Ich hatte Euch ja vorletzte Woche noch einen weiteren Beitrag zum Thema Adbusting versprochen – hier ist er nun, mit einigen (halbwegs) aktuellen Beispielen aus der weiten Welt des Widerstands gegen den Reklameunsinn. Beginnen möchte ich mit einem schönen Werk aus Berlin, bei dem eine der vielen sinnfreien Autoreklameplakate dran glauben musste – „Adbusting: Lagerfeld fackelt Autos ab“, wie bigberlinbullshit berichtet:
Autoabfackeln genial gemacht: Teile des Großflächenplakats ausgeschnitten und abgelöst und dann versetzt wieder draufgeklebt. Dazu ein bisschen Rauch mit Sprühdose. Und wunderschön: Karl Lagerfeld mit Molotov-Cocktail. So gerade gesehen in Berlin-Prenzlauerberg.
Und gleich nochmal Berlin – ein feines BILD-Busting – „Bildzeitung Adbusting“:
Fotokiosk Hamburg präsentiert uns ein gelungenes Werk, das sich gegen American Apparel richtet; der blutige Zombie-Look des Models sieht schön gruselig aus – „Adbusting Hamburg“:
Adbusting ist die Verfremdung von Außenwerbung im öffentlichen Raum. Dabei werden meist Werbeplakate wie hier an der Hamburger S-Bahn-Station Sternschanze vom Künstler Lobo so umgestaltet, dass sich eine neue, in der Regel konsum- und markenkritische Botschaft ergibt. Oft reicht eine kleine aber ausdruckskräftige Veränderung an bekannten Slogans, Logos und Werbekampagnen, um die Botschaft ins rechte Licht zu rücken.
Werbung ist überall. Durch Adbusting-Aktionen wird beklagt, dass es kaum noch Lebensbereiche gibt, in denen man sich Werbung entziehen könne. Diese Werbebotschaften spielen uns ein bestimmtes Leben vor und diktieren, auf dem Weg zur Arbeit, am Wochenende, im Urlaub, was wir kaufen müssen, um glücklich zu sein. Eine Message hinter den Aktionen lautet daher stets: ‘Werbung lügt!’
Das Faszinierende am Adbusting ist, das es wirkt. Hier werden vor allem Großkonzerne mit ihren eigenen markenpolitischen Waffen geschlagen. Werbung, die bereits teuer von ihnen entwickelt und umgesetzt wurde, kann man mittels Adbusting einfach, kreativ, ausdrucksstark und vor allem kostengünstig verändern.
Stenographique liefert uns gleich einen kompletten Artikel mit mehreren Adbustings, u.a. auch hier schon genannten – „Kreativität vs. Kommerz: Adbusting erobert die Innenstädte“:
(…) Wenn sie wenigstens kreativ, lustig oder ästhetisch wäre… Doch die meisten werbetreibenden Unternehmen setzen bei der Outdoor-Werbung (auch: Out-of-Home-Media) schlicht auf Reichweite in allerfeinster Holzhammer-Manier und brüllen uns mit abstrus-sinnbefreiten Plakaten auf Schritt und Tritt an (“Jetzt NEU! Jetzt KAUFEN”). Doch wie bei jeder Entwicklung gibt es auch bei der Außenwerbung einen Tipping-Point, ab dem das Ausmaß der visuellen Beschallung als unerträglich wahrgenommen wird und sich eine Gegenbewegung formiert: Adbusting. (…)
(…) Mit der aktuellen “Maybe”-Kampagne für Malboro hat uns die Agentur Leo Burnett aus Frankfurt lange mit weißen Plakaten angeteasert, auf denen nichts als “
Maybe” stand. Nach der Auflösung folgten verschiedene Motive mit erhellenden Eventualitäten wie “MAYBE will never be her own boss” oder “MAYBE goes nowhere”. Eine leicht zu kopierende Schrift, ein modularer Aufbau der Kampagne und ein nicht unumstrittenes Produkt – die Plakate schrien ja geradezu nach Adbusting. Volkes Stimme tut nun kund: “Maybe you should go fuck yourself” und legt den Finger genau in die Wunde der auflagengebeutelten Kippenkönige. Das ist kreativ, das leuchtet ein, das amüsiert – ein Paradebeispiel für gelungenes Adbusting. (…)
Und sogar bis in die seriöse Mainstreampresse hat es das Thema der Verfremdung von Reklame und Logos gebracht – die Süddeutsche Zeitung schreibt: „Endlich ehrliche Werbung“ und zeigt ein paar hübsche Beispiele des schwedischen Künstlers Viktor Hertz.
Logos bekannter Marken wollen viel ausdrücken, doch sie sagen meistens nur die halbe Wahrheit. Der schwedische Künstler Viktor Hertz verfremdet in seiner grafischen Serie “Honest Logos” weltweit bekannte Schriftzüge. Dafür spielt er ironisch mit den Erwartungen und Illusionen, die Marken transportieren. Herausgekommen sind Vorschläge, wie die großen Konzerne eigentlich heißen sollten.