Bertelsmann und die Bertelsmann-Stiftung – die schleichende Untergrabung der Demokratie

krakeDie Auflistung all der Sender, Zeitschriften und sonstigen Firmen, die sich im Laufe der Jahrzehnte unter dem Dach des Gütersloher Medienmolochs Bertelsmann versammelt haben, ist ja eigentlich schon erschreckend genug – doch ich möchte in meinem heutigen Artikel verdeutlichen, wieso diese Marktmacht auf dem Mediensektor nicht nur zu einer Verzerrung der Meinungsbildung führt (das kann man, wie gesagt, allein schon aus der Vielzahl der Beteiligungen schließen), sondern Bertelsmann sich zudem mit der Bertelsmann-Stiftung aktiv um Stimmungsmache und Beeinflussung politischer und sonstiger gesellschaftlicher Kreise bemüht. Hier ist eine Art „Gegenmacht“ entstanden, eine in viele Lebensbereiche herein reichende Krake, die jeden freiheitlich-demokratisch gesinnten, auf Pluralität bedachten Menschen erschaudern lassen müsste.

Tatsächlich wird diese Entwicklung durchaus auch von immer mehr Menschen als Bedrohung empfunden – so findet dieses Wochenende die 4. Bertelsmann-kritische Tagung in Gütersloh statt „Zur Kritik der Staatsmodernisierung durch das Wirken von Bertelsmann in der neoliberalen Ära.” Auf der Website zu dieser Tagung, die an der sich auch Attac und verdi beteiligen, finden sich eine ganze Reihe interessanter Artikel und Texte, die das weltweite Tun des Konzerns genauer unter die Lupe nehmen, beispielsweise auch in Lateinamerika. Es wird auch auf das Informationsportal Bertelsmannkritik.de verwiesen, das eine sehr umfangreiche, fast schon erschlagend detaillierte Wissensdatenbank zu allen Bereichen, in denen sich dieses Unternehmen betätigt, zur Verfügung stellt – die gesammelte Infos gibt es auch als kompakte 106seitige pdf-Broschüre zum Download.

Wir wollen die Berechtigung der Bertelsmann-Stiftung und ihren Status der Gemeinnützigkeit in Frage stellen. Mit diesen Informationen wollen wir dazu beitragen, das eigene Unbehagen auf der Arbeit, in der Schule oder im Krankenhaus ernst zu nehmen. Sich die Widersprüche des Alltags klar zu machen ist notwendig, um aktiv werden und organisiert eingreifen zu können.

„Die Bertelsmann-Stiftung ist eine der mächtigsten Denkfabriken im Lande und als solche Leitakteur für ähnlich operierende Berater und Stiftungen. Sie greift aktiv in die Politik auf allen Ebenen von Regierungspolitik bis zur Kommune und zu Netzwerken von Einzeleinrichtungen ein. Dabei versucht sie, wesentliche Bereiche der Gesellschaft betriebswirtschaftlichen Modellen und Motivationstechniken zu unterwerfen. Die soziale Umverteilung von unten nach oben wie Hartz IV, die Gesundheitsreform, die Einführung von Studiengebühren und Studienkonten, Abwälzung gesellschaftlicher Kosten auf die Einzelnen, Unterstützung von undemokratischen kostenträchtigen Privatisierungsvorgängen sind von der Bertelsmann-Stiftung mitentwickelt worden. Ebenso greift das Bertelsmann-Institut Centrum für angewandte Politikforschung (CAP) mit Vorschlägen zur verstärkten Militarisierung und geostrategischen Ausrichtung der deutschen und europäischen Außenpolitik in die internationale Politik ein.“

518690_magazines_2Wenn man sich ein wenig im Internet umschaut, findet man vor allem abseits der Mainstreammedien (die, wie oben schon erwähnt, zu einem nicht geringen Teil ja direkt oder indirekt von Bertelsmann beeinflusst werden) jede Menge Bedenken und kritischer Kommentare zum Wirken Bertelsmanns und seiner Stiftung in unserer Gesellschaft. Ein paar möchte ich beispielhaft herausgreifen.

Hans-Dieter Hey führt in seinem Artikel „CDU will zurück ins 18. Jahrhundert“ in der Neuen Rheinischen Zeitung einige wichtige Eckpunkte des Bertelsmannschen Treibens auf:

Am 17. Oktober 2007 kam aus Gütersloh frohe Botschaft für Arbeitgeber. Die dort ansässige „Bertelsmann-Stiftung“ teilte stolz mit, dass ein von ihr selbst in Auftrag gegebener Entwurf für ein neues Arbeitsgesetzbuch von der Politik dankbar aufgegriffen wurde. „Was im Sozialrecht möglich ist, sollte im Arbeitsrecht auch möglich sein“, wurde verkündet. Die Bertelsmann-Stiftung hatte zuvor schon maßgeblich an der „Reform der Arbeitslosenhilfe und Sozialhilfe“ mitgewirkt – bekannt als Hartz IV.

