Kategorie: Demokratie Seite 14 von 18

Wie der Druck durch Werbung die freie Presse korrumpieren kann, Teil 2/2

Dies ist Teil 2 meiner gestern begonnen Übersetzung des Berichts von Project Censored über die Studie „Dictating Content: How advertising pressure can corrupt a free press“, in dem einer der Initiatoren ein wenig mehr über die Hintergründe erzählt.

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zeitungsdruckKommentare: Viele Medienkritiker haben der Presse bereits in der Vergangenheit vorgeworfen, anfällig für den Druck der Werbung zu sein. Bisher gab es dennoch keine breit gefächerten Beweise dafür, wie dieser Prozess funktioniert. Dank der Studie des Center for the Study of Commercialism liegen diese Beweise nun vor, obwohl sie nach wie vor im großen Stile von der Presse selbst ignoriert werden. Autor Ronald K.L. Collins beschreibt die Studie und wie sie von den Nachrichtenmedien aufgenommen wurde:

„Soweit wir wissen, war ‚Dictating Content‘ die erste Studie dieser Art, die sich mit dem Thema befasst, wie der Druck durch die Werbeindustrie den redaktionellen Inhalt in Print- und elektronischen Medien beeinflussen kann. Der Bericht zitiert mehr als 60 konkrete Beispiele für werbebedingte Zensur in Print- und elektronische Medien, darunter mehr als zwei Dutzend, die niemals zuvor offengelegt wurden.“ (‚Eine bemerkenswerte Leistung, wenn man bedenkt, wie panisch viele Nachrichtenteams reagieren, sobald diese Frage angesprochen wird.‘ schrieb Doug Ireland in Village Voice, 24.3.1992.)

„Zum ersten Mal berichtete eine Studie den Amerikanern – vor allem den Konsumenten – wie der Inhalt der Medieninformationen durch direkten oder indirekten Werbedruck beeinflusst werden kann. Solche Informationen können einen erheblichen Einfluss auf die wichtigsten Entscheidungen haben, die Amerikaner treffen, von den Häusern und Autos, die sie kaufen bis hin zu den Medikamenten, die sie benötigen könnten. Außerdem ist das öffentliche Wissen über den Werbedruck in Bezug auf Akohol- und Tabakberichterstattung, von entscheidender Bedeutung für die öffentliche Gesundheit und Sicherheit.“

„Einige Medien (z.B. The Washington Post) befassten sich nicht mit der Geschichte, weil, einem Journalisten zufolge, das Problem, wie man sagt, ‚bestens bekannt‘ unter Journalisten sei (z.B. in den Redaktionen, den wissenschaftlichen Fachblättern etc.). Selbst wenn dies wahr sein sollte, übersieht solch ein Argument einen wichtigen Fakt: die Öffentlichkeit wird über diese Art der privaten Zensur, die die Freiheit der Presse einschränkt, im Dunkeln gelassen.“

„Kurz gesagt, Informationen der Art, wie sie in ‚Dictating Content‘ angeschnitten werden, sind ein wichtiger Bestandteil des öffentlichen Informationsrechts, ohne die die hohen Ziele des ersten Verfassungszusatzes nicht erreichbar sind.“

„Über 200 Nachrichten- und Presseorganisationen erhielten Pressemitteilungen und Einladungen zu unserer Pressekonferenz über unsere Studie. Während die Studie selbst wenig bis mäßige Berichterstattung in Zeitungen erlangte, wurde über sie im Fernsehen und in wichtigen Zeitschriften überhaupt nicht berichtet. Die einzige Erwähnung im Fernsehen war ein kurzer Fox Morning News-Bericht am 12. März 1992. Alle wichtigen Sender und Magazine bekamen vorab Pressemitteilungen und/oder Kopien unserer Studie. Dennoch wurden keine Reporter von Fernsehsendern oder wichtigen Zeitschriften eingeteilt, darüber zu berichten – und niemand berichtete.“

„Dieses totale Totschweigen des Themas bei Network-Fernsehsendern und den großen Magazinen war vielleicht vorhersehbar, wenn man bedenkt, das unsere Studie ergab, dass das Problem des Drucks durch Werbekunden am akutesten bei diesen Medien ist.“

