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Werbung schadet (2): Die untrennbare Vermischung von Reklame und Redaktionellem

Nachdem ich mich im ersten Teil meiner kleinen, sachlich-polemischen Aufklärungsserie über die Schädlichkeit von Werbung mit den Auswirkungen auf die Sprache befasst habe, geht es diesmal schon eher ans Eingemachte. Mein heutiges Thema ist nämlich die immer weiter zunehmende Verschmelzung von Werbung mit redaktionellen, „journalistischen“ Inhalten in den Medien, die – so hoffen die Verantwortlichen – vom Leser bzw. Zuschauer gar nicht weiter als unheilige Interessensvermengung erkannt wird.

new_magazinesBetrachten wir zur Veranschaulichung der Problematik doch mal eine x-beliebige deutsche Fernsehzeitschrift – richtig, eines jener bunten Heftchen, von denen gefühlt ca. 20 konkurrierende (?) Magazine ausliegen, jeweils erkennbar an einer mit Photoshop bis zur Unkenntlichkeit retuschierten halbnackten Frau auf dem Titelbild, in der Regel ein sog. „Star“ oder „Promi“. Meiner Erfahrung nach ist mindestens ein Drittel, wenn nicht gar die Hälfte so eines Hefts mit offen als solcher zu erkennenden Werbung zugepflastert. Aber wie sieht es auf den verbleibenden „redaktionellen“ Seiten aus? Im vorderen Teil wird über diverse Stars und ihre neuen Filme, CDs, Bücher etc. berichtet, was in der Regel eigentlich auch nur ein Anpreisen von diesen Projekten darstellt – kritische Töne sind hier meist fehl am Platz. Dazu gibt es dann „Nachrichten“ aus den Bereichen Unterhaltungselektronik, Autos, Reisen – auch alles reine Konsumaufforderungen, und man darf davon ausgehen, dass für so manchen Bericht, der hier erscheint, der eine oder andere Euro aus den Taschen der Unternehmen geflossen ist. Den Vogel ab schießen aber manche Zeitschriften, die auch noch auf mindestens einer Doppelseite die Leser über die beliebtesten Werbespots/Anzeigen abstimmen lassen und Making ofs von neuen TV-Clips mit „Stars“ bringen – auch wieder ganz im Stile von echten Nachrichten oder Ereignissen, über die man neutral zu berichten vorgibt. Somit durchzieht eine bunte, grelle, unreflektierte und dumme Konsum- und Kommerzaura das komplette Heft, die einem nach einer Weile das Hirn verkleistert.

Von kostenlosen Werbeblättchen & sog. „Stadtteilzeitungen“ erwartet man sowieso nichts anderes – es ist ja bekannt, dass man für das Buchen einer größeren Anzeige gleichzeitig noch einen von der Redaktion geschriebenen, nicht als Reklame kenntlich gemachten, also den Anschein eines unabhängig recherchierten journalistischen Textes erwecken sollenden Artikels über die eigene Firma erhält. Diese Heftchen versuchen, irgendwie noch wie eine „richtige“ Zeitung auszusehen, sind oft im Format etc. den normalen Tageszeitungen ähnlich, und sollen den Leser so dazu animieren, sich die ganzen gekauften Artikel durchzulesen. Im Lumières dans la nuit-Blog wird solch ein Vorgehen am Beispiel der „Linden-Limmer Zeitung“ schön süffisant aufs Korn genommen:

Der Niedergang der traditionellen Printmedien ist der Aufstieg der offenen und verdeckten Reklame in diesen Medien. Ich kenne in meinem Umfeld keinen einzigen Zeitungsleser mehr. Jeder wache Mensch hat inzwischen mitbekommen, dass der so genannte »redaktionelle« Teil einer typischen Zeitung fast ausschließlich aus wörtlich übernommenen Agenturmeldungen besteht, und dass dieser direkt aus dem NITF-Feed abgeschriebene Content mit so viel Reklame aller Art daher kommt, dass die Werbung über fünfzig Prozent des gesamten Umfanges der Zeitung ausmacht. Was in den Zeitungen als scheinbares journalistisches Produkt verbleibt, entpuppt sich durch bloßes Hinschauen zu einem großen Teil als abgeschriebenes PR-Geschwafel derjenigen Werbekunden, die mit ihren geschalteten Anzeigen viel Geld in diesen sinnlosen Betrieb simulierten Journalis-Muses pumpen.