(…) Bertelsmann ist nicht der nette Bücheronkel von nebenan. Die Bertelsmann-Stiftung ist ein knallharter neoliberaler Think Tank mit hohem Einfluss in der Politik. Seine Bedeutung wird offenbar immer noch unterschätzt. Der Diplom-Soziologe Steffen Roski, Mitglied im Bund demokratischer Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler(BdWi) und  bei Attac: “Die ‘Nebenregierung in Gütersloh’ wirtschaftet de facto mit öffentlichem Geld, weil der Bertelsmann-Eigentümer Mohn durch die Übertragung von drei Vierteln des Aktienkapitals auf die Stiftung gut zwei Milliarden Euro Erbschafts- oder Schenkungssteuer gespart habe und die jährliche Dividenden-Zahlung an die Stiftung steuerfrei sei. Insofern gebe sie mit ihrem Jahresetat von rund 60 Millionen Euro nicht mal annähernd soviel aus, wie sie den Fiskus koste. Der Soziologe und internationale Stiftungsforscher Frank Adloff nennt es einen unhaltbaren Zustand, dass sich die Stiftung vor keinem Parlament oder Rechnungshof für den Einsatz dieser Gelder rechtfertigen müsse.“

sender-1117294_parabolicAuf Indymedia wird die Mitverantwortung der Bertelsmann-Stiftung mit der seit einigen Jahren ablaufenden Entwicklung an deutschen Hochschulen (Studiengebühren, mehr auf direkte Verwertbarkeit der Studieninhalte für die Wirtschaft ausgelegte Studiengänge etc.) ausführlich dargelegt: „Bertelsmann und Studiengebühren: Es reicht!“:

Das von der Bertelsmann Stiftung und der HRK gegründete CHE (Centrum für Hochschulentwicklung) fordert erneut allgemeine Studiengebühren. Und sie sind nicht nur im Bildungsbereich aktiv. Es reicht! Warum Kaufen wir eigentlich noch Artikel der Bertelsmann Gruppe?

In eine Pressemitteilung von 31.10.2003 fordert das CHE erneut allgemeine Studiengebühren. Überraschen kann das eigentlich niemand: In Deutschland kommt dem Mitte der 90-er Jahre von der Hochschulrektorenkonferenz und der Bertelsmann Stiftung gegründeten Centrum für Hochschulentwicklung, das CHE, bei der neo-liberalen Umstrukturierung eine Schlüsselrolle zu. Das CHE, mit Sitz in Gütersloh, der Ort, wo sowohl die Bertelsmann Stiftung als auch der Mutterkonzern Bertelsmann ihren Hauptsitz haben, ist mittlerweile als relativ unabhängige (sie sind nur das Kapital vom Mutterkonzern Bertelsmann verpflichtet) und damit auch parlamentarische unkontrollierte Kraft, überall gut vertreten. Schon während der 23. Wahlperiode des deutschen Bundestages (1994-1998) hatte der Leiter vom CHE, Professor Detlef Müller-Böling, enge Beziehungen zum damaligen Wissenschaftsminister Jürgen Rüttgers (CDU). Rüttgers berief Müller-Böling an den runden Tisch, an dem das neue Hochschulrahmengesetz entwickelt wurde. Auch gab es Kontakte zu dem ehemaligen Bundespräsident Roman Herzog (auch CDU), unter dessen Schirmherrschaft der Initiativkreis Bildung tätig wurde. Dieser Impulsgeber des CHE sollte Vorschläge zur Erneuerung des Bildungswesens entwickeln. Auch auf Länderebene ist das CHE aktiv, so leiten sie in Niedersachsen den Wissenschaftlichen Beirat. Mit viel Geduld arbeitet das CHE an die Gewichtsverlagerung von staatlich-normativ-rechtlichen Steuerungsmedien zugunsten pekuniärer, entparlamentarisierter und kontraktualer Steuerungsmedien hin.

Wolfgang Lieb von den NachDenkSeiten referierte letzten Oktober an der Fernuniversität Hagen „Drahtzieher hinter den Kulissen – der Einfluss des Bertelsmann-Konzerns auf die Hochschulen” und geht dort mit der euphemistisch „Hochschulreform“ genannten Umbildung der Studiengänge hart ins Gericht. Wie schon beschrieben, hat die Bertelsmann-Stiftung bei dieser Entwicklung seine Hand sehr wesentlich mit im Spiel.

An die Stelle der Reflexion des Stoffes und der selbständigen systematischen Erarbeitung und Anwendung wissenschaftlicher Methoden auf neue Fragestellungen ist der „workload“ getreten, also der Arbeitsaufwand für das Lernen gemessen in Zeiteinheiten zum Erwerb von „Kreditpunkten“. Die „hohen Schulen“ wurden zu Ausbildungs-Fabriken.

Die Masse der Studierenden wird künftig durch ein Kurzstudium geschleust, der Übergang zu einem „wissenschaftlichen“ Master-Abschluss steht nur noch einem kleinen Teil der Studierenden offen. Der Bologna-Prozess wird als Selektionsinstrument eingesetzt und entpuppte sich als Sparprogramm zu Lasten der Studierenden.

(…) An die Stelle einer der Gesellschaft und der Allgemeinheit verpflichteten demokratisch verantworteten Forschung und Lehre ist die „unternehmerische“ Hochschule getreten, die durch die Gesetze des Wettbewerbs auf dem Wissenschafts- und Ausbildungsmarkt gesteuert werden soll. Steuerzahler und Parlamente werden zu Zahlmeistern degradiert, die die Hochschulen zwar noch weit überwiegend „bezuschussen“ dürfen, aber alle wesentlichen Entscheidungen treffen Hochschulräte, die als eine Art Aufsichtsrat die „Fachaufsicht“ über die Hochschulen führen.

„Manager erobern die Kontrolle an den Unis“ schreibt unverblümt das Handelsblatt vom 12. Oktober 2007, denn die externen Mitglieder der Hochschulräte kommen weit überrepräsentiert aus Unternehmen und Unternehmensverbänden.

