Kategorie: Wirtschaft

Der freie Markt…

Die Finanzmarktkrise regt derzeit ja viele Leute aus allen Bereichen von Wirtschaft und Gesellschaft zum Nachdenken an – einige darüber, wie man das grundlegende System reformieren kann, andere kleider nur, wie sie maximalen Profit aus der Lage ziehen könnten. Zu letzteren gehört neben den Bankern auch die Autoindustrie, die ja nun auch vom Staat gefördert werden soll, um drohende absatzprobleme abzufedern. Wie war das noch mal mit dem angeblich freien Markt, der alles von alleine perfekt regelt? Die Politik ist jedenfalls eifrig dabei, hier überhastet falsche Signale zu senden:

Mit ihren Plänen für die Kfz-Steuer wirft die Bundesregierung den Klimaschutz über Bord. Anstatt Anreize für den Kauf von Autos mit einem geringen CO2-Austoß zu schaffen, subventioniert sie den Erwerb von Spritfressern. Das wird sich mittelfristig rächen. (…)

Mit einem solchen Programm würde die Bundesregierung den Automobilherstellern einen Anreiz geben, weiter große Benzinfresser zu bauen. Das Beispiel der US-Automobilindustrie, die genau auf diese Modellpolitik gesetzt hat und jetzt in einer sehr schweren Krise steckt, zeigt, dass das die falsche Strategie ist. Würden die Pläne umgesetzt, hätte die Bundesregierung ihre Klimastrategie in der Finanzkrise über Bord geworfen. Das würde mittelfristig die Probleme der deutschen Fahrzeughersteller verschärfen statt erleichtern.

[Quelle Financial Times Deutschland!]

Die NachDenkSeiten kommentieren dies zutreffend:

Ein weiterer Sieg der Autolobby – einmal mehr eine Niederlage fürs Klima. Dies passt zur „Logik“ einer konzeptionslosen, inkonsequenten und kontraproduktiven Verkehrs-, Bahn- und Umweltpolitik, die das energie-, umwelt- und klimaschonende Verkehrssystem Schiene gegenüber ihren konkurrierenden Verkehrsträgern sträflich vernachlässigt hat. Es kann nicht Aufgabe des Staates sein, eine verfehlte Modellpolitik der Autokonzerne mit beträchtlichen Gewinnmargen in der Vergangenheit, die Fortschritte beim Umweltschutz stets auszubremsen wussten, angesichts ihrer hausgemachten Absatzkrise mit Steuermitteln unter die Arme zu greifen.

Um Kostenwahrheit im Verkehrsbereich herzustellen, ist dem Verursacher- und Wegekostenprinzip, mit dem die externen, also gesamtwirtschaftlich und gesellschaftlichen Folgekosten den jeweiligen Verkehrsträgern zuzuordnen und anzulasten sind, Geltung zu verschaffen. Nur so können faire Wettbewerbsbedingungen durch Ordnungspolitik im Verkehr ZWISCHEN DEN VERKEHRSTRÄGERN im öffentlichen Interesse hergestellt werden und seit Jahrzehnten bestehende massive Wettbewerbsverzerrungen zulasten der Schiene beseitigen.

Welche Schuld die Politik und die Deregulierung an der Krise trägt, fragte sich neulich auch das ARD-Magazin PlusMinus – ein sehr interessanter Beitrag! (via weissgarnix)

Kurios bis obskur auch, dass die BILD-„Zeitung” gerade jetzt, wo mit stark sinkenden Unternehmensgewinnen in der Zukunft zu rechnen ist, dafür plädiert, die Arbeitnehmer an eben selbigen zu beteiligen. Joachim Jahnke schreibt dazu:

Eigentlich nicht nachvollziehbar: Ausgerechnet jetzt, wo die Gewinnperspektiven der Unternehmen drastisch zurückgehen, sollen die Arbeitnehmer auch noch das Risiko der Gewinnentwicklung schultern: “Wenn bescheidene Lohnerhöhungen mit saftigen Gewinnbeteiligungen gekoppelt würden. Dann hätten die Arbeitnehmer in guten Zeiten mehr Geld – und in schlechten sicherere Arbeitsplätze.” Für BILD der Ausweg, damit die Arbeitnehmer die Zeche der Krise nicht zahlen.

