So, und heute kommt dann endlich der letzte Teil meiner Übersetzung des Artikels „Advertising at the Edge of the Apocalypse“ von Prof. Sut Jhally über die fatalen Folgen der Reklame (und unseres auf Wachstum basierenden Wirtschaftssystems) auf unsere Gesellschaft. Teil 1 findet Ihr HIER, Teil 2 HIER, Teil 3 HIER und Teil 4 HIER.
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Die Vorstellung von einer anderen Zukunft
Vor über 100 Jahren beobachtete Marx, dass es zwei Richtungen gab, die der Kapitalismus nehmen konnte: in Richtung eines demokratischen „Sozialismus“ oder einer brutalen „Barbarei“. Sowohl langfristige wie auch aktuelle Erkenntnisse scheinen darauf zu deuten, dass wir die zweite Richtung eingeschlagen haben – außer es gelingt uns, schnell alternative Werte zum Tragen zu bringen.
Viele Leute dachten, dass die Umweltkrise der Dreh- und Angelpunkt für das Nachlassen internationaler Spannungen sein könnte, weil wir unsere Abhängigkeit und unsere kollektive Sicherheit und Zukunft auf dem Spiel sahen. Aber wie die Irak-Kriege deutlic machten, wird die Neue Weltordnung auf der Basis des Kampfs nach knappen Ressourcen gebildet. Bevor die Propaganda die Gründe zum „Kampf für Freiheit und Demokratie“ verschob erinnerte George Bush die Amerikaner daran, dass die Truppen in den Golf geschickt werden, um die Ressourcen zu schützen, die „unsere Lebensweise“ zu beschützen. Eine Automobilkultur, die so wie die unsrige auf Produkten basiert, hängt unweigerlich von billigen Ölquellen ab. Und wenn die Kosten dafür 100.000 tote Iraker sind, dann muss das halt so sein. In solch einem Szenario werden die Menschen der Dritten Welt als Feinde angesehen, die unsinnige Ansprüche auf „unsere“ Ressourcen erheben. Die Zukunft und die Dritte Welt kann warten. Unsere kommerziell dominierter Kulturdiskurs erinnert uns jeden Tag mit Macht daran, dass wir alles sofort brauchen. In diesem Sinne ist der Golfkrieg eine Vorschau auf das, was kommen wird. Wenn der Welt die Ressourcen ausgehen, werden die stärksten militärischen Kräfte aktiviert, um den Zugang sicherzustellen.
Die destruktiven Aspekte des Kapitalismus (seine kurzfristige Ausrichtung, das Leugnen kollektiver Werte, die einseitige Betonung des Materiellen) werden inzwischen auch von einigen Menschen erkannt, die ihr Vermögen mit Hilfe des Marktes gemacht haben. Der zum Philantropen mutierte Milliardär George Soros sprach 1997 über die „kapitalistische Bedrohung“ und in bezug auf die Kultur ist die Werbung die Hauptstimme dieser Bedrohung. In dem Maße, wie sie uns in Richtung materieller Dinge zur Befriedigung und weg vom Aufbau sozialer Beziehungen lenkt, schiebt sie uns den Weg zu steigender wirtschaftlicher Produktion entlang, die die kommende Umweltkatastrophe befeuert. In dem Maße, wie Reklame über unsere individuellen und privaten Bedürfnisse spricht, drängt sie Diskussionen über kollektive Themen an die Ränder. In dem Maße, wie sie nur von der Gegenwart erzählt, erschwert sie das Denken über die Zukunft. In dem Maße, wie sie all diese Dinge tut, wird Werbung zu einem Haupthindernis für das Überleben unserer Spezies.
Um aus dieser Situation herauszukommen und neue Sichtweisen auf die Welt zu entwickeln, wird viel Arbeit erfordern, und eine Antwort könnte einfach sein, das Ende der Welt mit einem letzten großen Knall zu genießen, die Party, um alle Partys zu beenden. Die alternative Lösung, die Situation zu ändern, für humane, kollektive Langzeitwerte zu arbeiten, wird einen erheblich größeren Aufwand bedeuten.
