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Werbung schadet (4): Die Verschandelung des öffentlichen Raums und die Durchkommerzialisierung des Alltags

In meiner kleinen Aufklärungsserie „Werbung schadet“ möchte ich heute auf zwei eng miteinander verwobene Sachverhalte eingehen, die zu den vielen negativen Seiten der Reklame(industrie) zählen. Zunächst wäre da die Verschandelung des öffentlichen Raums, über die ich in meinem Blog ja schon des öfteren referiert habe (siehe den Artikel „Du kannst uns nicht entkommen” aus der ZEIT oder meinen Beitrag „Ban Billboard Blight – Kampf den Werbeplakaten” über den wachsenden Widerstand an der Zuplakatierung der Städte) – immer mehr ehemals freie Flächen dienen der Produktanpreisung und Präsentation einzelner Konzerne und lassen ihre unermüdlichen Konsumbotschaften pausenlos auf die Menschen einströmen. So manch einer merkt es vermutlich kaum noch bewusst, wenn er durch eine mit Schildern, Logos und Reklame zugepflasterte Innenstadt geht, und auch in den Geschäften (z.B. Supermärkten) wird ja meist weiter um die Aufmerksamkeit mit bunten Aufstellern und von den Marketingheinis ersonnenen Dumpfsprüchen gebuhlt. So wird die kommerzielle Propaganda der Firmen zu einem stetigen Hintergrundrauschen unseres Lebens – kunstvoll (und bedrückend) visualisiert durch den Kurzfilm „Kapitaal – Walking through a branded city“:

In „Die Allgegenwart der Werbung“ hat sich der Unser täglich Spam-Blog mal die Mühe gemacht und eine erschreckend lange (sicherlich immer noch unvollständige) Liste der Orte gemacht, an denen uns die Reklame im Alltag inzwischen überall begegnet (Ihr könnt sie dort im Beitrag selbst nachlesen) – spätestens dann wird das Ausmaß des Reklameproblems deutlich: man kann ihr an kaum einem Ort noch entkommen.

Der Aufwand, mit dem zurzeit Werbung betrieben wird, ist monströs. Er muss es auch sein, da mithilfe der Werbung eine große psychische Kraft im Individuum unten gehalten werden muss. Die meisten Menschen, die ehrlich zu sich selbst sind, werden unter „Selbstverwirklichung“ etwas deutlich anderes verstehen als die Reduktion des eigenen Selbstes auf das Dasein eines Konsumtrottels. Der Zweck der Werbung ist die Unterdrückung der Lust an der und am Ausleben der eigenen Persönlichkeit, das Ziel der Werbung ist kaufender Konformismus durch genormte, in gut behandelbare Zielgruppen passende Kunden. Jeder industriell produzierte Tinnef wird mit Hilfe der Werbung mit einer psychischen Kraft aufgeladen, die aus sehr persönlichen und gut unterdrückten Quellen stammt und über dieses Vehikel an den Kauftrottel gebracht — als Surrogat für ein wirkliches Leben.

bild-1Und die Kommerzialisierung schreitet schier unaufhaltsam voran – früher spielten Bands noch in der Ostsehalle Kiel, jetzt in der Sparkassen-Arena. „Meine“ Arminia aus Bielefeld kämpfte ehedem auf der Alm gegen den Abstieg, jetzt in der profanen SchücoArena. Der Sprusko-Blog (mit seinem die Kommerzmalaise gut zusammenfassenden Motto „Schund produzieren, um Schund zu konsumieren“) erstellte vor einiger Zeit seine „Top Ten der besonders bescheuerten (um)benannten Veranstaltungsorte“, und ließ darin keinen Zweifel, was er von dieser neuen Unsitte hält: nämlich nichts. Denn nicht nur vergewaltigen Namen wie die Lanxess Arena (früher KölnArena) oder easyCredit-Stadion das Sprachgefühl der Menschen und degradieren sie beim Sprechen über diese Hallen und Stadien zu unfreiwilligen Markenverbreitern, sondern selbstverständlich gelingt es den Konzernen so, ihren Namen auch in eigentlich sachlichen Berichterstattungen prominent zu platzieren, ohne dass man es offiziell als Schleichwerbung deklarieren würde. Dennoch führt dies dazu, dass Marken und Unternehmen allgegenwärtig sind und bleiben – die Akademie für Publizistik untersuchte in ihrem Ethikrat diese Problematik unter der Fragestellung „Zwingen Namen wie AWD-Dome zur Schleichwerbung?“ genau diese Problematik.

(…) ist es ein Ärgernis, dass Markenunternehmen es durch Namenskauf und Sponsoring schaffen, den Kernbereich journalistischer Berichterstattung zu infiltrieren: die Nachrichten. Wo die Sprache nüchtern und der Ton überwiegend sachlich sein muss, ist die Sensibilität für PR-Botschaften immer noch hoch. Ein Markenname, der ohne aktuellen Informationszusammenhang in den Nachrichten genannt würde – das ist sogar für ungeübte Leser und Hörer als Missgriff erkennbar, von Profis ganz zu schweigen.