Auf Duckhome berichtet Jochen Hoff in „Die Krake MohnBertelsmann fasst fester zu“ über die weitere Ausbreitung des Konzerns über seine 100%-Beteiligung an Arvato u.a. auch auf webmiles, das Payback-System (geplant) und den Adressenvertrieb AZ Direct, mit den entsprechenden Implikationen für die Informationsfülle, die sich fortan in Gütersloh ansammelt.

Eine Vielzahl von kritischen Quellen und Berichte (u.a. von Heise/Telepolis), anhand derer man sich noch weiter zur Bertelsmann-Problematik informieren kann, hat auch Grilleaus Blog zusammengetragen – wem das hier also alles noch nicht reichen sollte, kann sich von weiteren Artikeln erschüttern lassen.

Ansonsten kann ich jedem nur empfehlen, sich möglichst den Produkten aus dem Hause Bertelsmann zu enthalten (siehe die Liste zu Beginn) und insbesondere dem, was in dessen Medien in die Landschaft geblasen wird, nicht unbedingt zu trauen (RTL sendet beispielsweise eh nur Murks ohne Inhalt – das ist BILD mit Ton…).

Nachtrag vom 27.1.2009: Wolfgang Lieb von den NachDenkSeiten hat auf der Bertelsmann-kritischen Tagung wiederum einen, wie ich finde, sehr spannenden Vortrag gehalten – „Das Centrum für Hochschulentwicklung und die Hocchschulreformen“:

Mohn und mit ihm die Bertelsmann Stiftung vertreten eine Art deutschen Sonderweg in die wirtschaftsliberal globalisierte Welt, der auf eine korporatistische Unternehmenskultur setzt,

  • der den Sozialstaat als überdehnt oder gar überholt betrachtet
  • und der eine über den Wettbewerb hergestellte Effizienz als Steuerungsinstrument an die Stelle von Mitbestimmung und demokratischer Gestaltung setzen will

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Der Public Eye People’s Award 2009

public-eye-awards-logo2009Auf diese interessante Preisvergabe möchte ich Euch doch noch unbedingt hinweisen – den Public Eye People’s Award 2009, ein Gemeinschaftsprojekt der Erklärung von Bern und von Greenpeace.

Zusammen zeigen wir den Akteuren der Weltwirtschaft, dass menschen- und umweltverachtende Geschäftspraktiken Konsequenzen haben für die davon Betroffenen, aber auch für das Firmenimage. Die übelsten Unternehmen des Jahres erhalten Schmähpreise, die vorbildlichste Initiative wird mit dem Public Eye Positive Award geehrt.

HIER dürft Ihr noch bis zum 27. Januar mit abstimmen, wer „ausgezeichnet“ werden soll – die nominierten Firmen sind Nestlé, UBS, Tesco, bkw energie, Newmont Mining und BNP Parisbas. Auf der Website könnt Ihr Euch über die Hintergründe, die zu der Nominierung durch die Jury geführt haben, näher informieren. Zum Beispiel über Newmont Mining:

Die Newmont Mining Corporation im Goldrausch: Im Osten Ghanas möchte das amerikanische Bergbauunternehmen eine riesige Goldmine errichten und dabei ein einzigartiges Waldgebiet zerstören. Trotz lokaler und internationaler Proteste bleibt die Newmont Mining Corporation jedoch blind gegenüber den sozialen und ökologischen Folgen ihrer Goldgier: Wenn das Mammutprojekt realisiert wird, verlieren rund 10’000 Kleinbauern ihr Land, Tausende von Menschen werden zwangsweise umgesiedelt. Von einer angemessenen Entschädigung will der Konzern jedoch nichts wissen. Im Juli 2008, vor einer öffentlichen Anhörung zum Projekt, zahlte Newmont einflussreichen Dorfvorstehern hohe Geldsummen. Um Gold zu gewinnen, setzt der Konzern auf Zyanid. Durch diese Art des Abbaus entsteht giftiges Abfallgestein, das sowohl die Böden als auch die Flüsse massiv verschmutzt. In einem derart kontaminierten Gebiet ist es unmöglich, Landwirtschaft zu betreiben, und das in einem Land, in dem über 60% der Menschen von der Landwirtschaft leben. Auch die einzigartige Tier- und Pflanzenwelt Ost-Ghanas ist bedroht, wenn das geschützte Waldgebiet wie geplant zerstört wird.

Von ähnlichem Kaliber sind auch die anderen Firmenprofile, d.h. wen Ihr auch wählt, es trifft auf jeden Fall ein Unternehmen, das es sich „redlich“ verdient hat. :-) [via]

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Eine Stadt für die Menschen

Manchmal, wenn ich so durch Kiel gehe, vorbei an den komplett mit Automobilen zugestellten Straßenrändern, mich zwischen peinlichen Geländewagen hindurchquetsche und den niemals, nicht mal Nachts, enden wollenden Verkehrslärm auszublenden versuche, steigt ein wunderlicher, gar wundersamer Gedanke in mir auf: wie wäre es wohl, wenn unsere Städte nicht um die Autos herum errichtet wären? Wenn sich die Infrastruktur nicht primär danach richtete, wie man möglichst schnell von A nach B fahren kann? Wenn all das hässliche, aufdringliche Blech auf vier Rädern, das 24 Stunden nonstop das Stadtbild bestimmt, nicht da wäre und man demzufolge auch keinen „Parkraum“ benötigt? Kurz: wie sähe eine „Stadt für die Menschen“ aus? Diese Frage stellte sich unlängst auch der Stuttgart Blog – anhand eines Dokumentationsbandes über Stuttgart im letzten Jahrhundert. Bis in die 1930er Jahre hinein war die Stadt nämlich autofrei, was sich auch direkt in der Architektur niederschlug:

stuttgart-bopser_400Die Menschen haben sich zu Fuß, mit dem Fahrrad oder mit der (in nahezu jeder Straße vorhandenen) Straßenbahn fortbewegt und das hat funktioniert. Die Räume zwischen den Häusern (heute besser als Straßen bekannt) war für die Menschen da und nicht für die Autos. Große Plätze wie z.B. der Charlottenplatz oder der Österreichische Platz waren keine stinkenden Verkehrsknotenpunkte, sondern Plätze, auf denen sich Menschen aufhielten und lebten.

