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Buchbesprechung: Erich Fromm „Haben oder Sein – Die seelischen Grundlagen einer neuen Gesellschaft“

Ich muss gestehen, dass ich, obwohl ich schon vor zwei Jahren durch einen Kommentar hier im Blog auf das Werk von Erich Fromm aufmerksam gemacht wurde, erst jetzt dazu gekommen bin, mir eins seiner Bücher zu Gemüte zu führen. Und das, obwohl Fromm bereits in den 60ern und 70ern messerscharfe konsum- und systemkritische Analysen vorlegte, die auch in der heutigen Zeit (leider) noch absolut zureffend sind. „Haben oder Sein – Die seelischen Grundlagen einer neuen Gesellschaft“ soll sein zugänglichstes Buch sein, in dem er viele seiner Gedanken und Ansatzpunkte nachvollziehbar umreißt und darlegt. Und nach der Lektüre kann ich dem durchaus zustimmen und eine unbedingte Leseempfehlung aussprechen!

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Buchvorstellung: Einfacher leben

Heute will ich Euch wieder in Zusammenarbeit mit dem Kritischen Netzwerk ein spannendes neues Buch vorstellen, das thematisch 1a in den Konsumpf passt – Andrea Kerlen mit „Einfacher leben – Ein praktischer Ratgeber zur Konsumverweigerung“. Das klingt schon mal gut, finde ich. Auch wenn es sicherlich für den „Hardcore“-Konsumkritiker nicht immens viel Neues bieten dürfte, werden doch viele Anregungen und Denkanstöße gegeben. Über den Begriff der „Konsumeinschränkung“ kann man zwar geteilter Meinung sein – genauso wie das Wort „Verzicht“ ist es doch eher negativ besetzt und suggeriert, dass man nachher ein eingeschränkteres Leben als vorher führt; dabei gewinnt man durch weniger Konsum ja auch. Zeit, Geld, Freiraum z.B.

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“Einfacher Leben” gibt es als Paperback (110 Seiten) für 6,50 € (zzgl. Versand) oder günstigen PDF-Download für 2,00 €

zur Bestellung: bitte hier klicken

zum Inhalt:

Du möchtest deinen Konsum einschränken, weißt aber nicht, wo du anfangen sollst? Oder fragst dich, ob dir dann nicht deine Lebensfreude verloren geht?

Der Ratgeber “Einfacher Leben” bietet über 150 praktische Tipps und Tricks zur Konsumeinschränkung in vielen Alltagssituationen, hinzu kommen mehr als 70 Literaturtipps und rund 40 Weblinktipps. 14 Kapitel, darunter “Sparen in allen Lebenslagen”, “Alternativen zum herkömmlichen Shopping”, “Spartipps für Eltern” oder “Einfach entspannen”, zeigen Beispiele, wie du einfach und dennoch mit viel Freude deinen Konsum einschränken kannst.

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Der verkaufte Käufer. Die Manipulation der Konsumgesellschaft.

An dieser Stelle will ich Euch heute wieder einen kleinen Gastbeitrag von Helmut Schnug vom Kritischen Netzwerk (das immer einen Besuch wert ist!) vorstellen, in dem er ein schon älteres, aber thematisch (leider) immer noch top aktuelles Buch vorstellt, das bestens zum Thema des Konsumpf passt.

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Der verkaufte Käufer. Die Manipulation der Konsumgesellschaft.

Autor: Wolfgang Menge

Verlag: Fritz Molden, Wien/München/Zürich (1. Auflage 1971)
ISBN-10: 3-217-00354-3 // ISBN-13: 978-3-217-00354-5
oder
Fischer Taschenbuch ISBN: 3-436-01711-6

Schon vor 40 Jahren schlugen erste Konsumkritiker Alarm. Das interessante historische Zeitdokument gibt es als Tb oder gebunden für ca. 3-6 € (inkl. Porto) und hat nichts an Bedeutung verloren – im Gegenteil: die Verbraucher lassen sich immer mehr verarschen. Achselzuckend und gleichgültig frönt der Verbraucher seiner Gier nach mehr statt sich mal endlich bewußt zu werden, welche Macht er doch eigentlich hat.

Zum Inhalt:

Das Warenangebot wird immer größer – die Irreführung des Käufers auch. Wir kaufen, die Verkaufsstrategen lenken. Was wir nach Hause tragen, ist nicht immer das, was wir eigentlich kaufen wollten oder glaubten, gekauft zu haben.

Ein Blick hinter die Fassaden der Schönfärberei, der schmeichelnden und täuschenden Werbetricks. Man verkauft uns Werbeslogans. Die Ware, für die wir dann bezahlen, ist weniger wichtig. Der Kunde ist längst nicht mehr König. Ahnungslos tappt er in die Fallen, die die Verkäufer ihm gestellt haben. Die Fülle von Beispielen für ökonomischen Machtmissbrauch und professionelles Rosstäuschertum macht aus diesem Buch eine kritische Schule für Verbraucher; dargestellt u.a. anhand der Bereiche Nahrungsmittel, Kraftfahrzeuge und Arzneimittel.