(…) die, wie der Name schon sagt, in den hannöverschen Stadtteilen Linden und Limmer in die wehrlosen Briefkästen gestopft wird, um Reklame aller Art zu transportieren. Dieses Produkt des Zehn Verlages kommt gar nicht zeitungstypisch auf schwerem, glänzendem Papier daher und verrät schon in dieser Dareichungsform seinen vorwiegend auf dem Blendglanz der Reklame beruhenden Charakter. Leider reicht das bloße Wort »Zeitung« in seinem historisch gewachsenen Ansehen für viele Menschen immer noch hin, so dass sie dieses Elaborat nicht zusammen mit dem anderen Postwurfmüll dem Altpapier überantworten und sogar darin zu lesen beginnen, als enthielte es irgend etwas Substanzielles.

Dummerweise ist dieses Prinzip, also eine den Anzeigenkunden genehme Berichterstattung, mehr oder weniger ausgeprägt bei allen reklamefinanzierten Medien Gang und Gäbe. So wurde neulich in dem Frontal 21-Special über die Pharmalobby auch aufgedeckt, wie die Hochglanzzeitschriften Vanity Fair, Glamour, Vogue oder auch Ausgaben des Bauer-Verlags wie Tina, Neue Post, TV Movie oder Fernsehwoche einer fiktiven (von den Autoren des Beitrags erfundenen) Pharmafirma einen von der jeweiligen Reaktion verfassten und natürlich positiven Beitrag zum neuen Antidepressivum xy in Aussicht stellten (und das, obwohl man in der EU für rezeptpflichtige Medikamente nicht werben darf). Vogue schlägt der Scheinfirma beispielsweise vor:

Durch O-Töne von Experten (Mediziner, Forscher) und zusätzliche Tipps wird die Leserin optimal mit der Thematik vertraut. Die Seiten werden im Vogue-typischen Redaktionsstil getextet und sind damit perfekt auf die Vogue-Leserschaft zugeschnitten.

Ich weiß nicht, wie es Euch geht, aber mir wird bei sowas schon ziemlich schlecht – bedeutet das doch nichts anderes, als dass sich durch die kommerziellen Interessen Informationen, PR und Werbung  soweit vermischen, dass man keinem Bericht, der in solchen Magazinen erscheint, mehr glauben kann/sollte, denn man weiß ja nie, wer sich diese im Heft dargelegte Meinung wie viel hat kosten lassen. In dem Frontal 21-Beitrag wird so ein Vorgehen auch ganz klar als „Verbrauchertäuschung“ bezeichnet, weil suggeriert würde, der Leser bekäme ein recherchiertes Produkt, obwohl es in Wahrheit doch nur Werbung sei.

Genauso unverfroren geht es auch bei der BILD-„Zeitung“ zu, die für ihr Klientel bzw. die ihr nahestehenden Konzerne und Interessengruppen ja gerne mal Stimmung macht, ohne den Leser darüber aufzuklären, worum es wirklich geht. Besonders beliebt ist die völlig unkritisch betriebene Zusammenarbeit mit dem Discount-Ekel Lidl – schon seit jeher arbeiten Lidl und BILD Hand in Hand zusammen und die „Zeitung“ befleißigt sich eines sehr Lidl-freundlichen Redaktionsstils (über die Überwachungsskandale bei Lidl wurde z.B. nur ganz klein in einer Ecke berichtet, während dies in den meisten anderen Medien deutlich intensiver geschildert wurde). Darüber gab es auf N3 mal einen hervorragenden Beitrag, den ich gar nicht oft genug empfehlen kann:

So könnte man den Bogen immer weiter spannen – auch im Fernsehen, gerade bei den privaten Sendern, sind Kommerz und „Inhalt“ so weit zusammengewachsen, dass man kaum noch weiß, ob eine SKL-Show nun reine Werbung ist oder vielleicht doch auch noch eine redaktionelle Bearbeitung erfuhr. Formate wie Deutschland sucht den Superstar dienen nur dazu, Plattenverkäufe zu generieren und für ein paar Monate hochgejubelte Sternchen nach oben zu spülen, damit man die Werbepausen zwischen den Shows möglichst teuer verkaufen kann. Die Cannes-Rolle, die regelmäßig in die Kinos gewuchtet wird und „die besten Werbespots der Welt“ (ein Widerspruch in sich) enthält, wird tatsächlich wie ein normaler Kinofilm gezeigt, obwohl es in den preisgekrönten Reklamefilmchen ausschließlich ums Formen eines Unternehmensimages und das Verkaufen von Produkten geht (immerhin wird hier mit offenem Visier gearbeitet, also nicht behauptet, dass es sich um journalistisch recherchierte Inhalte handele). Und so weiter, und so fort, die Liste ließe sich noch endlos fortsetzen.

Deshalb abschließend nur noch ein Verweis auf einen weiteren Beitrag im Lumières dans la nuit-Blog mit dem bezeichnenden Titel „Gülle“, in dem es um eine von Reklameeinblendungen verhunzte Online-Zeitung geht. Und den Artikel „Darf’s eine Seite mehr sein? Gegen den Werbemarkt ist der Gebrauchtwagenhandel grundsolide” des Wirtschaftsmagazins brand eins will ich Euch ebenfalls noch wärmstens ans Herz legen, taucht er doch tief in den ganzen Anzeigensumpf ein:

Oft bestehe dieser Mehrwert im Vermischen von werblichem und redaktionellem Inhalt – eigentlich unvereinbar mit unabhängigem Journalismus. Sogenannte Advertorials ahmen gestalterisch die Anmutung des journalistischen Angebots nach, sind aber in Wirklichkeit bezahlte Werbung, die sich mittlerweile selbst in seriösen Tageszeitungen findet. Meistens steht etwas verschämt „Sonderthema“ oder „Verlagsbeilage“ darüber, manchmal auch „Extra“. Aber was sagt das dem Leser schon? Es könnte bedeuten, dass sich die Redaktion extra viel Mühe gibt. In Wahrheit hat sich der Verlag extra etwas einfallen lassen, um verkappte Werbung zu drucken. Dabei sieht das Presserecht ausdrücklich vor, dass Werbung und Redaktion nicht verquickt werden dürfen und Anzeigen als solche gekennzeichnet werden müssen.

Wer meint, so etwas gebe es in SERIÖSEN Medien doch wohl nicht, darf sich gerne mal diese offen auf der FAZ-Website nachlesbaren Richtlinien für deren Advertorials anschauen.

Advertorials ermöglichen Werbekunden die Präsentation ihrer Inhalte im Look&Feel von FAZ.NET. So können unseren Nutzern auch umfangreichere Produktfunktionen in der vertrauten Welt von FAZ.NET erläutert werden.

Man beachte die schönfärberische Umschreibung dieser Schleichwerbung… Reklame & Kommerz haben es also geschafft, die gesamten Medien endgültig zu Desinformationsschleudern zu machen.

Weitere Informationen:

>> Teil 1: Die Versaubeutelung der Sprache
>> Teil 2b: Medienmanipulation durch Werbeentzug
>> Teil 3:  Ressourcenverschwendung
>> Teil 4: Die Verschandelung des öffentlichen Raums und die Durchkommerzialisierung des Alltags

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Werbung schadet (1) – Die Versaubeutelung der Sprache