Womit wir bei einem weiteren wichtigen Negativeffekt von Reklame angelangt wären, nämlich der gnadenlosen, keine Grenzen kennenden Durchkommerzialisierung des Daseins. Manchmal kommt sie so offen und aggressiv daher wie bei Werbepaketen, die unsere Blicke beim Bummel durch die Stadt beleidigen, oder bei TV-Spots, die die Spannungskurve eines Films zerstören, manchmal etwas weniger deutlich wie bei der eben angesprochenen Art und Weise, Sportveranstaltungen, Mannschaften (siehe das Team Telekom beim Fahrradsport) oder eben gleich Stadien oder gar komplette Fußballligen (Coca Cola Championship in England – irgendwann wird die 1. Fußballbundesliga hierzulande sicherlich Deutsche Bank- oder Telekom-Liga heißen) zu sponsern und damit in die Marketingstrategie eines Konzerns einzugliedern. Und diese Sponsorverträge gehen in aller Regel ja nicht nur damit einher, dass der Name des „Gönners“ überall groß erscheinen muss, nein, oft wird mit diesem Sponsoring dann auch in den Reklamekampagnen der Firmen groß geworben, um das eigene Image aufzupeppen, so dass die Verquickung der verschiedenen Ebenen (z.B. Sport oder Prominenz) mit Produkten und Unternehmen fast schon normal und selbstverständlich erscheint.

werbtr-klFolglich sickert die Logik der kommerziellen Verwertung von allen Aspekten des Lebens auch zunehmend in das normale Leben der Menschen – es wird von vielen schon als völlig natürlich, als Naturgesetz empfunden, private Nutzenmaximierung (koste es die anderen, was es wolle) und Profitorientierung als Lebenssinn zu betrachten (man höre sich nur die Floskeln so mancher neoliberaler Politiker an). Wer beispielsweise solche Sendungen wie Germany’s Next Top Model mitfiebernd verfolgt, setzt sich nicht nicht nur einem kranken, dümmlichen Frauen- und Menschenbild aus (auf diesen Punkt wird noch in einem gesonderten Beitrag einzugehen sein), sondern findet es offensichtlich auch vollkommen akzeptabel und  sogar unterhaltsam, dass sich dort junge Menschen (Models) einzig mit dem Ziel, auf ihre zukünftige kommerzielle Verwertbarkeit als Werbesubjekt hin durchleuchtet und optimiert zu werden, in die große Konsummaschine einspannen lassen.

Gerade das Kommerzfernsehen hat natürlich viel dazu beigetragen, Kommerz und Konsum zum alltäglichen Gegenstand ihrer Ausstrahlungen und damit dem Inhalt von dem, was viele Leute heute unter „Unterhaltung“ verstehen, zu machen und dabei „Content“ und Reklame/Kaufaufforderung untrennbar zu vermischen – was sicherlich auch die Absicht dieser Form des Fernsehens sein dürfte, denn so findet eine noch bessere Zielgruppenansprache und effektivere Verkaufsförderung statt.

Ich zitiere zum Abschluss noch einmal den Unser täglich Spam-Blog:

Dem traurigen gesellschaftlichen Zerfall unter dem Diktat der totalen Verwirtschaftung ging ein ebenso trauriger persönlicher Zerfall der meisten Menschen voraus, der ebenfalls unter dem Banner der totalen Verwirtschaftung vonstatten ging. Kaum etwas könnte den deprimierenden, gegenwärtig über die Gesellschaften ablaufenden Prozess besser illustrieren als die Allgegenwart der Reklame.

>> Teil 1: Die Versaubeutelung der Sprache
>> Teil 2: Die untrennbare Vermischung von Reklame und Redaktionellem
>> Teil 2b: Medienmanipulation durch Werbeentzug
>> Teil 3: Ressourcenverschwendung

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Der Goldene Windbeutel 2009 – Die Wahl zur dreistesten Werbelüge

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Abgespeist, die Initiative von foodwatch, die ein kritisches Auge auf die Verschleierungen wirft, die uns die Firmen auf ihren Etiketten angedeihen lassen, um den Verbraucher z.B. ein zuckriges Müsli als gesund und natürlich vorzugaukeln, ruft derzeit auf, sich an der Abstimmung zum Goldenen Windbeutel, der Wahl der dreistesten Werbelüge 2009 zu beteiligen. Noch bis zum 19 .März kann jeder seinen „Favoriten“ aus den vorgeschlagenen Etikettenschwindel-Fällen herauspicken – nominiert sind diesmal:

Actimel von Danone
Danones angebliches Wundermittel plündert zwar ordentlich die Haushaltskasse, ist aber kaum wirkungsvoller als ein normaler Naturjoghurt – nur doppelt so süß. Activer Etikettenschwindel!

Bahlsen Gourmet-Genießerkuchen von Bahlsen
Beworben als eine „besondere Kombination erlesener Zutaten”, enthält der Bahlsenkuchen vor allem Zusatzstoffe und Aromen. Und aus welcher Haltungsform die verwendeten Eier stammen, erfahren Verbraucher nicht. Verbrauchtransparenz, Verbraucherservice – für Bahlsen Fremdwörter!

Biene Maja von Bauer
Was wie ein gesundes Milchprodukt für Kinder aussieht, ist in Wirklichkeit eine echte Zuckerbombe. Insgesamt 44 Stück Würfelzucker enthält der Trinkjoghurt pro Liter. Das ist mehr als in einem Liter Cola.

Frucht-Tiger von Eckes-Granini
Frucht-Tiger ist kein „gesunder Durstlöscher”, sondern ein Getränk, das die zahnschädigende Citronensäure (E330) und den umstrittenen Süßstoff Aspartam enthält. Eckes-Granini scheint sich Irreführung bis zur Zahnfäule vorgenommen zu haben!

Bertolli Pesto Verde von Unilever
Obwohl sie ausdrücklich beworben werden, sind Pinienkerne und Olivenöl nur in winzigen Alibi-Mengen enthalten. Ersetzt werden sie durch billigeres Sonnenblumenöl und Cashewnüsse. Aufgepeppt mit Aroma und einem Säuerungsmittel ist der angebliche „Klassiker” also vor allem eines: eine Mogelpackung.

