Kategorie: Demokratie Seite 13 von 18

Radiotipps für den August

radio_isolated_on_white_with_clipping_pathJa, doch, es gibt im Radio auch noch was anderes zu hören als nur den kommerziellen Düdelfunk und „die größten Hits aus den 80ern, 90ern und von heute“, sprich: genormte Musiktapete. Sender wie Deutschlandradio-Kultur und der Deutschlandfunk werden dem Bildungs- und Informationsauftrag, den das Fernsehen irgendwann auch mal hatte, wenigstens streckenweise noch gerecht, und so gibt es dort immer wieder spannende Sendungen zu Themen wie Globalisierung, Konsumkritik, Politik etc. zu hören.

Vor einigen Tagen kam in der Zündfunk Generator-Reihe im Bayerischen Rundfunk der Beitrag „10 Jahre Gipfelsturm: Und jetzt?“, den man sich HIER als mp3 runterladen kann.

Zehntausende demonstrieren im November 1999 gegen den Millenniumsgipfels der Welthandelsorganisation WTO. Heftige Straßenschlachten rufen zum ersten Mal eine neue Protestbewegung ins Bewusstsein der Öffentlichkeit: die Globalisierungskritik ist geboren. Schon ein Jahr zuvor hat sich in Frankreich der Verein Attac gegründet. Sein Motto: “Eine andere Welt ist möglich!” Was ist aus der globalisierungskritischen Bewegung geworden? Hat das Ringen um eine „andere Welt“ Erfolge gezeigt? Darüber hat der Zündfunk am 14. Juli in München im Café Muffathalle diskutiert.

TeilnehmerInnen:
KLAUS WERNER-LOBO
NICOLE GOHLKE,  Die Linke
ULRICH BRAND, Bundeskongress Internationalismus
HAGEN PFAFF, Attac München

Im August kommen dann z.B. die folgenden interessanten Sendungen (DLR-K ist Deutschlandradio-Kultur), wobei ich insbesondere auf die Sendung am 16.8. – „Shop till you drop“ hinweisen möchte:

DLF
So. 02.08.2009 · 17:05 Uhr
Die einstige Hegemonie Europas und der USA ist ins Wanken geraten.
Was aus Deutschland werden soll – Kulturelle Perspektiven für das 21. Jahrhundert
Mit dem Auftritt Chinas, Indiens, Brasiliens und der Arabischen Emirate auf dem globalen Markt haben sich die wirtschaftlichen, politischen und sozialen Kräfteverhältnisse weltweit verändert. Die einstige Hegemonie Europas und der USA ist ins Wanken geraten und damit deren Selbstverständnis.
Mit der jüngsten Finanz- und Wirtschaftskrise werden die tektonischen Verschiebungen wie selten zuvor spürbar. Die Eruption produktiver und kreativer Kräfte in zahlreichen Weltregionen nach dem Fall des Eisernen Vorhangs fordern die Industrienationen, ihre Gesellschaften und politischen Systeme in ungeahnter Weise heraus. Auch Deutschland befindet sich inmitten eines Anpassungs- und Gestaltungsprozesses. Hinzu kommen hier die spezifischen Herausforderungen der europäischen Integration und der deutsch-deutschen Vereinigungsgeschichte. Insgesamt acht “Kulturfragen”, vom 26. Juli bis zum 27. September, widmen sich den zentralen Fragen zu Perspektiven unseres Gemeinwesens. Dabei soll es weniger um utopische Visionen als eher um pragmatische Gestaltungsmöglichkeiten gehen. Zur Frage der “Kultur der Demokratie” wird sich der Verfassungsrechtler und Bundesverfassungsrichter Udo Di Fabio äußern. Der einstige Industriemanager und Buchautor Daniel Goeudevert befasst sich mit der “Kultur der Ökonomie”. Frank Schirrmacher, Mitherausgeber der Frankfurter Allgemeinen Zeitung, wird die “Kultur der Medien” untersuchen. Weitere Themen sind Soziales, Bildung, Integration und Religion.

Christoph Schmitz
Sonntags 17:05
Kulturfragen
Ausgewählte Termine:
2. August: Der Industriemanager Daniel Goeudevert über “Kultur der Ökonomie”
9. August: Der Verfassungsrechtler Udo Di Fabio über “Kultur der Demokratie”
23. August: Der FAZ-Herausgeber Frank Schirrmacher über “Kultur der Medien

DLR-K
Do. 06.08.09 – 19:30 Uhr
Forschung und Gesellschaft
“Kommunikative Stadtplanung”

Neue Impulse für die Demokratie
Von Ralf Bei der Kellen und Kai Steffen

DLF
Di. 11.08.2009 · 19:15 Uhr
Goldrausch
Oder: Vom Verschwinden eines Karpatendorfs (Ortserkundungen)

Von Lavinia Lazar und Carsten Dippel
In den rumänischen Karpaten, eingebettet in eine stolze Gebirgslandschaft, liegt das Goldgräberdorf Roşia Montană. Eine Vielzahl denkmalgeschützter Häuser, die vom einstigen Reichtum der Bewohner zeugen. Schon die Römer haben hier Edelmetalle gewonnen. Nun will eine kanadische Firma an dieser Stelle das größte Goldbergwerk Europas errichten.
300 Tonnen Gold und 2100 Tonnen Silber sollen innerhalb von 17 Jahren abgebaut werden. Um das zu leisten, muss die gesamte Region in eine Kraterlandschaft verwandelt werden. Es droht ein ökologisches Desaster. Zwist und Verfall hat die Firma in den Ort gebracht. Hunderte Familien wurden bereits umgesiedelt. Im jahrelangen Kampf um Roşia Montană sind Familien und Freundschaften zerbrochen. Eine vergiftete Atmosphäre schon heute, obwohl noch nicht einmal entschieden ist, ob das Projekt realisiert wird.

DLF
So. 16.08.2009 · 20:05 Uhr
Shop till you drop
Von Lust und Frust des Kaufens

Von Ingeborg Breuer und Peter Leusch
Die Zeiten, in denen Kaufen als Konsumterror verschrien und verpönt war, sind lange vorbei. Gerade jetzt während der globalen Wirtschaftskrise wird Konsumieren erste Bürgerpflicht, denn sonst brechen Wirtschaft und Gesellschaft zusammen – so zumindest argumentieren Ökonomen. Der Philosoph Norbert Bolz behauptet sogar, dass uns das Konsumieren immun mache gegen fanatische Religionen. Dagegen spricht der amerikanische Politikwissenschaftler Benjamin Barber kritisch von einem “Hyperkonsumismus”, der erwachsene Menschen infantilisiere und schlecht sei für die Demokratie.
Zwischen diesen ideologischen Extremen ist eine Menge Platz. Und so begegnet man in der Welt des Konsums ganz unterschiedlichen Typen. Die Skala reicht von den Konsum-begeisterten, für die es nichts schöneres gibt als einen Shopping-Tag, über Gelegenheitskäufer bis hin zu Konsummuffeln. Mancher Rentner, der noch von den Entbehrungen der Kriegszeit geprägt ist, hat sich zum Schnäppchenjäger entwickelt. Aber es gibt auch den erzwungenen Konsumverzicht für die steigende Zahl der sozial Schwachen, denen das Geld zum Shoppen fehlt. Und dann ist da noch der Konsumverweigerer, der auch die notwendigsten Anschaffungen hinauszuzögern versucht. Er lebt eher asketisch und will sich den inneren Werten zuwenden, sucht Kultur statt Konsum.
Der Ökonomie sind die unterschiedlichen Facetten des Konsums egal: Hauptsache, die Wirtschaft brummt.