In meiner neuen (unregelmäßigen), subjektiv gefärbten, differenziert-polemischen Artikel-Serie möchte ich die verschiedenen schädlichen Facetten von Reklame streiflichtartig beleuchten, um zu verdeutlichen, dass der Kampf gegen die Überflutung mit Marken und Werbung nicht nur eine Sache der persönlichen Antipathie ist, sondern ein Gebot der Stunde. Auch will ich den forschen Behauptungen entgegentreten, Werbung wäre informativ oder gar ein wichtiger Teil unserer Kultur – vor allem von denjenigen, die in dieser Industrie tätig sind (und die sich gerne als Kulturschaffende sehen würden), wird natürlich versucht, dem Reklamegetue irgendeinen höheren Anspruch zu verleihen, und manche Medien mischen munter mit – was kein Wunder ist, prostituieren finanzieren sich doch die meisten Erzeugnisse auf dem Markt durch Anzeigen.

voller-briefkastenDie Wirklichkeit sieht natürlich anders aus, als sich das die Herren & Damen in den Werbeagenturen so vorstellen. Reklame wird doch von der Mehrzahl der Menschen als sehr störend, als Belästigung empfunden. Dies erkennt man z.B. daran, dass neue Festplattenrecorder gleich mit einer Funktion zum automatischen Wegschneiden von Werbeblöcken versehen sind. Dass Fernsehreklamespots lauter sind als der eigentliche Film, weil die Werbetreibenden wissen, dass die meisten Zuschauer auf Toilette oder in die Küche gehen, wenn der Konsumterror beginnt. Und von meinen Streifzügen mit Flugzettelverteilen weiß ich, dass viele Bürger sich den Einwurf von Reklamegedöns mit mehr oder minder deutlichen Aufklebern an ihren Briefkästen verbitten (nicht alle so direkt wie ein Anwohner in Hamburg: „Keine Scheiß Reklame!”). Natürlich kann Werbung auch nützlich sein, vor allem im kleineren Rahmen, doch auf die großen Image- & Markenkampagnen in Funk & Fernsehen trifft dies sicherlich nicht zu.

Im ersten Teil meiner kleinen „Aufklärungsserie“ soll es um das gehen, was die Werbeindustrie der Sprache, dem Sprachempfinden der Menschen antut. Tatsächlich begann meine eigene kritische Auseinandersetzung mit Reklame und meine schrittweise Loslösung aus der Umklammerung der Werbebotschaften (Anfang/Mitte der 90er) genau mit diesem Phänomen: es machte mich wahnsinnig, die unglaublich dummen, plumpen und nervigen Sprüche zu hören, dieses mit englischen Füllworten durchsetze Marketingsprech, das soooo gerne cool und trendy wäre, aber doch nur erbärmlich hohl und leer wirkt. Das führt zu so grausigen Phrasen wie „Die neue web ‘n’ walk Card“ oder „Office in your Pocket-Lösung“ (beides T-Mobile – die Telekom mit ihren ganzen Unterspielarten tut sich ja seit jeher besonders bei der Vergewaltigung des allgemeinen Sprachgefühls hervor), oder zu blödsinnigen Binnenmajuskeln wie beim InterCityExpress – ich habe schon damals nicht verstanden, was daran modern oder schick sein solle. U.a. Bastian Sick lässt sich in seinen Sprachkritik-Büchern auch des öfteren über solche Unarten aus. (Zu Recht.)

Genauso hirnrissig war und ist der Trend, unbedingt jede Marke mit einem sog. „Claim“ zu versehen, also einem Spruch, der das Unternehmen charakterisieren soll. „Come in and find out“ von Douglas ist ja ein klassischer Fall von Eigentor, weil das kaum jemand verstanden hat. „Good food, good life“ von Nestlé fand ich auch so erbärmlich dürftig, dass ich mich fragte, wieso das den Pappnasen in der Werbeabteilung nicht selbst aufgefallen ist (für diesen Spruch hat das Unternehmen vermutlich auch noch viel Geld bezahlt!). Aber wie ich oben schon schrieb, merkt man in diesen Kreisen offenbar gar nicht mehr, wie übel die Ergebnisse der eigenen Hirnstürme so sind. Klar entstehen dabei manchmal auch ein paar gelungene kreative Wortschöpfungen wie „unkaputtbar“, aber schon bei den in den allgemeinen Sprachschatz übergegangenen Parolen „Geiz ist geil“ oder „Da werden Sie geholfen“ zeigt sich, dass Reklame zwar wirksam sein kann, jedoch keinen besonders positiven Einfluss auf den Menschen hat – schließlich ist es eben nicht „cool“, Geiz (im Sinne von: möglichst wenig Geld für irgendeinen Schund auszugeben, ohne Rücksicht darauf, wie diese Preise zustande gekommen sind) als Tugend zu proklamieren, und genauso wenig geil erscheint es mir, falsche Grammatik zu verbreiten.

