Auf YouTube habe ich einen sehr gelungenen Beitrag gefunden, der sowohl das Thema Konzernkritik als auch Reklamekritik vereint und sich mit Shell befasst.
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Wer kennt sie nicht, die „gute alte“ Regel, dass man mindestens 2 Liter Wasser am Tag trinken solle, um gesund zu bleiben. Was nach einer sinnvollen und im ersten Moment einleuchtenden Sache aussieht, entpuppt sich in Wahrheit als geschickter Marketingschachzug der Getränkekonzerne, wie Plusminus zeigt – „Zwei Liter Wasser am Tag trinken? Unnötig!“:
– Die weit verbreitete Wassertrinkregel “2 Liter am Tag” finden viele Experten und Ärzte übertrieben.
– Trinkvorgaben sind Teil des Marketings der Wasserhersteller, um mehr Umsatz zu machen.
– Umweltschützer stellen Nutzen von Flaschenwasser in Frage und verweisen auf die ökologischen Folgen.
– Gesunde Erwachsene können sich getrost auf ihr Durstgefühl verlassen.
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Bevor sich das Jahr zu Ende neigt, will ich doch wenigstens mal wieder ein Lebenszeichen senden. Der nachfolgende, schon etwas ältere Beitrag „The secrets of food marketing“ ist für alle, die Englisch verstehen, absolut sehenswert, denn er bringt die Methoden von Marketing und Reklame gut auf den Punkt. Bei der Vortragenden handelt es sich übrigens nicht um eine echte Marketing-Frau, sondern eine Schauspielerin, das sollte man der Fairness halber dazu sagen.
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Es ist – zumal für Leser meines Blogs – eigentlich keine neue Erkenntnis, die uns Foodwatch da vorgestern als Ergebnis einer Studie vorlegte. Die Angebote der Nahrungsmittelindustrie, die speziell auf Kinder abzielen (in Aufmachung, Reklame, Rezeptur) wurden gründlich unter die Lupe genommen, und für überwiegend zu süß, zu ungesund, zu fett befunden. Trotzdem werden diese Produkte von der Marketingmaschinerie der Konzerne ungestraft als „gesunde Mahlzeit“ o.ä. angepriesen – während in anderen Ländern Reklame für Kinder sogar schon verboten ist, darf hierzulande noch gelogen werden, dass sich die Balken biegen. Natürlich sind auch die Eltern dafür mitverantwortlich, was die Kinder zu sich nehmen, aber solange die Unternehmen gehirnwäschegleich ihre Desinformationen ausstreuen, wird es für viele schwierig, Fakten von Märchen zu trennen. Ein Mitglied der Konsumpf-Facebookgruppe fragte zu Recht, was eigentlich in den Köpfen von Unternehmern, Herstellern, Werbeleuten, Händlern vor geht, dass sie hier nicht selbst die Reißleine ziehen – und statt dessen den eigenen Profit vor das Wohl der Kinder setzen.
Hier nun also zur Foodwatch-Studie „Wie die Industrie aus Kindern Junkfood-Funkies macht“:
Unausgewogene Produkte, perfides Marketing und überbordende Lobbyarbeit: Die Lebensmittelindustrie leistet keinen Beitrag zur ausgewogenen Ernährung von Kindern, sondern trägt massiv zur grassierenden Fehlernährung bei. Das belegt der Report „Kinder kaufen“, den foodwatch heute in Berlin vorstellte.
Das ist das Problem: In Deutschland sind 15 Prozent der Kinder übergewichtig, 6 Prozent sogar adipös – ihnen drohen Krankheiten wie Diabetes, Gelenkprobleme, Bluthochdruck und Herzerkrankungen. Im Vergleich zu den 80er und 90er Jahren ist der Anteil übergewichtiger Kinder um 50 Prozent gestiegen. Der wichtigste Grund für das Übergewichtsproblem: Kinder ernähren sich falsch. Sie essen zu viele Süßigkeiten, fettige Snacks und Fleisch, trinken zu viel Limonade; Obst und Gemüse kommen dagegen zu kurz.
Das ist der Stand: Ein umfassender Marktcheck von foodwatch zeigt: Das Angebot an industriellen Kinderlebensmittel besteht fast ausschließlich aus Süßigkeiten und Snacks. Dieses Junkfood drängt die Industrie den Kindern mit perfiden Marketingstrategien auf – und verhindert jede Regulierung, angefangen bei einer transparenten Nährwertkennzeichnung, durch massive Lobbyarbeit. Die Hersteller sind damit mitverantwortlich für die schlechte Ernährung der Kinder.
Das fordert foodwatch:
- Industrie in die Verantwortung nehmen: Die Lebensmittelindustrie muss dort Verantwortung übernehmen, wo ihre Verantwortung tatsächlich liegt: In der Produktion ausgewogener Kinderlebensmittel – nicht in PR-trächtigen Alibi-Maßnahmen wie Bewegungsinitiativen und Ernährungstipps für den Schulunterricht. Die Verantwortung für die Fehlernährung von Kindern darf nicht auf die Eltern abgewälzt werden!