Und dazu noch ein kurzes Video mit Thilo Bode von foodwatch und Tobi Schlegl:


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Medienmanipulation durch Werbeentzug (Werbung schadet, Teil 2b)

Vor einiger Zeit hatte ich in meiner kleinen Serie Werbung schadet (die bald weiter fortgesetzt wird, versprochen) über die negativen Auswirkungen der Reklameabhängigkeit unserer vermeintlich so freien Medien geschrieben. So führt die Tatsache, dass die Budgets der meisten Sender, Zeitschriften etc. von den Werbeeinnahmen abhängen, logischer Weise zu einer verringerten Kritikfähigkeit gegenüber den Firmen, die „ihre“ Zeitschriften so großzügig mit Anzeigenaufträgen bedenken. Das, was dem werbefreien Greenpeace Magazin regelmäßig z.B. in seinem Lügendetektor gelingt, nämlich Reklamekampagnen der großen Konzerne kritisch zu hinterfragen und die dahinter liegenden Tatsachenverdrehungen und Lügen offenzulegen oder zu persiflieren, würde man sich im Prinzip generell von allen Medien wünschen – und könnte man in einer wirklich freien, demokratischen Medienlandschaft auch erwarten. Die traurige Realität sieht jedoch leider anders aus – Umweltverschmutzer wie Vattenfall schalten ganzseitige Imagekampagnen, in denen sie das Blaue vom Himmel herunterlügen, und den Redaktionen der Zeitungen oder Sender ist es in der Regel nicht der Mühe wert bzw. trauen sie sich nicht, diese Desinformationen beispielsweise in der nächsten Ausgabe klipp und klar richtig zu stellen. So muss man sich über die „Qualität“ der kommerziellen Medien auch nicht weiter wundern.

Zu dieser Problematik brachte die 3sat-Sendung Zapp! vor einiger Zeit einen sehenswerten Beitrag, der einem vor Augen führt, wie weit der vorauseilende Gehorsam mancher Redaktionen im Hinblick auf die Interessen der Werbekundschaft inzwischen geht. „Selbstzensur“ heißt das Zauberwort. [via]

>> Teil 1: Werbung schadet (1): Die Versaubeutelung der Sprache
>> Teil 2: Werbung schadet (2): Die untrennbare Vermischung von Reklame und Redaktionellem
>> Teil 3: Werbung schadet (3): Ressourcenverschwendung
>> Teil 4: Die Verschandelung des öffentlichen Raums und die Durchkommerzialisierung des Alltags

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Buchbesprechung: John Stauber & Sheldon Rampton „Giftmüll macht schlank“

Giftmuell macht schlankDies ist ein schreckliches Buch, dessen Lektüre mir manches Mal nicht gerade leicht gefallen ist. Nicht etwa weil die beiden US-Amerikaner John Stauber und Sheldon Rampton einen schwerverständlichen Stil am Leibe hätten oder das Thema langweilig wäre. Nein, ganz im Gegenteil – es liegt vielmehr daran, dass einen die Abgründe, die dem Leser hier verdeutlicht werden, des öfteren den Atem stocken und unbändige Wut und Abscheu aufkommen lassen. In „Giftmüll macht schlank. Medienprofis, Spin Doctors, PR-Wizards. Die Wahrheit über die Public-Relations-Industrie“ (in den USA bereits 1995 erschienen) geben die Autoren einen bestürzenden Einblick darin, wie tief sich Propaganda und Desinformation in den letzten Jahrzehnten schon in unsere Gesellschaft, die Medien und das, was wir zu wissen glaubten, gefressen haben.

Stauber und Rampton steigen in ihrem Buch hinab in die morastigen und schlammigen Untiefen einer Industrie, die unser aller Leben mehr bestimmt, als wir uns das bewusst sind, und die offensichtlich keine Skrupel kennt, wenn es nur in der eigenen Kasse klingelt – Public Relations, kurz: PR. Die „reguläre“ Dosis an Fehlinformation und Lügen erhält der moderne Konsument tagtäglich ja bereits durch normale Werbung & Reklame. Hier weiß aber inzwischen eigentlich (fast) jeder, dass die Firmen in ihren Anzeigen gerne Märchen erzählen und uns mit ihren Floskeln für dumm verkaufen wollen. Sehr viel subtiler und deshalb wirkungsvoller und noch gefährlicher ist jedoch das, was im Bereich der PR-Arbeit rund um die Uhr geschieht. Denn anders als bei offener Werbung passiert hier vieles quasi im Verborgenen – Auftraggeber bleiben für den Bürger unsichtbar, die PR-Unternehmen selbst in der Regel auch. Dafür tarnen sie sich mit unterwanderten Aktivistengruppen, mit eigens dafür initiierten Bürger- oder Umweltgruppen, sie kaufen Experten und Politiker, sie sorgen für eine beschönigte Presse, machen Kritiker mundtot usw.

In insgesamt 12 Kapiteln greifen die Autoren einige besonders krasse und erschreckende Fälle von PR-Arbeit (überwiegend in den USA bzw. Südamerika) auf. Schnell wird klar, dass PR sich nicht nur auf wirtschaftliche, sondern auch politische Bereiche erstreckt und bereits seit vielen Jahrzehnten intensiv praktiziert wird. Alle Beispiele/Konzerne hier im einzelnen zu behandeln, würde den Rahmen meiner Rezension sprengen, aber um nur einige zu nennen: die amerikanische Atomindustrie, Pharmariesen, Genfirmen wie Monsanto, oder die dem Buch den Titel gebende Kampagne der Großindustrie, in der sie den Bürgern und Bauern ihren giftigen, bleikontaminierten Klärschlamm als gesunden Dünger zu verkaufen versucht (kein Scherz!), um so die teure Entsorgung zu umgehen und dafür bestellte Gutachten vorlegt und Aktivisten lahmlegt. Das schlimme ist – selbst mit solch für den gesunden Menschenverstand absurden Ansinnen haben PR-Firmen und damit ihre Auftraggeber Erfolg. Es wird schnell klar, dass die großen der PR-Branche wie Burson-Marsteller keine Skrupel haben, die widerlichsten Konzerne wie Philip Morris, Eli Lilly, Nestlé, Pfizer, Genentech etc. und selbst Diktaturen zu vertreten. Wenn man en detail liest, mit welchen Methoden PR-Profis Umweltgruppen unterwandern oder Politiker auf ihre Seite zu ziehen versuchen, kann man eigentlich nur noch Ekel und Verachtung für solches Geschäftsgebaren empfinden. Ein Beispiel von vielen aus dem Buch:

CAST (Council for Agricultural Science and Technology) wurde 1972 gegründet und wird von Hunderten von Unternehmen finanziert, die alle mit genetisch veränderten Lebensmitteln, Agrarchemie, Additiven für Lebensmittel und industrieller Landwirtschaft zu tun haben. Darunter finden sich Firmen wie Dow, General Mills, Land O’Lakes, Ciba-Geigy, Archer Daniels Midland, Monsanto, Philip Morris und Uniroyal. (…) CAST ist eine klassische Tarnorganisation der Industrie, die behauptet, „aktuelle, unverfälschte und wissenschaftlich Informationen über Nahrungsmittel und Agrarwirtschaft zu liefern“. Tatsächlich hat CAST über zwei Jahrzehnte lang heftig für pestizidverseuchte Nahrung, bestrahltes Obst und Gemüse sowie den Einsatz von Hormonen und Pharmazeutika in der Tierzucht gekämpft. Die Hunderte von Wissenschaftlern aus Industrie und Forschung, die CAST angehören, sind oft Empfänger großzügiger Drittmittel und anderer Gelder, die von den gleichen Konzernen stammen, de CAST finanzieren.

Ein besonders schlimmes Kapitel befasst sich mit den Verquickungen von Public Relations mit den Medien. Es ist klar, dass das Gerede von einer „freien Presse“ ohnehin nur eine Illusion ist. Doch die PR-Firmen treiben die Abhängigkeiten von Presse und Wirtschaft noch einen Schritt weiter, in dem sie für ihre Kunden eigene Beiträge, teils auch schon fertig geschnittene Filme, vermeintliche Nachrichten (die eigentlich nur Pressemitteilungen von Firmen darstellen) produzieren und diese dann kostenlos an die Medien weitergeben. Und die Sender und Redaktionen greifen freudig und begeistert zu – kritische journalistische Recherche findet in solchen Fällen kaum mehr statt, so dass die Sender zu reinen Verlautbarungsstationen der Konzerne verkommen. Wer beispielsweise hierzulande den sog. „Nachrichtenkanal“ N24 einschaltet und dort die rund um die Uhr laufende Militärpropaganda sieht, ahnt vielleicht schon, woher diese Beiträge eigentlich stammen…

Die PR-Abteilungen von Unternehmen haben einen enormen Einfluss auf die Gestaltung der Nachrichten, auch wenn Redakteure das Gegenteil behaupten. Großunternehmen pumpen allein in den USA jedes Jahr hundert Milliarden Dollar in die Kassen der Medienunternehmen. Ben Bagdikian betont „Die Auswahl von Nachrichten nach dem Kriterium der optimalen Werbeunterstützung ist mittlerweile  so normal geworden, dass man inzwischen mit wissenschaftlicher Präzision darangeht und es zum alltäglichen Handwerk der Medien gehört.“ Der PR-Manager Robert Dilenschneider gibt zu: „Der Glaube, betriebswirtschaftliche und redaktionelle Entscheidungen in der Presse und den Medien würden völlig getrennt voneinander getroffen, ist in weiten Zügen in Mythos.“

Wer es bis zum letzten Kapitel „Den eigenen Hinterhof erobern“ geschafft hat, ohne vollends an der Welt dort draußen zu verzweifeln, bekommt am Ende dann doch auch ein paar versöhnlichere und aufbauendere Töne zu hören. Dass beispielsweise PR nicht per se „böse“ sein muss, sondern natürlich auch für viele gute Aktionen und Ideen PR betrieben wird, um ihnen Gehör zu verschaffen. Und Stauber & Rampton machen uns Mut, sich gegen die Desinformationsmaschine zu stellen und vor allem im lokalen Bereich aktiv für die eigenen Rechte und die Kommunen einzutreten, weil diese „NIMBY (Not In My Backyard)“-Bewegungen tatsächlich gute Chancen haben, selbst große, übermächtig erscheinenden Gegner, die mit dem ganzen Waffenarsenal der PR kämpfen, aufzuhalten oder zumindest Sand in deren Getriebe zu streuen. Außerdem rufen sie dazu auf, dass wir uns abseits der Mainstreammedien eine Meinung bilden und bei allen Meldungen, die wir so lesen, im Hinterkopf behalten, dass dahinter eventuell gewaltige Interessensgruppen stehen, die diese Nachrichten mit voller Absicht verbreiten (oder manches bewusst unterdrücken).

cmd-radioDie Tatsache, dass sich Unternehmen und Regierungen bemüßigt fühlen, jedes Jahr Milliarden für die Manipulation der Öffentlichkeit auszugeben, ist eine perverse Hommage an die menschliche Natur und an unsere eigenen Moralvorstellungen.

Die beiden Autoren betreiben übrigens die Website SourceWatch und geben in ihrem Center for Media and Democracy das vierteljährlich erscheinenden Magazin PR Watch heraus, auf der man sich eingehender über die aktuellen Verflechtungen von PR, Lobbyarbeit, Politik & Wirtschaft informieren kann.