Für wie dumm hält BILD die Arbeitnehmer unter seinen Lesern eigentlich? Sollen sie nun für die nächsten Jahre gleich zweimal auf Einkommen verzichten, nämlich bei den Löhnen und bei der Beteiligung an abstürzenden Gewinnen? Und sichere Arbeitsplätze gibt es in einer Weltwirtschaftskrise ohnehin nicht, weder mit noch ohne Gewinnbeteiligung.

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Veranstaltungstipp: Die Geldkrise als Anlass für echtes Umdenken

Unter dem Motto „Das Geld ist tot – es lebe das Geld!” findet in Kiel am 3.11. (Montag) um 19.30 Uhr im Holsteiner (am Holsteinstadion, Westring 501) eine hoch interessante Informations- und Diskussionsveranstaltung statt.

Milliardenpakte, bald Billionenpaket (1000 Milliarden) zur Rettung eines Systems, das genau die Probleme erzeugt hat, dass einer aufgeblähten Geldmenge keine Werte gegenüberstehen und somit die Sicherheiten fehlen.

Was haben wir Bürger damit zu tun? Was sollten wir tun / wissen / fordern / verstehen? Was sollten wir gemeinsam entwickeln? Eine echte Neulandsuchveranstaltung mit dem ehemaligen Bankvorstand Volker Viehoff am 3.11.2008 um 19.30.

Flugblatt zum Runterladen

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Surftipp: Freecycle, das Verschenknetzwerk

In Zeiten überhand nehmender Kommerzialisierung ist es doch schön, dass es auch solche sinnigen Initiativen gibt wie Freecycle. Statt überflüssige Dinge für 1 oder 2 Euro bei Ebay zu verkloppen, kann man sie in diesem Verschenknetzwerk anbieten und vielleicht jemanden damit beglücken. Ursprünglich als Projekt in den USA gestartet, existiert Freecycle Deutschland seit mehreren Jahren und wartet mit verschiedenen Ortsgruppen auf, in denen man sich im wahrsten Sinne des Wortes austauschen kann (bspw. hier die Ortsgruppe Kiel). Das tolle ist: Jeder kann bei Freecycle mitmachen, es kostet keine Gebühren. Inzwischen ist daraus eine weltweite Bewegung mit über 5 Millionen Mitgliedern geworden.

Das weltweite Freecycle-Netzwerk organisiert in regionalen Gruppen den Austausch kostenlos abzugebender Gegenstände. Was für den einen wertlos geworden ist, kann ein anderer vielleicht noch gut gebrauchen. Mit Freecycle kannst du zu verschenkende Sachen anbieten oder suchen.

Freecycle wird ehrenamtlich betrieben und vertritt keine kommerziellen Interessen. Ziel der Freecycle-Idee ist es, unnütz gewordenen Dingen wieder einen Sinn zu geben, anderen zu helfen und eine Freude zu bereiten und auch selbst Spaß daran zu haben. Und wenn die eigene Wohnung (Keller, Garage, Dachboden) dabei entrümpelt sowie Müll vermieden wird: auch nicht schlecht!

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extra 3 spielt „Bankenkrise”

Schon vom März 2008 stammt dieser Beitrag des Satiremagazins extra 3 (auf N3), der mittlerweile ja von der Realität eingeholt & überholt wurde. Wirklich sehr luschtig! (Wenn es nicht so traurig wäre.)

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NewScientist: Wie unser Wirtschaftssystem die Erde tötet

Vor zwei Wochen erschien im renommierten Wissenschaftsmagazin NewScientist ein „Special Report” unter dem Thema „How our economy is killing the earth”, der einige beklemmende Erkenntnisse zu Tage fördert. Im einleitenden Artikel wird beispielsweise diese Grafik hier präsentiert (anklicken, um sie in groß zu sehen):

Tiefergegehende Analysen zu dieser Grafik findet Ihr hier: „The facts about overconsumption”.