„Wenn die Medien nicht intensiv das Thema der Beeinflussung der Presse durch die Werbung beleuchten, ist anzunehmen, dass dieses Problem bestehen bleibt und sogar noch schlimmer wird. Zu viele Redakteure und Produzenten werden befangen/ängstlich sein angesichts des Werbedrucks; zu viele Reporter werden zurückhaltend bleiben, wenn es darum geht, sich mit Geschichten zu befassen, die in der Versenkung verschwinden oder die zu ihrer Entlassung führen könnten; und viel zu oft werden er Öffentlichkeit Informationen vorenthalten werden, die notwendig sind, um informierte Entscheidungen zu treffen. Derweil wird dieser Teufelskreis der Zensur fortbestehen, der die kurzfristigen kommerziellen Gewinne über den langfristigen Gewinn ungestörter Kommunikation stellt.“

„Das Center for the Study of Commercialism wird seine Bemühungen auf diesem Gebiet fortsetzen. Momentan arbeiten wir an einer Studie über die wichtigsten Handbücher/Anleitungen, die im Journalismus und Kommunikationsabteilungen benutzt werden, um festzustellen, in welchem Maße, falls überhaupt, das Thema des Werbedrucks und der redaktionellen Integrität behandelt werden. Gleichzeitig versucht das Center, Gruppen wie die Society of Professional Journalists und die American Society of Newspaper Editors anzusprechen, lange notwendige Schritte in diesem Bereich zu unternehmen, indem freiwillige Richtlinien etabliert werden.“

„Dennoch, das Problem bleibt. So ergab beispielsweise eine neue Studie der Society of American Business Editors & Writers, dass 75 Prozent der befragten Redakteure und Autoren angaben, dass sie sich des wachsenden Drucks der Werbetreibenden, den Inhalt der Publikationen zu beeinflussen, bewusst seien. Nahezu die Hälfte der Befragten antwortete, dass der Werbedruck die Art und Weise, wie ihre Publikation Nachrichten bearbeitete oder darüber berichtete, beeinträchtigt habe. Am schlimmsten daran ist, dass über solche Informationen über diese Form der Zensur praktisch niemals berichtet werde, vor allem nicht bei den Network-Fernsehstationen und den großen Magazinen.“

„In einer hochkommerzialisierten Kultur wie der unsrigen, kann die in der Verfassung festgelegte Metapher des Marktplatzes der Ideen nur umgesetzt werden, wenn es eine kritische Distanz zwischen den Kräften des Marktes und der Pressefreiheit gibt, insbesondere was kritische Gedanken über den Markt angeht. Leider haben leise, aber mächtige Zensurkräfte verhindert, dass diese Botschaft ankommt.“

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Wie der Druck durch Werbung die freie Presse korrumpieren kann, Teil 1/2

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Vor einigen Wochen hatte ich schon einmal das amerikanische Center for the Study of Commercialism vorgestellt („The culture of Commercialism“), das sich vor allem in den 90ern intensiv mit den Folgen und Schäden unserer Konsum- und Reklamegesellschaft auseinandergesetzt hat. So untersuchte es auch die Auswirkungen, die Werbung auf die Inhalte und die Freiheit der Presse und Medien hat (siehe auch meinen Beitrag „Werbung schadet, Teil 2b: Medienmanipulation durch Werbeentzug“) – interessant sicher auch für alle, die immer noch glauben, dass „Werbung doch gar nicht so schlimm“ sei oder „nicht wirklich schaden“ würde. Ihre Studie „Dictating content: How advertising pressure can corrupt a free press“ ist leider online nicht komplett verfügbar, lediglich gebraucht konnte ich noch ein Buchexemplar ergattern. Glücklicherweise existiert das Project Censored, eine Website, die „the news that didn’t make the News“, also die Nachrichten, die von den Mainstreammedien gerne unter den Tisch gekehrt werden, für eine wache Öffentlichkeit bereit hält. Dort findet man auch eine zusammenfassende Darstellung der Studie, die ich Euch hier in übersetzter Form biete.

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Wie der Druck durch Werbung die freie Presse korrumpieren kann

Zusammenfassung: Die freie Presse in Amerika ist nicht wirklich frei – auf jeden Fall nicht vom Einfluss der Werbetreibenden auf den Inhalt der Nachrichten. Während die Menschen die staatliche Kontrolle der Medien befürchten, kommt eine deutlich subtilere und dennoch durchdringendere Beeinflussung durch den Werbedruck zustande. „Den Inhalt diktieren. Wie der Druck durch Werbung die freie Presse korrumpieren kann“, eine Studie des Center for the Study of Commercialism, dokumentiert Dutzende von Beispielen von Zensur durch Werbung in den Medien.