John Stauber & Sheldon Rampton „Giftmüll macht schlank“. orange press 2006, 319 S., 20,– €, ISBN 978-3-936086-28-7

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Surftipp: Ban Billboard Blight – Kampf den Werbeplakaten

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Für mich, der im doch eher beschaulichen und von Großreklameleinwänden weitgehend verschonten Kiel wohnt, ist es immer wieder faszinierend und erschreckend zugleich, zu lesen, wie die Situation insbesondere in Nordamerika aussieht – schließlich schwappen US-amerikanische Trends in der Regel nach einigen Jahren ja auch zu uns herüber. Marktschreierisch und aufdringlich, so kleistern manche Firmen die Städte und sogar Landschaften mit ihren grellbunten und verdummenden Parolen zu, die nichts anderes zum Ziel haben, als den Betrachter zum Kauf eines in der Regel überflüssigen Produkts zu animieren.

Auf die Zumüllung des öffentlichen Raums durch Reklame werde ich in meiner Reihe „Werbung schadet“ noch einmal ausführlicher eingehen – für heute möchte ich Euch zunächst eine interessante amerikanische Website empfehlen, die sich genau mit dieser Problematik auseinandersetzt: Ban Billboard Blight (in etwa mit „Verbannen der Verschandelung durch Werbeschilder“ zu übersetzen), eine Initiative, die sich ein löbliches Ziel gesetzt hat:„Defending our public spaces. Protecting our visual landscape.“ So versuchen die Initiatoren beispielsweise ganz bodenständig, die Betreiber der Werbetafeln dazu zu bringen, diese zumindest in Schuss zu halten, damit einem solch ein Anblick wie bei obigem Bild erspart bleibt. Vor allem aber setzt sich die Initiative dafür ein, die Übermacht des „visuellen Kidnappings“ (der städtischen Flächen) einzudämmen und auch die besonders aufdringlichen und gigantischen Reklamewände zu verhindern – wie im Falle der Firma World Wide Rush, die in Los Angeles Monsterplakate von knapp 1.400 Quadratmetern Größe aufzustellen gedenkt. Für ihre Ziele setzt die Non-Profit-Organisation Ban Billboard Blight durchaus auch juristische Mittel ein, um wenigstens die illegal oder halblegal in die Gegend gepflanzten Werbebanner, die zum Teil auch Risiken für den Brandschutz darstellen, zu verscheuchen. Angesichts der Reklamezustände in den USA erscheint dies wie ein Kampf gegen Windmühlenflügel, aber es ist natürlich trotzdem sehr positiv, dass sich einige Bürger zu wehren beginnen und nicht einfach alles so hinnehmen, was ihnen die Konzerne so vor die Nase setzen.

In Zürich existiert mit der IG Plakat | Raum | Gesellschaft bereits eine vergleichbare Initiative, und das ORF berichtete 2008 über den „Kampf gegen Werbetafeln an Freilandstraßen“; in einer Onlineumfrage waren sich dort fast 2/3 aller User einig, dass diese Plakate „furchtbar hässlich“ seien und „die Landschaft verschandeln“. Bereits 2002 fand einBerliner Aktionstag gegen Werbung statt, während dem hunderte von Aktivisten in der Stadt Reklametafeln besprühten, umgestalteten oder einfach nur abmontierten; Vorbild waren hier vermutlich die französischenCasseurs de Pub, eine seit 1999 aktive Widerstandsgruppe gegen den Reklameterror. Vielleicht sind die Tage der geduldeten Omnipräsenz von Werbung ja gezählt, wenngleich man schon den Eindruck haben muss, dass es den Werbetreibenden völlig egal ist, wie sehr sie den anderen Menschen auf den Geist gehen, Hauptsache ihre Ergüsse fallen im schrillen Konsumchor irgendwie auf.

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Nachtrag zu den Discountern, Nr. 3: Firmen legen Kunden rein

fake_wax_sealDas passt ja hervorragend zu meinen beiden Grundsatzartikeln über die zerstörerische Wirkung der Discounter – die Süddeutsche Zeitung berichtete in „Firmen legen Kunden rein und verdienen damit Geld. Tricksereien kosten“ unlängst über ein Gerichtsverfahren gegen Lidl, die für ihre Billigmatratzen mit einem veralteten Gütesiegel geworben hatten und jetzt einen (allerdings kleinen) Teil ihres damit gemachten Gewinnes abgeben müssen: 25.000 € von geschätzten 400.000 €. Das wird der Konzern sicher leicht verschmerzen können, aber die Tatsache, dass einer dieser Billigheimer für seine Tricksereien tatsächlich mal, wenn auch letztlich nur im Rahmen einer außergerichtlichen Einigung, belangt wurde, ist doch sehr erfreulich. [via Sprusko]

Allerdings werden Verbraucherschützer auch künftig nicht flächendeckend unrechtmäßig erworbene Gewinne abschöpfen können. Dazu sind die juristischen Hürden zu hoch. Denn die klagenden Verbände tragen das volle Prozessrisiko – und das kann bei einem hohen Streitwert schon mal existenzbedrohend sein. Zudem würde bei einem Sieg vor Gericht der Betrag, der von einer Firma abgeschöpft würde, nicht an den Kläger gehen, sondern vielmehr an den Staat.