- Kein Kinder-Marketing für Süßigkeiten: Produkte, die nicht ausgewogen sein können (wie Süßigkeiten) dürfen nicht länger als Kinderprodukte beworben und mit Comicfiguren, Spielzeugbeigaben, Gewinnspielen oder Idolen direkt an Kinder vermarktet werden.
- Werbefreie Schulen: Schulen und Kindergärten müssen werbe- und PR-freie Räume werden.
- Schluss mit der Alibi-Sport-Förderung durch die Industrie: Die Junkfood-Industrie ist kein geeigneter Partner für den Staat, für Schulen und Sportverbände wie den Deutschen Fußballbund (DFB). Sponsoring-Partnerschaften und gemeinsame Programme zur Bewegungsförderung oder Übergewichts-Bekämpfung dienen den Unternehmen als Ablasshandel und müssen beendet werden.
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So, und heute kommt dann endlich der letzte Teil meiner Übersetzung des Artikels „Advertising at the Edge of the Apocalypse“ von Prof. Sut Jhally über die fatalen Folgen der Reklame (und unseres auf Wachstum basierenden Wirtschaftssystems) auf unsere Gesellschaft. Teil 1 findet Ihr HIER, Teil 2 HIER, Teil 3 HIER und Teil 4 HIER.
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Die Vorstellung von einer anderen Zukunft
Vor über 100 Jahren beobachtete Marx, dass es zwei Richtungen gab, die der Kapitalismus nehmen konnte: in Richtung eines demokratischen „Sozialismus“ oder einer brutalen „Barbarei“. Sowohl langfristige wie auch aktuelle Erkenntnisse scheinen darauf zu deuten, dass wir die zweite Richtung eingeschlagen haben – außer es gelingt uns, schnell alternative Werte zum Tragen zu bringen.
Viele Leute dachten, dass die Umweltkrise der Dreh- und Angelpunkt für das Nachlassen internationaler Spannungen sein könnte, weil wir unsere Abhängigkeit und unsere kollektive Sicherheit und Zukunft auf dem Spiel sahen. Aber wie die Irak-Kriege deutlic machten, wird die Neue Weltordnung auf der Basis des Kampfs nach knappen Ressourcen gebildet. Bevor die Propaganda die Gründe zum „Kampf für Freiheit und Demokratie“ verschob erinnerte George Bush die Amerikaner daran, dass die Truppen in den Golf geschickt werden, um die Ressourcen zu schützen, die „unsere Lebensweise“ zu beschützen. Eine Automobilkultur, die so wie die unsrige auf Produkten basiert, hängt unweigerlich von billigen Ölquellen ab. Und wenn die Kosten dafür 100.000 tote Iraker sind, dann muss das halt so sein. In solch einem Szenario werden die Menschen der Dritten Welt als Feinde angesehen, die unsinnige Ansprüche auf „unsere“ Ressourcen erheben. Die Zukunft und die Dritte Welt kann warten. Unsere kommerziell dominierter Kulturdiskurs erinnert uns jeden Tag mit Macht daran, dass wir alles sofort brauchen. In diesem Sinne ist der Golfkrieg eine Vorschau auf das, was kommen wird. Wenn der Welt die Ressourcen ausgehen, werden die stärksten militärischen Kräfte aktiviert, um den Zugang sicherzustellen.
Die destruktiven Aspekte des Kapitalismus (seine kurzfristige Ausrichtung, das Leugnen kollektiver Werte, die einseitige Betonung des Materiellen) werden inzwischen auch von einigen Menschen erkannt, die ihr Vermögen mit Hilfe des Marktes gemacht haben. Der zum Philantropen mutierte Milliardär George Soros sprach 1997 über die „kapitalistische Bedrohung“ und in bezug auf die Kultur ist die Werbung die Hauptstimme dieser Bedrohung. In dem Maße, wie sie uns in Richtung materieller Dinge zur Befriedigung und weg vom Aufbau sozialer Beziehungen lenkt, schiebt sie uns den Weg zu steigender wirtschaftlicher Produktion entlang, die die kommende Umweltkatastrophe befeuert. In dem Maße, wie Reklame über unsere individuellen und privaten Bedürfnisse spricht, drängt sie Diskussionen über kollektive Themen an die Ränder. In dem Maße, wie sie nur von der Gegenwart erzählt, erschwert sie das Denken über die Zukunft. In dem Maße, wie sie all diese Dinge tut, wird Werbung zu einem Haupthindernis für das Überleben unserer Spezies.
Um aus dieser Situation herauszukommen und neue Sichtweisen auf die Welt zu entwickeln, wird viel Arbeit erfordern, und eine Antwort könnte einfach sein, das Ende der Welt mit einem letzten großen Knall zu genießen, die Party, um alle Partys zu beenden. Die alternative Lösung, die Situation zu ändern, für humane, kollektive Langzeitwerte zu arbeiten, wird einen erheblich größeren Aufwand bedeuten.