Doch plötzlich kam das Auto. Irgendwann nach dem Krieg wurde das plötzlich modern, dass sich jeder mit seinem eigenen Fahrzeug fortbewegen kann. Obwohl wir heute wissen, dass diese extrem teure, laute, gefährliche, antiquierte Form des Individualverkehrs die Luft verpestet und die Lebensqualität enorm einschränkt, ist die Stadt seit dem Durchbruch dieser „Technologie“ vollkommen auf das Auto fixiert. Menschen werden an den Straßenrand bzw. auf die wenigen verbleibenden und somit völlig überlaufenen Fußgängerzonen verbannt. Ist die Zeit denn nicht reif für eine Art Rückbesinnung bzw einen weiteren Schritt, was den Personenverkehr in der Stadt betrifft?

(…) Natürlich muss es ausgereifte Alternativkonzepte geben, und ich bin mir sicher, dass sich in diesem Bereich schon viel getan hätte, wenn die Autoindustrie keine so bedeutende Rolle in Politik und Wirtschaft inne hätte, um die Existenz dieser eigentlich antiquierten Verkehrsform aufrecht zu erhalten.

Tja, doch die Realität sieht leider anders aus. Das jüngst „geschnürte“ Konjunkturpaket II enthält weitere Maßnahmen zur Stützung und Stärkung dieser Fetischindustrie – die Vorstellung, dass die dort genannte Abwrackprämie für Altautos z.B. nur dann gezahlt werden würde, wenn man sein Auto ganz abschafft (und nicht einen Neuwagen kauft), ist in diesen Zeiten, bei dieser Regierung, natürlich illusorisch, wenn nicht gar ketzerisch. (Die Frankfurter Rundschau schlug kürzlich ein ausgewogeneres Konjunkturpaket vor, nämlich ein „Programm für wahrhaft Bedürftige“.)

Übrigens gibt es tatsächlich Orte auf der Welt, wo der Rückbau von Straßen/Autobahnen keine Utopie, sondern Realität ist – nämlich in Seoul. In „Es gibt keine Zukunft ohne Umwelt“ beschreibt Prof. Hermann Knoflacher, dass dem Autoverkehr nicht überall alles geopfert wird (siehe dazu auch seinen Artikel „Der Einfluss des Autos auf die Stadt“):

Der jüngst gewählte Präsident von Südkorea hat die Zeichen der Zeit schon vor Jahren erkannt, als er noch Bürgermeister von Seoul war. Die 5,8 km lange Autobahn mitten durch die Stadt hätte saniert werden müssen. Er entschied sich, der Stadt wieder Leben zu schenken und die lokale Wirtschaft zu unterstützen. Die Autobahn war nicht die Lebensader der lokalen Wirtschaft, sondern strangulierte diese. Also wurde beschlossen, sie um der Zukunft willen abzureißen.

(…) Unsere Politiker, die der Bevölkerung neue Fahrbahnen versprechen, merken wahrscheinlich gar nicht, dass sie damit den Menschen die Türen in die Zukunft verbauen. Wer diese Politiker wählt, darf sich nicht wundern, wenn er und seine Kinder immer weniger Freiheit und Chancen im Leben haben werden.

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„Notleidende Banken“ zum Unwort des Jahres 2008 gewählt

Da hat die alljährlich tagende unabhängige Jury von Journalisten und Sprachwissenschaftlern genau das richtige Un-Wort 2008 erkoren: „Notleidende Banken“. Ein Begriff, der die Realität verdreht und verharmlost. Denn notleidend sind nicht die „armen“ Banken, sondern allenfalls die etwaig gefeuerten Mitarbeiter. Und betroffen sind die Kunden, die um ihre Einlagen gebracht wurden. Und die Gesellschaft als Ganzes, die nun für die Unfähigkeit dieser Branche bürgen muss und all die Jahre zuvor auch schon unter den absurden Renditevorgaben der Finanzinstitute zu leiden hatte. Schließlich arbeitet Geld (entgegen den Reklamesprüchen) nicht – andere Menschen/Firmen = wir alle müssen arbeiten und immer noch eine Schippe drauflegen, damit sich das angelegte Geld vermehrt und die Banken ihre Ausschüttungen vornehmen können. Und nun soll das Casino ja mit Hilfe des Staates unverändert fortgeführt werden. Schönen Dank. („Notleidende Kredite“ halte ich übrigens für noch unwortiger…)

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Was ist eigentlich Culture Jamming? Und was soll Adbusting?

Angesichts der Tatsache, dass ich in meinem Konsumpf-Blog schon des Öfteren von Culture Jamming und Adbusting geschrieben, diese Begriffe aber noch gar nicht explizit gewürdigt habe, möchte ich mich an einer kleinen persönlichen Definition dieser beiden Begriffe/Konzepte versuchen.