518690_magazines_2Eine der rohesten Formen von Zensur wird definiert als „direkte wirtschaftliche Zensur“, die vorliegt, wenn ein Werbekunde den Massenmedien offen diktiert, was die Öffentlichkeit hören oder nicht hören soll. Zu den Beispielen zählt die Auswirkung auf Berichte über die Automobilindustre, die ihrer Bedeutung mit riesigen Werbebudgets Ausdruck verleiht. „Wir fassen keine Geschichten mehr an, die mit Autos zu tun haben“, sagt der Seattle-Reporter Herb Weisbaum. „Selbst eine einfache Konsumentenaufklärung darüber, worauf man beim Kauf eines neuen Autos achten soll, kann den Zorn der lokalen Autohändler erregen.“ Er ergänzt: „Geschichten werden abgesägt… verwässert; und am traurigsten: Geschichten werden gar nicht erst versucht, weil die Journalisten wissen, dass sie es sowieso nie auf den Sender schaffen.“

In ähnlicher Weise beeinflussen die Werbebudgets, die hauptsächlich auf lokaler Ebene von Maklern und Einzelhändlern ausgegeben werden, die Berichterstattung über deren Wirtschaftszweige. Der außergewöhnliche Einfluss von Tabakfirmen auf die Berichterstattung über das Rauchen und die Verbindung zu Krebserkrankungen, wird in der Studie ebenfalls dokumentiert.

Andere Formen von Medienverzerrung sind die Selbstzensur durch die Journalisten (wenn das Schreckgespenst einer möglichen negativen Reaktion eines Werbekunden einen Journalisten davon abhält, eine bestimmte Story auch nur vorzuschlagen); das Vermelden falscher Nachrichten (von Werbekunden erstellten Berichte oder News (Advertorials etc.) werden als seriöse, unverfälschte Nachrichten gesendet); Storys werden als Lockmittel gebracht (Geschichten, die bewusst aktuelle oder potentielle Kunden gut da stehen lassen); aufgeblasene/hohle Meldungen werden benutzt, um die Werbeeinnahmen zu erhöhen.

Redaktionelle Unabhängigkeit zu erreichen ist schwierig, wenn man den Druck, Werbeeinnahmen erzielen zu müssen, berücksichtigt. Und jene, die versuchen, journalistische Integrität zu wahren, gefährden ihren Job/ihren Lebensunterhalt. Den Journalisten zufolge, die verantwortlich für die „Dictating Content (den Inhalt diktieren)“-Studie sind: „Als wir Journalisten für diese Studie befragt haben, verlangten sie, gefangen im Kreuzfeuer zwischen Werbekunden und den Redakteuren, die Anonymität ihrer Aussagen zu wahren, weil sie Angst davor hatten, ihren Job zu verlieren oder auf eine schwarze Liste zu gelangen.“ Ein Redakteur bestätigte, dass er gefeuert wurde, nachdem er sich mit dem Herausgeber über den Einfluss der Werbung gestritten hatte; der Redakteur ergänzte, dass er seine Zukunft in der Branche aufs Spiel setzen würde, wenn er dies offiziell äußern würde.

Das Center for the Study of Commercialism  lud am 11. März 1992 200 Medienvertreter zu einer Pressekonferenz in Washington ein, um die Ergebnisse der Studie zu präsentieren. Keine einzige Radio- oder Fernsehstation schickte einen Reporter, und nur zwei Zeitungen, The Washington Post und The Washington Times, machten sich die Mühe, zu erscheinen. The Post brachte anschließend nichts darüber; The Times druckte eine Meldung ab, aber nannte die Werbetreibenden nicht, die in der Studie zitiert wurden. Die Pressekonferenz, die zeigen sollte, wie Werbung die Presse unterdrückt, unterstrich ihre Aussage damit deutlich.

– Amy Cohen, Project Censored

… Morgen geht’s weiter mit Teil 2 zu dieser hochinteressanten Studie. …

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Protestaktion: Lobbyisten zu Transparenz verpflichten

lobbyisten-scanner-enthuellt_kleinUnd heute gleich noch eine passende Aktion zur, besser gesagt gegen die allmähliche Aushöhlung der Demokratie durch die Krakenarme der Lobbys – die löbliche Initiative LobbyControl, die sich dafür einsetzt, den Einfluss der Wirtschaftslobbys auf die Politik und damit auch die Gesellschaft einzudämmen, ruft auf, bei ihrer Protestaktion online mitzumachen. Diesem Aufruf schließe ich mich natürlich gerne an, auch wenn nach dem Reinfall mit der E-Petition bezüglich der Internetzensur Ernüchterung eingekehrt ist, was den tatsächlichen Einfluss der Bürger auf die politischen Entscheidungen anbelangt. Versuchen sollte man es trotzdem immer wieder, sonst kann man sich ja gleich einen Strick nehmen oder auswandern. Hier die gestrige Pressemitteilung von LobbyControl:

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Unter dem Motto “Wer – wie viel – für wen? Wer das nicht sagt, muss gehen!” haben wir heute Morgen mit einer symbolischen Aktion ein verpflichtendes Lobbyistenregister gefordert. Wir enthüllten im Berliner Zentrum einen “Lobbyisten-Scanner”, der Geldscheine, Firmenlogos, und Gesichter bekannter Lobbyisten zeigte. Zeitgleich starteten wir unseren Online-Appell an den Bundestag. Bitte beteiligen Sie sich und helfen Sie, Lobbyisten zu Transparenz zu verpflichten! Unterzeichnen Sie jetzt unseren Appell: www.lobbycontrol.de/blog/index.php/lobby-appell/

Hintergrund unserer Aktion war der zweite Tag der offenen Tür der Berliner Lobbyisten, genannt “Seitensprünge”.  So interessant es sein mag, einmal einen Blick in die Repräsentanz des Deutschen Brauerbundes oder die Räume der Tabaklobby zu werfen – wir finden, dass einen Tag lang Büros besichtigen und Vorträge hören noch lange keine Transparenz schafft.

Denn das ganze Jahr über findet Lobbyismus hinter verschlossenen Türen statt und auch am “Tag der offenen Tür” bleiben wichtige Fragen nach Kunden und Lobbybudgets unbeantwortet. Für echte und dauerhafte Transparenz kann nur ein verpflichtendes Lobbyisten-Register sorgen, das 365 Tage im Jahr Antworten darauf gibt, wer mit wie viel Geld und in wessen Auftrag die Politik beeinflusst.

Deshalb haben wir heute den Online-Appell “Lobbyisten zu Transparenz verpflichten” gestartet. Mit wenigen Klicks können Sie die Abgeordneten des Bundestages auffordern, ein Lobbyisten-Register einzuführen. Die Unterschriftenliste wird LobbyControl im Herbst den Mitgliedern des neu gewählten Bundestags überreichen. Denn das Thema ist bereits auf der politischen Tagesordnung in Berlin angekommen. Letzte Woche hat sich der Innenausschuss in einer Anhörung damit befasst; die Forderung nach einem verpflichtenden Lobbyisten-Register hat außerdem Eingang in die Wahlprogramme von SPD, Grünen und Linken gefunden. Jetzt ist es Zeit, dass den Worten Tagen folgen. Mit Ihrer Unterstützung werden wir dafür
sorgen, dass die neue Bundesregierung das Thema gleich wieder auf dem Tisch hat.

Helfen Sie, dass Lobbyisten zu Transparenz verpflichtet werden – unterschreiben Sie jetzt! www.lobbycontrol.de/blog/index.php/lobby-appell/

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Deutsche und die Korruption

bahrain_new_currency_2008Als passenden Nachtrag zu meinem etwas unbegeisterten Artikel über den Zustand unserer Parteiendemokratie möchte ich Euch heute den Artikel „Deutsche und die Korruption – Mehr Misstrauen wagen“ empfehlen, den Hans-Martin Tillack für die neue Ausgabe des Stern (das ist dann schon der zweite vernünftige Artikel dort innerhalb weniger Monate!) geschrieben hat. Gerade, da man sich in Deutschland ja sehr viel auf seine Behörden und Ämter einbildet, schadet ein Blick übr den Tellerrand nicht – Tillacks Beitrag beginnt recht behutsam:

(…) Jetzt ist es Zeit für einen ähnlichen Erkenntnisschub in Sachen Korruptionsbekämpfung. Keiner kann bezweifeln, dass Deutschland hier etwas nachzuholen hat. Schwarze Kassen gab es nicht nur bei der CDU, sondern auch beim Weltkonzern Siemens. Eben erst haben Staatsanwälte ein Ermittlungsverfahren gegen Mitarbeiter des Lkw-Bauers MAN eröffnet. Zuvor standen Konzerne wie Daimler oder Thyssen-Krupp im Visier der Ermittler und sogar ein Mitarbeiter der Bankenaufsicht Bafin. Wir müssen realisieren, dass es Gründe gibt, warum Finnland oder Schweden in Korruptionsrankings besser dastehen als wir. Und wir müssen uns der Frage stellen, ob die effizientere Korruptionsprävention in den nordischen Ländern vielleicht einer der Gründe ist, warum sich die Wirtschaft dort über viele Jahre deutlich dynamischer entwickelt hat als in Deutschland. (…)