zeit_fr_ne_pizzaDavon, dass viele Werbesprüche eine unzulässige Verkürzung der Realität darstellen und oft genug eben NICHT den wahren Unternehmensabsichten entsprechen, sondern eher kaschieren, will ich hier gar nicht reden. Sondern nur noch kurz darauf hinweisen, dass die Reklamesprache eine schleichende Entwertung von so manchem Begriff vorantreibt (siehe die Gedanken von Lumières dans la nuit zum Thema „Treue“, welche früher eine tiefgehende menschliche Tugend war und heute oft nur noch bedeutet, dass man 3 Mal die gleiche Klopapiermarke kauft), gleichzeitig aber auch durch Vorspiegelung falschen Glanzes sich selbst der Lächerlichkeit preisgibt, aber damit auch zeigt, dass man den Kunden für sehr naiv und beeinflussbar hält. So wird auch mit viel Aufgeblasenheit und falschem Pathos gearbeitet. Was soll ich von einem profanen Pizzabringdienst halten, der sich „Mundfein – Pizzawerkstatt“ nennt? Ich sehe da richtig vor mir, wie der Besitzer, im verzweifelten Versuch, seinen Laden wie einen originellen, selbstironischen Dienstleister dastehen zu lassen, zu einer geschniegelten Werbeagentur gelaufen ist und sich da ein paar überbezahlte Hoschis dachten, dass man hier schön Augenwischerei betreiben kann. Die Absicht einer jeden Reklame ist ja, dass der Betrachter das, was er sieht, die positiven Bilder & Emotionen, die ihm dargebracht werden, 1:1 auf das Unternehmen oder das Produkt überträgt. Schade, dass das bei mir schon lange nicht mehr klappt…

Noch ein paar Artikel zum Thema Sprache/Werbung:
>> Die ZEIT: Die verkaufte Sprache
>> Manager Magazin: Debatte über Werbesprache –  Alles denglisch oder was?
>> Uni Frankfurt: Was ist Werbesprache und wie wird sie in der Sprachwissenschaft eingeordnet?

Trotz ihrer Bemühung, spontan und der Alltagssprache nah zu bleiben, ist die Werbesprache künstlich, sie besitzt keine Sprechwirklichkeit, sondern ist stets auf eine bestimmte Wirkung hin gestaltet.

>> Teil 2: Die untrennbare Vermischung von Reklame und Redaktionellem
>> Teil 2b: Medienmanipulation durch Werbeentzug
>> Teil 3: Ressourcenverschwendung
>> Teil 4: Die Verschandelung des öffentlichen Raums und die Durchkommerzialisierung des Alltags

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Weise Worte (3)

„Wenn jemand die Bürger als unmündig einschätzt und aktiv zu ihrer Entmündigung beiträgt, dann sind es zunächst diejenigen, die sie mit suggestiver Werbung zum Objekt der Ökonomie zu machen versuchen oder ihnen die kritische Auseinandersetzung mit der Wachstumsgesellschaft austreiben mit der Drohung: ‚Zurück in die Steinzeit!‘” (Klaus Traube)

[via Abfallgut]

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Surftipp: IG Plakat | Raum | Gesellschaft

Nicht nur dem Autoren des ZEIT-Artikels „Du kannst uns nicht entkommen”, den ich hier neulich vorstellte, geht die zunehende Zuplakatierung und das Ausbreiten von Reklame im öffentlichen Raum zu weit – sehr genervt sind offenbar auch einige Bürger von Zürich. Denn dort existiert seit einiger Zeit der Verein „Plakat | Raum | Gesellschaft”, das sich dafür einsetzt, die Stadt zumindest teilweise wieder von der Werbedomianz und den überlebensgroßen Plakaten zu befreien (eine Verringerung der Werbeflächen um die Hälfte wird angestrebt).