Und es gibt Anzeichen dafür, hoffnungsvoll auf die Ergebnisse eines solchen Versuchs zu sein. Es ist wichtig, hervorzuheben, dass der Aufbau und Erhalt der momentanen Struktur der Konsumentenkultur erheblichen Aufwand und viel Mühe erfordert. Der Grund, dass die Konsumentenweltsicht die Welt dominiert, liegt darin, dass tagtäglich Millarden von Dollar dafür ausgegeben werden. Die Konsumentenkultur wird nicht einfach errichtet und läuft dann von alleine. Sie muss durch die Aktivitäten der Reklameindustrie und in zunehmenden Maße der PR-Industrie aufrechterhalten werden. Der Kapitalismus muss sich sehr anstrengen, um uns vom Wert der kommerziellen Vision zu überzeugen. In gewissem Sinne ist der Konsum-Kapitalismus ein Kartenhaus, das auf zerbrechliche Weise durch immense Anstrengungen zusammengehalten wird, und er kann genauso leicht dahin schmezen wie er zusammengehalten wird. Es wird davon abhängen, ob es überlebensfähige/gangbare Alternativen gibt, die die Menschen motivieren, an eine andere Zukunft zu glauben; davon ob es andere Ideen gibt, die genauso angenehm, kraftvoll, spaßig und leidenschaftlich sind, mit denen sich die Menschen identifizieren können.
Ich denke an dieser Stelle an die Arbeiten von Antonio Gramsci, der den berühmten Satz „Pessimismus des Intellekts, Optimismus des Willens“ geprägt hat. „Pessismismus des Intellekts“ heißt, dass man die Realität unserer gegenwärtigen Umstände erkennt, die gewaltigen Machtfelder, die gegen uns sind, analysiert – aber auf die Möglichkeiten und die moralische Erwünschtheit eines sozialen Wandels zu bestehen, ist der „Optimismus des Willens“; in menschliche Werte zu glauben, die eine Inspiration für uns sein werden, sich für unser Überleben einzusetzen.
Ich will nicht zu naiv in Bezug auf die Möglichkeiten eines sozialen Wandels sein. Es muss nicht nur für gemeinsame Werte gekämpft werden, sondern gemeinsame Werte, die individuelle Rechte und individuelle Kreativität berücksichtigen. Es gibt bereits viele repressive Bewegungen, von unseren eigenen christlichen Fundamentalisten bis hin zu den islamschen Eiferern der Taliban in Afghanistan. Die Aufgabe ist nicht einfach. Sie beinhaltet, viele verschiedene Weltanschauungen auszubalancieren und zu integrieren. Wie Ehrenreich schreibt:
Können wir uns eine Gesellschaft vorstellen, die „Kollektivität“ nicht mit den drögen Konsequenzen von Konformität verbindet, sondern mit etwas, das ich nur „Konvivalität“ („convivality“) nennen kann, welche möglicherweise direkt in die soziale Infrastruktur eingebaut werden kann, mit der Möglichkeit, demokratische Beteiligung auf allen Ebenen zu belohnen? Können wir uns eine Gesellhaft vorstellen, die Individualismus nicht verachtet, sondern individuelle kreative Ausdrucksformen, wie auch Regimekritik, Debatten, Nonkonformität, künstlerische Experimente und im weitesten Sinne Abenteuer, wirklich wertschätzt? Das Projekt bleibt das gleiche wie seit jeher: die Konsumentenkultur durch eine wirklich humanen Kultur zu ersetzen. (Ehrenreich 1990, S. 47)
Die Einsätze sind wirklich zu hoch für uns, um uns nicht mit den realen und dräuenden Problemen zu befassen, denen wir uns als Spezies gegenüber sehen – eine progressive und menschenwürdige gemeinsame Lösung für die globale Krise zu finden und unseren Kindern und zukünftigen Generationen eine Welt zu sichern, auf der eine wirklich humanes Leben möglich ist.
Literatur:
- Commoner, Barry (1971) The Closing Circle; nature, man and technology Knopf, New York
- Ehrenreich, Barbara (1990) “Laden with Lard” ZETA, July/Aug.
- Durning, Alan (1991) “Asking How Much is Enough” in Lester Brown et. al. State of the World 1991 Norton, New York.
- Heilbroner Robert (1980) An Inquiry into the Human Prospect: Updated and Reconsidered for the 1980s Norton, New York.
- Leiss, William (1976) The Limits to Satisfaction Marion Boyars, London.
- Leiss, William, Stephen Kline and Sut Jhally (1990) Social Communication in Advertising (second edition) Routledge, New York.