Das Werben mit nicht mehr zutreffenden oder gar erfundenen Siegeln, z.B. der Stiftung Warentest, hat übrigens leider nicht nur bei Discountern Methode, wie der tz-Bericht „Die Tricks der Schummler“ zeigt:

Eine gute Note bei den Tests ist für viele Verbraucher ein wichtiges Kaufargument. Die Unternehmen versprechen sich durch die Gütelsiegel auf ihren Produkten einen erhöhten Marktanteil. Doch zunehmend wird mit den Testergebnissen auch Schindluder getrieben: Bei der Werbung kommt es wiederholt zu Schummeleien mit dem Gütesiegel, berichtete das ZDF-Magazin „Wiso“. So bewarb ein Elektronikmarkt zum Beispiel ein Navigationsgerät als „Testsieger“, das gar nicht getestet worden war. Oder Autositze undMatratzen wurden mit alten Testurteilen aus den Jahren 2004 und 2006 beworben, obwohl es im Jahr 2007 einen neuen Test gab.

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Werbung gegen Realität, Teil 11: Katzen würden (kein) Whiskas kaufen

dosenfutter_2Wer kennt sie nicht, die markigen Sprüche „Katzen würden Whiskas kaufen“, „Ein ganzer Kerl Dank Chappi“ oder die süßlich-schleimige TV-Reklame, in der eine Tierhalterin ihrer Katze eine Dose Fertigfutter öffnet, mit einem Petersilieblättchen verfeinert und das Tier daraufhin in schnurrende Ekstase verfällt (ich verlinke hier generell nicht auf Original-Reklame, um die Spots nicht unnötig noch bekannter zu machen als sie eh schon sind)? Die Botschaft ist klar: dieses Zeug ist so lecker, das hätten die Werbeleute am Set am liebsten selbst gegessen! Natürlich ist es auch extrem gesund, denn Katzen wissen schließlich am besten, was gut für sie ist. Und gerade, weil so große Konzerne dahinter stehen, wird die Qualität ja wohl unbestritten sein, denn das Futter wird doch „von führenden Züchtern empfohlen”! (Es sind übrigens nur sehr wenige Firmen, die sich diesen Markt teilen, auch wenn sie ihren Produkten verschiedene Namen geben, um eine größere Vielfalt zu suggerieren. Marktführer Effem produziert u.a. Whiskas, Sheba, Brekkies und Chappi; Mars z.B. Kitekat, Cesar, Pedigree und Frolic; dazu gibt es dann natürlich noch eine Reihe von Billigprodukten anderer Hersteller und Supermarktketten.)

Auf der Seite Cat Care der Tierhilfe Kassel wird Klartext geredet über das von den Marketingfuzzis in so hohen Tönen angepriesene, angeblich so unheimlich leckere und gesunde Dosenfutter – „Katzen würden Mäuse kaufen. Was ist drin im Katzenfutter?“. Tatsächlich sollte sich auch in diesem Falle niemand der Illusion hingeben, dass vollmundige bunte Werbeversprechungen irgend etwas mit der Realität zu tun hätten, denn in Wirklichkeit kauft der Tierfreund im Supermarkt oft nur schamlos überteuerte und mit Zusatzstoffen „hochgepimpte“ Abfälle! Selten ist das Missverhältnis von schillernder Reklamewelt zum eigentlichen Produkt so krass wie hier.

Wenn man sich aber mal eine Dose Katzenfutter einer x-beliebigen Firma ansieht, ist man sehr erstaunt, darin so ziemlich alles zu finden – nur fast kein Fleisch!

Was ist eigentlich in der Dose?

Los geht es meist mit „Fleisch und tierischen Nebenerzeugnissen”. Das ist nichts anderes als: billige Schlachtabfälle, zerkleinertes Fell, Knochen, Federn, Schnäbel, Wolle, Urin und etliches mehr. Auch wenn die Katze in der Natur die ganze Maus frisst, ist das Verhältnis der einzelnen tierischen Bestandteile in der Dose nicht ausgeglichen und die Qualität des verwendeten Fleisches nicht sehr hoch, weil das für den Hersteller viel zu teuer wäre. Generell kann man sagen, dass der Fleischanteil daran immer sehr gering ist, und die “4% Huhn, Kaninchen etc.” bedeuten nichts anderes, als dass von diesen Abfällen 4% von entsprechendem Tier stammen. Diese Abfälle sind für den menschlichen Verzehr nicht zugelassen, und fallen deshalb auch nicht unter die Bestimmungen der Lebensmittelindustrie. Nicht alle verwendeten Kadaver sind frisch, und außerdem werden natürlich auch kranke Tiere verarbeitet, so dass sich u.a. auch karzinogenes Gewebe in den Dosen befindet. Nicht sehr appetitlich und auch nicht sehr gesund!
Normalerweise würde eine Katze dieses Zeug nicht anrühren, aber die zugesetzten Fette (Abfallfette, z.B. altes Bratfett), die Geschmacks- und Konservierungsstoffe und der zugesetzte Zucker lassen die Katze ihren Ekel vergessen.

(…) Zum Schluss findet man noch eine besondere Überraschung in der Dose: Zucker! Dieser schädigt nachweislich den Organismus der Katze und verursacht Zahn- und manchmal auch Bauspeicheldrüsenprobleme.

Verdummung im Supermarkt
katzeLeider werden die Tierbesitzer nicht über die Zusammensetzung aufgeklärt, sondern mit netten Bildchen von süßen und zufriedenen Katzen ruhig gestellt, die von der Dose und vom Fernseher prangen. Ob man nun die Firma x, die Firma y oder die Firma mit den lila Aufklebern kauft, ob die Dose schlicht ist oder das Futter in kleinen, teuren 100-g-Schälchen oder Tütchen daherkommt, ob es sich als Ragout, Geschnetzeltes oder Häppchen in Gélé tarnt; der Großteil der Futtermarken kommt aus derselben Fabrik ein und desselben Herstellers – und der hat als Ziel die Optimierung seiner Bilanz und nicht die Gesundheit unserer Katzen.