Buchvorstellung im Magazin DER SPIEGEL 41/1971: hier bitte weiterlesen

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Buchbesprechung: Ulrich Eicke „Die Werbelawine: Angriff auf unser Bewusstsein“

Ich möchte heute quasi eine Art Doppelposting vom Stapel lassen – denn zum einen will ich Euch eine sehr spannende Website vorstellen und ans Herz legen, die seit einigen Monaten im Netz steht und sich an alle richtet, die die derzeitige Entwicklung in Gesellschaft und Politik skeptisch sehen. „Kritisches Netzwerk“ heißt das Projekt, und der Untertitel „Das Netzwerk mit Forum für kritische Geister und konstruktive Gesellschaftsreformer“ zeigt schon an, dass es sich nicht um ein softes Social Network wie Utopia handelt, sondern um ein Austauschmedium für Menschen mit durchaus fundierter Grundsatzkritik. Natürlich finden auch konsumkritische Themen dort ihren Platz, so das das Kritische Netzwerk perfekt zum Themenkatalog meines Blogs passt:

Das KRITISCHE NETZWERK ist ein neues Internetprojekt und wurde im Dezember 2010 öffentlich. Durch die Zusammenführung von Menschen mit netzpolitischem Interesse, engagierter Aktivisten, Netzwerke, Bürgerinitiativen, Nichtregierungsorganisationen und Verbände wird es in der Lage sein, gemeinsame Nenner für eine wirksame Öffentlichkeitsarbeit und Aktionen zu finden.

Wir sind sicher, daß bei den Bürgerinnen und Bürgern unseres Landes große Schnittmengen an Themen und Inhalten vorhanden sind, die im KRITISCHEN NETZWERK gebündelt werden sollten. Unsere Motivation ist es, auf einer Ebene der gemeinsamen Nenner Mitstreiter aus unterschiedlichsten Bereichen (politisch-, ethisch-, sozial- und / oder umweltorientiert) zu finden, die sich unter Ausklammerung egomanischer Interessen für gemeinsame Ziele einsetzen. Auf der Basis eines humanistischen Weltbilds wollen wir mit dazu beitragen, den Weg zu einer neuen solidarischen Gesellschaft zu ebnen. Nur gemeinsam sind wir stark!

Mit Helmut Schnug, einem der Initiatoren des Netzwerks, habe ich vereinbart, dass einige meiner Konsumpf-Beiträge auch dort erscheinen werden, und im Gegenzug werde ich passende Artikel von dort auch hier vorstellen. Den Auftakt macht die folgende kurze Buchrezension von Helmut zu einem mir bis dato unbekannten werbekritischen Werk, das es leider nur noch antiquarisch gibt:

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Ulrich Eicke – Die Werbelawine: Angriff auf unser Bewusstsein.

Verlag: Knesebeck und Schuler (1991) / Knesebeck Von Dem GmbH (1999)
ISBN: 3-926901-38-1 / ISBN 978-3-926901-38-5
gebunden, 279 Seiten, für wenige Euros gebraucht zu bekommen!

Ständig werden wir auf irgendeine Weise durch Werbung beeinflußt. Ursprünglich sollte die Markenartikelwerbung dem Verbraucher durch zusätzliche Informationen zur Orientierung bei der Kaufentscheidung dienen, doch, laut Ulrich Eicke, einem Insider der Branche, „wird Werbung heute mehr und mehr im Stil des Show-Business betrieben.“

Er setzt sich in diesem Buch kritisch mit den Methoden der Werbebranche auseinander und geht unter anderem folgenden Fragen nach:

  • Wieso liefert die Werbung dem Verbraucher immer weniger Sachinformationen?
  • Was bedeutet die ständige Werbeberieselung durch das Fernsehen?
  • Was geschieht mit Kindern, denen die Markenartikelwerbung ihre Symbole ins Gehirn “einpflanzt”?
  • Wo verläuft die Grenze zwischen Suggestion und Lüge?
  • Welche Auswirkungen hat die Werbeindustrie auf die Freiheit der Presse, der Print-, Funk- und visuellen Medien?
  • Was bedeuten Product Placement und Kultursponsoring?
  • Welche Zusammenhänge gibt es zwischen Werbung und Politik?

Diese und andere Fragen untersucht Ulrich Eicke, weil Werbung unseren Alltag beeinflußt und tief in unser Bewußtsein eindringt.