Der Gewinn?
– mehr Selbstbestimmung, welchen Werbebotschaften man sich aussetzt
– ein öffentlicher Raum, der diesen Namen verdient
– ein schöneres Orts- und Landschaftsbild

Gewisse Plakate muss man Hunderte von Male betrachten und hat keine Möglichkeit, sein Nichtinteresse zum Ausdruck zu bringen. Dies steht in auffallendem Gegensatz zur Möglichkeit, in anderen Lebensbereichen per Knopfdruck oder Weiterblättern ungefragter Werbung auszuweichen. Aussenwerbung widerspricht auch dem Kredo der International Advertising Association, welche sich dem Prinzip der «Wahlfreiheit für alle Bürger» verschrieben hat.

Plakatwerbung führt zu einer visuellen Abwertung des Ortsbildes.

vandalismusDie standardisierten Werbeträger sind nicht dazu gemacht, sich in die Umgebung zu integrieren. Vor dem Hintergrund einer natürlich gewachsenen Umgebung wirken rechteckige Plakate wie eine Faust aufs Auge. Dies ist auch der Grund, weshalb sich in prestigeträchtigen Zonen wie der Zürcher Bahnhofstrasse kein einziges Werbeplakat findet (mit Ausnahme einiger Telefonkabinen).

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Werbung gegen Realität, Teil 7: Cola light

Gibt es tatsächlich Menschen, die glauben, das Trinken von Cola light bzw. der neuen Sorte mit grünem Tee (was ja sicherlich eine Nähe zur sog. „Wellness“ suggerieren soll) wäre in irgend einer Form gesund? Gesünder (= weniger schädlich) als die normale Cola zumindest? Ich hoffe nicht, auch wenn der Coca Cola-Konzern in seiner Werbung natürlich genau diesen Eindruck zu erzeugen versucht – ich denke da nur an die Firmenmaxime, einen Lifestyle um dieses Getränk herum zu stricken:

Mit der aktuellen Kampagne “hello you” motiviert Coca-Cola light alle Frauen, ihre einzigartige Persönlichkeit noch mehr auszuleben.

Unglaublich dämlich, dieses plumpe Ansinnen der Marketingabteilung, aus einer braunen Blubberbrause sowas wie einen Persönlichkeitsverstärker zu machen. Nun ja, vermutlich fallen trotzdem ein paar Leute darauf hinein.

Gerne wird ja auch darauf verwiesen, dass dieses Getränk „null Gramm Zucker” enthielte. Das stimmt zwar, aber nur, wenn man unter Zucker den normalen Industriezucker versteht, denn selbstverständlich sind in der Cola light dafür ganz andere Elemente aus dem Chemiebaukasten vertreten. Ich zitiere den Greenpeace-Magazin-Artikel „Diät Cola – Was die Werbung verschweigt”:

Ist Cola Light ein Cocktail aus womöglich neurotoxischen und krebserregenden Substanzen? Davor warnt das britische Umweltmagazin „The Ecologist“. Als gefährlich prangert das Magazin den als krebserregend geltenden Süßstoff Aspartam an, aber auch zahn- und knochenschädigende Phosphor- und Zitronensäuren sowie erbgutschädigende Farbstoffe wie die Ammonsulfit-Zuckerkulör (E150d).