- Marx, Karl (1976) Capital (Vol 1), tr. B. Brewster, Penguin, London.
- Nelson, Joyce (1983) “As the Brain Tunes Out, the TV Admen Tune In” Globe and Mail
- McKibben, Bill (1989) The End of Nature Randon House, New York.
- Scitovsky, Tibor (1976) The Joyless Economy Oxford University Press, New York
- Soros, George (1997) “The Capitalist Threat” in The Atlantic Monthly February.
Besucher01
Ähmm Dankeschön :-)
Anonymous
so eine schöne Herausforderung, wir können uns glücklich schätzen in diesen Zeiten zu leben, in denen wir uns an solch eine Aufgabe machen dürfen. Denn das ist wie eine Auszeichnung für uns alle, dass wir sozusagen dafür auserwählt sind vom Schicksal, von der Zeit diese Aufgaben zu lösen, ist doch wunderbar. Jeder mag doch das Gefühl an etwas Grossem mitzuwirken, etwas das auf ein schönes Ziel ausgerichtet ist, jeder wünscht sich doch in solchen Zeiten mit dabei gewesen zu sein, habt ihr erkannt, dass ihr mittendrin und mit dabei seid, dass ihr alle mit daran arbeiten könnt und diese Wende, diesen Wandel, diese Welt mitgestalten könnt, ist das nicht die wunderbarste Aufgabe, die man sich vorstellen kann.
Ganz sicher kann es hier niemandem langweilig werden, dafür ist gesorgt…ich bin froh in diesen Zeiten zu leben und mit arbeiten zu dürfen diese Welt in eine andere Zeit zu führen, ach…seht es doch mal von der wunderbaren Seite dessen, der all dies gelöst und geschafft hat, Mensch, was werden wir feiern, was werden wir für Freuentränen vergiessen, wenn diese Arbeit geschafft ist, ich freue mich jetzt schon drauf!!
CiPi
Vielen Dank, dass du dir so viel Mühe gemacht hast den ganzen Text zu übersetzen. Das Lesen eines deutschen Textes ist doch wesentlich einfacher als das Lesen eines englischen Textes. Vielleicht solltest du deine Mühen konservieren indem der Text als ganzes Zusammengefasst Einzug in die Wissensbasis findet.
mortl
mein internet ist 100% frei von werbung
auf
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odor AdBlock Plus für Internet Explorer..
ist einfach zu installiern und hat bei mir nur paar sekundn gedauert bis alles funktioniert hat
lg martin
Peter M.
@ mortl – Adblock habe ich natürlich auch schon lange in Betrieb. :-) Und auch schon im Blog vorgstellt:
http://konsumpf.de/?p=7444
d.c:Paria
Das Paradigma der Notwendigkeit einer gesellschaftsweiten Regulation aktueller Wirtschaftsweise ist konsensuell und aktuell.
Doch die Kritikführung mangelt an fundierter psychologischer und tiefergehender historisch-kultureller Analyse.
Wenn also der Hauptaussage zuzustimmen ist, bleibt die Begründung undiversifiziert und somit angreifbar.
Bereits Georg Simmel (dt. Soziologe 1858-1918) definiert die “Verendzwecklichung” (die Psychologisierung der Mittel zu Lebenszielen, siehe Geld) zuerst als Krisis, später zur Tragödie der Kultur. Mit zunehmender psychologischer Erkenntnis formuliert Oswald Schwemmer (dt. Philsoph geb.1941) in seiner Kulturphilosophie als grundsätzliches Basiselement jeglicher Rahmendefinition jeglichen kulturellen Phänomens (also auch Kultur gesamt oder Kulturaspekte speziell wie in diesem Beitrag)eine psychologische Komponente zum erkenntnistheorethischen Grundsatz.
Bevor dieses nun weiterzuvertiefen ist ein weiterer Schwachpunkt: das Auslassen einer historischen Analyse unserer Gesellschaftswerdung, insbesondere der ökonomischen.
Der Übergang vom Clan (Großfamiliengesellschaften) zum Stämmen und später Nation (Massengesellschaft) zentralisierte kollektive Kompetenzen durch kommunikative Beschränkungen, oftmals nur über militärische Hilfsmittel. Dank globaler Kommunikation (WWW) und vorerfolgter Verantwortungsteilung durch zunehmende Komplexierung der Gesellschaft nimmt die individuelle Bedeutung (besonders in der Identitäts- und Leitwertkrise der Postmoderne) zu, der politische Einfluss des Einzelnen steigt (siehe: die NGOisierung der Welt), die Organisations- und Medienkompetenz kongruent zum Bildungsgrad. Erst diese Massengesellschaften ermöglichten die Konzentration von Wissenschaft und Produktion, die Herstellung eines weltweiten Kommunikationsmittel insbesondere.