Und es gibt Anzeichen dafür, hoffnungsvoll auf die Ergebnisse eines solchen Versuchs zu sein. Es ist wichtig, hervorzuheben, dass der Aufbau und Erhalt der momentanen Struktur der Konsumentenkultur erheblichen Aufwand und viel Mühe erfordert. Der Grund, dass die Konsumentenweltsicht die Welt dominiert, liegt darin, dass tagtäglich Millarden von Dollar dafür ausgegeben werden. Die Konsumentenkultur wird nicht einfach errichtet und läuft dann von alleine. Sie muss durch die Aktivitäten der Reklameindustrie und in zunehmenden Maße der PR-Industrie aufrechterhalten werden. Der Kapitalismus muss sich sehr anstrengen, um uns vom Wert der kommerziellen Vision zu überzeugen. In gewissem Sinne ist der Konsum-Kapitalismus ein Kartenhaus, das auf zerbrechliche Weise durch immense Anstrengungen zusammengehalten wird, und er kann genauso leicht dahin schmezen wie er zusammengehalten wird. Es wird davon abhängen, ob es überlebensfähige/gangbare Alternativen gibt, die die Menschen motivieren, an eine andere Zukunft zu glauben; davon ob es andere Ideen gibt, die genauso angenehm, kraftvoll, spaßig und leidenschaftlich sind, mit denen sich die Menschen identifizieren können.
Ich denke an dieser Stelle an die Arbeiten von Antonio Gramsci, der den berühmten Satz „Pessimismus des Intellekts, Optimismus des Willens“ geprägt hat. „Pessismismus des Intellekts“ heißt, dass man die Realität unserer gegenwärtigen Umstände erkennt, die gewaltigen Machtfelder, die gegen uns sind, analysiert – aber auf die Möglichkeiten und die moralische Erwünschtheit eines sozialen Wandels zu bestehen, ist der „Optimismus des Willens“; in menschliche Werte zu glauben, die eine Inspiration für uns sein werden, sich für unser Überleben einzusetzen.
Ich will nicht zu naiv in Bezug auf die Möglichkeiten eines sozialen Wandels sein. Es muss nicht nur für gemeinsame Werte gekämpft werden, sondern gemeinsame Werte, die individuelle Rechte und individuelle Kreativität berücksichtigen. Es gibt bereits viele repressive Bewegungen, von unseren eigenen christlichen Fundamentalisten bis hin zu den islamschen Eiferern der Taliban in Afghanistan. Die Aufgabe ist nicht einfach. Sie beinhaltet, viele verschiedene Weltanschauungen auszubalancieren und zu integrieren. Wie Ehrenreich schreibt:
Können wir uns eine Gesellschaft vorstellen, die „Kollektivität“ nicht mit den drögen Konsequenzen von Konformität verbindet, sondern mit etwas, das ich nur „Konvivalität“ („convivality“) nennen kann, welche möglicherweise direkt in die soziale Infrastruktur eingebaut werden kann, mit der Möglichkeit, demokratische Beteiligung auf allen Ebenen zu belohnen? Können wir uns eine Gesellhaft vorstellen, die Individualismus nicht verachtet, sondern individuelle kreative Ausdrucksformen, wie auch Regimekritik, Debatten, Nonkonformität, künstlerische Experimente und im weitesten Sinne Abenteuer, wirklich wertschätzt? Das Projekt bleibt das gleiche wie seit jeher: die Konsumentenkultur durch eine wirklich humanen Kultur zu ersetzen. (Ehrenreich 1990, S. 47)
Die Einsätze sind wirklich zu hoch für uns, um uns nicht mit den realen und dräuenden Problemen zu befassen, denen wir uns als Spezies gegenüber sehen – eine progressive und menschenwürdige gemeinsame Lösung für die globale Krise zu finden und unseren Kindern und zukünftigen Generationen eine Welt zu sichern, auf der eine wirklich humanes Leben möglich ist.
Literatur:
- Commoner, Barry (1971) The Closing Circle; nature, man and technology Knopf, New York
- Ehrenreich, Barbara (1990) “Laden with Lard” ZETA, July/Aug.
- Durning, Alan (1991) “Asking How Much is Enough” in Lester Brown et. al. State of the World 1991 Norton, New York.
- Heilbroner Robert (1980) An Inquiry into the Human Prospect: Updated and Reconsidered for the 1980s Norton, New York.
- Leiss, William (1976) The Limits to Satisfaction Marion Boyars, London.
- Leiss, William, Stephen Kline and Sut Jhally (1990) Social Communication in Advertising (second edition) Routledge, New York.
- Marx, Karl (1976) Capital (Vol 1), tr. B. Brewster, Penguin, London.
- Nelson, Joyce (1983) “As the Brain Tunes Out, the TV Admen Tune In” Globe and Mail
- McKibben, Bill (1989) The End of Nature Randon House, New York.
- Scitovsky, Tibor (1976) The Joyless Economy Oxford University Press, New York
- Soros, George (1997) “The Capitalist Threat” in The Atlantic Monthly February.
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Dies ist der vierte Teil meiner Übersetzung des Artikels „Advertising at the Edge of the Apocalypse“ von Prof. Sut Jhally über die negativen Auswirkungen der Reklame (und unseres auf Wachstum basierenden Wirtschaftssystems) auf unsere Gesellschaft. Teil 1 findet Ihr HIER, Teil 2 HIER und Teil 3 HIER.