Sie verdeutlicht, welch exponentielle Entwicklungen viele Dinge in der Wirtschaft und der menschlichen Gesellschaft mittlerweile genommen haben – und eigentlich kann sich jeder mit Hilfe seines gesunden Menschenverstandes ausmalen, dass dies nicht ewig so weitergehen kann (Text wurde von mir mit freundlicher Genehmigung des Verlags übersetzt):

Die Grafiken auf dieser Seite sind eine deutliche Erinnerung an die Krise, der unser Planet gegenüber steht. Der Ressourcenverbrauch steigt schnell an, die Biodiversität stürzt ab und praktisch jede Messung zeigt, wie Menschen die Erde im großen Maßstab beeinflussen. Die meisten von uns akzeptieren die Notwendigkeit eines nachhaltigeren Lebensstils, indem wir den CO2-Ausstoß verringern, erneuerbare Technologien entwickeln und Energieeffizienz erhöhen.

Aber sind diese Anstrengungen, den Planeten zu retten, zum Scheitern verurteilt? Eine steigende Anzahl von Experten berücksichtigt Grafiken & Statistiken wie die oben und argumentiert, dass persönliches Spritsparen und kollektives Ökologiebewusstsein unerheblich/nutzlos sind, so lange unser Wirtschaftssystem auf der Wachstumsprämisse beruht. Die Wissenschaft sagt uns, dass wir die Erde nur retten können, wenn wir unser Wirtschaftssystem verändern.

Dies ist natürlich ökonomische Gotteslästerung. Wachstum ist für die meisten Ökonomen so selbstverständlich wie die Luft, die wir atmen: es ist, wie sie behaupten, die einzige Kraft, die in der Lage ist, die Armen dieser Welt aus ihrer Armut zu befreien, die zunehmende Weltbevölkerung zu ernähren, die Kosten für die zunehmenden öffentlichen Ausgaben zu bezahlen und technischen Fortschritt anzufachen – vom Bezahlen eines immer ausschweifenderen Lebensstils ganz zu schweigen. Sie sehen keine Wachstumsgrenzen, niemals.

In den letzten Wochen ist es klar geworden, wieviel Angst die Regierungen vor allem haben, dass dieses Wachstum bedroht, indem sie Milliarden von Steuergeldern in ein Finanzsystem kippen, das versagt hat. In all dieser Verwirrung muss jede Herausforderung des Wachstumsdogmas genau untersucht werden.

[weiterlesen des Artikels, auf Englisch]

Ein weiterer Artikel des NewScientist-Specials stammt von Prof. Tim Jackson von der Universität Surrey (UK) – „Warum Politiker sich nicht trauen, wirtschaftliches Wachstum zu begrenzen”. Die ersten paar Absätze darf ich Euch wieder als Übersetzung präsentieren, den Rest dann bitte auf der Originalsite nachlesen.

Wenn Sie an der Oberfläche des Kapitalismus des freien Marktes kratzen, entdecken Sie etwas, das an tiefsitzende Urängste erinnert. Die jüngsten Ereignisse liefern ein gutes Beispiel dafür: Das außergewöhnliche 800 Milliarden $ US-Rettungspaket war eine gigantische „Wohlfühldecke”, um das Vertrauen in den schwächelnden Finanzmarkt wiederherzustellen. Indem die Steuerzahler gezwungen werden, die „giftigen Schulden” aufzusammeln, die das System in die Krise geführt haben, zielt es darauf ab, unsere Fähigkeit zu erhalten, so weiter zu machen wie bisher. Das ist eine sehr kurzsichtige und regressive/rückschrittliche Lösung, aber das Wirtschaftswachstum muss nun mal um jeden Preis geschützt werden.

Als Wirtschaftsbeauftragter der UK Sustainable Development Solution kommt mir dieses Vorgehen auf deprimierende Weise bekannt vor. Bei der letztjährigen Vorstellung des Redefining Prosperty-Projekts (das versucht, ein wenig ökologische und soziale Rücksichtnahme in die atemlose Hatz nach wirtschaftlichem Wachstum einzubringen) stand ein Vertreter des Finanzministeriums auf und beschuldigte mich und meine Kollegen, „zurück zum Leben in Höhlen” gehen zu wollen. Nach einem aktuellen Treffen, das herausfinden sollte, wie die englische Finanz- und Wirtschaftspolitik nachhaltiger gestaltet werden könnte, konnte man einen Offiziellen murren hören: „Nun, das ist alles ganz interessant, aber vielleicht können wir ja jetzt zur wirklichen Aufgabe zurückkehren: das Wirtschaftswachstum anzukurbeln.”

