte auch lauten: Zeiteffizienz steigern! Dasselbe produzieren bei Halbierung der Arbeitszeiten der Bevölkerung. Was wäre das für eine Welt, wenn sich unsere halbe Arbeitszeit in Freizeit wandeln würde? Und natürlich könnte das Ziel auch sein, nur noch die Hälfte zu produzieren aber trotzdem Ideen zu entwickeln, die uns die Halbierung nicht als Verzicht, sondern als Bereicherung erscheinen lassen. Mehr Zeit für Kinder, Freunde und Familie. Mehr Sozialleben statt Arbeitsleben. Gesündere Umwelt mit weniger Verkehr und weniger Ressourcenverbrauch.
Doch es gäbe noch weitere Ziele, die denkbar sind und die mehr mit Genügsamkeit als mit ewigem Wachstum zu tun haben…

Die pessimistische Sicht auf Peak Oil sagt: Das kommt sowieso. Die Wahl der künftigen gesamtgesellschaftlichen Produktionsmenge ist keine, die wir treffen können – sie wird uns durch die Ölknappheit aufgezwungen. Unser ölabhängiger, auf Wachstum programmierter Lebensstil ist nicht nachhaltig und wird von Peak Oil hart getroffen. Die optimistische Sicht interessiert das alles nicht, sie sagt: Weiter geht’s und weiter wird es gehen! Doch abseits davon liegt die persönliche Entscheidung für den Lebensstil natürlich in der Hand eines jeden von uns. Und gipfelt in der Frage an uns selbst: Wie viel ist mir genug?

Links

Norbert Rost, www.peak-oil.com, September 2009

Verwandte Beiträge:

Buchbesprechung: Jane Holtz Kay „Asphalt Nation“

holtz-kay-asphalt-nationNormalerweise bespreche ich hier in meinem Blog nur Bücher, die ich auch ruhigen Gewissens zur weiteren Lektüre empfehlen kann (das Niedermachen „schlechter“ Bücher ist doch eher Zeitverschwendung). Heute muss ich allerdings mal eine Ausnahme machen – denn Jane Holtz Kays Werk „Asphalt Nation. How the automobile took over America and how we can take it back“ ist, wenn ich ehrlich sein soll, kein wirklich gutes Buch, das ich auch nur mit ziemlicher Mühe und unter Überspringen einiger Abschnitte, durchgelesen, durchgearbeitet habe. Der Stil ist oft ermüdend, sehr blumig und weitschweifig, dazu werden gerade im Teil über die Entwicklung des Automobilwahns in den USA eine Unmenge völlig unspannender Details geboten (welcher Architekt 1937 was wo gesagt oder geplant hat), die das Lesen weiter erschweren.

Der Grund, weswegen ich es aber dennoch nicht der Vergessenheit anheim fallen lassen möchte, ist ganz einfach: das Thema ist wichtig und es wert, auf die Tagesordnung gesetzt zu werden. Und bei aller Kritik gibt Kays Buch doch auch eine Vielzahl von Einblicke in das Wesen amerikanischer Verkehrsplanung und zudem eine Menge Denkanstöße, wo die vielen Nachteile dieses Verkehrsmittels zu sehen sind.

Doch der Reihe nach. J.H. Kay ist Architektur- und Verkehrsplanungskritikerin für diverse angesehene Magazine in den USA, und bietet deshalb einen etwas anderen Blickwinkel auf die Problematik Auto als man das sonst oft erlebt. Zudem ist sie glühende Verfechterin einer Abkehr vom Automobil, was ja auch schon im Titel des Buches zum Ausdruck kommt. Manchmal wünschte man sich vielleicht auch eine etwas differenziertere Sichtweise, da sie doch manche Kritikpunkte in Laufe der über 400 Seiten gebetsmühlenartig wiederholt…

Aufgeteilt hat sie „Asphalt Nation“ in drei große Abschnitte: „Car glut: A nation in Lifelock“, in dem es um eine schonungslose Beschreibung des Ist-Zustandes geht. „Car tracks: The machine that made the land“ – ein Rückblick auf 100 Jahre Automobilisierung in den Staaten, der, wie gesagt, für meinen Geschmack viel zu ausführlich ausgefallen ist, jedoch gut die irrsinnige Entwicklung hin zu einer nur aufs Auto ausgelegten Nation zeigt. Und in Teil 3 „Car free: From dead end to exit“ spricht die Autorin schließlich über Wege aus dem momentanen Dilemma.