1abtvDer Ausdruck „Culture Jamming“ stammt ursprünglich aus den 80er Jahren und wurde erstmalig von der (sozialkritischen) amerikanischen Band Negativland verwendet. Einen größeren Bekanntheitsgrad erreichte CJ, als Kalle Lasn in Kanada das Adbusters Magazine als „Culturejammer’s Headquarters“ gründete und das Buch „Culture Jamming“ veröffentlichte, in welchem er die neue Bewegung in Bezug zu den französischen Situationisten um Guy Debord („Die Gesellschaft des Spektakels“) setzt. Einige Jahr vor diesem Buch 1993 brachte Mark Dery in seinem Artikel „Culture Jamming: Hacking, slashing and sniping in the empire of signs” den Begriff einem größeren Publikum dar.

Culture Jamming, das bedeutet direkt übersetzt das Blockieren, Stören, Verkleben der Kultur. Wobei unter Kultur hier insbesondere die Zustände verstanden werden, die unser Leben der Durchökonomisierung und Kommerzialisierung zuführen, d.h. alles rund um das Hamsterrad aus permanenten Produzieren und Konsumieren. Culture Jamming ist somit natürlich immer auch Konsumkritik. Aber Culture Jamming geht darüber und über bloßen „nachhaltigen“ oder „politischen“ Konsum hinaus und beinhaltet, was nur folgerichtig ist, auch einen sehr kritischen Blick darauf, welche Inhalte und Weltbilder uns in den Medien rund um die Uhr vermittelt werden. Das Augenmerk ist zudem auf die demokratische Entwicklung gerichtet, die durch Marktmachtkonzentration (u.a. im Mediensektor) bedrängt und gefährdet wird. Das heißt, Fernsehkritik ist ebenfalls elementarer Bestandteil des CJ, da die Berieselung mit den bunten Bildern die Menschen sediert und zu passiven Empfangssubjekten von inszenierten Spektakeln degradiert. Und Culture Jamming ist nicht zuletzt ganz klar Werbekritik. Sowohl an einzelnen Kampagnen, die ein krankes Menschenbild vermitteln oder schädliche Produkte schönfärben, sprich: den Betrachter hinters Licht führen und zum Konsum animieren wollen. Wie auch an der grundsätzlichen Beeinflussung der Bürger=Konsumenten durch die Reklameindustrie, Stichwort „Mindfuck“.

Culture Jammer wollen mit ihrem Tun also letzten Endes erreichen, dass aus stumpfen, willigen Konsumenten wieder (oder erstmalig) wache Bürger werden, dass Menschen beginnen, das zu hinterfragen, womit sie tagein, tagaus bombardiert werden, dass sie ihr eigenes Hirn einschalten und sich auch gegen die stetig voranschreitende Usurpierung des gesamten (öffentlichen) Lebens durch den Kommerz zur Wehr setzen. Gleichzeitig soll die Macht der Konzerne, die in immer mehr Lebensbereiche hereinragt, gestoppt und gebrochen werden. Runter von der passiven Fernsehcouch, Schluss mit dem resignierten Schulterzucken und statt dessen selbst aktiv werden, so lautet das Motto.

marlboro-countryEine Methode, dies zu erreichen, ist das sog. Adbusting. Hier werden Produktanzeigen kreativ verändert, entstellt und die Werbebotschaften teils in ihr Gegenteil verkehrt, um das, was hinter der schillernden bunten Werbefassade steckt, zum Vorschein zu bringen. Mit den Mitteln der Parodie und Ironie wird der stete Strom der systemformenden und -bestätigenden Symbole und Aussagen unterbrochen und mit neuen Inhalten gefüllt, die in der Regel näher dran an den tatsächlichen Hintergründen der materiellen Gesellschaft sind (sog. „SpoofAds“). Ziel ist es also, den Betrachter zu verwirren, aus den gewohnten Bahnen zu schubsen, sein Sehen zu deautomatisieren und dazu zu bringen, kritischer an das heranzugehen, was ihm die Dödel aus den Marketingabteilungen weismachen wollen. Hierin steckt ein gewaltiges subversives Potential, u.a. da den Rezipienten solcher Adbustingaktionen oft nicht bekannt ist, von wem diese stammen und worin die genaue Absicht der Verwirrung besteht. Wie bei einer Guerilla-Bewegung wird gerne aus dem Hintergrund agiert und agitiert.

absoluteonice-previewSehr gut beschriebene, nachvollziehbare Einführungen in das Phänomen Culture Jamming/Adbusting bieten auch diese beiden Artikel, die ich Euch besonders ans Herz legen möchte:

  • Marc Alexander Holtz. „Mindfuck nach Till Eulenspiegel“ (einmal in der Version auf seinem persönlichen Blog, und dann in einer überarbeiteten Fassung auf Info-Parkour). Als vernünftig gesetztes, fehlerbereinigtes pdf könnt Ihr Euch den Artikel HIER herunterladen. Und als mp3-Podcast (gesprochen von Henriette Carla Schrader & Marc Alexander Holtz) HIER.

Werbegegner nehmen sich das Recht auf Werbung zu antworten. Die Idee ist es, Konsumenten zu der Erkenntnis zu verhelfen, dass er wenig bis gar nichts darüber weiß, was „wirklich“ ist. Es geht um die generelle Sensibilisierung des eigenen Geistes, um richtige von falschen, wichtige von unwichtigen Informationen unterscheiden zu können.

  • Christoph Behnke. „Culture Jamming und Reklametechnik“ (europäisches institut für progressive kulturpolitik). Eine eher mit gewissem wissenschaftlichen Anspruch geschriebene Abhandlung, in der es auch um Erfolgsaussichten und eventuelle Widersprüche im CJ geht.