Die Aussage ist klar: jede Alternative zum Wachstum bleibt undenkbar, selbst 40 Jahre, nachdem die amerikanischen Ökologen Paul Ehrlich und John Holdren einige verblüffend offensichtliche Beobachtungen zur Arithmetik des permanenten Konsums machten.

(…) [den Rest des Artikels bitte auf Englisch nachlesen]

Dies ist die Logik des kapitalistischen freien Marktes: die Wirtschaft muss immer weiter wachsen, oder es kommt zu einem schrecklichen Kollaps. Da die ökologische Entwicklung jedoch kritische Punkte zu erreichen beginnt, müssen wir aufhören, zu glauben, dass die sinnlose Jagd nach Wirtschaftswachstum mit Nachhaltigkeit vereinbar ist. Wir brauchen etwas robusteres als nur eine „Wohlfühldecke” um uns vor dem Schaden zu schützen, den wir auf dem Planeten anrichten. Eine Alternative zu diesem zum Untergang verdammten Modell/System muss höchste Priorität genießen, bevor eine weltweite Rezession, ein instabiles Klima oder eine Kombination dieser  beiden Kräfte uns heimsucht.

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Supermarktmacht – Billig um jeden Preis?

Zunehmende Marktmacht und Konzentration auf vielen Märkten ist eines der Kernthemen meines Blogs (und auch einer der Auslöser, mich mit den ganzen Problematiken rund um Globalisierung & Co. zu beschäftigen). Dies betrifft nicht nur die von mir besonders verfehmten und “bekämpften” Billigbuden, die Discounter-Ketten, auf deren schädliche Auswirkungen auf Gesellschaft und Umwelt ich an anderer Stelle noch ausführlicher eingehen werde (man lese aber auch meine älteren Beiträge über Lidl, HIER und HIER). Gerade in Deutschland hat die Marktkonzentration schon bedenkliche Ausmaße angenommen – inzwischen werden 90% des Einzelhandels von nur noch 6 Großkonzernen bestimmt, die somit große Einflußnahme auf Preise und Zulieferer ausüben. Und, v.a. im Falle der Discounter, auch das Lohnniveau und die Arbeitsbedingungen drücken.

Seit einigen Monaten haben Organisationen wie ver.di, Germanwatch, BUND, Südwind, Misereor und Oxfam eine eigene Initiative gegründet, die die Gefahren dieses Prozesses bewusst machen und stoppen will – Supermarktmacht.

„Je größer der Marktanteil der wenigen verbleibenden Supermärkte, desto mehr können sie ihre Einkaufsmacht gegenüber den Zulieferern ausspielen“, kritisiert Marita Wiggerthale, Handelsexpertin bei Oxfam Deutschland. Schon jetzt drückten die Supermarktkonzerne ihre Lieferanten im Preis und wälzten Kosten und Risiken auf sie ab. „Die Zulieferer müssen sich mit Zuschüssen an der Neueröffnung von Supermarkt-Filialen beteiligen, Listungsgebühren bezahlen oder rückwirkend geltende Konditionsänderungen hinnehmen“, so Wiggerthale. Der daraus resultierende Preis- und Kostendruck bewirke, dass Arbeiter/innen in den Lieferländern noch länger unter menschenunwürdigen Bedingungen zu Hungerlöhnen produzieren müssten.

Auch die Arbeitsbedingungen der Beschäftigten bei den Discountern in Deutschland verschlechtern sich zunehmend. Niedriglohn- und Minijobs verdrängen normale Arbeitsverhältnisse. “Arm sein trotz Arbeit wird in Deutschland und Europa zur Normalität“, warnt Uwe Woetzel, Experte für Arbeitsrechte bei der Gewerkschaft ver.di. „Besonders betroffen sind Frauen, Migranten und Menschen aus strukturschwachen Gebieten, die überwiegend bei Lidl, Aldi, Norma, Netto und anderen Billig-Ketten arbeiten.“ Extremer Leistungsdruck und Überwachung seien bei vielen Discountern an der Tagesordnung. Grundlegende Arbeitsrechte von Beschäftigten werden nicht respektiert und das Organisationsrecht von Arbeitnehmervertreter/innen behindert.