DLR-K
Mo. 17.08.09 – 19:30 Uhr
Zeitfragen
Das politische Feature
“Achtung, Sie verlassen den demokratischen Sektor!”
Erkundungen im konservativen Grenzland. Wo endet konservative, auch rechte politische Einstellung und wo beginnt demokratiefeindliches Gedankengut?
Von Hannelore Daue

DLF
Do. 20.08.09 – 10:10 Uhr
Journal am Vormittag
Geschmack, Chemie und Gesundheit – Lebensmittelzusätze und Aromen
Am Mikrofon: Georg Ehring
So viele Erdbeeren kann man gar nicht anbauen, wie für sämtliche Erdbeerjoghurts der Welt erforderlich wären. Für den Geschmack sorgen nicht nur beim Joghurt Aromastoffe aus dem Labor: hergestellt mit Hilfe von Schimmelpilzen, Holzfasern oder Ausgangsstoffen aus dem Chemielabor – häufig unter Einsatz der Gentechnik. Vor allem in Fertigprodukten sorgen Zusatzstoffe und Aromen für Geschmack, Haltbarkeit und gleichbleibende Qualität. Viele Kunden fühlen sich allerdings getäuscht, und Ernährungswissenschaftler warnen: Risiken und Nebenwirkungen sind noch längst nicht umfassend erforscht. Welchen Sinn hat der Einsatz von Zusatzstoffen und Aromen? Was wird unseren Lebensmitteln wirklich zugesetzt, und wie wird es zugelassen? Wie kann ich mich darüber informieren, was ich esse? Und was macht der Ersatz von Natur durch Technik mit unserer Esskultur? Über diese und andere Fragen rund um Lebensmittel und ihre Zusätze diskutiert Georg Ehring mit Hörern und Experten.

DLR-K
Mo. 24.08.09 – 19:30 Uhr
Zeitfragen
Das politische Feature
“Es gibt keine christliche Straßenbeleuchtung oder Können die Freien Wähler mehr als Kommunalpolitik?”
Von Anja Schrum und Ernst Ludwig von Aster

DLR-K
Do. 27.08.09 – 13:07 Uhr
Länderreport
“Auf engstem Raum” Massentierhaltung in Niedersachsen
Von Christina Selzer

DLF
Fr. 28.08.09 – 19:15 Uhr
Dossier
Das Medienquartett:
Medien und Medienpolitik

zur Diskussion

DLR-K
Mo. 31.08.09 – 19:30 Uhr
Zeitfragen
Das politische Feature
“Parolen, Phrasen, Plattitüden”
Wie mit Sprache Politik gemacht wird
Von Thomas Klug

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Mainstreammedien, Meinungsmache, Manipulation

sound_system_mediaUrsprünglich hatte ich meinen Konsumpf-Blog vor allem als „Aufklärungsorgan“ mit den Themen Culture Jamming/Konsum- & Werbekritik geplant, doch schon sehr schnell stellte sich für mich heraus, dass auch viele andere Thematiken mit in diesen Bereich hineinspielen und dass zu einer aktuellen Kritik an der Konsumgesellschaft nicht zuletzt fast automatisch auch eine kritische Auseinandersetzung mit der uns umgebenden und beeinflussenden Medienlandschaft gehört. Denn die gleichen Marktmachtkonzentrationsprozesse, die auf dem „normalen“ Warensektor zu den sattsam bekannten schädlichen Auswirkungen auf Vielfalt und Mitbestimmung führen, zeitigen auch im Medienbereich eine Entwicklung hin zu einer immer weiter schwindenden Anzahl von unabhängigen Journalisten, Sendungen und Magazinen. Letztlich teilt sich eine kleine elitäre Clique, ein Kreis von einer Handvoll weltweit operierender Konzerne wie Time Warner, News Corp., Bertelsmann und Walt Disney, den Markt unter sich auf und behält so die Oberhand, wenn es um die Meinungshoheit in den öffentlichen Diskursen geht. Dass diese Medienkonglomerate, über die ich u.a. auch in meiner Buchbesprechung von „Unsere Medien?“ schon mal berichtete, weniger an einer umfassenden kritischen Berichterstattung als vielmehr an dem Bereiten des geistigen Nährbodens für die Verbreitung einer konsum- und arbeitsfreundlichen Haltung interessiert sind, zeigt sich leider immer wieder. Nicht zuletzt deshalb ist es auch für Culture Jammer wie Kalle Lasn mit seiner Adbusters Media Foundation ein wichtiges Anliegen, diese Quasi-Monopole anzugreifen und zu knacken. So aussichtslos das momentan auch noch erscheinen mag – das Internet eröffnet unsereins aber neue Möglichkeiten, um unter dem Radar der Mainstreammedien hindurch zu schlüpfen und eine Art „Gegenöffentlichkeit“ aufzubauen und für ausgewogenere Informationsströme zu sorgen.

hintergrund-3_2009_titel_bestIch hatte neulich ja schon einmal die neue Ausgabe (03/2009)  des Nachrichtenmagazins Hintergrund erwähnt, das den vielversprechenden Titel „Medien, Macht, Manipulationen“ trägt. Das Heft liegt in analoger Form vor mir auf dem Tisch und ich würde gerne den einen oder anderen Artikel daraus mit Euch teilen, nur leider stehen die Beiträge (noch) nicht online zur Verfügung. Solltet Ihr aber die Chance haben, das Magazin irgendwo zu lesen – meines Erachtens lohnen sich vor allem der Titelbeitrag von Markus Jansohn, „Die Tagesschau als Leitkultur. Eine Polemik gegen die Nachrichtenwelt“ von Walter van Rossum, „Think Tanks – die heimlichen Regierungen? Politik und Medien unter dem Einfluss einer machtvollen Lobby“ von Regine Naeckel sowie „Medienkonzentration – Redaktionsarbeit als industrieller Fertigungsprozess“ von Wolfgang Storz, aus dem ich mal kurz zitieren möchte:

Die Journalisten und ihre Gewerkschaften sind im Kampf um ihre Arbeitsbedingungen und um ihre Arbeitsplätze. Dieser Kampf ist existenziell. Deshalb sind sie seit Jahren verstrickt in Debatten und das Handeln um betriebswirtschaftlich gangbare Wege aus der Krise. Die Frage, an der sich diese Sanierungsabreiten ausrichten, lautet: Wie erreiche ich die Aufmerksamkeit meiner Konsumenten?

Die Frage lautet nicht: Versorge ich mein Publikum aus interessierten Bürgern ausreichend, und was kann ich tun, um aus der großen Schar an Konsumenten mehr Bürger als bisher für mich als Publikum zu gewinnen?

Weil es um die Konsumenten und nicht um die politischen (Staats-)Bürger geht, deshalb drehen sich diese handwerklichen Diskussionen in sich schlüssig nicht um die Stichworte: Kontrolle der Mächtigen, publizistische Unabhängigkeit, die vierte Gewalt im Staat, Verständlichkeit, das gesellschaftlich Belangvolle von Belanglosem unterscheiden, Politik unterhaltend, aber noch als Politik darstellen, der Einfluss der PR. Diese Stichworte spielen keine Rolle, weil sie betriebswirtschaftlich irrelevant sind. Deshalb können in dieser Gesellschaft auch mit leichter Hand Zeitungen aufgekauft und zusammengelegt werden.

EDIT: Den Leitartikel „Sind Journalisten mehr als Anzeigenumfeldgestalter für definierte Zielgruppen?“ kann man jetzt komplett online nachlesen!

Zu der Problematik sind auf den immer lesenswerten NachDenkSeiten unlängst ebenfalls zwei Artikel erschienen, wobei sich die NDS ohnehin seit jeher immer wieder intensiv mit dem Thema Medienmanipulation/Beeinflussung der öffentlichen Meinung durch Presse & Fernsehen beschäftigen. In „Sind Kampagnen der Meinungsbeeinflussung wirklich so verbreitet?“ macht sich Initiator Albrecht Müller Gedanken darüber, wie weit sich vor allem bewusst lancierte politische Kampagnen ausgewogene Diskussionen in den Medien zudecken.

bild-7Bei unseren Recherchen für die Texte in den NachDenkSeiten wie auch bei den Arbeiten am Buch „Meinungsmache” begegnen wir immer wieder Menschen, die bezweifeln, dass es systematisch geplante Kampagnen der Beeinflussung und Manipulation gibt, und die beharrlich nach sachlichen Gründen für bestimmte Meinungen und Einstellungen suchen.