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Das Ende der Welt, wie wir sie kennen
Die Vision des Konsumismus, die durch die Werbung vorangetrieben wird und die Welt erobert, basiert im Grunde, wie ich es schon vorher anmerkte, auf der Annahme von wirtschaftlichem Wachstum. Wachstum erfordert Ressourcen (sowohl Rohstoffe wie auch Energie) und es gibt eine umfassende Übereinstimmung unter Umweltwissenschaftlern, dass die Erde frühere Raten des Anstiegs nicht verkraften kann, die auf ressourcenintensiven Arten ökonomischer Aktivität fußen, vor allem nicht, weil immer mehr Länder um die Futtertröge kämpfen.
Die Umweltkrise ist komplex und vielschichtig, und berührt sowohl Produktions- wie Konsumptions-Belange. Beispielsweise wissen wir in Bezug auf die Ressourcenerschöpfung, dass wir sehr schnell das erschöpfen, was die Erde bieten kann und dass, wenn die momentanen Wachstums- und Konsumratentrends sich ungebremst fortsetzen, die Grenzen des Wachstums auf diesem Planten irgendwann im nächsten (21.) Jahrhundert erreicht sein werden. Die industrielle Produktion verbraucht Ressourcen und Energie in nie zuvor gekanntem Ausmaß. Seit 1950 hat die Erdbevölkerung mehr Ressourcen verbraucht als alle Generationen zuvor zusammen gerechnet. (Durning 1991, S. 157) Innerhalb von 50 Jahren haben wir den Verbrauch von Tausenden von Jahren geschafft. Die Menschen der westlichen Nationen und allen voran die Amerikaner haben die meisten dieser Ressourcen gebraucht, so dass wir eine besondere Verantwortung für die nahende Krise tragen. In weiteren 100 Jahren werden wir den Planeten ausgebeutet haben.
Aber mehr noch werden wir der Umwelt irreparablen Schaden zugefügt haben, von der wir vollständig abhängen. Wie der Umweltaktivist Barry Commoner sagt:
Die Umwelt ist wie eine riesige, enorm komplexe lebendige Maschine, die eine dünne dynamische Schicht auf der Erde formt, und jegliche menschliche Aktivität hängt von der Unversehrtheit und dem Funktionieren dieser „Maschine“ ab… Diese Maschine ist unser biologisches Kapital, der Grundapparat, von dem all unsere Produktivität abhängt. Wenn wir sie zerstören wird auch unsere fortschrittlichste Technologie wertlos werden und jedes ökonomische und politische System, das darauf fußt, wird zerfallen. Die Umweltkrise ist ein Signal für eine herannahende Katastrophe. (Commoner 1971, S. 16–17)
Das deutlichste Zeichen dafür, dass wir mit unserer Produktion einen Effekt auf die Ökosphäre des Planeten haben, ist die Zersetzung der Ozonschicht, durch die die Menge an ultravioletter Strahlung, die zerstörerisch oder tödlich für viele Lebensformen auf der Erde ist, dramatisch zugenommen hat. 1985 entdeckten Wissenschaftler die Existenz eines riesigen Ozonlochs über dem Südpol, das die Größe der USA aufweist und zeigt, wie menschliche Aktivität das Äußere der Erde verändert. In seinem Buch „The End of Nature“ erinnerte uns Bill McKibben daran, dass „wir dies selbst getan haben… indem wir Autos fahren, Fabriken bauen, Wälder abholzen, Klimaanlagen aufdrehen.“ (1989, S. 45) Er schreibt, dass die Geschichte der Welt voll der unglaublichsten Ereignisse ist, die die Art, wie wir leben, verändert haben, aber sie werden alle in den Schatten gestellt durch das, was wir in den letzten 50 Jahren erreicht haben.
Menschliche Anstrengungen, selbst die größten, waren winzig im Vergleich zur Größe des Planeten – das Römische Reich war der Arktis oder dem Amazonas egal. Aber heutzutage verändert die Lebensweise der einen Hälfte der Welt jeden Zentimeter des Globus (1989, S. 46)
Die Situation ist so schlimm, dass die wissenschaftliche Gemeinschaft verzweifelt versucht, die Aufmerksamkeit des Rests von uns zu bekommen, um uns auf die Gefahren aufmerksam zu machen. Die Union of Concerned Scientists („Vereinigung besorgter Wissenschaftler“, der 1700 der weltweit führenden Wissenschaftler angehören, darunter die meisten Wissenschafts-Nobelpreisträger) veröffentlichte jüngst diesen Aufruf:
Die Menschheit und die Natur/Umwelt befinden sich auf Kollisionskurs. Menschliche Aktivitäten fügen der Umwelt und kritischen Ressourcen irreversiblen Schaden zu. Sofern sie nicht überprüft werden, werden viele unserer momentanen Handlungsweisen die Zukunft, die wir uns für die menschliche Gesellschaft und dem Pflanzen- und Tierreich wünschen, ernsthaft aufs Spiel setzen und so die Umwelt verändern, dass es unmöglich sein wird, in ihr zu leben, wie wir es kennen. Fundamentale Änderungen sind dringend nötig, wenn wir die Kollision, die unser aktueller Kurs hervorrufen wird, vermeiden wollen.