Auf der Website erfahrt Ihr mehr über die Hintergründe, die Forderungen und auch, worauf man als Verbraucher achten kann. (NICHT beim Discounter einzukaufen halte ich schon mal für einen guten und sinnvollen Schritt.)

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Attac an der Börse und ungewohnte Töne aus finanznahen Kreisen

Mitglieder des globalisierungskritischen Netzwerkes Attac haben heute Mittag eine Protestaktion in der Frankfurter Börse durchgeführt (passenderweise gerade zur Liveschaltung von n-tv) und ihrer Forderung „Finanzmärkte entwaffnen! Mensch und Umwelt vor Shareholder-Value!” Nachdruck verliehen. Eine schöne Aktion, wie ich finde.

Apropos n-tv und die Wirtschaftspresse. Eigentlich sind die finanznahen Medien nicht gerade dafür bekannt, das Wirtschaftssystem und ihre Auswüchse in den vergangenen Jahren sonderlich kritisch beleuchtet zu haben (wenn man mal von einzelnen “Skandalen” absieht, über die natürlich gerne berichtet wird), aber bei meinen Wanderungen durchs Internet stieß ich dann doch auf erstaunliche Töne. So betreibt Michael Mross (früher Börsenreporter bei n-tv, heute bei CNBC) die Website MMNews, die sich folgendes auf die Fahnen geschrieben hat:

Deshalb widmet sich MMnews auch philosophischen Themen und beleuchtet insbesondere “normale” Gesellschaftsströmungen kritisch. In einer globalisierten Welt, die durch Mainstream gleichgeschaltet wird, ist es um so wichtiger, aufmerksam und kritisch das Zeitgeschehen zu durchleuchten.

Und so finden sich auf dieser Website wirklich eine Reihe sehr grundlegend kritischer Kommentare und Berichte, beispielsweise geht Ellen Brown in „Kredit-Krise: Game over” auf die prinzipiellen Probleme unseres Währungssystems ein und beschreibt das Bankensystem als Schneeballsystem, das nun zusammenzubrechen droht.

Das wirkliche Problem ist nicht die Lage auf dem vieldiskutierten »Subprime-Markt« der zweitklassigen Hypothekendarlehen, sondern die Lage auf den Kreditmärkten, die praktisch ausgetrocknet sind. Das ganze Bankensystem hat versagt. Wie die schmerzlichen Lehren aus der Großen Depression zeigen, kann man in einer solchen Situation die Ökonomie nicht einfach durch die Stützung notleidender Banken retten. Das gesamte Bankensystem muss grundlegend reformiert werden.

Nur ein paar Klicks entfernt enteckte ich dann auch noch diesen offenen Brief von n-tv-Moderator Raimund Brichta an Angela Merkel, der sich ebenfalls sehr kritisch mit der aktuellen Situation auseinandersetzt und in dem der Autor fordert, nicht nur die Symptome, sondern vor allem auch die Ursachen zu behandeln:

… dass unser Geld ausschließlich von Geschäftsbanken, Sparkassen und Notenbanken gemacht wird, indem diese Kredite vergeben. Das heißt, die gesamte umlaufende Menge an Geld hängt nur vom Volumen an existierenden Bankkrediten ab. Ohne Kredite gibt es kein Geld.

(…)  Aber damit nicht genug, liebe Frau Merkel, denn Sie wissen ja, dass man für Kredite auch Zinsen zahlen muss. Das heißt, man muss insgesamt mehr zurückzahlen, als man aufgenommen hat. Manchmal – bei besonders langlaufenden Krediten – sogar mehr als das Doppelte. Wo soll aber das zusätzliche Geld herkommen? Klar, es kann nur aus zusätzlichen Bankkrediten stammen. Es muss also laufend neues Geld in Form von Bankschulden geschaffen werden. Und für die zusätzlichen Schulden müssen wieder Zinsen gezahlt werden, die noch mehr zusätzliche Kredite erfordern. Und so weiter und so fort…

Das hat zur Folge, dass die Mengen an zusätzlichem Geld und an zusätzlichen Schulden exponentiell wachsen müssen, um das System aufrecht zu erhalten.