Fast alle genannten Inhaltsstoffe, einschließlich Zucker, sind billige Rohstoffe, die die Dose füllen, ohne der Katze auch nur ansatzweise von Nutzen zu sein. Hinzu kommen noch Konservierungsstoffe, die meist unter dem Deckmantel „EWG-Zusatzstoffe” laufen und Krebs auslösen können. Hier wird deutlich, dass der Tierbesitzer bewusst im Unklaren gelassen wird.

Guten Appetit, kann man den armen Tieren da nur noch zurufen, und fordern, dass die Hersteller und Reklameleute zur Strafe den Dreck mal selbst fressen müssten… In eine ähnliche Kerbe schlägt auch der Beitrag „Macht Tiernahrung unsere Vierbeiner krank?“:

»Meiner Auffassung gehören viele Verantwortliche der Futtermittelindustrie ins Gefängnis, 5 Jahre mindestens und ohne Bewährung.« (Prof. O. Wassermann, Toxikologie Kiel, 1998)

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Chemieeinsatz für mehr Nachhaltigkeit – BASF und die Ökobilanz von Äpfeln

applesDiese Beobachtung am Rande, auf die mich Michael von Die Farmblogger hingewiesen hat, passt eigentlich sehr gut zwischen meine beiden Serien Werbung schadet und Werbung gegen Realität. Gerade in dem medialen Bereich, in dem keine offene Reklame betrieben wird – bei der man als halbwegs aufgeklärter Mensch ja von vorneherein minimalen, wenn nicht gar negativen Wahrheitsgehalt vermutet –, sondern die Spezialisten der Public Relation (PR) ihre Fäden ziehen, wird es für den Normalbürger schwierig, zwischen bloßer Firmenpropaganda und echten Informationen zu unterscheiden. Genau das, also die oft recht subtil betriebene Verwirrung und Vertuschung, ist natürlich auch die mit PR nicht selten verbundene Absicht – auf diese Problematik werde ich sicherlich noch einmal in einem gesonderten Beitrag näher eingehen.

Heute will ich nur ein „schönes“ Beispiel präsentieren – der Chemieriese BASF präsentiert sich nämlich nächste Woche auf der fruit logistica in Berlin. In dem Zusammenhang gab man eine gemeinsam mit REWE betriebene Studie bekannt, die nachweisen soll, dass einheimische Äpfel bezüglich ihrer Ökobilanz mitnichten besser sein müssen als Obst, das aus den entlegensten Winkeln der Erde herangekarrt wird. Diese Studie mit dem vollmundigen Titel „Mehr Nachhaltigkeit im Obst- und Gemüsehandel mit Hilfe der BASF Ökoeffizienz-Analyse“ kommt zu dem verblüffenden Fazit:

Der gezielte Einsatz von Dünger und Pflanzenschutzmitteln verbessert die Ökoeffizienz: höhere Erträge reduzieren den Flächenbedarf und die Umweltbelastung.

Welch ein Zufall, dass BASF eine breite Palette an solchen die „Ökoeffizienz verbessernden“ Chemiekeulen im Angebot hat, nicht wahr? Wie man daraus folgern könnte, ist Biolandbau also gar nicht nachhaltig – mehr Chemie muss auf die Felder gesprüht werden! Die Natur und die Gesundheit der Menschen werden sich bei BASF & Co. bedanken…

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Der Preiskampf

2-plakateSchon ein wenig älter – aus dem Jahre 2005, um genau zu sein – ist diese Adbusting-Aktion, die ich allerdings erst neulich bei meinen Streifzügen durch die unendlichen Weiten des Netzes aufstöberte. Das genauso.und.anders-Projekt initiierte dabei im Rahmen der Ausstellung „THE ABC. Semiotik des Widerstands“ das Bekleben von 12 Plakatwänden in Berlin-Mitte mit großflächigen Motiven des Graphikdesigners Stephan König. (Berlin scheint eh so etwas wie die deutsche Hochburg des Abdusting zu sein.)

Die Darstellungen erinnern an riesige Ausschnitte aus Comic-Heften. Spitz kommentieren sie unser Leben in einer Konsumwelt, ohne dabei den Humor zu verlieren. In saftigen Farben und mit den Bildern einer Welt, in der Helden auch dann nicht aufgeben, wenn sie tödlich verletzt sind, wird ein enthüllender Blick hinter die Kulissen der Sonderpreise und des Kaufglücks geboten. In einem gewissen Sinn ist es so, als hätte man die ehemaligen Werbebilder an den Tafeln wie eine Münze umgedreht. Wo früher die Zahl war, ist jetzt der Kopf.

Die Motive sind wirklich sehr schön gelungen, wie ich finde. Meine Favoriten sind diese beiden:
wirkaufenbeide niewiederfreude

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Werbung gegen Realität, Teil 10: Zucker (vs. Stevia) und die Zucker-Mafia

zuckerWer kennt sie nicht, die immer mal wieder geschalteten großflächig angelegten Imagekampagnen der Zuckerindustrie, die uns suggerieren, dass Zucker ein ganz natürliches und folglich also gesundes „Lebensmittel“ sei. Okay, zum Schutz der Zähne sollte man vielleicht nicht allzuviel davon essen bzw. sich ausreichend oft die Zähne putzen, aber im Prinzip spricht ja wohl nichts gegen diese süße Versuchung, oder? Schön wär’s. Wie so oft bei derart aufgeblasenem PR-Gedöns wird hier versucht, mit viel Einsatz von Geld und medialer Aufmerksamkeit ein schädliches Produkt in einem besserem Licht dastehen zu lassen als es das verdient.