Es ist wichtig, die Vorhersage einer direkt bevorstehenden Katastrophe zu vermeiden. Wir haben bereits viel Schaden angerichtet, aber die wirkliche Umweltkrise wird uns nicht vor Mitte des 21. Jahrhunderts treffen. Aber um diese Katastrophe zu vermeiden müssen wir jetzt aktiv werden. Wir müssen die Schritte in die Wege leiten, die uns in 70 Jahren retten werden.
Die Metapher, die die vor uns liegende Aufgabe am besten beschreibt, ist die eines Öltankers, der drauf und dran ist, am Strand zu zerschellen. Wegen seiner Trägheit und seiner Größe muss die Wende weit vor dem Strand eingeleitet werden, seine eigene Trägheit voraussehend. Wenn er zu spät wendet, wird er auf die Küste prallen. Dort befindet sich die Konsumentengesellschaft im Moment. Wir müssen grundlegende Änderungen vornehmen, wie wir uns organisieren, wie sich unsere Wirtschaft aufbreitet, wenn wir die Katastrophe in 70 Jahren vermeiden wollen. Wir müssen JETZT aktiv werden.
In diesem Sinne hat die derzeitige Generation eine einzigartige Verantwortung in der Geschichte der Menschheit. Es ist im wahrsten Sinne des Wortes an uns, die Welt zu retten, die notwendigen Änderungen einzuleiten. Wenn wir dies nicht tun, werden wir uns in 70 Jahren in Richtung Barbarei und Wildheit untereinander bewegen. Wir müssen kurzfristige Einbßen akzeptieren. Wir müssen unsere unnötigen Geräte/Hilfsmittel aufgeben. Wir müssen insbesondere unsere Beziehung zum Auto überdenken. Wir müssen wirkliche Önderungen vornehmen – nicht bloß recyceln, sondern fundamentale Änderungen an unserer Art zu Leben und zu produzieren. Und wir können dies nicht auf individueller Ebene tun, wir müssen es gemeinsam angehen. Wir müssen irgendwie den politischen Willen finden, dies zu tun, selbst wenn wir vielleicht schon tot sein werden, wenn die Auswirkungen spürbar sind. Das lebenswichtige Thema lautet „Wie sehr fühlen wir uns den Generationen in den kommenden Jahrhunderten verbunden?“. Der politische Philosoph Robert Heilbroner formuliert es so:
„Das ausschlaggebende Problem für die Welt in der Zukunft wird eine Besorgnis für kommende Generationen sein. Wo werden solche Sorgen auftauchen? … Der heutige industrielle Mensch, dessen Appetit nach der Gegenwart durch die Werte einer Hoch-Konsum-Gesellschaft und dessen Einstellung zur Zukunft durch die vorherrschenden Grundsätze der Selbst-Sucht verformt werden, had nur eine geringe Motivation, solch eine Bindung zu zukünftigen Generationen einzugehen. Es gibt viele Menschen, die fast alles für ihre Kinder aufgeben würden; erheblich weniger würden dies für ihre Enkel tun.“ (Heilbroner 1980, S. 134–135)
Eine solche Bindung (mit zukünftigen Generationen) wird iin unserer gegenwärtigen Umgebung, die die individuellen (nicht sozialen) Bedürfnisse und die kurzfristige Situation (nicht die langfristige) betont, um so schwieriger. Das Werbesystem wird die Grundlagen mitformen, auf dem wir über die Zukunft der Menschheit nachdenken, und dort gibt es nichts, was uns Hoffnung für die Entwicklung einer solchen zukunftsträchtigen Perspektive machen sollte. Der Zeitrahmen der Reklame ist sehr kurzfristig orientiert. Sie ermutigt uns nicht, über die Unmittelbarkeit der gegenwärtigen sinnlichen/lustbetonten Erfahrung hinaus zu denken. Es kann sogar so sein, dass – weil das Werbeumfeld immer umkämpfter und dichter wird, mit immer mehr von dem, was Werber als „Lärm“ bezeichnen, der droht, individuelle Botschaften zu ertränken – Reklame verstärkt auf die Ebenen unserer Erfahrung abzielt, die fern vom alltäglichen Wirrwarr sind, und die sofort und in tiefer Weise sehr emotionale Zustände von uns ansprechen. Eindrückliche gefühsbetonte Bilderwelten, die uns beim „Bauchgefühl“ packen lassen keinen Raum, um über etwas nachzudenken. Sexuell aufgeladene Bilder müssen, vor allem im Zeitalter von AIDS, in dem Sex mit Tod verknüpft wird, noch mächtiger und direkter werden, um mögliche negative Assoziationen zu überwinden, ja, um uns aus der Welt von Bedeutung und Sinn, die wir kognitiv gestalten, zu entfernen. Der Wert einer kollektiven sozialen Zukunft ist eine, die in unserer kommerziell dominierten Kultur keinen Ausdruck findet und niemals finden wird. In der Tat vermitteln uns die derzeit herrschenden Werte keinen Anreiz, eine Verbindung mit zukünftigen Generationen zu knüpfen, und hierin liegt ein wirkliches Gefühl von Nihilismus und Verzweiflung in Bezug auf die Zukunft, und ein Abschotten gegenüber der Außenwelt.
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In den nächsten Tagen folgt dann der letzte Teil des Artikels.