Die Wahrnehmung des Menschen ist zwar aufgrund beschränkter Sensorik eine subjektive, aber objektivierende:
Betrachtungen werden zu Objekten, so ist zb. eine Selbstbetrachtung immer eine Isolation eines Prozesszustandes, eine Reduktion, die nur über Erweiterungen das Phänomen Mensch humanistisch zu respektieren vermag.
So auch in der Wirtschaft: Durch die Objektivierung verlieren Menschen an menschlicher Bedeutung, werden zu Gütern(Objekten), im Beruf zu Rollen, die normativen Ansprüchen genügen müssen und sich nur über diese definieren (wir definieren uns über die Interpretation unserer und anderer Handlungen (Artikulation, sprich Denken ist auch eine Leistung/Handlung), Handlungen sind Produkte, so werden wir selbst zu Produkten).
Der Sozialdarwinismus moderner Wirtschaftsweise ist die Weiterentwicklung der mittelalterlichen Ständegesellschaft, die ihrerseit wiederum eine Evolution kollektiver Sublimation egozentrierter Überlebensinstinkte sind: die Leistungsgesellschaft ist nur natürlich, also umweltbedingt (Nahrungskette – bedeutet also die Natürlichkeit dieser Entwicklung Menschen zu Objekten in einer Objektgesellschaft, diese ist also keine pathologische, sondern natürliche).
Ebenso wie die Regulation dieser nach “neuen”, sprich Kompensationbedürfnissen wie Regeneration, Arbeitsteilung und Emanzipation folglisch evolutionär deterministisch sind: eine Gesellschaft reguliert sich innerhalb defizitärer Notwendigkeiten zur Überlebensverbesserung.
(im Natürlichen wollen sich Menschen nicht als Sachen wahrnehmen, sondern als mehr: als Sozialsache, als fühlendes Wesen, das den Anspruch auf die Respektierung seiner emtionalen Grenzen hat und auch durchzusetzen versucht)
Diese sozialpsychologische Chronik bestätigt die Summen des Fazits des Essays (Werbung-Am Rande der Apokalypse) in einer Vertiefung zur Verständnisschaffung der Systemfunktionen:
Kollektivüberleben formuliert sich jetzt endlich auch in einer verstärkten Wahrnehmung der Entwicklungsdefizite postmoderner Gesellschaften, die durch die ökonomische Fixierung (die zB laut Fromm erst die Grundlage für die Bourgouisierung, also die Überwindung der Feudalgesellschaft bildet) begründet sind. Viele soziale Errungenschaften (wie Emanzipation) sind besonders ökonomisch begründet und hier liegt auch die Essenz der Kritik dieses Essays:
Die Auslassung der historischen Entwicklung besonders der Ökonmie und deren psychologischen Grundlagen, die ein tieferes Verständnis schaffen.
Desweiteren vermisse ich persönlich Alternativen und Mittel, andererseits aber entspricht genau das aktuellem Verantwortungsverständnis und generell dem Anspruch an den postmodernen Menschen: Meinungsfreiheit bedeutet Eigenintiative, ohne die jedes demokratische System zur Farce wird. Bislang ist der Pluralismus eine bessere Oligarchie, aber mithilfe auch solcher (Artikel) Kritiken formuliert sich dein gesamtgesellschaftlicher Bedarf über die Bewußtwerdung dieser Mißstände zur Veränderung.
Diese Kritik soll die Natürlichkeit der negativen Konsequenzen der Entwicklung der Wirtschaft hervorheben und durch die psychologische Basis die von Marx, Fromm und allen anderen Systemkritikern konsensuellen Fazit bestätigen:
Das Problematik ist eine systemische, die sich nur über eine grundlegenden Mentalitätswandel interindivdueller Organisation gegen massiven (auch individuellen Widerstand) reformieren lässt.
Dies bedarf aber einer psychologischen Erweiterung des Erklärungs- und damit auch Möglichkeitenrahmens und besonders einer sachlich diversifizierten Betrachtung.