Textzitat:
„Werbung bestimmt die Tagesordnung, d. h. sie kann mit riesigen Geldsummen den Konsum als einzigen Tagesordnungspunkt auf die Tagesordnung setzen. In der Schlacht um einen Anteil am öffentlichen Bewusstsein läuft das darauf hinaus, dass alles nicht Kommerzielle und alles nicht Beworbene nicht behandelt, sprich: ignoriert wird. Bereiche ohne Kommerz und Werbung, die den Musen und der Entspannung dienen, werden nicht respektiert. Werbung macht es sich mit zunehmender Macht in der Privatsphäre bequem, so dass die Stimme des Kommerzes zur dominierenden Ausdrucksweise in der Gesellschaft wird.“

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Buchbesprechung: Caroline Glathe „Kommunikation von Nachhaltigkeit in Fernsehen und Web 2.0“

Das Wort „Nachhaltigkeit“ wird ja seit einiger Zeit geradezu inflationär benutzt – viele Unternehmen schmücken sich in ihren Werbekampagnen mit „nachhaltigen“ Versprechungen, die sich bei näherem Hinsehen als Mogelpackung entpuppen: Nachhaltigkeit bedeutet für viele bereits, ein Produkt in den Markt zu drücken, dass die Umwelt etwas weniger zerstört. Dass dies großer Unsinn ist, ist vermutlich jedem halbwegs denkenden Menschen klar. Wie der Nachhaltigkeitsbegriff allerdings genau definiert ist, war mir  ehrlich gesagt bis zur Lektüre des Buches „Kommunikation von Nachhaltigkeit in Fernsehen und Web 2.0“ von Caroline Glathe auch nicht so recht klar. Denn Nachhaltigkeit in der heutigen Auffassung umfasst (sofern es sich nicht auf den Bereich der Forstwirtschaft bezieht) oft drei Dimensionen – die ökologische Dimension (Schutz der Ökospähre), die ökonomische Dimension (wirtschaftliche Entwicklung unter Berücksichtigung sozialer und ökologischer Aspekte) und die soziale Dimension (Verteilungsgerechtigkeit). (EDIT: Wie ich darauf hingewiesen wurde, umfasst die original Definition

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Buchrezension: Dirk Kurbjuweit „Unser effizientes Leben“

Effizienz – ein Zauberwort der Moderne. Längst hat es sich aus den engen Bereichen der wirtschaftlichen Produktion, in denen es Bummelantentum zu bekämpfen galt, befreit und greift auf alle Bereiche des persönlichen und gesellschaftlichen Lebens über. Heutzutage muss alles marktgängig zugerichtet werden, Krankenhäuser und Theater müssen genauso effizient und gewinnorientiert funktionieren wie die Herstellung von Konservendosen. Und auch in den Unternehmen ist der Effizienzwahn, gekoppelt an den Zwang, Gewinne zu steigern und Kosten zu senken, längst in einem Maße gewachsen, dass er das menschliche Dasein massiv einschränkt. Diese Vorstellung, dass Effizienz die bedeutendste Voraussetzung für Erfolg und Zukunftsfähigkeit von Firmen und Branchen wie auch öffentlichen Einrichtungen ist, wurde von kaum jemand anderem so stark geprägt wie von Unternehmensberatungen der Sorte McKinsey. Dirk Kurbjuweit zufolge leben wir deshalb in einer McKinsey-Gesellschaft.

So sollte auch sein 2005 erschienenes Buch „Unser effizientes Leben – Die Diktatur der Ökonomie und ihre Folgen“ heißen, allerdings pochte McKinsey auf das Namensrecht und unterband so diesen Titel (ein weiteres Beispiel dafür, wie Urheberrechtsschutz in der heutigen Form oft dazu missbraucht wird, missliebige Meinungsäußerungen zu behindern) – zum Glück stellt Kurbjuweit dies in seinem Vorwort auch noch einmal deutlich klar. In seinem sehr flott und leichtfüßig geschriebenem Buch (hier zeigen sich seine Stärken als Romancier, dessen Bücher wie „Schussangst“ auch verfilmt wurden) nimmt er den Leser mit auf eine Reise durch ein Land, das mehr und mehr auf Effizienz getrimmt wird und dabei an Lebensqualität verliert.

In insgesamt 9 Kapiteln beleuchtet der Autor die verschiedenen Facetten, in denen die Ausrichtung unseres Daseins auf eine möglichst hohe Effizienz zu spüren ist, und welche Folgen dies hat. So befasst sich ein Abschnitt natürlich mit der Effizienz in Unternehmen, die sich die Beratungsfirmen teuer bezahlen lassen und die dazu führt, dass die Firmenleitung Massenentlassungen wie ein gottgegebenes Urteil über die Angestellten verhängen kann. McKinsey & Co. haben in diesem Bereich eine erschreckende Macht gewonnen – sofern Unternehmer sich dem Effizienzdiktat unterwerfen, was immer öfter der Fall ist, je größer ein Betrieb wird.