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Und hier kommt der dritte Teil meiner Übersetzung des Artikels „Advertising at the Edge of the Apocalypse“ von Prof. Sut Jhally über die üblen Auswirkungen der Reklame auf unsere Gesellschaft. Teil 1 findet Ihr HIER, Teil 2 HIER.
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„So etwas wie eine ‚Gesellschaft‘ gibt es nicht“
Eine Kultur, die von kommerziellen Botschaften dominiert wird, die den Individuen sagt, dass der Weg zum Glück über das Konsumieren von am Markt gekauften Dingen führt, gibt eine sehr sepezielle Antwort auf die Frage „Was ist Gesellschaft“, also was uns in einer bestimmten Art und Weise kollektiv zusammenhält, welche Sorgen oder Interessen wir teilen. Margaret Thatcher, die frühere konservative britische Premierministerin, gab uns die knappste Antwort auf diese Frage aus der Sicht des Marktes. In einem ihrer vermutlich berühmtesten (und berüchtigsten) Zitate sagte sie: „So etwas wie eine ‚Gesellschaft‘ gibt es nicht.“ Nach Frau Thatcher gibt es keine Basis, die wir Gesellschaft nennen können, keine gemeinsamen Werte, keine kollektiven Interessen – Gesellschaft ist nur eine Menge von Individuen, in der jeder für sich handelt.
Genau so spricht auch die Reklame zu uns. Sie spricht uns nicht als Mitglieder einer Gesellschaft an, die über kollektive Themen diskutieren, sondern als Einzelpersonen. Sie redet über unsere individuellen Bedürfnisse und Begierden. Sie spricht nicht über die Dinge, die wir kollektiv angehen müssen, wie Armut, Gesundheitswesen, Wohnungsbau und Obdachlosigkeit, die Umwelt etc. Der Markt apelliert an die schlimmsten Wesenszüge in uns (Gier, Selbstsucht) und entmutigt unsere besten Teile (Mitgefühl, Großzügigkeit).
Dies sollte uns wiederum nicht überraschen. In den Gesellschaften, in denen der Markt dominiert, werden die Dinge gefördert/herausgestellt, die der Markt liefern kann – und Werbung ist die Hauptstimme des Marktes –, so dass Diskussionen über kollektive Themen an die Ränder der Kultur gedrängt werden. Sie sind im Mittelpunkt des Hauptkommunikationssystems unserer Gesellschaft vorhanden. Es ist kein Zufall, dass die Marktvision, die man mit Neo-Konservativen verbindet, genau zur gleichen Zeit dominant wurde, als die Reklame die selben Werte in jede Ecke der Kultur verbreitete. Die weitverbreitete Desillusionierung über die „Regierungen“ (und damit das Denken über Dinge in einer kollektiven Art und Weise) fand in den Bereichen der kommerziellen Kultur extrem fruchtbaren Boden.
Leider befinden wir uns nun sowohl global wie auch national in einer Situation, in der Lösungen für nukleare und Umweltprobleme nur in kollektiver Form gefunden werden können. Der Markt kann nicht mit den Problemen umgehen, denen wir uns im neuen Jahrtausend zu stellen haben. Beispielsweise kann er nicht mit der Bedrohung nuklearer Auslöschung umgehen, die uns auch in der Zeit nach dem Kalten Krieg begleitet. Er kann nicht mit der Erderwärmung umgehen, mit der dünner werdenden Ozonschicht oder der Ressourcenerschöpfung. Die Auswirkungen dessen, wie wir unserem „Business“ nachgehen, sind nicht mehr lokal beschränkt, sie sind nun global und wir müssen internationale und kollektive Wege finden, ihnen zu begegnen. Individuelles Handeln wird nicht ausreichen.
Wie finden wir im eigenen Land einen Weg, mit Themen umzugehen wie den alptraumhaften Innenstädten, dem Ausbreiten von Armut, der Vernachlässigung von einer Gesundheitsversorgung für die verletztlichsten Schichten der Bevölkerung? Wie können wir realistisch und leidenschaftlich eine Lösung für solche Probleme finden, wenn wir in einer Kultur leben, deren zentrale Botschaft lautet: „Don’t worry, be happy“ (Mach dir keine Sorgen, sei glücklich)? Wie Barbara Ehrenreich sagt:
Fernsehwerbung bietet uns Lösungen für hunderte von Problemen, von denen wir nicht mal wussten, dass wir sie hatten – vom „Morgen-Mundgeruch“ bis zur Shampooaufrüstung –, aber nirgendwo in der Konsumkultur finden wir irgendjemanden, der uns solch profanen Notwendigkeiten wie Gesundheitsvorsorge, Kinderpflege, Betreuung oder akademische Bildung anbietet. Die Kehrseite des Konsumenten-Spektakels… ist der sterbende und verarmte öffentliche Sektor. Wir haben Teenage Mutant Ninja Turtles, finden aber keine Möglichkeit, das Fünftel der amerikanischen Kinder auszubilden, die in Armut aufwachsen. Wir haben Dutzende von Frühstücksflockenvariationen, aber keine Hilfe für die Hungrigen. (Ehrenreich 1990, S. 47)
In diesem Sinne verlagert Werbung systematisch die sozialen Schlüsselthemen an den Rand der Kultur und spricht statt dessen in kraftvollen Worten von individuellen Wünschen, Fantasien, Vergnügen und Bequemlichkeit.