Deshalb schlage ich Ihnen vor, liebe Frau Merkel, Ihren langfristigen politischen Zielen für mehr Nachhaltigkeit (z.B. im Klimaschutz oder in der Energieversorgung) ein weiteres hinzuzufügen: das Ziel, ein nachhaltigeres Geldsystem zu schaffen. Vergeben Sie Forschungsaufträge und stellen Sie Expertengremien zusammen, die sich damit beschäftigen, wie unser Geld sicherer werden kann. Tun Sie bitte etwas, denn es gibt noch viel zu tun – über die aktuelle Symptombehandlung hinaus. Der Blick auf die Wurzel wurde bisher fast gar nicht geschärft, weil diejenigen, die das gegenwärtige System betreiben, auch prächtig daran verdienen.

Und abschließend noch ein paar Worte aus der FAZ – Frank Schirmacher sinniert drüber, „wie die Finanzkrise das Denken ändert” – „Die Finanzkrise fegt bisherige Glaubenssätze der Marktmetaphysik beiseite.”

Welche Gründe hat es, dass wir in einer Gesellschaft leben, die im Begriff ist, nach ihren natürlichen Lebensräumen nun auch ihre soziale Umwelt, die Lebenszeit einer ganzen Generation, sehenden Auges zu ruinieren? (…)

Nach Diamond steigt die Bereitschaft handelnder Eliten, eine Gesellschaft zu ruinieren, proportional mit ihrer Möglichkeit, sich von der Gesamtgesellschaft ökonomisch zu isolieren. Je mehr ihnen diese Isolierung gelingt, desto weniger werden sie von den Folgen für alle betroffen sein.

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Worst EU Lobbying Awards 2008

Gerade eben wurde ich im „Uns gehört die Welt!”-Blog auf dies Aktion „Worst EU Lobbying Awards 2008” aufmerksam gemacht, der von  Corporate Europe Observatory, Friends of the Earth Europe, LobbyControl und Spinwatch organisiert wird und dubiose Lobbying-Praktiken in der EU (zum Vorteile bestimmter Interessensgruppen und zum Nachteil der meisten Bürger) anprangert.

Für den Worst EU Lobbying Award stehen folgende Kandidaten zur Wahl:

  • Die Agrosprit-Lobby – nominiert für ihre irreführenden Kampagnen, Agrotreibstoffe „grün“ zu färben
  • Die European Alliance for Access to Safe Medicine (EAASM) – nominiert, weil sie die Beteiligung großer Pharmakonzerne in ihren Kampagnen verschweigt
  • Das European Business and Parliament Scheme – nominiert dafür, dass sie Lobbyarbeit aus ihren Büros im Parlamentsgebäude betreiben
  • Die Brüsseler Lobby- und PR-Agenturen Gplus und Aspect Consulting – nomiert für ihre Rolle als Verbreiter von Kriegspropaganda im jüngsten Konflikt zwischen Russland und Georgien.
  • Die International Air Transport Association (IATA) – nominiert für ihre irreführende Lobby-Kampagne mit dem Ziel, Vorschriften zur CO2-Reduzierung im Luftfahrtsektor zu vermeiden

Abstimmen könnt Ihr bis zum 30.11.2008 HIER.

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„Der Markt ist in Ordnung”

Gerade eben stieß ich beim Alarmschrei-Blog auf dieses an Realsatire grenzende Transkript eines Radiointerviews mit dem FDP-Haushaltsexperten Jürgen Koppelin, Motto „Der Markt ist super, nur die Marktteilnehmer haben eben Bockmist gebaut”, d.h. für die FDP existiert offenbar so etwas wie eine über den Menschen schwebende metaphysische Entität…

Moderator: Die FDP hat jahrelang immer wieder argumentiert, man solle dem Markt vertrauen und sich nicht einmischen. Jetzt haben wir gesehen, was dabei herauskommt. Ist die FDP, sind Sie jetzt schlauer?

Koppelin: Der Markt ist in Ordnung, das ist, liegt ja teilweise … überwiegend auch an den Managern. Das hat daran gelegen, das muss man ja auch offen sagen, dass die Krise ja in den USA begonnen hat. Wir wollen ja mal die Urheber nennen. Das ist in den USA gewesen, das große Problem, damals mit den Niedrigzinsen. Dann hat man unglaublich vielen Menschen billige Hypotheken angedreht, die sie anschließend nicht bezahlen konnten, und unsere Banken, unsere Manager der Banken, sind auf diese Geschichte, diese Geschäfte reingefallen.