Wir wollen im folgenden zwei Praktiken des Culture Jamming analytisch unterscheiden: eine interne Strategie, die ihre Praktiken insbesondere an den vorhandenen Formen der Reklametechnik ausrichtet und dort eine ganze Bandbreite von Themen ‘alternativ’ kommuniziert wie Alkoholmissbrauch, Tabakmissbrauch bis hin zu politischen Fragestellungen im Kontext der Globalisierung, Stichwort ‘No Logo’. Dem steht gegenüber ein externer Gebrauch des Culture Jamming, wo die Technik der Kommunikation, die Aufmerksamkeitsökonomie selbst zum Gegenstand der Auseinandersetzung wird, wo also eher der „Triumph der Reklame in der Kulturindustrie, die zwanghafte Mimesis der Konsumenten an die zugleich durchschauten Kulturwaren“ unterlaufen werden soll, indem z.B. die Zerstreuung als dominante Rezeptionsform ausgeschlossen wird. Diese Praktiken entstehen naturgemäß im Kunstfeld.

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Weise Worte (4)

„Wenn Unternehmen vom Gewinnzwang befreit wären, würde auch der Dauerterror der (manipulativen) Werbung gelindert. Das allgegenwärtige Drängen und Auffordern zum Kaufen und Konsumieren würde nachlassen. Mit einem beachtlichen Nebeneffekt: Nicht wenige Preise würden sinken. Denn manche Branchen geben bis zu einem Drittel ihres Umsatzes für Werbung und Marketing aus, zum Beispiel die Pharmabranche. (…) In einer gemeinwohlorientierten Wirtschaft würden alle relevanten Informationen auf den Produkten aufscheinen oder wären auf andere Weise leicht zugänglich, weil es das innerste Anliegen der Unternehmen wäre, die KonsumentInnen möglichst gut zu behandeln, dazu gehört auch: möglichst sachgerecht über Produkte zu informieren. Fällt das Gewinnstreben weg, sinkt der Anreiz, die KonsumentInnen zu belügen, und die Motivation, sie zu informieren, steigt.“

– Christian Felber, „Neue Werte für die Wirtschaft“ (2008)

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Werbung gegen Realität, Teil 9: AWD

Irgendwie scheint diese Woche meine Woche der Kritik an der Finanzwirtschaft zu sein – denn heute möchte ich ein wenig näher auf den Allgemeinen Wirtschafts-Dienst (AWD) eingehen. In der eigenen Reklame stellt sich der „unabhängige Finanzoptimierer“ AWD natürlich als seriös, ausschließlich kundenzentriert und kompetent dar und behauptet, „auch in der Werbung Spitzenreiter“ zu sein. Diese Werbespots zeigen ausschließlich glückliche, entspannte Menschen, die quasi nur Dank der tollen Beratung dieser Firma ruhig schlafen und ihr Leben genießen können. Die Wirklichkeit sieht aber leider in manchen Fällen ganz anders aus, wie N3 in seiner Sendung Markt Anfang der Woche schilderte – „Abgezockt: Kleinanleger um Altersvorsorge gebracht“:

Er gehört zu Europas größten Finanzdienstleistern: AWD mit Sitz in Hannover. Rund 6.000 Mitarbeiter vertreiben Lebensversicherungen oder Geldanlagen zur Altersvorsorge. Doch die Praktiken des AWDs sind umstritten: Verbraucherschützer warnen vor aufdringlichen Verkaufsmethoden. Dass dahinter noch ein anderes System steckt, berichten ehemalige Mitarbeiter. Der AWD hätte sie in die Schuldenfalle getrieben.

Hintergrund ist das AWD-eigene Honorarsystem: die sogenannte Linearisierung. Handelsvertretern werden Provisionen auf Vorschussbasis gezahlt. Werden sie hinterher nicht ins Verdienen gebracht, müssen sie zurückgezahlt werden.

(…) Und diese Produkte sind hochriskant und in der Regel nicht geeignet für Kleinanleger, das Hauptklientel von Finanzdienstleistern wie dem AWD. Wirtschaftsdetektiv Medard Fuchsgruber beobachtet seit Jahren den AWD und weiß, dass in den Ruin getriebene Kunden keine Einzelfälle sind.

Tatsächlich existiert inzwischen sogar ein eigenes Forum der AWD-Aussteiger, der Verein der ehemaligen AWD-Mitarbeiter e.V. Dies zeigt, dass es sich bei den Vorfällen beileibe nicht nur um einige bedauerliche Einzelfälle zu handeln scheint.

Bereits vor zwei Jahren berichtete der Hessische Rundfunk in „Vorsicht! Abzocke: Schlecht beraten. Wie Finanzdienstleister arbeiten“ über mehrere Fälle, in denen allen vollmundigen Werbeversprechungen zum Trotz vor allem Rentner von AWD-Vertretern zu Abschlüssen gedrängt wurden, die ihren Bedürfnissen absolut nicht entsprachen bzw. deren Risiko ihnen verschwiegen wurde. Wie fast immer zeigt sich auch hier, dass man auf die glamourösen Reklamebehauptungen der Konzerne, die diese großspurig im Fernsehen und anderen Massenmedien herauströten, besser nichts geben sollte.

Für diejenigen, die ihr Geld lieber sinnvoll, ökologisch und ethisch angemessen anlegen wollen, hat die taz unlängst sieben nachhaltige Tipps zur Finanzkrise veröffentlicht: „Bleiben Sie flüssig und sauber“ – absolut lesens- und vor allem natürlich auch nachahmenswert!