Zum Teil liegt dies an der Monopolisierung des kulturellen Lebens durch die Werbung. Es gibt keine Räume mehr für unterschiedliche Arten von Diskussionen, keinen Platz in der Mitte der Gesellschaft, in der alternative Werte ausgedrückt werden könnten. Aber es liegt auch in dem Versagen derjenigen, die sich um kollektive Themen bemühen, alternative Visionen zu erschaffen, die es in irgendeiner Art und Weise mit den kommerziellen aufnehmen können. Die wichtigsten Alternativen, die bisher angeboten wurden, waren grauer und trübseliger Staatsdirigismus. Dies geschah nicht nur in den westlichen Gesellschaften, sondern auch in den ehemaligen sog. „sozialistischen“ Gesellschaften Europas. Diese repressiven Gesellschaften fanden nie einen Weg, sich auf angenehme Art mit den Menschen zu verbinden, sie verbannten Fragen des Genusses und individuellen Ausdrucks zu den nicht-wichtigen und ablenkenden Aspekten des sozialen Lebens. Dies war eines der Kernversagen des Kommunismus in Osteuropa. Ehrenreich erinnert uns daran, dass er nicht nur unfähig war, materielle Güter zu liefern, sondern genauso nicht dazu in der Lage, eine wirklich menschliche „ideologische Erwiderung auf die kraftvollen vertführerischen Botschaften der kapitalistischen Konsumkultur.“ (Ehrenreich 1990, S. 47) Die Probleme sind hierzulande nicht weniger schwerwiegend.
Alles Verführerische und Ansprechende wird in dem (sorgfältig privatisierten) Konsumentenspektakel verortet. Im Gegensatz dazu zeichnet sich der öffenliche Sektor als ein Bereich bar jeder erotischen Versprechungen ab – es ist die Heimat des IRS (in etwa den deutschen Finanzämtern entsprechend), der DMV (Department of Motor Vehicles = Kraftfahrzeugbundesamt) und anderer verwirrender, nerviger Bürokratien. Aus dem Grund kämpfen nur wenige Menschen auf politischer Ebene für eine bundesweite Krankenversicherung und Elternurlaub, obwohl viele diese Dinge wollen. „‚Notwendigkeit‘ ist nicht genug; wir müssen einen Weg finden, die Möglichkeiten eines aktivistischen öffentlichen Sektors attraktiver zu machen und die Möglichkeiten von öffentlichem Aktivismus glamouröser darzustellen.“ (Ehrenreich 1990, S. 47)
Die zwingend erforderliche Aufgabe für all jene, die andere Werte verbreiten wollen (als die der kommerziellen Kultur), besteht darin, den Kampf für soziale Veränderungen unterhaltsam und sexy zu machen. Damit meine ich nicht, dass wir sexuell aufgeladene Bilder einsetzen, sondern dass wir einen Weg finden müssen, über den ganzen Kampf gegen Armut, Obdachlosigkeit, für ein Gesundheitswesen, Kinderpflege und Umweltschutz in Begriffen zu denken, die mit Wohlgefühl, Vergnügen und Glück zu tun haben.
Um diese „Glamourösisierung“ der kollektiven Themen möglich zu machen, ist es erforderlich, dass das derzeitige kommerzielle Monopol der Kommunikationskanäle zugunsten eines demokratischeren Zugangs aufgebrochen wird, wo schwierige Diskussionen über wichtige und relevante Themen möglich werden. Obwohl die Situation hoffnungslos erscheinen mag, sollten wir uns daran erinnern, für wie wichtig der Kapitalismus sein Monopol auf die Fantasien/Vorstellungen hält. Die schrittweisen Kampagnen der US-Regierung gegen die kubanische Revolution und die Besessenheit unserer nationalen Sicherheitseinrichtungen mit der Sandinistischen Revolution in Nicaragua in den 1980er Jahren zeigten deutlich die Wichtigkeit, die der Kapitalismus dem Zerschlagen alternativer Modelle beimisst. Und obwohl die US-Regierung fortfährt, die barbarischsten, brutalsten und mörderischsten Regime in der ganzen Welt zu unterstützen, hat sie es speziell auf die Regierungen abgesehen, die versucht haben, den Reichtum zu den Ärmeren umzuverteilen und die kollektive Werte den Werten von Eigennutz und Gier vorzogen. Das Monopol auf die Vision der Menschen zu haben ist zentral, und der Kapitalismus weiß das.
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Alsbald geht es weiter mit dem nächsten Teil (insgesamt wird es fünf Teile geben).
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Dies ist der zweite Teil meiner Übersetzung des Artikels „Advertising at the Edge of the Apocalypse“ von Prof. Sut Jhally über die negativen Folgen der Reklame auf unsere Gesellschaft. Teil 1 findet Ihr HIER.