Aber hier macht der Einfluss der Unternehmensberaer noch nicht halt – auch im politischen Alltag treibt sie ihre Blüten, führt dazu, dass Wahlkämpfe wie Werbekampagnen betrieben werden und es nicht mehr um Inhalte, sondern ums Image geht. Fatale Folgen sieht Kurbjuweit auch im Bereich der Biologie, wo Forschung darauf ausgerichtet ist, immer leistungsfähigere Menschen hervorzubringen, die möglichst perfekt in das System von Wettbewerb und Karrieredenken passen (etwas, das auch für Schule und Uni gilt). Auch die „Erdung“ der Menschen an ihre Region geht im Zuge der Forderung nach immer höherer Flexibilität verloren:

„Mehr denn je wird von den Arbeitnehmern verlangt, mobil zu sein, flexibel und international orientiert, alles auf höchstem Effizientniveau. Das hat zum einen mit der Globalisierung zu tun, zum anderen mit der New Economy, die Arbeitsverhältnisse noch einmal neu definiert hat. Dazu kommt die gewachsene Bedeutung der Börse, die in ihrer extremen Nervosität die Arbeit in den Unternehmen unter eine große Spannung stellt, zudem unter einen nicht gekannten Zeitdruck, da die Börse schnell Ergebnisse sehen will. Eine Wirtschaft, die sich nach den Prinzipien von McKinsey organisiert, unterwirft die Menschen schnellem und ständigen Änderungen, presst ununterbrochen Leistung aus ihnen heraus. McKinsey-Wirtschaft neigt dazu, den Menschen zu überfordern.“ […] (S. 91/92)

Besonders spannend fand ich u.a. auch die Schilderungen Kurbjuweits über die Zeit des Börsenbooms von Neuem Markt und Internetblase Anfang des Jahrtausends – hier ergriff für kurze Zeit ein neuer Effizienzwahn (maximal Geld mit minimalem Arbeitsaufwand zu verdienen) größere Kreise der Bevölkerung und schuf auch neuee Formen der Arbeit, in denen Angestellte in den aufstrebenden jungen hippen Unternehmen sich freiwillig ausbeuten ließen und unsichere Arbeitsplätze als selbstverständlich hinnahmen (etwas, das mittlerweile auch auf viele andere Wirtschaftszweige übergegriffen hat).

Interessant ist das Buch auf jeden Fall auch deshalb, weil sich Kurbjuweit für die (soziale) Marktwirtschaft ausspricht, also kein linksdogmatisch-revolutionäres Manifest geschrieben hat, so dass man „Unser effizientes Leben“ gut als Einstiegslektüre auch Freunden geben kann, die dem Wirtschaftssystem eher unkritisch gegenüber stehen.

Wenn es eine Schwäche an den Ausführungen des Autors gibt, dann die, dass er zwar eine sehr präzise und nachvollziehbare Analyse der Ist-Situation bietet, aber im Prinzip keine Auswege aus diesem Dilemma aufzeigt. So bleiben isolierte persönliche Akte wie der, dass er den eigenen Sohn nicht schon so früh wie möglich einschulen ließ, sondern ihm noch ein Jahr Kindheit schenkte, die einzigen Hinweise darauf, was der einzelne gegen solch ein System ausrichten kann. Insgesamt gesehen kann ich das Buch dennoch wärmstens empfehlen!

Dirk Kurbjuweit „Unser effizientes Leben – Die Diktatur der Ökonomie und ihre Folgen“, rororo 2005, 187 S., 8.95 €

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Buchbesprechung: Kembrew McLeod „Freedom of Expression®“

Professoren stellt man sich ja oft als trockene, weltfremde und verkopfte Menschen vor – Leute, die in ihrer eigenen Welt leben, im Elfenbeinturm, entrückt und theorielastig. Kembrew McLeod, Juraprofessor an der Stanford Law School, ist da ein anderes Kaliber – in der Jugend Breakdancer und auch jetzt noch an der HipHop-Szene interessiert, kritisch und humorvoll. Folgerichtig ist sein Buch „Freedom of Expression®: Resistance and Repression in the Age of Intellectual Property“ auch ein Lesegenuss, trotz des ernsten Hintergrundes des die Kreativität erdrosselnden Um-sich-Greifens von konzernbegünstigenden Copyrightklauseln. Mit Ironie und Augenzwinkern schildert McLeod die Entwicklungen auf dem Gebiet des Urheberrechts, und dies nicht theoretisierend und aus wissenschaftlich-juristischem Blickwinkel, sondern mit dem Augenmerk auf die Auswirkungen. So verwendet der Autor den Begriff „freedom of expression®“ in seinem Buch immer mit einem angefügten ®, da er sich diesen bei der amerikanischen Patent- und Markenrechtsbehörde USPTO als Gag tatsächlich für 5 Jahre hat sichern lassen (unglaublich, dass so etwas überhaupt möglich ist!) und führt das ganze System bereits damit ad absurdum – selbst die Redefreiheit lässt sich also mit einem Markenschutzrecht versehen.