Moderator: Das ist doch der Markt.

Koppelin: Das ist nicht der Markt, das ist das Verhalten der Manager. Wenn ich Treu und Glauben mache, oder wenn ich, wie ich fordere, sage, oder warum müssen unsere Bankmanager, das hat sich in den letzten Jahren so eingebürgert, müssen zum Jahresende noch Boni kriegen, nach Umsatz, und die haben sich die Taschen gefüllt, nachdem sie vorher schon die dicken Gehälter bekamen. Das ist nicht Markt, das ist ein Fehlverhalten bei den Banken, das ist ein Fehlverhalten auch bei den Aufsichtsgremien von Banken …

Moderator: Aber …

Koppelin: … und da muss mal Einhalt geboten werden.

Moderator: Der Markt hat doch mit seinen Regeln aber möglich gemacht, dass solche Menschen führende Positionen in diesem Business haben.

Koppelin: Nein, nicht da … das müssen Sie … Der Markt, der Markt selber ist ok. Es ist nur, wer kommt hin, wer kriegt Managerfunktionen, und da habe ich den Eindruck, manchen fehlt’s da wirklich, ja, nicht nur an der guten Ausbildung, sondern, sie waren nur noch auf Schnäppchenjagd. Das hat mit Markt nichts zu tun.

Lest unbedingt auch die entsprechende Kommentare & Diskussionen bei Alarmschrei, es lohnt sich!

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Neoliberalismus – Was bleibt von der Ideologie?

Einen sehr schönen Artikel fand man letzte Woche in der Zeit, in dem Susanne Gaschke über „Neoliberalismus: Die Neunmalklugen” sinnierte und sich fragte, was von dieser Ideologie nun, nach den aktuellen Turbulenzen (die ja noch lange nicht ausgestanden sind; der Dax lag heute teilweise mit >10% im Minus…) noch übrig bleibe.

Was haben sie uns nicht alles erzählt über den überlegenen Markt und die Wertlosigkeit des Staates – und was hört man nun? Dröhnendes Schweigen.

Von ihrer Unübersichtlichkeit her ist die gegenwärtige Situation, ist das großartige Scheitern aller neoliberalen Verheißung über die Weisheit der Märkte und die Überflüssigkeit des Staates, mit dem Untergang des Sozialismus verglichen worden. Im Gegensatz zu 1989 fällt allerdings ein Unterschied auf: Damals kam es schnell zu breiten Aufarbeitungsdebatten unter Historikern, politischen Akteuren (…) Diese selbstkritische Betrachtung der eigenen Rolle, dieses kleine bisschen Scham ist in der aktuellen Krise aufseiten der ökonomischen Elite bisher nicht zu entdecken: wahrscheinlich, weil sich ihre Mitglieder tatsächlich nicht als Anhänger einer Weltanschauung unter mehreren, sondern als Inhaber einer unbestreitbaren Wahrheit betrachtet haben.

(…) Von all diesen Menschen könnten auch die Marktradikalen etwas lernen: dass eine Gesellschaft andere Kraftquellen hat und andere Kraftquellen braucht als nur den Profit. Wenn sie es lernen würden, ließe sich einfacher darüber diskutieren, wie der Kapitalismus aussieht, den wir haben wollen.

[gefunden via Pickings]

Erstaunliches hört man auch vom ehemaligen US-Notenbankchef Alan Greenspan, der mit seiner Finanzpolitik nicht gerade unschuldig am aktuellen Desaster ist und nun von einem „Kredit-Tsunami” spricht:

“Ich habe falsch gelegen mit der Annahme, dass Organisationen – speziell Banken – aufgrund von Eigeninteresse ihre Aktionäre und ihr Firmenkapital am besten schützen können”, sagte Greenspan. Er räumte ein, dass die Krise “Mängel” in dem von ihm favorisierten Modell des freien Marktes offenbart habe. [via n-tv]

Eine nette bebilderte Hintergrundgeschichte über die Krise und ihre Hintergründe findet sich ebenfalls jetzt in der Zeit: „Wo ist das ganze Geld geblieben?”.

(Sorry, dass ich derzeit so oft die Finanzkrise hier erwähne(n muss), aber diese Thematik ist nun mal gerade ganz besonders prekär und aktuell.)

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