Das ist verständlich. Vermutlich neigt die Mehrheit von uns trotz wiederkehrender böser Erfahrungen dazu, anderen Menschen, auch Verbänden, Parteien und Medien zunächst einmal gute Absichten zu unterstellen. Und außerdem haben viele die Sorge, in den Verdacht zu geraten, Verschwörungstheorien aufzusitzen.

Vermutlich liegen diese Gutgläubigen damit in der Regel falsch und vergeuden auf der Suche nach objektiven Hintergründen viel Kraft und Zeit. Jeden Tag können wir nämlich neu beobachten, wie Kampagnen der Meinungsbildung neu inszeniert oder weiter gedreht werden. Kampagnen überlagern die Meinungsbildung und bestimmen über weite Strecken die politischen Entscheidungen. (…)

In diesem sehr umfangreichen Artikel nennt Albrecht Müller eine Vielzahl von Beispielen für solche Vorgehensweisen – ich empfehle diese zwar unbequeme und auch etwas bedrückende, aber doch erhellende Lektüre!

Beitrag Nummer zwei ist ein Gastbeitrag einer NDS-Leserin: „Der einzige Schutz gegen Kampagnenjournalismus: ihn sichtbar machen und beim Namen nennen“. Sie hat sich anhand eines Interviews im Spiegel sowie des Sommerinterviews mit Oskar Lafontaine im ZDF Gedanken darüber gemacht, wie Stimmungen gegen Politiker in den Medien erzeugt werden, und sie analysiert die beiden Interviews minutiös daraufhin.

Sprachlos steht man am Rande des Geschehens. Maßgebliche Medien, nicht nur die Bild-Zeitung, auch der Spiegel, die Zeit, das ZDF, die ARD und die kommerziellen Rundfunksender lassen sich in Kampagnen der Indoktrination einspannen. Es kommen immer die gleichen Argumente, die Opfer sind in der Regel die Gegner der neoliberalen Bewegung. (…)

Wir dokumentieren diese Arbeit, weil wir Pluralität und Liberalität in den Medien für eine existenzielle Bedingung demokratischen Zusammenlebens halten. Davon sind wir leider weit entfernt. Wenn wir die demokratischen Elemente unserer politischen Ordnung retten wollen, dann müssen wir die Indoktrination offen legen. (…)

bild-81Last but not least fast schon eine Art moderner Klassiker – Noam Chomskys Artikel „Warum die Mainstreammedien ‚Mainstream‘ sind“ aus dem Jahre 1997, der leider nichts an Brisanz und Aktualität eingebüßt hat, eher im Gegenteil. [via] Wer wissen will, in welch engem Korsett sich Medienberichterstattung mittlerweile bewegt und wie die Absichten der großen Medienkonglomerate ausschauen, sollte sich diesen Text unbedingt zu Gemüte führen.

(…) Die Elitemedien stecken den Rahmen ab, in dem die restlichen Medien operieren. Wenn man sich Agenturen wie Associated Press ansieht, die eine permanente Nachrichtenflut ausstoßen, stellt sich heraus, daß dieser Strom vermischter Nachrichten jeden Nachmittag durch die Meldung unterbrochen wird: “An die Redaktionen: auf der Titelseite der New York Times werden morgen folgende Berichte erscheinen.” Wenn man beispielsweise Redakteur einer Zeitung in Dayton, Ohio ist und nicht über die Ressourcen verfügt oder sich sowieso nicht die Mühe machen will, selbst an wichtige Nachrichten heranzukommen, erfährt man auf diesem Weg, was als “Nachricht” zu gelten hat. (…)

Die Massenmedien im eigentlichen Sinn haben im wesentlichen die Funktion, die Leute von Wichtigerem fernzuhalten. Sollen die Leute sich mit etwas anderem beschäftigen, Hauptsache, sie stören uns nicht (wobei “wir” die Leute sind, die das Heft in der Hand halten). Wenn sie sich zum Beispiel für den Profisport interessieren, ist das ganz in Ordnung. Wenn jedermann Sport oder Sexskandale oder die Prominenten und ihre Probleme unglaublich wichtig findet, ist das okay. Es ist egal, wofür die Leute sich interessieren, solange es nichts Wichtiges ist. Die wichtigen Angelegenheiten bleiben den großen Tieren vorbehalten: “Wir” kümmern uns darum. (…)

(…) Außerdem sollten wir uns nicht – und jetzt zitiere ich wieder aus einem akademischen Essay zu diesem Thema – auf das “demokratische Dogma” versteifen, “nach dem die Menschen ihre Interessen selbst am besten beurteilen können”. Dem ist keineswegs so: in Wirklichkeit sind sie absolut unfähig dazu, und daher erweisen wir sowohl ihnen als auch der Gesellschaft einen großen Dienst, wenn wir das für sie übernehmen. Tatsächlich gibt es hier eine starke Ähnlichkeit mit dem Leninismus. Wir handeln an deiner Stelle, im gemeinsamen Interesse aller usw. Das ist vermutlich auch einer der Gründe dafür, weshalb sich im Verlauf der Geschichte viele Leute relativ problemlos aus glühenden Stalinisten in überzeugte Unterstützer des Machtanspruchs der USA verwandelt haben. Dabei erfolgt der Wechsel von der einen Position zur anderen oft sehr rasch, und ich denke, daß das ganz einfach daran liegt, das beide Positionen im großen und ganzen auf dasselbe hinauslaufen. Eigentlich verändert sich nur die Einschätzung darüber, welche Haltung einen der Teilhabe an der Macht näherbringt. (…)

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PR im Namen von Zensursula und Ulla Schmidt

Das Ausmaß, in dem Public Relations (PR) seit längerem schon die Mainstreammedien durchzieht und damit zum Spielball der Interessen von Wirtschaft und Politik macht, habe ich hier im Blog ja schon einige Male angesprochen (z.B. HIER). Tatsächlich stockt mir dennoch jedes Mal wieder der Atem, wenn ich einen Beitrag wie den folgenden des Magazins Zapp! sehe, in dem klar wird, wie weit sich die PR-Krake mittlerweile ausgebreitet hat und dass sie nicht nur für Firmen-, sondern auch für die Propagandazwecke von Politikern eingesetzt wird, beispielsweise im Radio. Was dort wie ein unabhängig recherchierter Beitrag eines Senders daherkommt, ist in Wirklichkeit nicht selten eine vorproduzierte Angelegenheit mit einem ganz speziellen Zweck, nämlich dem, den Hörern Objektivität vorzugaukeln, wo doch nur schnöder Lobbyismus vorliegt.

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Unter Kontrolle technischer Gadgets?

gadgetNa, Hand aufs Herz, wer von Euch besitzt oder benutzt ein iPhone oder ein anderes technisches Spielzeug, ohne das, so will uns die Reklame zumindest einreden, ein Leben heutzutage gar nicht mehr lebenswert oder vorstellbar ist? „Cool“ ist mensch ohne solch ein Teil natürlich erst recht nicht! Was viele Benutzer solcher Gadgets nicht wissen – diese Geräte stehen oft unter der Kontrolle der Hersteller, die quasi aus der Ferne Inhalte tilgen oder verändern können. Spiegel Online (manchmal lohnt es sich halt doch, auch mal einen Blick in die Mainstreammedien zu werfen) berichtete vorgestern ausführlicher über den neuen Trend zur Fernsteuerung via elektronischer Geräte – „Wie uns Gadgets an Konzerne fesseln”. Aufhänger ist der letzte Woche bekannt gewordene Fall Amazons, die bei Kunden, die für ihr ebook-Lesegerät Kindle die digitale Ausgabe von George Orwells „1984“ gekauft hatten, selbige auf Grund von Lizenzproblemen einfach wieder löschten, was die Vorstellung von „Besitz“ im digitalen Zeitalter stark relativiert – und natürlich auch Tür und Tor für andere Manipulationsmöglichkeiten öffnet.