Wohl bekomm’s! Ich bleib dann doch lieber bei Wasser und Tee oder vielleicht mal einem Glas Wein oder einer Club Mate…

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Werbung gegen Realität, Teil 6: Die Deutsche Post

Die Werbespötte der Deutschen Post, in der eine Vielzahl von Briefträgern, zu Lande und zu Luft, unterwegs ist, um einen einzigen Brief zu Kunden zu bringen, dudelten lange genug durch die Fernsehkanäle (ich will das hier nicht verlinken, aber wer bei Youtube “Deutsche Post” und “die Post ist da” eintippt, wird schnell fündig). Wie meistens (immer?) bei so großangelegten Imagekampagnen sieht die Wirklichkeit leider anders aus, als die Marketingnasen das in ihrer Reklame darstellen. Aber das Für-dumm-Verkaufen der Zuschauer und Kunden gehört natürlich zum alltäglichen Geschäft der Werbeindustrie. Das sehr sehenswerte Polit-/Satiremagazin quer auf Bayern 3 schaute in seiner jüngsten Ausgabe mal hinter die Kulissen und klärt auf, wieso in Unterhaching und sonstwo in der Republik, Briefkästen immer öfter tagelang leer bleiben.

Der Beruf des Briefträgers ist nicht mehr das, was er einmal war. Während früher ein Tratsch am Gartenzaun oder wenigstens ein paar freundliche Worte möglich waren, muss jetzt im Akkord zugestellt werden. 16.000 Stellen hat die Post eingespart. Die Folge für die Bürger: Ihre Briefe kommen immer später an. Zudem klagen die Postboten oft über Stress, nicht zu bewältigende Briefmengen und schlechte Bezahlung. Die Fälle von Frühverrentung nehmen zu. Gerade in der Vorweihnachtszeit bangt nun so mancher Kunde, dass sein Päckchen nicht mehr rechtzeitig ankommt.

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Werbung gegen Realität Teil 5: Nochmal Vattenfall

Nun hat sich auch der Report Mainz (ARD) mit der neuesten Grünwaschungsaktionen von Vattenfall befasst – in seinen Kampagnen versucht sich der, laut Greenpeace, klimaschädlichste Energiekonzern Deutschlands in besonders unverschämter Art und Weise als Umweltretter darzustellen, obwohl alles nur darauf hinausläuft, dass der Stromkunde und Steuerzahler die Umweltsünden des Konzerns bezahlen soll. Höchste Zeit, den Anbieter zu wechseln!

>> Download des „Schwarzbuch Vattenfall” (pdf)

(auf das Bild klicken, um den Beitrag
„Ein Klimaschädling wäscht sich rein” vom SWR zu starten)

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„Werbung und Öffentlichkeit: Du kannst uns nicht entkommen!”

In der letzten Ausgabe der Zeit findet sich der sehr lesenswerte Artikel „Du kannst uns nicht entkommen!”, in dem sich Autor Hanno Rautenberg kritisch mit der Vereinnahmung des öffentlichen Raumes durch Werbekampagnen auseinandersetzt.

© Bernd Boscolo / Pixelio

© Bernd Boscolo / Pixelio

Immer dreistere Werbekampagnen erobern die Straßen und Plätze. Doch nun wehren sich die ersten Städte

Noch keine Diktatur war so gut gelaunt wie diese. So bunt und fröhlich, so hell erleuchtet. Sie will uns nichts Böses, ganz bestimmt nicht. Sie will uns verführen, will unser großes Glück. Doch wie in jeder Diktatur gibt es auch in dieser, in der Diktatur der Werbung, kein Entkommen. Wo wir auch hinschauen, überall hängen, kleben, flattern ihre Bilder und Zeichen. Werbung auf Litfaßsäulen und Plakatwänden, an Haltestellen und Bussen, Werbung auf Rolltreppen, Taxidächern, Bürgersteigen, Werbung noch an den höchsten Hochhausfassaden.

(…) Denn auch das ist ein Prinzip der Werbung: Sie muss sich ständig überbieten. Manche der Riesenposter, die seit einigen Jahren ganze Häuser verhüllen, sind groß wie ein Fußballfeld, damit auch ja niemand mehr an ihnen vorbeischauen kann. Anders als die Emailleschilder von einst sind sie kein städtisches Beiwerk, sondern erzeugen eine eigene übermächtige Wirklichkeit.