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Glück/Freude
Jede Gesellschaft erzählt sich eine Geschichte über Glück/Glücklichsein, wie die einzelnen Individuen sich zufrieden stellen können und sich sowohl subjektiv wie objektiv gut fühlen. Das Kultursystem der Werbung gibt eine ganz spezifische Antwort auf diese gesellschaftliche Frage. Der Weg zu Glück und Zufriedenheit führt über den Konsum von Dingen über den Marktmechanismus. Waren sollen uns glücklich machen. (Leiss 1976, S. 4) Im Grunde genommen ist dies die wesentliche und ausdrückliche Botschaft jeder einzelnen Botschaft innerhalb des Systems der Marketingkommunikation.
Weder die Tatsache, dass Werbung die Vorstellungswelten kolonialisiert, noch dass sie die Geschichte propagiert, dass Waren eine zentrale Rolle in der Erreichung menschlicher Zufriedenheit spielen sollte uns überraschen. Die gewaltige Anhäufung von Gütern muss konsumiert werden (um anschließend noch mehr Güter zu produzieren), und die Art und Weise, wie dies sichergestellt wird, ist, Güter mit Glücklichsein zu verknüpfen. Insider dieses Systems haben diese offensichtliche Tatsache schon vor vielen Jahren erkannt. Verkaufsanalyst Victor Liebow schrieb direkt nach dem 2. Weltkrieg: „Unsere enorm produktive Wirtschaft… verlangt, dass wir Konsum zu unserer Lebensweise machen, dass wir das Kaufen und Verkaufen von Gütern zu Ritualen machen, dass wir unsere spirituelle Erfüllung, unsere Ego-Erfüllung in Waren suchen. Wir brauchen, dass Dinge in immer schnellerem Maße konsumiert, verbrannt, aufgetragen, ersetzt und weggeworfen werden.“ (in Durning 1991, S. 153)
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Über die vielen negativen Auswirkungen der Reklameindustrie und der gesamten Marketingmaschinerie, die sich in immer mehr Lebensbereiche der Menschen ausbreitet, habe ich hier im Blog ja schon des öfteren geschrieben. Dennoch ist dieses Thema so wichtig – und da es immer noch viel zu viele Leute gibt, die Werbung bloß für ein notwendiges Übel oder sogar für etwas Wertvolles halten, werde ich nicht müde, die Schädlichkeit der Reklame zu betonen. Deshalb war ich auch sehr erfreut, als ich neulich den Artikel „Advertising at the Edge of the Apocalypse“ von Prof. Sut Jhally aus dem Jahre 1999 entdeckte, der seitdem natürlich nichts an Aktualität verloren hat. Mit seiner freundlichen Erlaubnis präsentiere ich Euch seinen Text hier in der von mir übersetzten Fassung – da er sehr lang ist, werde ich ihn hier in mehreren Teilen veröffentlichen. Ich beginne heute – ganz überraschend – mit Teil 1:
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Werbung am Rande der Apokalypse
In diesem Artikel möchte ich eine einfache Behauptung aufstellen: die Werbung des 20. Jahrhunderts ist das mächtigste und dauerhafteste Propaganda-System in der menschlichen Geschichte und seine kumulierten kulturellen Auswirkungen werden mitverantwortlich dafür sein, die Welt, wie wir sie kennen, zu zerstören. Wenn sie dies erreicht, wird sie verantwortlich für den Tod Hundertausender von Menschen sein und die Menschen der Welt daran hindern, glücklich zu werden. Einfach ausgedrückt hängt unser Überleben als Spezies davon ab, die Gefahren der Werbung und der Kommerzkultur, die sie ausgelöst hat, zu minimieren. Ich habe diese Behauptung dick gedruckt, damit niemand Zweifel darüber haben kann, was in unseren Diskussionen über Medien und Kultur auf dem Spiel steht, während wir das neue Jahrtausend betreten.
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Also dieses Radiofeuilleton von Deutschlandradio Kultur passt ja nun wirklich perfekt sowohl zu meinem Blog wie auch zum aktuellen KonsumWeihnachtsfest – „Wie steht es um unsere Moral an der Ladenkasse?“ Teil 1 als mp3, Teil 2 als mp3
Weihnachten naht und damit die Konsumschlacht schlechthin. Die Geschäfte fahren in dieser Zeit ihre höchsten Gewinne ein. Aber Weihnachten ist nur ein Beispiel für unsere auf Konsum ausgerichtete Welt: Wir shoppen in jeder Lebenslage, Einkaufscenter und Discounter boomen. Gleichzeitig wächst die Zahl derer, die sich den Billigprodukten verweigern und auf Nachhaltigkeit setzen.
“Grundsätzlich ist jeder Einkaufsakt politisch. Jeder Konsument stimmt an der Kasse ab, ob moralisch oder nicht”, sagt der Kulturwissenschaftler Prof. Dr. Ludger Heidbrink. Auch, wenn man nicht darüber nachdenke, wo und was man kaufe – die Folgen seien letztlich politisch – denn sie gipfelten in der Frage, welche Geschäfte überleben, bis hin zu den Herstellungsbedingungen der Waren.
Dem Direktor des Center for Responsibility Research am Kulturwissenschaftlichen Institut Essen geht es nicht darum, den totalen Konsumverzicht zu predigen, sondern “von einem quantitativen zu einem qualitativen Konsum zu kommen. Wenn man sich diese Malls anschaut, was die Leute dort anstellen: Sie konsumieren nicht, sie kaufen. Wir leben in einer Kaufgesellschaft!” (…)