Ich möchte an dieser Stelle einige der Kritikpunkte an der Götzifizierung des Autos, die Kay dem Leser unterbreitet, aufgreifen, vielleicht auch als Diskussionsanregung und Denkanstoß. Gerade in den letzten Jahren steht das Auto ja selbst hierzulande immer öfter in der Kritik Kritik, und dies zumeist auf Grund des CO2-Ausstoßes (der mittlerweile alle anderen Aspekte der Umweltdebatte zu überdecken scheint). An die mannigfaltigen sonstigen Nachteile, die die einseitige Fokussierung auf dieses Verkehrsmittel mit sich bringt, denkt scheinbar sonst kaum jemand nach, was den Autobauern sicherlich sehr entgegen kommt (von daher sind auch die vermeintlich so innovativen Elektroauto-Pläne der Grünen sehr industriekompatibel). „Asphalt Nation“ führt einem auf jeden Fall eins sehr schnell vor Augen: wie schon im Bereich der Kommerzialisierung und des Reklameterrors sind die USA auch was die Abhängigkeit vom Auto angeht, viel „weiter“ als wir uns das in Europa vorstellen können. Denn viele mittelgroße Städte haben gar keine öffentlichen Verkehrsmittel mehr, da die staatlichen Stellen ihre Mittel seit vielen Jahrzehnten grotesk verzerrt zum Vorteil der Automobilisierung ausgeben und nur ein Bruchteil für andere Konzepte übrig bleibt.

Zu den bekannten Nachteilen für die Umwelt wie der Luftverschmutzung, dem giftigen Abrieb der Reifen, dem Gift im Innenraum der Wagen, der Ressourcenverschwendung bei Herstellung und Verschrottung der Wagen (in den USA gibt es sogar riesige Halden, auf denen Altreifen gelagert werden, die manchmal in Brand geraten und so die Luft zusätzlich mit Giftstoffen „anreichern“) gesellt sich natürlich auch die indirekte Beeinflussung des Landes durch den Straßenbau und den damit verbundenen Schäden an der Umwelt (von den immensen Kosten für die Allgemeinheit, diese instand zu halten, mal ganz zu schweigen). Kay führt noch diverse andere bedenkenswerte Punkte auf, die ich stichwortartig erwähnen möchte:

  • Mehr & bessere Straßen führen immer nur zu noch mehr Verkehr, noch mehr Autos
  • Autofahren fördert Aggressivität
  • Unabhängigkeit wird eingeschränkt in einem Land, in dem alles nur noch mit dem Auto erreicht werden kann. Zum Nachteil von Jugendlichen, Älteren, Kranken oder Armen, die sich kein Auto leisten können. Gerade der letzte Punkt fördert noch zusätzlich die Bildung von Ghettos und nimmt gewissen Bevölkerungsschichten Bewegungsfreiheit.
  • Autofahren ist gefährlich, nicht nur für die Fahrer, sondern auch für Unbeteiligte und die Tierwelt. Die Autorin bringt den netten (wenngleich etwas schiefen) Vergleich: jeden Tag kommen in den USA so viele Menschen bei Autounfällen um, als wenn täglich ein Linienmaschine mit 150 Personen abstürzen würde. Die Flugzeugindustrie würde bei solchen Zahlen sofort unter massiven Beschuss geraten, beim Autoverkehr wird das einfach so hingenommen.
  • Autofahren erzeugt Lärm, der wiederum viele Menschen krank macht.
  • Viele Menschen verschulden sich für ihre Autos, das sie benötigen, um zur Arbeit etc. zu gelangen.
  • Jeder US-Bürger steht viele viele Stunden seines Lebens im Stau, um von A nach B zu gelangen.

Einer der wichtigsten Punkte, den die Autorin ausführt, liegt in der durch die extreme Autoorientierung ausgelösten Änderung der ursprünglich für den Menschen gedachten Architektur – Innenstädte, in denen alles schnell zu Fuß erreicht werden kann, in der es enge Nachbarschaften gibt, werden durch Einfamilienenhaussiedlungen vor der Stadt ersetzt, die die dort wohnenden dazu zwingen, das Auto zu benutzen. Malls und Einkaufszonen werden nur noch für das Auto ausgelegt, so wie viele Gebäude, auch die großen Bürokomplexe, nicht mehr für Fußgänger gedacht sind, sondern abweisend wirken und sich lediglich zum Durchfahren eignen. Jane Holtz Kay beschreibt in ihrem Buch eine Menge Beispiele, wie sich der Baustil nach und nach dem Auto angepasst hat, von den Garagen, die Verandas ersetzt haben bis hin zu den Suburbs, in denen es nicht mal mehr Bürgersteige gibt. Das Auto dominiert hier Planung und Denken und nimmt im wahrsten Sinne des Wortes einen breiten Raum ein.

As economist Donald Shoup summed it up, „Form no longer follows function, fashion or even finance. Instead, form follows parking requirements.“ In the end the car’s horizontal needs at rest and in motion mean that architecture is car bound.