Mit jedem Hightech-Gadget, das wir erwerben, geben wir ein Stückchen Freiheit auf. Denn viele Geräte hängen heute per Datenleitung oder Funkverbindung dauerhaft an den Servern des Herstellers. Für Überwacher und Kontrolleure bieten sich völlig neue Möglichkeiten – Kunden verlieren Rechte. (…)

(…) Das Schutzbedürfnis der Nutzer aber führt im Konzert mit dem Kontrollbedürfnis der Hersteller zu einer gefährlichen Situation, schreibt Zittrain: “Eine Verschiebung hin zu angebundenen Geräten stellt auch eine Wasserscheide hinsichtlich der Regulierbarkeit des Internets dar” (Hervorhebung vom Autor). Die “Gefahren des Exzesses” rührten dann nicht mehr von Virenschreibern und Hackern her, sondern von “Eingriffen von Regulierungsbehörden in die Geräte selbst, und damit in die Art und Weise, wie Menschen diese Geräte benutzen können.” Anders formuliert: Durch tethered appliances wächst nicht nur die Macht der Hersteller über die Nutzer ihrer Geräte – mittelbar wächst auch die Macht staatlicher Organe, die mit genügend Druck jeden Hersteller zu Erfüllungsgehilfen eigener Überwachungs- und Kontrollwünsche machen können. Wer glaubt, Großkonzerne würden sich dem Willen von Autokraten und Diktatoren nicht beugen, der werfe einen Blick nach China, wo Infrastrukturanbieter und Suchmaschinisten brav den Wünschen der Regierung folgen. (…)

(…) Wir werden uns daran gewöhnen müssen, dass diese “merkwürdigen Mischtechnologien” uns nie ganz gehören werden, selbst dann, wenn wir viel Geld dafür bezahlt haben sollten. Jeder Webmail-Account, jedes Hightech-Telefon, jeder DVD-Player mit Internet-Anbindung schränkt unsere Freiheit ein bisschen weiter ein – zumindest potentiell.

Apropos Spiegel – in der neuen Ausgabe findet sich ein weiterer erstaunlicher Artikel, nämlich „Freizeit: Wie wollen wir leben?“, der sich mit der übergroßen Bedeutung der Arbeit in unserer Gesellschaft beschäftigt und beispielsweise neue Trends wie die „gleefully frugal“ beleuchtet.

“Viel Arbeit, wenig Zeit: Lange galt das als einziger Weg zu einer erfolgreichen Existenz. Doch die Krise wird das ändern – zum Glück.”

“Es gibt ein etwas angestaubtes, konsumkritisches Motto aus den siebziger Jahren: Wer weniger arbeitet, hat mehr Zeit zum Leben. Das klingt gut 30 Jahre später noch ein bisschen ungewohnt, aber es könnte wieder in die Zukunft weisen.”

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Korruption der Presse durch Werbung & PR – Nachtrag

zeitung_pressMein Artikel „Wie der Druck durch Werbung die freie Presse korrumpieren kann“ sorgte ja doch für einige Diskussionen und wurde sogar auf der Website des Nachrichten-Magazins Hintergrund verwendet, in deren neuen Ausgabe es übrigens in gewisser Weise auch um dieses Thema geht – „Medien, Macht, Manipulation“.

Zwei Leser meines Blogs waren so freundlich, mich mit weiteren entsprechenden Informationen zu versorgen, die verdeutlichen, wie sumpfig das Verhältnis von (Reklame-)Industrie zu der „freien“ Presse heutzutage ist. Da ich davon ausgehe, dass nicht jeder auch die Kommentare hier verfolgt, hieve ich diese Infos einfach mal in den „offiziellen“ Bereich des Konsumpfs. Da wäre zunächst ein aktuelles Beispiel aus der Schweiz, über das die Zeitschrift Werbewoche berichtete – „Müller Martini – Thurgauer Zeitung mit Anzeigenboykott bedroht“:

Müller Martini hat Anzeigenaufträge bei der Thurgauer Zeitung zurückgezogen, weil diese einen kritischen Artikel über die Thurgauer Firma geschrieben hat. Hintergrund des Streits ist ein Bericht über die krisengeschüttelte Müller Martini, die im Frühjahr angekündigt hatte, insgesamt 200 Stellen abzubauen, davon 60 in Felben-Wellhausen. Gleichzeitig investiert die Firma in die Restaurierung eines Oldtimers. Die Zeitung hatte die Restaurierung als Luxus in der Krise kritisiert, von dem sich die betroffenen Mitarbeiter vor den Kopf gestossen fühlen.

Tja, dieses Beispiel zeigt, dass mitnichten nur die Reklame der großen Konzerne problematisch ist, sondern auch der Druck der lokalen Wirtschaft auf die lokale Presse dementsprechend hoch ist. Die Glaubwürdigkeit von Berichterstattung jeglicher werbefinanzierter Medien stellt das zusätzlich in ein entsprechend fahles Zwielicht.

Das Netzwerk Recherche ist ein Netzwerk für investigativen Journalismus, das sehr löbliche Ziele verfolgt:

Der Verein Netzwerk Recherche soll eine Lobby für den in Deutschland vernachlässigten investigativen Journalismus sein. Er vertritt die Interessen jener Kollegen, die oft gegen Widerstände in Verlagen und Sendern intensive Recherche durchsetzen wollen. Der Verein sieht sich in der Pflicht, wenn Funktionsträger den freien Fluss von Informationen behindern, wenn kein Geld für Recherchen zur Verfügung gestellt wird, wenn Kollegen für korrekte, kritische Arbeit angegriffen oder zum Teil sogar juristisch verfolgt werden.

Einen umfangreichen Bericht (168 Seiten!) über kritischen Wirtschaftsjournalismus, den das Netzwerk herausgegeben hat und bei dessen Lektüre man schon ab und an kräftig schlucken muss, könnt Ihr Euch HIER als pdf herunterzuladen – insbesondere lohnen sich zwei Artikel des Autors Nils Klawitter, der sich bereits mehrfach intensiv und kritisch mit der alles wie ein Krebsgeschwür durchziehenden Krake namens Public Relations (PR) auseinandergesetzt hat (siehe „Saubere Namen für dreckige Zwecke“ bei Spiegel Online) – „Public Relations – Meister der Verdrehung“ und „Lobbyismus in der EU“. Ebenfalls spannend „Was macht die Qualität … Defizite des Wirtschaftsjournalismus“ von Christian Nürnberger:

(…) Eines Tages hatte sich ein Leser am Telefon über schlechte Behandlung im Kaufhof beklagt, zufällig zu einem Zeitpunkt, zu dem ich selbst gerade vom Kaufhof schlecht behandelt worden war. Man wünscht sich ja, wenn man in einem Laden schlecht behandelt wird, ein paar Millionen auf dem Konto, damit man diesen Laden kaufen und den Chef feuern kann. Die Millionen hatte ich nicht, wohl aber einen Job bei der Zeitung und nun einen Anlass, den Laden mit 60 Zeilen zu vernichten.

Leider wurde die Vernichtung nie gedruckt.