Ein starker Fokus von McLeod liegt auf dem musikalischen Bereich, der die Auswirkungen der immer strenger und enger werdenden Regelungen zu spüren bekommt. So geht der Autor weit zurück, in eine Zeit, als Musik noch von jedem frei verwendet und vor allem modifiziert und erweitert oder umgetextes werden durfte. Im Laufe des 20. Jahrhunderts entstanden dann erste Begrenzungen, die in die künstlerische Freiheit einzugreifen begannen. Mit einem Kopfschütteln registriert man als Leser zu Beginn des Buches noch, wie Time Warner sich schon früh die Rechte an dem Lied „Happy birthday to you“ gesichert hat (das im 19. Jahrhundert aus der Volksmusik entstand) und anschließend jegliche öffentliche Aufführung mit einer Lizenzgebühr versehen wollte – unter anderem wurde gegen Pfadfindergruppen vorgegangen, die das Lied am Lagerfeuer sangen (und damit „öffentlich aufführten“). Nach einem Entrüstungssturm in den Medien gab das Unternehmen dann nach und genehmigte dem Pfadfinderverband „großzügig“, das Lied für eine symbolische Zahlung von 1 US$ pro Jahr, weiterhin singen zu dürfen. McLeod nennt die Typen, die ihre Copyrightansprüche gnadenlos verfolgen, folgerichtig und mit süffisantem Unterton „overzealous copyright bozos“, und ihr Auftreten zieht sich wie ein roter Faden durch das Buch. Sie behindern sowohl Musiker und Künstler in ihrem Schaffen als auch jeden, der für seine Arbeit auf schon veröffentlichtes Material zurückgreifen will.

Schnell wird klar, dass es zwar schön ist, wenn sich hierzulande die Piratenpartei gegen „Zensursula“ und Internetsperren positioniert, dass aber leider das Zensurunwesen schon viel tiefer in die Gesellschaft eingedrungen ist, als man sich so klar macht. Und keineswegs ist nur der „böse Staat“ daran schuldig, sondern es stehen knallharte wirtschaftliche Interessen dahinter. Ursprünglich waren Copyrightgesetze einmal dazu gedacht, um dem Rechteinhaber gewisse wirtschaftliche Privilegien, die aus seiner Erfindung/Komposition/etc. entsprangen, zu sichern, doch mittlerweile werden Abmahnungen auch dazu eingesetzt, um kritische Äußerungen und Berichterstattungen über Firmen zu unterdrücken – hierin liegt eine sehr große Gefahr für die Zivilgesellschaft und die Demokratie.

Kembrew McLeod beleuchtet in seinem Werk eine Vielzahl von Facetten und liefert eine Unzahl an (zum Teil haarsträubenden) Beispielen, die diese fatale Entwicklung belegen – von den Problemen, die HipHop-Künstler wegen ihrer Samples haben über das Patentieren von Genen durch Großkonzerne bis hin zu der Durchprivatisierung öffentlicher Räume und Güter und dem Kampf der Unterhaltungs-Industrie gegen Filesharing-Börsen. Stets zeigt er dabei deutlich seine Sympathie für einen freien Fluss an Informationen und des Wissens und spricht sich gegen überzogene und alles bedrohende Rechtssprechungen aus. Der locker-flockige Schreibstil macht Spaß und erleichtert das Lesen, und nicht zuletzt all jene Leser, die sich auch ein wenig für Musik interessieren, werden hier viele spannende Details und Einsichten und Aussagen vieler Musiker finden.

Das Beste zum Schluss: passend zum Tenor seines Buches gibt es das komplette Werk auch als kostenlosen pdf-DownloadHIER! Und von einer eigenen Website wird das Buch ebenfalls begleitet – HIER.

Kembrew McLeod: „Freedom of Expression®. Resistance and Repression in teh Age of Intellectual Property“, University of Minnesota Press 2007, ca. 380 S., ca. 14 US$

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Buchbesprechung: Tanja Busse „Die Einkaufs-Revolution – Konsumenten entdecken ihre Macht“

tanja-busse-die-einkaufs-revolutionEs gibt so Bücher, die liegen lange in meinem Regal herum, bevor ich mich endlich an sie heran wage. Tanja Busses „Die Einkaufs-Revolution – Konsumenten entdecken ihre Macht“ gehört dazu – gekauft Anfang 2008 ließ ich es erst einmal ungelesen, da sich andere Werke in den Vordergrund schoben, Lasns „Culture Jamming“ oder auch “No Logo!“ beispielsweise. Meine anfängliche Ansicht, dass man mit Konsum wirklich etwas verändern könne (wie es Titel und Umschlagstext von Busses Buch auch nahelegen), wurde durch diese Lektüre deutlich untergraben. Zudem hatten mich einige Kolumnen, die Tanja Busse im Greenpeace Magazin schrieb (u.a. eine, in der sie über den Kauf ihrer 10.000 €-Küche berichtet), vermuten lassen, dass sie zu den Vertretern der LOHAS-Fraktion gehört und ihrem Buch darum eher wenig revolutionäres Potential innewohnt.