… und wird dann schnell deutlicher:

(…) Wir sind gewohnt, uns bei der Verbrechensbekämpfung auf unseren Staat zu verlassen, auf Polizei und Justiz. Doch gegen Korruption und Amtsmissbrauch helfen die klassischen staatlichen Instrumente wenig. Mehr Repression, mehr Eingriffsmöglichkeiten für Polizei und Staatsanwälte, eingeschränkte Bürgerrechte – beim Kampf gegen die Korruption ist das nicht der Königsweg. Denn Polizei und Staatsanwaltschaft sind ja gerade Teil des Staatsapparates, unter dessen Protagonisten sich oft die Täter finden.

Darum liegt die Lösung nicht in mehr Staat, sondern in mehr Bürgerrechten. Nicht der Staat braucht mehr Zugriff auf die Daten der Bürger, sondern die Bürger benötigen mehr Möglichkeiten, das Gebaren der Mächtigen zu kontrollieren. (…)

Besonders schön finde ich die Schlusssequenz, in der der Autor auf den Zustand der Öffentlichkeit hierzulande anspielt – Misstrauen gegenüber staatlichen Gebilden anstatt Obrigkeitshörigkeit erscheint auch mir höchst angebracht:

Solche Regelwerke durchzusetzen ist eine Aufgabe der Politik. Doch es ist auch eine Aufgabe der Bürger und der Öffentlichkeit – gerade dann, wenn die Politik nicht in der Lage ist, sich aus eigenem Antrieb selbst zu beschränken. (…) Staaten, die über ausgefeilte Strategien zur Verhütung von Korruption verfügen, besitzen häufig auch eine besonders wache Öffentlichkeit. “Der Reflexionsstand über die Schädlichkeit von politischer Korruption” sei in anderen Ländern oft “erheblich höher” als in Deutschland, sagt die ehemalige SPD-Senatorin Anke Martiny. Sie hat recht. Mehr öffentliches Misstrauen ist im Interesse unserer Republik.

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Die Demokratiesimulation

Man hat es ja eigentlich schon ahnen und vermuten können – die Politiker, die mit ihrem neuen Gesetz zum„Schutz vor Kinderpornographie“ ein recht wirkungsloses, leicht zu umgehendes und letztlich auf eine Zensur generell missliebiger Inhalte hinauslaufendes Regelwerk vorlegten, ignorierten nun natürlich auch die über 134.000 Unterzeichner der E-Petition gegen dieses Vorhaben. Leute, die vom Internet so wenig halten und so wenig Ahnung haben wie offenbar „unsere“ Volksvertreter in Berlin, pfeifen selbstverständlich auch auf jegliche Initiative, die über das Internet entsteht. Schlimm an dieser ganzen Aktion ist vor allem, wie gesagt, dass zukünftiger Zensur Tür und Tor geöffnet wird, ohne dass tatsächlich etwas Wirksames gegen Kinderpornographie unternommen wird (dies hatte ich hier schon mal aufgegriffen). Die Art und Weise, wie nun einfach so über die Bedenken vieler Bürger, auch vieler Experten etc. hinweggegangen wird, ist zudem ein trauriges Abbild dessen, was die Parteien heutzutage so unter „Demokratie“ verstehen. Es wird die Politik- und Wahlverdrossenheit sicher weiter steigern – oder, was zu hoffen wäre, Alternativen wie die Piratenpartei stärken.

nospdthumbnailInsgesamt hatten gerade mal 4 Abgeordnete der Regierungsparteien den Mut oder den Durchblick, dieses Gesetz abzulehnen (1 von der CDU, 3 von der SPD) – von der CDU war dabei ohnehin nichts anderes zu erwarten, die sind sich treu geblieben, aber dass auch die SPD fröhlich den Zensurhammer schwingen mag, ist schon traurig. Dementsprechend harsch fiel in den letzten Tagen auch die Kritik an dem gesamten Procedere in der Internetgemeide aus (z.B. hier, hier, hier oder hier sowie bei Netzpolitik) – bis hin zu der schönen Aktion „No SPD – SPD-Verbot jetzt“. Wir dürfen gespannt sein, wie sich das freie Internet hierzulande weiter entwickeln wird – erste Rufe nach der Zensur von „Killerspiel“seiten im Netz sind schon laut geworden…