Horst Wolf, einer der damaligen leitenden Redakteure der Zeitung kam zu mir und redete mir die schönsten Pointen, die geschliffensten Formulierungen und die gehässigsten Bemerkungen aus. Anfangs wollte ich widersprechen, wir diskutierten eine Weile, aber dann beendete er die Diskussion mit einem Satz, den ich nie mehr vergaß, und das war nun der eigentliche, der wahre Praxisschock. Der Satz lautete: ‘Die Pressefreiheit endet da, wo der Selbstmord beginnt (…)

(…) Dieser Zensor aus dem Geist des Kapitalismus ist viel geschickter und viel subtiler als die Zensoren in den Diktaturen gewesen sind. Dieser Zensor verbietet nichts, steckt niemanden ins Gefängnis, foltert nicht, droht kaum, dieser Zensor etabliert nur neue, harmlos klingende Kriterien für die Presse. Diese Kriterien werden noch nicht einmal öffentlich oder heimlich ausgesprochen oder gar schriftlich fixiert. Sie werden einfach nur angewendet. Der Zensor belohnt diejenigen mit Geld, sprich Werbung, die sich seinen Kriterien fügen. Wer sich nicht fügt, wird nicht etwa bestraft, sondern kriegt halt nur kein Geld. Das hat im Lauf der Jahre dazu geführt, dass immer größere Teile des Werbekuchens in den der Werbung genehmen Sendern, Verlagen und Redaktionen gelandet sind. (…)

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Die Herrschaft der Beliebigkeit – Eine Demokratiekritik

streifzuege-logoHach, es ist immer wieder erfrischend, einen Blick auf die Websites der Zeitschriften krisis und Streifzüge zu werfen, denn dort werden tatsächlich einmal kritische Gedanken zu Papier gebracht, die an so mancher als unumstößlich geltenden Normalität unseres Daseins rütteln. Neben der Kritik an der Überhöhung des Wertes der Arbeit und unserer Warengesellschaft wagt sich Autor Peter Klein in der neuen Ausgabe von Streifzüge (Nr. 46/2009 – das Heft gibt es komplett auch als kostenloses pdf!) an ein viele von uns seit Jahren umtreibendes und seit den ganzen Aktionen rund um die Internetsperren und das Ignorieren von E-Petitionen vermehrt beschäftigendes Thema: der Zustand unserer (Parteien-)Demokratie. In „Die Herrschaft der Beliebigkeit – Eine Demokratiekritik“ geht es dem Autor vor allem darum, dass heutzutage schon das Nachdenken über Alternativen und grundlegende Änderungen am momentanen Zustand fast ausgeschlossen erscheint, zumal die Verbindung von Demokratie mit dem (kapitalistischen) Wirtschaftssystem bereits so tief ins allgemeine Bewusstsein gesickert ist, dass auch hier echte Verbesserungen für viele kaum noch vorstellbar sind. Hier (wie üblich) ein paar Auszüge:

(…) Wie bei allen Bewusstseinszuständen, die es zu einer gesellschaftlichen Monopolstellung gebracht haben, ist natürlich auch mit diesem eine Gefahr verbunden. Es entsteht ein ideologischer Nebel, der es den Menschen schwer macht, die Härte und Grausamkeit, die mit der Ausübung jeglicher politischer Macht verbunden ist, deutlich wahrzunehmen. So sind etwa die vom Westen angezettelten Kriege der letzten Jahre trotz ihrer Unbeliebtheit auf bemerkenswert wenig Widerstand in der Bevölkerung gestoßen. Bomben, die im Namen der Demokratie und des Menschenrechts töten, machen anscheinend einen vernünftigeren und harmloseren Eindruck als das, was von „Hass“ und „religiösem Fantatismus“ angetriebene Attentäter tun – mag es militärisch gesehen auch noch so stümperhaft und unwirksam sein. (…)

Überhaupt zeichnet sich die westliche Demokratie durch ein hohes Maß politischer Zumutungs- und Frustrationstoleranz aus. Bei allem Lob der Kritik, bei aller mit Nachdruck zelebrierten Offenheit und Streitkultur – sie hat sich im letzten halben Jahrhundert als ein Hort der politischen Ruhe und Stabilität bewährt. Und dieser Umstand scheint mir von grundsätzlicher Bedeutung zu sein. Er verweist auf die Tatsache, dass die Menschen des Westens, jeder einzelne für sich, ziemlich viel mit sich selbst zu tun haben. Dafür sorgt die politisch-rechtliche Grundstruktur, in der sie sich befinden. Die moderne demokratische Gesellschaft ist eine weitgehend individualisierte Gesellschaft. Das Volk, das herrscht, ist eine rechtliche Struktur, die auf das vereinzelte Individuum zugeschnitten ist. Die Menschen sind hier rechtlich voneinander unabhängige Subjekte, die ihr Leben in freier Selbstverantwortung zu gestalten haben. Was immer diesem selbstverantwortlichen Subjekt zustößt, es handelt sich zunächst einmal um seine eigene Angelegenheit und um sein eigenes Pech. Jeder ist hier seines Glückes Schmied, und das heißt im Umkehrschluss, dass er sich auch das Misslingen und das Unglücklichsein selbst zuzuschreiben hat. Das hämische „Selber schuld!“ liegt mehr auf der Linie des verbreiteten Einzelkämpfertums als die Entwicklung von Solidaritätsgefühlen. Mit anderen Worten: Die Zeiten, in denen man noch politische Überzeugungen hegte und Opfer für sie brachte, sind in der überaus „coolen“ Gesellschaft der westlichen Demokratie lange vorbei. Das Dasein als privater Egoist fristen zu müssen, ist schon anstrengend genug. (…)

(…) Wenn das Nein zur Abwechslung einmal etwas früher auftreten und sich obendrein auch noch Gehör verschaffen könnte, wäre dies in Anbetracht der historischen Erfahrungen sicher von Vorteil. In diesem Sinne möchte ich den hier vorliegenden Versuch einer Demokratiekritik verstanden wissen. Die Krise, mit der wir konfrontiert sind, besitzt nach meiner Auffassung fundamentalen Charakter, das Ende einer ganzen Epoche zeichnet sich ab. Je deutlicher wir uns diese Situation bewusst machen, je besser wir mental darauf eingestellt sind, desto weniger Schmerzen wird uns der Übergang in die postkapitalistische Ära bereiten. Hinter den immergleichen Formeln und Floskeln wie hinter den Gitterstäben eines Käfigs hin- und herzustreifen, ist das Letzte, was uns Not tut. Es kommt im Gegenteil darauf an, diese Gitterstäbe zu durchschauen und zu überwinden. Der Abschied von der kapitalistischen Epoche fällt in dem Maße leicht, in dem sich die Einsicht verbreitet, dass das zu Verabschiedende überflüssig ist wie ein Kropf, dass es gut und nützlich ist, wenn man es hinter sich lassen kann. Der Abschied wird zur Qual ohne Ende, wenn man sich an den gewohnten Maßstäben und Denkformen um jeden Preis festzukrallen versucht. (…)

(…) Es ist schon viel gewonnen, wenn es uns gelingt, zu dieser Konstellation mental und bewusstseinsmäßig auf Distanz zu gehen. Letzten Endes sollte die demokratische Vernunft aber als das aus unsichtbaren Mauern bestehende Gefängnis verstanden werden, das den modernen Menschen daran hindert, seine existenzielle Befindlichkeit ernst zu nehmen und sich auf eine unbefangene Debatte darüber einzulassen.

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LobbyControl enthüllt erneut verdeckte Öffentlichkeitsarbeit – gleiche Methoden und Akteure wie im Fall der Deutschen Bahn

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© julosstock, stock.xchng

Heute reiche ich mal nur eine Info weiter, die ich im LobbyControl-Newsletter erhalten habe – LobbyControl ist ein Verein, der es sich zur Aufgabe gemacht hat, den Verstrickungen von Wirtschaft und Politik auf die Schliche zu kommen und sie aufzudecken. Was ihnen in diesem Fall – es geht um Biosprit – erneut gelungen ist und wieder einmal deutlich macht, wie wenig unabhängig Politik heutzutage doch von den permanenten Einflüsterungen aus der Industrie ist.