Soweit also meine Vorurteile. Nach der Lektüre des Buches muss ich nun doch ein wenig Abbitte leisten. Denn auch wenn es sich bei der „Einkaufs-Revolution“ sicher nicht um ein subversiv-umstürzlerisches Traktat handelt, legt die Autorin doch den Finger auf viele Wunden in unserem Einkaufs- und Produktionsverhalten. Vor allem auf diejenigen Leser, die bisher blind und ignorant durch den Supermarkt und die Shopping-Malls gegangen sind, dürfte so manch heilsamer Schock in den einzelnen Kapiteln warten. Auch Globalisierungs- und Kapitalismuskritiker werden sich nach den gut 300 Seiten bestätigt fühlen, denn Tanja Busse wirft auch den einen oder anderen Blick auf Grundsätzliches, das in unserem System seit jeher und vor allem in den letzten Jahrzehnten komplett schief läuft.

So werden die sattsam bekannten schlimmen Zustände geschildert, die in den Sweatshops herrschen, die die teuren Markenklamotten herstellen, die Dank Reklame überteuert unters Konsumvolk gebracht werden. Genauso wie die gewaltigen Mengen an Gift, die bei der normalen industriellen Produktion von Kleidung Verwendung finden und am Ende auf unserer Haut landen – oder das Gift, das bei der Plastikherstellung als Weichmacher etc. zum Einsatz kommt, von den Behören aber sehr lax überprüft wird.

Den Hauptteil in Busses Buch nehmen ihre Ausführungen zur industrialisierten Landwirtschaft und dem Bioanbau ein. Sehr eindringlich und bedrückend wird hier geschildert, wie riesige Schweinemastfarmen das Land überziehen, um unter schlimmsten Bedingungen für die Tiere und fatalen Folgen für die Gesundheit der Nahrung möglichst billiges Fleisch für die Discounter und Sonderangebote der Supermärkte herzustellen. Auch wenn sich das Loblied der Autorin auf biologische Landwirtschaft zum Teil etwas zu naiv anhört, so wird doch deutlich gemacht, dass es keine andere Lösung gibt, um den Verfall der Nahrungsqualität und die Zerstörung der Natur zu stoppen, als eine Abkehr vom reinen auf Masse und Kostendrücken ausgelegten Anbau.

In den fünfziger Jahren hat der amerikanische Journalist Vance Packard beschrieben, wie die Werbefachleute mit tiefenpsychologischen Methoden das Bewusstsein der Konsumenten infiltrieren, und sein Buch Die geheimen Verführer verkaufte sich millionenfach. Inzwischen haben die Verführten aber verstanden, dass sie verführt werden, und die Botschaften der Werber gehen nicht länger ungefiltert in ihre Köpfe. Doch angesichts des gigantischen Etats der Werbung wäre es naiv, ihren Einfluss zu leugnen. 29 Milliarden Euro geben Unternehmen allein in Deutschland aus, damit wir vergessen, dass die Dinge, die wir kaufen, auch hergestellt werden. Damit wir denken, die Waren kämen aus der Werbung wie der Strom aus der Steckdose. Diese 29 Milliarden Euro lenken unsere Aufmerksamkeit auf das, was die Unternehmen uns zeigen möchten: dass Autos erotisch sind, Tütensuppen familienstiftend und französische Zigaretten Garanten immerwährender Freiheit. Darauf, dass wir weniger ein Produkt kaufen als eine Marke. Und dass uns der Geist dieser Marke ziert und schmückt und teilhaben lässt an ihrem globalen Erfolg. Just do it – und denk nicht drüber nach!

Diese 29 Milliarden Euro wirken, wie sie sollen: Sie machen, dass wir gar nicht auf die Idee kommen, uns zu fragen, auf welche Weise die Waren hergestellt werden, von wem und unter welchen Umständen. Sie bewirken, dass wir nicht kapieren, dass diese Umstände etwas mit uns zu tun haben könnten, dass wir mit unseren Einkäufen diese Umstände bestimmen.