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Europawahl: PIRATEN ziehen ins Europaparlament ein

piratenpartei-logoUnd nochmal krankheitsbedingt heute nur etwas „Fremdfutter“ – wenngleich erfreuliches. Denn die Piratenpartei hat es bei den Europawahlen am Sonntag durch ihr gutes Abschneiden in Schweden tatsächlich ins EU-Parlament geschafft! Derzeit sammelt die Piratenpartei übrigens noch Unterschriften, damit sie auch zur Bundestagswahl zugelassen wird – 3/4 der Stimmen hat sie schon zusammen, also bitte unterstützen. Selbst, wenn Zweifel daran, ob sich durch Wahlen noch groß was bewegen lässt, angebracht bleiben, heutzutage mehr denn je zuvor („Würden Wahlen wirklich etwas verändern, so wären sie verboten“, wie mal sinngemäß ein berühmter schlauer Kopf, komm jetzt grad nicht auf den Namen, sagte).

Hier die dazugehörige Pressemitteilung:

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Die Europawahl am vergangenen Wochenende war für die Piratenpartei ein voller Erfolg. Bei ihrer ersten bundesweiten Teilnahme an Wahlen erreichte die Piratenpartei in Deutschland mit 0,9% der abgegebenen Stimmen das beste Wahl-Ergebnis ihrer jungen Geschichte und konnte 229.117 Wähler für sich gewinnen. In Schweden, dem Ursprungsland der PIRATEN-Bewegung, konnte die Piratpartei mit ihrem Spitzenkandidaten, dem 54-jährigen Informatiker Christian Engström ein Rekord-Ergebnis von 7,1% einfahren. Damit ziehen zum ersten Mal PIRATEN in das Europäische Parlament ein.

Andreas Popp, Spitzenkandidat der deutschen PIRATEN freut sich über das Ergebnis: “Wir sind zum ersten Mal zu einer Europawahl angetreten und obwohl wir bei vielen Wählern noch kaum bekannt waren, haben wir ein solch tolles Ergebnis erzielt. Das zeigt uns, dass sich viele Bürger mit unseren Zielen identifizieren und dass weiteres Potential besteht. Es zeigt auch, dass Bürgerrechte, Datenschutz und ein faires Verständnis von Patent- und Urheberrechten wichtige moderne Themen sind, die die Menschen beschäftigen. Ganz besonders danken wir allen, die uns unterstützt haben. Ohne sie wäre dieser Erfolg nicht möglich gewesen.
Unser Minimalziel von 0,5% haben wir übertroffen. Wir sind jetzt in der staatlichen Parteienfinanzierung und jetzt geht es erst richtig los! Ab morgen konzentrieren wir uns auf die Wahlzulassung zur Bundestagswahl! Denn auch hier heißt es: Klarmachen zum Ändern!”.

Jens Seipenbusch, stellvertretender Vorsitzender der Piratenpartei Deutschland ergänzt weiter: “Mit Christian Engström und den Schweden haben wir ab jetzt aktive Freibeuter direkt in Straßburg und Brüssel vor Ort, die ein wachsames Auge auf alle Vorgänge und Gesetzesvorhaben haben werden. Von diesem Frühwarnsystem werden auch die deutschen Bürgerinnen und Bürger profitieren. Mit der Piratenpartei werden ab jetzt auch die wichtigen Themen der Informationsgesellschaft im Europaparlament konsequent vertreten. Die Piratenpartei Deutschland gratuliert Christian Engström und der schwedischen Schwesterpartei zu ihrem grandiosen Wahlerfolg.”

Auch Thorsten Wirth, Kandidat zur Europawahl und Sitzenkandidat der hessischen Landesliste zur Bundestagswahl freut sich außerordentlich, kritisiert aber die teilweise undifferenzierte Berichterstattung: “Wir sind da. Aus dem Stegreif 0,9% und auf einmal entdeckt uns die Presse. Einige Journalisten halten es dabei leider immer noch für ausreichend, aus unserem Namen unser Programm ableiten zu können. Es ist also herrlich, zu sehen dass unser Name es vermag, die Oberflächlichkeiten einiger Journalisten zu entlarven. Die Journalisten, die sich einmal die Zeit genommen haben, sich mit unseren Zielen auseinander zu setzen, schreiben sehr viel differenzierter. Wir haben jetzt etwas erreicht und die Erwartungen sind hoch. Wir werden noch viel arbeiten müssen, um uns und diesen Erwartungen gerecht zu werden. Ich danke allen, die uns gewählt haben!”.