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Der Verband der Deutschen Biokraftstoffindustrie e.V. (VDB) räumte gestern ein, dass er 2008 monatelang mit unlauteren Mitteln Werbung für seine Ziele – die positive Darstellung von Biosprit – betrieb. Der heutige VDB-Präsident Claus Sauter bestätigte gegenüber LobbyControl, dass der Verband Anfang 2008 das deutsche Lobbyunternehmen EPPA GmbH – bekannt aus dem Zusammenhang mit der Bahn-Affäre im Mai – mit der Erstellung einer Analyse und der Durchführung einer Kampagne beauftragt hat. Wie im Fall der Bahn war die Denkfabrik Berlinpolis an der Ausführung beteiligt. Auch die eingesetzten Mittel gleichen sich.

>> Wie bei der Bahn: EPPA GmbH und Berlinpolis beteiligt

Laut Aussage von Claus Sauter sind Rüdiger May und Josef Grendel bereits Mitte 2007 im Namen von EPPA GmbH an den Verband herangetreten. Umweltverbände und Entwicklungsorganisationen hatten zu der Zeit zunehmend ökologische Bedenken vorgebracht und Biokraftstoffe als Auslöser von Hunger in Entwicklungsländern kritisiert. Die Debatte wurde (und wird) in der Öffentlichkeit sehr kontrovers geführt. Das Angebot der EPPA GmbH habe vorgesehen, eine Analyse der Berichterstattung vorzunehmen und eine Öffentlichkeitskampagne anzuschließen, die der Kritik entgegen wirken sollte.

Im Anschluss an den Vertragsabschluss begannen Mitarbeiter von Berlinpolis, unter Leserbriefe zu veröffentlichen, die nicht als PR gekennzeichnet waren. Von wenigen Ausnahmen abgesehen findet sich kein Hinweis auf ihre Tätigkeit bei Berlinpolis. Ein Auftragsverhältnis zum VDB ist nicht erkennbar. Die Leserbriefe wurden unter anderem bei FAZ.Net, FR-Online, Welt, Junge Welt, Märkische Allgemeine und der Taz veröffentlicht. Darüber hinaus publizierte der Berlinpolis-Geschäftsführer Daniel Dettling Artikel im Namen von Berlinpolis bei der FTD und der Welt, die sich für die positiven Aspekte des Biosprits aussprachen. Wie schon im Fall der Bahn wurde die Internetseite www.zukunftmobil.de, die inzwischen aus dem Netz genommen wurde, als Plattform für Online-Beiträge genutzt, die nicht als PR erkennbar waren.

Des Weiteren gab Berlinpolis eine Forsa-Umfrage zum Thema Biosprit in Auftrag und veranstaltete eine Podiumsdiskussion mit dem Titel “Tank oder Teller?”. Auf dem Podium anwesend waren unter anderem die CDU-Politikerin und Parlamentarische Staatssekretärin Ursula Heinen (BMELV), Michael Kauch (MdB und umweltpolitischer Sprecher der FDP-Fraktion) sowie Helmut Lamp (MDB für die CDU und Vorstandsvorsitzender des Bundesverbandes Bioenergie). Eine finanzielle Vergütung der Politiker soll es nicht gegeben haben.

>>Berlinpolis betrieb Webauftritt eines Ministeriums

Weitere Brisanz erhält der Fall durch Artikel der Berlinpolis-Mitarbeiter Katrin Päzolt und Martin Becker zum Thema Energie auf der Website “Kreativen Ökonomie”. Dieser war nicht als PR-Beitrag gekennzeichnet. Die Seite wird vom Ministerium für Wirtschaft, Mittelstand und Energie in Nordrhein-Westfalen betrieben, das sich auch mit Biosprit-Fragen beschäftigt. Aufbau, Programmierung und Pflege der Website unterlag von 2007 bis 2009 Berlinpolis. Laut Wirtschaftsministerium ist der Vertrag aber inzwischen ausgelaufen.

VDB-Präsident Claus Sauter erklärte, nichts von den verdeckten Aktionen gewusst zu haben. Ihm seien lediglich die zwei Artikel von Herr Dettling und der Webauftritt bei zukunftmobil.de bekannt gewesen. Nicht auszuschließen sei jedoch, dass diese möglicherweise mit dem damaligen Präsidium oder der damaligen Geschäftsführung abgesprochen waren.

Nach Angaben des VDB wurde der Vertrag Mitte 2008 vorzeitig gekündigt. Wie viel Geld im Rahmen des Auftrages geflossen ist, will der VDB nicht offen legen.

>> Verpflichtende Lobby-Transparenz dringend nötig

Wie im Fall der Bahn wurde hier mit den gleichen Methoden versucht, Öffentlichkeit und Politik dadurch zu beeinflussen, dass vermeintlich unabhängige Dritte im Sinne der Biosprit-Industrie in die öffentliche Debatte eingriffen. Diese Manipulation von Politik und Öffentlichkeit ist absolut inakzeptabel!

Erst Ende letzter Woche hatte der Deutsche PR-Rat, das Selbstkontrollorgan der PR-Branche, die EPPA GmbH für die Durchführung und Steuerung der Bahn-Affaire öffentlich gerügt. Laut PR-Rat hat das Lobbyunternehmen keinerlei Mitwirkung am Verfahren gezeigt. Deshalb könne nicht bewertet werden, ob EPPA GmbH inzwischen von seinem “unethischen Geschäftsgebaren” Abstand genommen habe. Diese mangelnden Aufklärungsmöglichkeiten des PR-Rates zeigen, dass eine freiwillige Selbstkontrolle im Ernstfall ein zahnloser Tiger bleibt.

Wir fordern daher ein gesetzlich verankertes Lobbyisten-Register, das Lobbyisten zur Transparenz über ihre Auftraggeber und Budgets verpflichtet. Unterstützen Sie unsere Forderung und unterzeichnen Sie jetzt unseren Online-Appell an den Bundestag:
http://www.lobbycontrol.de/blog/index.php/lobby-appell/

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Buchbesprechung: Horst Stowasser „Anarchie!“

stowasser-anarchieEin Buch, das über 500 Seiten mächtig und dazu noch recht eng bedruckt ist, liest man nicht mal so eben flott durch. Folgerichtig habe ich an Horst Stowassers faszinierendem Werk „Anarchie! Idee – Geschichte – Perspektiven“ eine ziemlich lange Zeit gelesen und tue mich nun auch ein wenig schwer, eine kurze & knappe Rezension dieses Buches zu verfassen, denn es ist vollkommen ausgeschlossen, in ein paar Zeilen die Fülle an Informationen und Anregungen, die der Autor dem Leser hier vermittelt, darzulegen. Dass es dringend angezeigt ist, sich Gedanken über Alternativen zu den jetzigen bzw. sattsam bekannten (gescheiterten) Wirtschafts- und Gesellschaftssystemen (Kapitalismus/Marktwirtschaft, Kommunismus) zu machen, verdeutlicht die „Finanzkrise“ tagtäglich aufs Neue und ist ja nun auch schon seit einer Weile ein ständig wiederkehrendes Thema in meinem Blog. Von daher ist Stowassers umfassende Analyse der Ideen der Anarchismus aktueller und notwendiger denn je – alternative Zukunftsvisionen, z.B. jenseits der Warenwirtschaft, zu entwickeln und zu durchdenken findet ja im alltäglichen Politzirkus unserer Parteien-Demokratie leider überhaupt nicht statt.