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Werbung schadet (3): Ressourcenverschwendung

Nachdem ich im ersten Teil meiner „Aufklärungsserie“ über die Schädlichkeit von Werbung über die Auswirkungen auf die Sprache und im zweiten Teil über die unselige Verquickung von Reklame und Redaktionellem berichtet habe, möchte ich heute – passend zu den grünen Suchmaschinen gestern – kurz auf die negativen Konsequenzen des Werbetreibens für die Umwelt und den Gesamtplaneten eingehen.

Bereits ein einfacher Blick in den eigenen Briefkasten macht uns jeden Tag den Wahnsinn des Reklameterrors deutlich: bei den meisten von uns dürfte dort mehr Werbung als eigentliche Post zu finden sein. Womit der erste, sichtbarste Teil der Ressourcenvergeudung direkt vor uns liegt: die Papier- und Plastikverschwendung. Dazu der Einsatz der ganzen Chemikalien, damit die Flyer und Prospekte so schön bunt sind, sowie die für den Prospektdruck notwendigen Energie. Zudem muss die Post deutlich mehr Kapazitäten bereit stellen (also mehr Volumen transportieren, woraus wiederum ein gesteigerter Treibstoffeinsatz resultiert) als in einer Welt ohne diese Wurfsendungen. (Übrigens, ein Eintrag der eigenen Adresse in sog. Robinsonlisten reduziert unerwünschte Post signifikant und schont somit auch die Umwelt.)

Die Initiative „Mach’s grün“ hat einmal durchgerechnet, was allein der deutsche Prospektmist alles so verschling5: 33 kg an Postwurfsendungen erhält jeder Deutsche durchschnittlich im Jahr, das ergibt 2.7 Mio gefällte Bäume, um das Werbematerial für ganz Deutschland zu produzieren – was wiederum 1.157 Millionen kWh Strom verbraucht, 455.400 Tonnen CO2 freisetzt und die Verschmutzung von 4,62 Milliarden Litern Wasser mit sich bringt. Unglaubliche Zahlen.

fussgaengerzoneDazu kommt beispielsweise auch die Energieverschleuderung für Werbetafeln und sonstige Leuchtreklame – dagegen treten inzwischen sogar regelrechte Aktivistengruppen ein, wie die französischen Clan du Néon, die nachts durch die Städte ziehen und Neonwerbung einfach ausschalten (siehe auch den Schreibmaschine-Blog). Genauso nutzlos sind auch die von vielen Firmen verteilten kleinen „Werbegeschenke“ (die z.B. Bestellungen bei Versandhäusern beiliegen) – meist billiger Plunder, der entweder sofort weggeschmissen wird, unbenutzt herum liegt oder nach wenigen Anwendungen kaputt geht. Was sich allein hier an Rohstoffen etc. einsparen ließe! Natürlich wird auch im Entstehungsprozess eines Flyers o.ä. so einiges an Ressourcen vergeudet – mindestens schon mal die kreative Energie und die Lebenszeit einer ganzen Reihe von Menschen. Denn statt etwas Sinnvolles zu produzieren, das den Menschen nützt oder sie wenigstens erfreut, werden nur Kampagnen und Anzeigen erdacht, die die meisten von uns in der Regel nerven und die dazu dienen sollen, dass wir noch mehr kaufen und konsumieren. Somit ist Reklame das Schmieröl in dieser wahnwitzigen Maschine des stetig zu steigernden Gewinns und der immer weiter anwachsenden Produktion, die irgendwann zur Katastrophe führen muss – ergo trägt Werbung ganz direkt zur schleichenden Zerstörung der Umwelt und der Gesellschaft bei.

Eine weitere wichtige Ressource, die in rauen Mengen in diesen Apparat gepumpt wird, darf ebenfalls nicht vergessen werden: das Geld! Schätzungen gehen davon aus, dass inzwischen weltweit jedes Jahr die unfassbare Summe von über 400 Milliarden US$ für Reklame ausgegeben wird – bereits ein kleiner Teil davon würde genügen, um viele wirklich wichtige Probleme auf der Erde zu bekämpfen, wie Hunger, Seuchen, Bildungsnotstand etc. Ist es nicht pervers, dass die Verbraucher diese immensen Kosten dann wiederum durch höhere Produktpreise selbst bezahlen, und das, obwohl die meisten Menschen gar nicht mit den perfiden, verlogenen Reklamebotschaften beschallt und bedrängt werden wollen? Somit finanzieren wir – überspitzt formuliert – also unseren eigenen Henker.

Die Werbewirtschaft hat 2001 einen Umsatz von 32 Mrd. Euro und kostet jeden Einwohner Deutschlands einen auf die Produkte aufgeschlagenen Betrag von 400 Euro. Tendenz steigend. [Quelle]

>> Teil 1: Die Versaubeutelung der Sprache
>> Teil 2: Die untrennbare Vermischung von Reklame und Redaktionellem
>> Teil 2b: Medienmanipulation durch Werbeentzug
>> Teil 4: Die Verschandelung des öffentlichen Raums und die Durchkommerzialisierung des Alltags

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Nachtrag zu Google/Scroogle sowie: sind Spammer mit Schuld am Klimawandel?

bild-5Kurzer Nachtrag zu meinem Google/Scroogle-Beitrag von vorhin – es gibt sogar tatsächlich auch „grüne“ Suchmaschinen. Zum einen Forestle, die mit Yahoo zusammen arbeiten und dort für jeden Klick, den ein User auf eine der Ads an der Seite tätigt, eine Spende an The Nature Conservancy zum Erhalt von Regenwald leisten. Pro Suche sollen so durchschnittlich (schließlich klickt nicht jeder auf die Textwerbeeinblendungen an der Seite) 0,1 Quadratmeter Regenwald gerettet werden. Hier steht, wie es funktioniert (siehe dazu auch den Beitrag von Spreeblick).