On the larger scale, city by city, suburb by suburb, we have a hard-topped nation. From 30 to 50 percent of urban America is given over to the car, two-thirds in Los Angeles. In Houston the figure for the amount of asphalt is 30 car spaces per resident. (…) On the outskirts, mall lots, defined by the needs at the most jam-packed periods of shopping at Thanksgiving or Christmas, stand empty much of the year. Ironically, this means that peak time requirements hurt rather than help the surroundings and make real estate pricier.

(…) When flattening for parking is more profitable than restoration for renting, every building, hiwever historic or attractive, becomes a lure for developers to demolish for its „highest and best“ use. Too often, this means its potential as a parking lot.

(…) Lewis Mumford predicted no less: „The right to have access to every building in the city by private motorcar in an age when everyone possesses such a vehicle is actually the right to destroy the city.“

parken-jhk

Das ehemalige Michigan Theatre in Detroit dient heute nur noch als Abstellfläche für Autos...

Dieses Thema einer Architektur, einer Stadt- und Verkehrsplanung, die alles dem individuellen Autoverkehr unterordnet und opfert, ist letztlich das Leitmotiv von Jane Holzs Kays Buch, das ich deshalb nur andeuten konnte.

Der zweite Teil des Buches beschäftigt sich dann, wie gesagt, mit der Geschichte des Automobils in den USA.Hier ist erstaunlich zu sehen, wie früh, nämlich noch vor den 20er Jahren, die amerikanischen Regierungen begonnen haben, ihre Gelder von den öffentlichen Verkehrsmitteln, von Straßenbahnen etc. weg hin zur Automobilisierung zu lenken (auch aufgrund der Wirtschaftslobby von Ford, GM & Co.). Und so gab es schon früh echte Probleme mit diesem neuen Verkehrsmittel. Bereits 1933 bemerkte ein Verantwortlicher:

„Imperceptibly, car ownership has created an ‘automobile psychology’,“ the committee noted. „The automobile has become a dominant influence in the life of the individual and he, in a real sense, has become dependent upon it.“

Teil Nummer III beschäftigt sich schließlich mit möglichen Auswegen aus dem Dilemma. Natürlich plädiert die Autorin nicht für eine völlige Abschaffung des Autos, aber sie setzt sich vor allem für einen massiven Ausbau der öffentlichen Verkehrsmittel (bei einer gleichzeitigen Beschneidung der Subventionierung der Autokultur) ein, wie er in den größeren Städten inzwischen auch wieder stattfindet. U-Bahn, Straßenbahn, Buslinien, Eisenbahn sollen Entlastung bringen. Aber gleichzeitig muss sich auch an der Stadtplanung etwas ändern – es muss wieder Gegenden geben, in denen man bequem zu Fuß oder Rad unterwegs sein kann und wo man auch die Dinge des täglichen Bedarfs findet (dies ist eine Abkehr von den Riesenmalls auf der grünen Wiese etc.). In den Staaten gibt es seit vielen Jahrzehnten das sog. „Zoning“, das bedeutet, dass in Stadtvierteln teils nur für Wohngebäude gestattet sind und Restaurants, Geschäfte etc. wiederum in anderen Quadranten liegen müssen. Für uns in Europa klingen diese Pläne und Vorschläge nicht so sonderlich innovativ, denn immerhin existiert noch ein halbwegs akzeptables Netz an Bahnlinien usw., auch wenn die Deutsche Bahn sich natürlich in den vergangenen Jahren aktiv bemüht hat, die Streckendichte zu reduzieren.

Similiarly, the quest for „efficiancy“ through privatization is a menace, luring communities to sell off transit systems to private contractors. Dedicated to private gain, these profit-makers drain what is left of mass transit’s life by maintaining what they deem the profitable commuter runs while cutting back the „off-hour“ rides that link city neighbourhoods. Moreover, the budget-cutters who hawk this public service not only fractionalize the system, slighting both rich and poor, but in the end also lose money. (…) „More often than not, the figures reveal that privatization is a money-losing position for all but the privatizers.“

Kritisch anzumerken ist an „Asphalt Nation“ sicherlich die von mir schon erwähnte Einseitigkeit. Denn tatsächlich muss man auch erkennen, dass das Auto neben den vielen Nachteilen auch gewichtige Vorteile für den Einzelnen (nicht unbedingt für die Gesellschaft) mit sich bringt, die man beim Entwickeln von Alternativen berücksichtigen muss, will man Erfolg damit haben, die Verkehrsplanung umzukrempeln. Ich empfehle zu dem Thema den Artikel „Keine Verkehrswende ohne Überwindung der Autokultur“ der Zeitschrift Streifzüge.

Jane Holtz Kay „Asphalt Nation. How the automobile took over America and how we can take it back“, Crown Publishers 1997, 418 S. (vergriffen, kann man aber für vergleichsweise wenig Geld gebraucht erwerben (z.B. bei abebooks, zvab, booklooker etc.))

Verwandte Beiträge:

Seite 37 von 59

Präsentiert von WordPress & Theme erstellt von Anders Norén