Das ist eigentlich nichts Neues. Tatsächlich berichtete DIE ZEIT bereits 1991 in „Die Zucker-Mafia“ von den unerfreulichen Methoden, mit denen uns Industriezucker ins Essen gemischt wird:

Überflüssig und ungesund: weil es keinen guten Grund gibt, ihre Produkte zu konsumieren, drückt die Zuckerindustrie ihre Erzeugnisse mit vielen Tricks in den Markt. Die süße Droge versteckt sich in ungezählten Lebensmitteln: Fischkonserven und Senf, Milchgetränken, Tütensuppen und Tomatenketchup.

(…) Glaubt man aber der Süß-Werbung, dann ist Zucker pure Natur. „Zucker ist Sonne zum Essen”, preist eine Werbebroschüre. Doch zwischen Sonne und Essen muß viel Arbeit, Chemie, Energie und Geld aufgewandt werden, um zu dem chemisch reinen süßen Kristall zu kommen, das wir in solchen Massen konsumieren.

(…) Zucker ist selbst in Massen billig, deshalb dient er nicht nur zum Süßen. Wenn der Göttinger Ernährungspsychologe Volker Pudel den Herstellern von Mischmilch zum Beispiel empfiehlt, etwas weniger Zucker in ihre Produkte zu tun, erfährt er mitunter Verblüffendes: „Ich höre dann immer von den Herren, daß der Zucker, wie sie sich ausdrücken, der Körper ist, also eine gewisse Masse bringt.” So wird schon mal das Volumen des Milch-Mischgetränks mit der Füllmasse Zucker vergrößert, weil man, so Pudel, „sonst was anderes reintun müßte, was möglicherweise teurer wäre”.

Wer weiß schon, daß Tomatenketchup zu fast einem Drittel aus Zucker bestehen kann: zehn Würfel in hundert Gramm, fünfzig in einer Flasche? Zucker findet sich in Tütensuppen, aber auch in dem Stoff, der unseren Speisen eigentlich die Schärfe geben soll: im Senf. Wer Zucker vermeiden will, müßte auf Fischkonserven verzichten. Und auch die sauren Gurken sind süßer, als ihr Name glauben macht.

Auf oe24.at fand sich unlängst die (ebenfalls nicht so neue) Erkenntnis: „Droge Zucker: Süßigkeiten können süchtig machen“.

Beim Konsum von Süßem wird in der Region des Nucleus Accumbens der Botenstoff Dopamin freigesetzt. Er gilt als chemisches Signal, das erst Motivation und im Laufe der Zeit Sucht auslöst. Ähnliche Veränderungen hatten die Forscher zuvor bei Ratten beobachtet, die nach Kokain oder Heroin süchtig waren.

Forschungsleiter Bart Hoebel sieht hier eine mögliche Erklärung für diverse Esssüchte. Was auch erklärt, warum der Kampf gegen Übergewicht so oft verloren wird.

In Großbritannien ist die Werbung für zucker- und fettreiche Produkte im Kinderfernsehen seit letztem Jahr verboten, was man sicherlich als kleinen Sieg gegen die Zucker-Mafia werten kann. Ob so etwas viel hilft, ist eine andere Frage, zumal wenn die Eltern sich selbst nur von Cola, Chips und Fertiggerichten ernähren, aber es ist immerhin ein Signal.

Nach einer Entscheidung eines Hamburger Gerichts darf Zucker seit 1992 offiziell sogar als Schadstoff bezeichnet werden… Um so erstaunlicher, dass Unternehmen nach wie vor ihre bis zur Halskrause gesüßten Produkte (man denke da nur an das Nestlé-Zeugs, Fruchtzwerge oder zuckrige „Frühstückscerealien“) als vermeintlich „gesund“ anpreisen dürfen.

Vor allem, da es seit einer Weile auch gesündere Alternativen gibt. Nein, natürlich nicht die industriell gefertigten Süßstoffe, die z.B. aus einer Cola light einen Giftcocktail machen. Sondern Stevia, eine Pflanze aus Paraguay, die auch Süß- oder Honigkraut genannt wird, deutlich körperverträglichere Eigenschaften besitzt und in vielen Ländern der Welt schon verwendet wird – nur in der EU nicht. Über diesen verbraucherfeindlichen und industriefreundlichen Fakt berichtete vorgestern auch die ARD-Sendung Plusminus:

Heute kann man bereits in vielen Ländern Stevia-Produkte kaufen, nur in der Europäischen Union nicht. Kein Stevia-Kraut, kein Pulver und keine flüssigen Auszüge dürfen als Lebensmittel auf den europäischen Markt gelangen – trotz nachgewiesener hervorragender Eigenschaften. Dr. Michael Bolz vom Klinikum Südstadt Rostock: „Diese süßmachenden Substanzen haben den Vorteil, dass sie keine Kalorien haben, dass sie den Blutzucker nicht erhöhen, möglicherweise auch blutdrucksenkend wirken.“ In anderen Ländern wurde das schon längst erkannt. In Japan, Australien, den USA oder der Schweiz stehen Stevia-Produkte in den Supermärkten im Regal.

Die Lobby der Zuckerindustrie verhindert die Zulassung durch die EU. Professor Jan Geuns von der Katholischen Universität in Leuven (Belgien) hat schon zig Anträge auf Zulassung von Stevia gestellt. Alle wurden abgelehnt. „Ich spreche das Wort Korruption nicht aus, aber vielleicht ist es so“, so der Professor, der die Süßpflanze erforscht.

Für die Zulassung dieser offensichtlich sehr sinnvollen Pflanze setzt sich derzeit auch das Projekt FreeStevia ein.

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