[Quelle]

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Weise Worte (10)

»Nur die Wachsamen werden ihre Freiheiten behalten,  und nur diejenigen, die pausenlos und verstehend vor Ort sind, dürfen darauf hoffen, sich selbst effektiv mit demokratischen Strukturen zu regieren. Einer Gesellschaft, in der die meisten Mitglieder nicht vor Ort sind, weder in der Gegenwart noch in der nahen Zukunft, sondern irgendwo anders, in den irrelevanten Welten des Sports und der Seifenopern, der Mythologien und metaphysischen Spinnereien, wird es nicht leicht fallen, dem Vordringen derjenigen Einhalt zu gebieten, die uns manipulieren und kontrollieren werden.«

Aldous Huxley – «Schöne Neue Welt» (1946!)

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Wir Bankenretter

schatulleDurch Sisyphos Periodicals Artikel „Auch du bist ein Bankenretter“ bin ich auf eine interessante Aktion aufmerksam geworden – tatsächlich fragte ich mich selbst schon seit längerem, wieso eigentlich nur wenige wirklich gegen die Unsummen aufbegehren, die in die Rettung der Banken gepumpt werden, ohne dass es irgend eine transparente demokratische Kontrolle der Geldströme gebe, und statt dessen fast alle Bürger wie brave Lämmer weiter arbeiten und konsumieren. Ungeachtet der neuen Schuldenberge, die die Regierungen aufhäufen. Denn all das „staatliche“ Geld, was da zur Rettung fließt, ist ja eigentlich unser Geld, und somit sind eigentlich wir selbst die Bankenretter. Genau darum geht es auch bei der Website „Wir Bankenretter“:

Wir alle sind Bankenretter. Wir haben bezahlt. Für die Banken. Die Banken, die die Weltwirtschaftskrise verursacht haben. Warum haben diese nicht die Krise nicht bezahlt? Warum müssen wir Bürgerinnen und Bürger und die kleinen Unternehmen diese Krise bezahlen und warum wurden wir von der Politik nicht gefragt, ob wir dem zustimmen? Unser aller Geld wurde ausgegeben ohne unsere Zustimmung, ohne das wir wissen wo das Geld bleibt und ohne maßgebliche sozial-ökologische Bedingungen! Daher fordern wir einen Volksentscheid zum Bankenrettungsplan und Konjunkturprogramm der Bundesregierung sowie die Einbindung der Bürgerinnen und Bürger in maßgebliche gesellschaftliche Fragen durch die Einführung des bundesweiten Volksentscheids.

Die Bloggerpatenschaften haben diese Bürgerinitiative ins Leben gerufen und rufen jetzt dazu auf, dafür zu sorgen, dass die Verteilung der Gelder (unserer Gelder) via Volksentscheid bzw. E-Petition vom Bürger mitbestimmt werden soll.

Denn niemand versteht die Ungerechtigkeit, die da gerade in den politischen Hinterzimmern beschlossen und umgesetz wird: die Banken verursachten die Weltkrise und wir alle sollen dafür bezahlen. Und das auch noch, (1) ohne das wir gefragt werden, ob wir dem zustimmen, (2) ohne Transparenz wohin das Geld wandert und (3) ohne öko-soziale Bedingungen an die Gelder!

(…) Fakt ist, dass es noch immer keine finale Antwort zur eingereichten Petition gibt. Wir – das heißt die aktiven Bürgerinnen und Bürger z.B. auf der Mailingliste – denken nun über eine Klage nach. Eine Rechtsanwältin hat schon grünes Licht gegeben.

Aber wie auch immer der Bescheid zur Petition ausgeht, wir werden nicht nachlassen. Denn auch die Ablehnung der Petition wäre ein riesen Skandal nach dem Motto:

“Wir interessieren uns nicht für die Stimmen der Bürger und wir interessieren uns noch nicht einmal dafür, wenn diese ihre Stimme erheben. Wir entscheiden im kleinen Kreis wo die Milliarden hinwandern. Der Bürger hat da nichts zu suchen.” (..)

Habt ihr auch die Nase voll?

Dann schließt euch an und macht mit. Wir sind alle Chef. Wir sind der Souverän. Zeigt der Bundesregierung, dass Bürgerinnen und Bürger es nicht verlernt haben Gesicht zu zeigen.