Wie schon der Untertitel andeutet ist Stowassers Buch in drei große Bereiche gegliedert. Im ersten Teil, „Die Idee“, geht es um die grundlegende Klärung dessen, was Anarchie bzw. Anarchismus eigentlich ist, was er will – und was nicht! Denn leider ist es ja doch so, dass heutzutage die meisten Menschen beim Begriff „Anarchie“ an langhaarige Bombenleger, an Gewalt und Chaos denken. Dass dieses negative Image seine Wurzeln in einer sehr kurzen Phase der Anarchie hat, die Ende des 19. Jahrhunderts dazu führte, dass einige radikale Aktivisten meinten, die Repräsentanten eines verhassten Systems mit Bomben aus dem Weg zu schaffen, führt der Autor später weiter aus – zunächst stellt er klar, dass Anarchie grundlegend gewaltfrei ist und nichts mit chaotischen Zuständen zu tun hat, das Grundprinzip der Anarchie ist von seinen Ursprüngen an „Ordnung ohne Herrschaft“ (das Wort „Anarchie“ kommt aus dem Griechischen und bedeutet „keine Herrschaft“). Ich muss dabei gestehen, dass ich bis zur Lektüre dieses Buches selbst wenig über die Ideen wusste, die Anarchie ausmachen und auch eher dem Chaos-Begriff zuneigte. Dabei lerne ich schon auf den ersten Seiten, dass ich von meiner Persönlichkeit her tendenziell zu den „natürlichen Anarchisten“ zähle :-) , also denjenigen, die z.B. ein Problem mit Herrschaftsstrukturen und starren Systemen haben.

Folgerichtig lehnen Anarchisten die Idee und das Konzept eines Staates als Bevormundungs- und auch Unterdrückungssystem ab, aber auch die uns derzeit beherrschende Form der Demokratie als Parteienherrschaft. Eine anarchistische Partei wäre demnach ein Widerspruch in sich (obwohl es so etwas mal in Spanien gab). Generell gibt es – anders als bei Zwangsbeglückungssystemen wie dem Kommunismus als „staatstriefende Version des Sozialismus“ – beim Anarchismus kein starres Programm, kein dogmatisches Regelwerk, nach dem man sich zu richten hätte – die individuelle (aber eher solidarisch verstandene, also nicht neoliberal-egoistische) Freiheit des Menschen steht im Mittelpunkt sowohl der Gesellschaft wie auch der Wirtschaft.

»Der Staat ist eine Abstraktion, die das Leben des Volkes verschlingt – ein unermeßlicher Friedhof, auf dem alle Lebenskräfte eines Landes großzügig und andächtig sich haben hinschlachten lassen.« – Michail Bakunin –

Zu den ersten Höhepunkten von Stowassers Ausführungen gehören für mich, neben den Abschnitten über die anarchistische Kritik am Kommunismus, am Staat und der (Parteien-)Demokratie, das Kapitel „Eine andere Ökonomie“, in der der Autor eine in meinen Augen hervorragende und messerscharfe Analyse unseres Wirtschaftssystems vornimmt und den Finger an viele Wunden legt und dabei auch unsere „Wissenschaft“ (Betriebswirtschaftslehre etc.) nicht verschont. Da ich dieses Kapitel für so grundlegend wichtig halte, habe ich es einmal als eigenes pdf extrahiert (hier herunterzuladen) – jeder BWLer, jeder Banker und alle Anhänger der ach! so sozialen Marktwirtschaft sollten diese 25 Seiten mal gelesen haben… Viele andere Facetten des ersten Abschnitts dieses Buches, sei es das Patriarchat, Gedanken zu einer freieren Kunst, zur Vernetzung, zur Ökologie usw. kann ich an dieser Stelle nicht näher ausführen.

In der Schule – gleichgültig ob staatlich oder religiös geprägt – würden Untertanen hergestellt. Auch wenn als Erziehungsziel offiziell der ›kritische und mündige Staatsbürger‹ gefordert werde, bleibe es immer noch beim Staatsbürger. Neben Lesen, Schreiben, Rechnen und viel ›Sachwissen‹ werde vor allem eines gelehrt: Anpassung an die bestehenden Gesellschaftsverhältnisse – zwar nicht als Lehrfach, aber überall versteckt. Und selbst das angeblich wertfreie ›Sachwissen‹ stecke bei näherem Hinsehen voller Einseitigkeit, Ideologie und Phantasielosigkeit. Vielfalt, wirkliche Alternativen und vor allem Freiheit des Lernens gebe es nicht.

Im zweiten Teil, „Die Vergangenheit“, liefert uns Horst Stowasser eine packende Zusammenfassung der Geschichte der Anarchie, von frühern Vorläufern, ersten Experimenten, über die Entstehung des Anarchie-Konzepts im 19. Jahrhundert parallel bzw. zu Beginn sogar gemeinsam mit der Entwicklung des Sozialismus – erst nach einiger Zeit begannen sich Sozialisten und Anarchisten in unterschiedliche Richtungen zu entwickeln. Tatsächlich wurden die Sowjet-Kommunisten (zusammen mit den Faschisten) im 20. Jahrhundert die größten Feinde der Anarchisten und bekämpften diese mit aller Macht. Ich muss gestehen, dass ich im Geschichtsunterricht nichts über diese Entwicklungen gelernt habe und mir diese ganzen Details und Verknüpfungen komplett neu waren; ich kannte nicht einmal die bekanntesten Köpfe der Anarchiebewegung wie Michail Bakunin oder Pierre-Joseph Proudhon. Da Stowasser einen sehr angenehmen, lockeren Schreibstil hat, der nicht unnötig mit Fachvokabular überfrachtet ist, fand ich diese „Geschichtsstunde“ extrem spannend und bereichernd, zumal man erfährt, wie stark die Idee des Anarchismus/Anarchosyndikalismus von allen Seiten der Repression ausgesetzt war. Der Autor findet darum verständlicherweise auch wenig gute Worte über Kommunisten, Kapitalisten und Faschisten, aber auch nicht für Sozialdemokraten und die Gewerkschaften, die ihre ursprünglichen Ideen und Ideale längst auf dem Altar der Machterhaltung geopfert haben.

So deprimierend und hart sich auch manches liest, was dem Leser dort an (ausgerotteter) anarchistischer Geschichte vor Augen geführt wird, so ist es auch faszinierend zu sehen, wie vielschichtig, wie bunt und schillernd diese Bewegung all die Jahrzehnte über war – und dass sie 1936 für 3 Jahre in Spanien (wo die Bewegung auch heute noch am stärksten ist) einige große Städte wie Barcelona unter ihrer Selbstverwaltung hatten und trotz des Kampfes gegen die spanischen Faschisten (den sie am Ende bekanntlich gegen Francos Truppen verloren) dort ein funktionierendes und den Umständen entsprechend blühendes Alltagsleben initiieren konnten.

stowasserEtwas ernüchtert ist Stowassers Analyse des heutigen Zustands des Anarchismus, der aktuell durch eine gewisse Rat- und Richtungslosigkeit gekennzeichnet ist, wobei sich andererseits viele Initiativen, die zwar nicht das Label „Anarchie“ tragen, dennoch aber deren Gedanken in die Tat umsetzen, entwickelt haben – selbst verwaltete Firmen, regionales Wirtschaften uvm. – u.a. darum geht es im dritten und kürzesten Teil, „Die Zukunft“ des Anarchismus.

Am Ende der mehr als 500 Seiten trennt man sich nur ungern von der Lektüre dieses großartigen Buches, das ich wirklich wieder einmal nur jedem ans Herz legen kann. Aber Vorsicht: Wer ein Patentrezept für ein zukünftiges Gesellschaftssystem erwartet, also eine fertige Anleitung mit integriertem Regelsystem, wird enttäuscht sein, denn so etwas widerspräche irgendwie auch dem Geist des Anarchismus. Vielmehr geht es m.E. darum, in vielen Bereichen die festgefahrenen Denkschablonen zu verlassen und Diskussionen über Alternativen zuzulassen und anzuregen. Und zu erkennen, dass Menschen schon seit langem kreativ über ein menschengerechteres Zusammenleben nachdenken. Die Marktwirtschaft ist nicht das Ende der Geschichte.