Nur bei Skandalen fällt das Scheinwerferlicht kurz auf diesen Zusammenhang. Während der BSE-Krise im Winter 2000 etwa, als man erfuhr, dass die Kühe, deren Milch wir trinken, mit geschroteten Schafsleichen gefüttert wurden, oder Ende 2005, als tonnenweise vergammeltes Fleisch in den Kühltheken entdeckt wurde: Da bemerkten Politiker und Kommentatoren plötzlich, dass die Nachfrage die Qualität bestimmt (»Die Geiz-ist-geil-Mentalität ist gerade bei Lebensmitteln hoch gefährlich«, sagte Landwirtschaftsminister Horst Seehofer Anfang Dezember 2005 der Bild-Zeitung). Nur ihre Politik, die solche Zustände ermöglichte und erleichterte, änderte das nicht, im Gegenteil. Es gibt Hunderte von Büchern über Konsum und darüber, was Konsumieren aus den Konsumenten macht, aber die meisten – selbst viele der klassischen Einkaufsratgeber – ignorieren die Entstehung der Waren und betrachten den Konsum als Lifestyle oder spekulieren über das Verhältnis von Konsum und Konsument. (…)

Wenn man mag, kann man es Betrug nennen, wie sich die Waren uns präsentieren: Der Joghurtbecher zeigt Himbeeren, die im Himbeerjoghurt aber fehlen. Und der Nike-Spot zeigt den kleinen Jungen als Ballkünstler, nicht als Fabrikarbeiter, und eine Werbekampagne darf ungestraft behaupten, McDonalds lasse kleine Mädchen als Qualitäts-Scouts seine Pommes-frites-Produktion überwachen. Niemand aber empfindet das als Betrug, weil jeder weiß, dass Werbung Geschichten erzählt und keine Fakten. Was das angeht, ist der Konsument aufgeklärt. Doch wer etwas verkaufen will und dafür wirbt, weiß, dass er der Macht seiner Bilder vertrauen kann; dass sie wirken, wenn man sie wahrnimmt, auch ohne dass man sie für wahr nimmt. Und also hat der Joghurt ohne Himbeeren sein Image als Himbeerjoghurt, und der schöne neue Pullover sieht aus wie ein schöner neuer Pullover.

Ab und zu ahnt man beim Einkaufen, dass nicht alles mit rechten Dingen zugeht, etwa wenn man bei Ikea einen handgewebten Teppich (60 x 90 cm) für 1,89 Euro entdeckt. (»Liebe Mitarbeiter von Ikea, Sie haben kürzlich in Hamburg-Schnelsen einen handgeknüpften Teppich 60 mal 90 für 1,89 angeboten. Wie viel Lohn haben die Teppichknüpfer für das Knüpfen bekommen?

(…) Meistens erstickt man sein Unbehagen mit dem Ohnmachtsgefühl, es ohnehin nicht ändern zu können. Und es stimmt ja auch: Wir sind ohnmächtig.

Aber nur, solange alle an diese Ohnmacht glauben. (…)

Eine Botschaft des Buches ist klar – jeder, der einfach so die „normalen“ Waren in den Einkaufskorb legt, ohne sich darüber Gedanken zu machen, welches Geschäftsmodell, welche Ausbeutung usw. er damit direkt unterstützt, darf sich auch nicht beklagen, wenn er minderwertige Qualität in Händen hält und auch viele gesellschaftliche Entwicklungen in die falsche Richtung gehen. Natürlich wird mit dem bloßen Ändern des eigenen Kaufverhaltens noch nicht die Welt gerettet, aber es wird doch ein Signal gesetzt, weche Produktionsweisen unsere Zustimmung finden und welche nicht. S0 kann man „Die Einkaufs-Revolution“ mit gutem Gewissen vor allem denjenigen empfehlen (oder schenken / leihen ;-), die im Einkauf bisher keine politische Komponente sehen und nur nach Kategorien wie „die haben doch so lustige Werbung“ oder „ach, das schmeckt aber doch so gut“ entscheiden, ohne zu wissen, was sie damit anrichten. Denn locker lesbar und leicht verständlich, aber aufgrund der Thematik natürlich nicht immer leicht verdaulich, wird der Leser über viele schlimme und bedenkliche Hintergründe aufgeklärt, die sonst hinter der schillernden Fassade von bunter Reklame und geschwätzigen Green Washing versteckt werden.

Tanja Busse „Die Einkaufs-Revolution – Konsumenten entdecken ihre Macht“, Heyne 2008, 320 S., 8.95 €

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Buchbesprechung: Lohoff/Trenkle/Wölflingseder/Lewed „Dead Men Working“

dead-men-working-02Lernt man irgend jemanden auf einer Party in Deutschland kennen, so dürfte eine der ersten Frage, die man gestellt bekommt, sein: „Und, was machst du so?“ Wer so fragt, dem geht es natürlich darum, welchen Beruf man ausübt, um seinen „Lebensunterhalt zu verdienen“, wie man so schön sagt, und nicht etwa um die Aktivitäten, mit denen man viel Zeit verbringt, die aber „nichts einbringen“. Dies sind Symptome der Arbeitsgesellschaft, in der wir leben, und in der der Beruf und die Karriere das zentrale Konstrukt ist, um das herum sich das restliche Dasein gefälligst zu gruppieren hat.