(…) Vernehmbare Proteste gegen solche Übergriffe hat es in Deutschland bislang kaum gegeben. In Frankreich hingegen entwickelte sich bereits vor einigen Jahren eine Art Widerstandsbewegung, und Jugendliche zogen in Gruppen los, um die plakative Verlockung plakativ zu bekämpfen.

(…) Reklame braucht also Grenzen, und einige Kommunen haben das verstanden. Nicht nur São Paulo, auch Paris verbannt neuerdings die Riesenplakate. Und überall wächst der Unmut, viele Bürger wollen die Durchökonomisierung des öffentlichen Raums nicht länger hinnehmen, sie wollen, dass die Städte wieder Stadt sind und keine dreidimensionale Dauerwerbesendung. So gut gelaunt die Diktatur der Plakate und Poster auch sein mag – der Bildersturm wird kommen. Das große Brausen ist schon zu hören.

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Werbung gegen Realität, Teil 3: McDoof

Da Fernsehwerbung sehr teuer ist, können nur die großen Konzerne sie sich dauerhaft leisten, so dass wir von den immer gleichen Firmen mit ihren Reklamemärchen bombardiert werden. McDonald’s gehört da seit jeher zu den besonders forschen Vertuschern und Ablenkern (jährlicher weltweiter Werbeetat an die 2 Milliarden US$!) – gerade die Spots der letzten Zeit (mit viel frischem Salat etc.) sollen suggerieren, dass es hier gesund und naturverbunden zugeht. Das ist natürlich ein großer Quatsch, die Realität sieht (wie so oft, wenn man sie gegen die Reklameaussagen hält) ganz anders aus – in den McD-Buden wird einfach nur ungesunder Industriefaß verkauft, egal wie oft sich Heidi Klum oder andere Mietpromis für das Unternehmen prostituieren und ihren Namen hergeben.

Vieles ließe sich zu diesem Konzern sagen (z.B. das oder das), aber heute möchte ich mich erst einmal auf einen Artikel aus der FAZ beschränken, in dem es neben einiger (etwas kleinlicher) Kritik am Starkoch Ferran Adrià eben auch um McD & Co. geht: „Fast-Food-Streit – Ich esse meinen Hamburger nicht”:

Es ist schon immer das Ziel von McDonald’s gewesen, von der eigentlichen kulinarischen Qualität ihrer Produkte abzulenken. (…) McDonald’s aber wirbt mit gesundheitlicher Unbedenklichkeit und bunten Bildern und in großangelegten Imagekampagnen, die das Bild eines rundum seriös arbeitenden, geradezu kulturell wertvollen Konzerns verbreiten. Demgegenüber steht die Wirklichkeit einer kulinarischen Manipulation auf niedrigem Niveau, mit der die Kundschaft von Kindesbeinen an an ein industrielles, völlig überwürztes und von künstlichen Aromen durchsetztes Essen gewöhnt werden soll.

(…) McDonald’s erzeugt bei seinen Kunden die Vorliebe für ein Geschmacksbild, das nur noch von McDonald’s und ähnlich arbeitenden Firmen befriedigt werden kann. Die so gedrillte Kundschaft ist schnell für natürlichere, differenziertere und unter kulturellen Gesichtspunkten einfach bessere Formen des Essens verloren. In einer bizarren Verdrehung wird die industrielle Reduktion eines seriösen Essens von einer preisreduzierten Notlösung zum neuen Maßstab. (…)

Es ist ein Märchen, dass das Essen bei McDonald’s so preiswert ist, dass es ein unschlagbares Preis-Leistungs-Verhältnis bietet. Man darf ja nicht übersehen, dass diese Preiswürdigkeit nur im Vergleich mit vergleichbaren gastronomischen Angeboten, nicht aber mit den Kosten eines selbsthergestellten Essens besteht. Spätestens dann, wenn sich mehrköpfige Familien in Schnellrestaurants einfinden, entstehen Kosten, die jederzeit auch für das Material eines selbstgekochten Essens reichen würden. (…)

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