Ach ja, bevor mir jetzt jemand wieder einen Konsumaufruf unterstellt, weil ich dieses Buch empfehle: Die alte Ausgabe dieses Werkes gibt es tatsächlich legal und kostenlos als pdf im Netz, und zwar auf der Website Mama Anarchija (>> pdf). Diese 1995 im Eichborn Verlag erschienene Version ist gut 100 Seiten schlanker, heißt noch „Freiheit pur – Die Idee der Anarchie“ und diverse aktuelle Entwicklungen und Betrachtungen fehlen natürlich (damals hatten wir beispielsweise noch die D-Mark!), aber als Einstieg ist auch diese Variante durchaus zu empfehlen.

Horst Stowasser: „Anarchie! Idee – Geschichte – Perspektiven“, Edition Nautilus 2006, 511 S., 24,90 €

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Die Krise und der Zustand in Island und Italien

Zwei Artikel sind mir gestern über den Weg gelaufen, die sich mit den aktuellen Zuständen und Krisenfolgen direkt in Europa befassen und die mich beide erschrocken haben. Auf Yahoo! fand sich der kurze und bestürzende Bericht „Isländer müssen für Bankenkollaps bluten”, in dem es um die aktuelle Lage in Island geht. Der kleine Inselstaat ist von dem Bankanchaos besonders hart getroffen worden und muss nun drastische Einsparungen und Verschärfungen in Bezug auf die Bürger in Kauf nehmen, und das, obwohl die meisten Menschen ja nichts für diesen Bankenpoker können. In gewisser Weise ist die Beschreibung dessen, was gerade auf Island passiert, eine komprimierte Fassung dessen, was uns auch hierzulande in Zukunft blühen dürfte: das für die Rettung der Banken verpulverte Geld muss ja an irgendeiner Stelle wieder reingeholt werden… Pikant auch, dass eine rot-grüne Regierung in Island solche Beschlüsse fasst.

Knapp neun Monate nach dem Kollaps des isländischen Finanzsektors bekommen die 320 000 Bürger jetzt die Rechnung für die gigantischen Fehlspekulationen von Bankmanagern präsentiert.

Sie sollen nach der Verabschiedung eines «Stabilitäts-Paketes» im Parlament in Reykjavik mit deutlich höheren Steuern, ebenso deutlich verminderten Sozialleistungen des Staates und weniger Geld für Krankenhäuser und Schulen dazu beitragen, das Minus im Staatshaushalt auf zehn Prozent des Bruttonationalproduktes zu beschränken.

faschistische-uniformSowieso schlimm, auch schon vor dem offiziellen Ausbruch der „Finanzkrise“, war die Lage ja in Italien – ein Land, in dem so jemand wie Berlusconi, der die Medien unter seiner Fuchtel und vieles auf dem Kerbholz hat, als Regierungschef gewählt wird, muss masochistisch veranlagt sein. Auf Lumières Dans La Nuit habe ich nun einen Beitrag gelesen, der einen den Atem stocken lässt, denn man kann den Eindruck bekommen, dass Italien direkt auf dem Weg zu einem neuen Faschismus ist – „Krisennews Spezial: Italien”. Zum Beispiel wenn man sich die Uniformen der neu gegründeten „Bürgerwehr“ mit ihrer Sonnenrune anschaut… wie krank ist das!

(…) Berlusconis Regierung hat sich währenddessen auf die Ärmsten der italienischen Gesellschaft eingeschossen. Seine grausame Anti-MigrantInnen Politik schließt ein „Sicherheitspaket” ein, das per Notverordnung eingeführt wurde und in dem medizinisches Personal und HausbesitzerInnen angewiesen werden, mutmaßlich illegale MigrantInnen zu melden. Berlusconi und seine Partner aus der Lega Nord und der „postfaschistischen” Nationalen Allianz haben in Folge mehrerer Vergewaltigungen, die vorgeblich von Nicht-Italienern begangen wurden und denen große mediale Aufmerksamkeit zuteil wurde, ganz bewusst Migration mit Verbrechen in Verbindung gebracht. Reagiert hat die Regierung mit lebenslänglichen Freiheitsstrafen für die Vergewaltigung Minderjähriger und Überfälle, in denen das Opfer getötet wird. Mit dem Vorschlag, allen Nicht-ItalienerInnen Fingerabdrücke abzunehmen strebt sie die Kriminalisierung aller MigrantInnen an. Am bedenklichsten ist, dass sie den Einsatz von Straßenpatrouillen vorgesehen hat, die von unbewaffneten und unbezahlten Freiwilligentruppen („ronde”) durchgeführt werden – darunter auch pensionierte PolizistInnen und SoldatInnen. (…)

Und Die Welt führt weiter aus:

(…) “Die GNI ist die neueste Erfindung aus der rechtspopulistischen bis neofaschistischen Schmuddelecke Italiens. Es steht für “Guardia Nazionale Italiana”, “Italienische Nationalgarde”. Sie will Ordnung bringen in die italienischen Innenstädte, die sie in einem ständigen Niedergang sieht, vor allem verursacht durch Einwanderer.

Um ihr Ansinnen auch nach außen wirkmächtig darzustellen, greift die “Nationalgarde” in die Altkleidersammlung der Geschichte. Wer mitmachen will, soll eine Uniform tragen, die jenen aus der Zeit des Faschismus ähnelt: Springerstiefel, Khakihemden, schwarze Krawatten. So will “GNI” in Italien Streife gehen, sobald ein Gesetz der Regierung Berlusconi in Kraft tritt, das Bürgerwehren zur Unterstützung der Polizei erlaubt. (…)

(…) “Die Uniformen der “Nationalgarde”, die italienweit etwa 2000 Mitglieder haben soll, lösten erwartungsgemäß heftige Reaktionen aus. Junge Kommunisten diskutieren bereits in Internetforen, eine “Kommunistische Miliz Italiens” zu gründen, und die Nachrichtenagentur Ansa meldet, römische Juden hätten angekündigt, eine “Gegenbürgerwehr” zu gründen, eine “Brigate ebraica”, eine “Jüdische Brigade”. (…)

Grauenhaft, das klingt wirklich nach den 1930er Jahren, was sich da zusammenbraut…

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Der Quelle-Katalog muss leben!

Nichts ist in unserer Gesellschaft so wichtig, wie der Erhalt von Arbeitsplätzen (so sinn- & nutzlos sie auch sein mögen) sowie die Möglichkeit, ungebremst kaufen kaufen kaufen zu können. Klar, dass es sich die Politik im Wahljahr 2009 da nicht nehmen lässt, das marode Versandhausunternehmen Quelle mit Steuergeldern aus der Patsche zu helfen. Rein rechnerisch wird jede Seite des nun doch erscheinenden neuen Quelle-Katalogs mit 36.000 € subventioniert – selten war ein Druckwerk so kostbar. Von der Ressourcenverschwendung durch den Druck so eines Trumms will ich gar nicht erst anfangen. Das Magazin quer auf Bayern 3 im Bayerischen Fernsehen brachte dann letzte Woche auch einen entsprechend satirisch-kritischen Beitrag  „Warum der Quelle-Katalog nicht sterben darf“ sowie die Fotostrecke „Ein Hoch auf den Quelle-Katalog“:

Das Versandhaus Quelle braucht dringend einen Kredit vom Staat, damit es seinen überlebenswichtigen Winterkatalog drucken kann. Eine Bürgschaft über 20 Millionen Euro aus bayerischen Steuergeldern wurde bereits schnell und unbürokratisch zugesagt. Auch wenn Kritiker die Rettungsaktion als kurzsichtige Geldvernichtung anprangern, findet quer: Recht so! Deutschland hat dem Quelle-Katalog so viel zu verdanken, da lohnt jeder Cent.

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