Bloggt über “Wir Bankenretter”, twittert, vernetzt die Netzwerke und lasst uns so viele Bürger wie möglich zusammenbekommen. Es ist Zeit, dass wir die Forderungen stellen, was mit dem Geld und den Bürgschaften passiert, wohin die Gelder fließen und an welche öko-sozialen Bedingungen es geküpft sein soll! Wir können uns selbst aus der Krise befreien, denn Krise heißt “Chance” – die Chance, an einem Wendepunkt etwas Altes zu verabschieden und die ENTSCHEIDUNG zu treffen, nun mit kreativen guten Ideen etwas Neues, Mitmenschliches aufzubauen.

Die Zeit ist daher reif für eine Bürgerbewegung.

Euer Blogeintrag und Euer Tweet oder Retweet (z.B.: Wir Bankenretter – für eine Petition und Volksentscheid zur Bankenrettung! www.bankenretter.org @bankenretter #bankenretter) kann jetzt dabei als Katalysator wirken! Zeigt den Menschen, dass Bloggen mehr sein kann als Tagebuchschreiben, nämlich genau dann, wenn es darum geht, Einzelaktionen miteinander zu vernetzen und einen umfassenden Dialog in Gang zu bringen.

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Zur Halbwertzeit politischer Versprechen

Wenn allüberall Politikverdrossenheit konstatiert wird, so muss man über die Gründe nicht lange rätseln – Aussagen und Entscheidungen wie die folgenden sind es, die den Bürger in die Verzweiflung und Demokratiedepression treiben, wenn Politiker mal wieder nach dem Motto handeln: „Was geht mich mein dummes Geschwätz von gestern an“ [via]:

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Wer mehr zum „Bad-Bank-Gesetz“ lesen will, schaue sich den entsprechenden Spiegelartikel an bzw. auch meinen Beitrag von neulich.

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European Advertising Agency

Die Subversiv Messe, die vor zwei Wochen in Linz stattfand, hat so einige schöne Projekte gezeitigt, beispielsweise diesen seriös wirkenden, aber doch satirisch gemeinten „Informationsfilm“ European Advertising Agency, in dem es um die endlich stärkere Verbreitung von Werbung geht, der bisher viel zu enge Fesseln auferlegt sind, denn schließlich existieren skandalöser Weise immer noch Bereiche im Leben eines Menschen, die nicht komplett von Reklame und Kaufpropaganda ausgefüllt sind!

Im Zentrum des Projekts EUAA stehen inszenierte Vorgänge rund um eine fiktive Agentur der Europäischen Union, die sich um die Organisation und Durchführung einer europaweiten Werbeliberalisierung kümmert. Am stärksten polarisiert bei dieser Reform die “Aufwertung” der Euro-Banknoten zu Werbeflächen. Das Herzstück des Projekts ist das Promotion-Video der European Advertising Agency, eine fiktive, dystopische Belangsendung der Europäischen Union, in der diese werbepolitische Entwicklung vorgestellt und beworben wird. Das Promotion Video gibt vor, ein hochoffizieller und dementsprechend teurer Werbefilm der EU zu sein, und soll Europas Bürger auf die kommenden Umstellungen vorbereiten. Im Verlauf der halbstündigen Sendung werden die Interviews immer unkonventioneller, die Antworten immer gewagter. Die Sendung driftet langsam von einer seriösen, hochpolitischen Belangsendung in Richtung Polit- und Mediensatire ab, und endet in einem furiosen Finale. Ein Bruch, der sich schleichend und unmerklich auf inhaltlicher Ebene abspielt, und gegen Ende auch visuell erfahrbar wird (der Präsident der EUAA lässt sich vor laufenden Kameras das Logo eines Getränkeherstellers tätowieren), trennt den authentischen Anfangsteil der Sendung vom satirisch-zynischen Ende, und hinterlässt beim Zuseher einen fahlen Nachgeschmack. Die Arbeit sieht sich als Diskussionsansatz, soll stark polarisieren, selbst aber nur andeutungsweise Stellung beziehen. Hinterfragung der Grundsätze „Wirtschaftswachstum um jeden Preis“, Problematisierung der Pole Geld und Moral, die kritische Auseinandersetzung mit der Macht des Kapitals (welcher zuerst die EU erliegt, später auch noch der Präsident der EUAA) und Ironisierung werbewirtschaftlicher Tabubereiche sind die inhaltlichen Schwerpunkte.

The European Advertising Agency – Promotion Video from G2Film on Vimeo.

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