Die Suchmaschine Znout arbeitet mit den Google-Ergebnissen und will den Energieverbrauch und damit CO2-Ausstoß verringern kompensieren, der durch die Internetnutzung entsteht. Zum Ausgleich werden Zertifikate für erneuerbare Energien erworben (wobei nicht ganz klar wird, woher das Geld dafür eigentlich kommt; vermutlich auch durch die Klicks auf die AdWords).

Eine ausführlichere Übersicht zum Thema „grüne Suchmaschinen“ und eine Liste mit möglichen Alternativen hat gestern auch der Markus Trumann zusammengestellt (habe ich eben erst gesehen, so ein Zufall).

Und weil’s so gut zum Thema Energieverbrauch durchs Netz passt – die verdammten Spammer sind nicht nur durch ihre Penetranz eine Pest, sondern verschwenden auch ungeheure Mengen an Ressourcen, wie man hier nachlesen kann:

Viele Leute schalten aus diesem Grund ihre Computer am Arbeitsplatz überhaupt nicht mehr aus, da sie am Morgen nicht 30 Minuten Zeit haben die Spam Welle auszusitzen. Somit ist es klar, dass Spammer und Virenversender nicht nur einen volkswirtschaftlichen Schaden wegen erhöhter Kosten anrichten sondern auch noch unsere Umwelt aufs ärgste schädigen. Ein Grund mehr dem Spam den Kampf anzusagen – finden Sie nicht auch?

Ihr einfacher Beitrag zum Umweltschutz: kaufen Sie nicht bei Spammern. Wenn diese damit nicht verdienen, dann stellen sie die Aktivitäten ein.

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Scroogle – Google ohne Kommerz und ohne Spuren im Netz zu hinterlassen

scrooge3Es gab einmal eine Zeit, da galt Google als das kleine, sympathische Außenseiterunternehmen, das angetreten war, den großen, marktbeherrschenden Suchmaschinen von Yahoo! (und MSN) das Fürchten zu lehren. Tatsächlich schaffte Google es in wenigen Jahren, Yahoo! vom Thron zu stoßen und sich damit selbst an die Spitze des Feldes zu setzen. Seitdem hat Google einen Marktanteil von an die 90% erreicht und besitzt damit quasi eine ähnliche Monopolstellung wie Micro$oft bei den Betriebssystemen. So viel Marktmacht löst nicht nur bei mir ein ziemliches Unbehagen aus, denn wenn ein Konzern die Spielregeln bestimmen kann, geht das in der Regel zu Lasten von Vielfalt und Freiheit (und im Falle von Microsoft-Produkten eindeutig auch zu Lasten der Qualität). Und so hört man immer öfter darüber, dass Google Daten der User beim Benutzen ihrer Dienste mit übertragen lässt und somit eine Art Surfprofil anlegen kann. Da klingeln natürlich auch beim Thema Datenschutz die Alarmglocken. Und nicht nur nur bei mir – Mehmet Toprak schrieb am Mittwoch in der eWeek EuropeGoogle: Der stille Skandal“:

An die Übermacht von Google hat sich die Internet-Branche weltweit gewöhnt. Das ist ein Fehler. Denn die Risiken sind beträchtlich. Auch für Unternehmen. (…)

(…)  Früher war eine Suchmaschine dazu da, das Internet nach Informationen zu durchsuchen. Heute hat sich das Verhältnis umgedreht. Das Internet ist zum Diener Googles geworden. Unternehmen, die von ihrer Web-Präsenz leben, sind darauf angewiesen, im Google-Ranking gut abzuschneiden. Wer da nicht mit allen Tricks arbeitet und unter den Top 10 bei den Suchanfragen landet, kann den Laden gleich dicht machen. Folglich werden auch die Inhalte mit Keywords, passenden Schlagzeilen und anderen Tricks immer mehr fürs Google-Ranking zurechtgebogen. Dabei bleiben Qualität und Unabhängigkeit vielfach auf der Strecke.

Das meistgehörte Wort in den Besprechungsräumen vieler Unternehmen ist heute »Google«. Als Unternehmen ist man praktisch gezwungen, seine Web-Präsenz auf dem Google-Marktplatz auszurichten. Dem weltweiten Marktplatz der Informationen, dessen Spielregeln von einem einzigen Unternehmen bestimmt werden. Wem da nicht gruselt …

Es gibt aber zum Glück neben den anderen kommerziellen Anbietern auch Alternativen – so z.B. Scroogle, die sich zur Aufgabe gemacht haben, die eigene IP-Adresse bei der Suchanfrage an Google wegzufiltern. Zu den Vorteilen gehören: * ohne Werbung * ohne Übertragung der IP * ohne Platzierung eines Cookies * ohne langfristige Speicherung der Suchanfragen [via] / zur deutschen Suchmaske von Scroogle Wer nicht auf Googleverzichten mag, jedoch die GoogleAds ausblenden (und auch andere Dienste in seine Suche mit einbeziehen) möchte, kann dies übrigens mit der schönen kostenlosen Firefox-Erweiterung CustomizeGoogle tun.

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