Dies ist auch der Ausgangspunkt, der die Autoren des Buches „Dead Men Working: Gebrauchsanweisungen zur Arbeits- und Sozialkritik in Zeiten kapitalistischen Amoklaufs“ bewegt hat, sich mit der übergroßen Bedeutung, die die Arbeit im Leben der heutigen Menschen einnimmt, auseinanderzusetzen. Auf 300 Seiten tragen eine Vielzahl von deutschen und österreichischen Autoren (manche von ihnen im wissenschaftlichen Bereich tätig) ihre Gedanken und Überlegungen zu den Themen Arbeit, Arbeitslosigkeit, Bildung vs. Ausbildung uvm. zusammen. Einige, wie Norbert Trenkle, Andreas Exner oder Franz Schandl, sind mit ihren scharfzüngigen und sehr schonungslosen Analysen bereits in anderen Publikationen (Streifzüge, krisis) vertreten, die sich ebenfalls um den Wahnwitz unseres Wirtschaftssystems drehen, und haben auch vor mittlerweile über zehn Jahren das provokante „Manifest gegen die Arbeit“ veröffentlicht (das es HIER komplett zum Online-Nachlesen gibt).

Die einzelnen Kapitel bzw. Artikel des Buches zeichnen ein ordentliches Schreckbild der heutigen Gesellschaft und vor allem der Arbeitswelt, und zeigen an einigen persönlichen Schilderungen der Autorin Maria Wölflingseder, mit welch durchkalkulierter Perfidie diejenigen, die aus diesem Raster gefallen sind – die Arbeitslosen – drangsaliert werden, um sie ja nicht auf dumme Gedanken zu bringen. Spannend auch Gaston Valdivias „Zeitverschwendung Marktwirtschaft – über die absurdeste Reproduktionsweise seit Menschengedenken“, in dem er aufzeigt, wieviel Lebenszeit jeder einzelne von uns dafür verplempert, diese Form der Waren- und Konsumgesellschaft aufrechtzuerhalten, sowie Erich Ribolits’ Beitrag „Vom sinnlosen Arbeiten zum sinnlosen Lernen“, das sich sehr kritisch mit der permanenten Zurichtung aller Arbeitskäfte für den Arbeitsmarkt durch permanente (ausschließlich fachbezogene) Weiterbildung auseinandersetzt.

Gerade bei letztem Artikel kann man allerdings auch den Schwachpunkt des Buches erkennen – die meisten Texte zeichnen ein gerade hermetisches Bild der Welt, also ein sehr einseitiges, in dem es keine Schattierungen gibt. Es wird von einer Vorstellung der Arbeitswelt ausgegangen, die für viele der Autoren (als Freischaffende, Professoren, Redakteure etc.) sicherlich selbst gar nicht zutrifft, nämlich einem rein stumpfen, leeren, aufoktroyierten Verrichten nutzloser, entseelter Arbeit. Dass es darüber aber auch Menschen gibt, die ihren Job tatsächlich gerne machen (nicht zuletzt viele Selbstständige, die in Deutschland aber natürlich per se verdächtig sind, da sie sich oftmals nicht so leicht ins herrschende Schema pressen lassen), und mancher selbst in einem eigentlich unersprießlichen Job ein soziales Umfeld gefunden hat, auf das er ungern verzichten würde, fällt leider bei vielen Betrachtungen in diesem Buch unter den Tisch.

Dennoch ist natürlich die Absicht der Autoren, die Nachteile unserer derzeitigen krassen Ausrichtung des Daseins und des Denkens auf eine möglichst wertschöpfende (d.h. in Geldwert auszudrückende) Lebensweise, aufzuzeigen aller Ehren wert und wichtig, um Ausbeutung und Selbstausbeutung und die Durchkommerzialisierung, die wir in unserer Gesellschaft immer stärker erleben, zu bremsen, vielleicht sogar irgendwann einmal umzukehren. Dabei können diese hier versammelten Gedanken einn wichtigen Beitrag leisten.

Ernst Lohoff, Norbert Trenkle, Karl-Heinz Lewed, und Maria Wölflingseder (Hrsg.) „Dead Men Working: Gebrauchsanweisungen zur Arbeits- und Sozialkritik in Zeiten kapitalistischen Amoklaufs“, Unrast Verlag, 2.A. 2005, 302 S., 18,– €

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Buchbesprechung: Carrie McLaren & Jason Trochinsky „Ad Nauseam: A Survivor’s Guide to American Consumer Culture“

mclaren-ad-nauseamEs ist wirklich bedauerlich, dass viele interessante Bücher gerade zur Thematik der Konsum- und Reklamekritik nicht in Deutschland erscheinen bzw. nicht auf Deutsch übersetzt werden, denn so wird ihre Verbreitung hierzulande doch etwas eingeschränkt. Dabei hätte es ein Buch wie das vor kurzem erschienene „Ad Nauseam: A Survivor’s Guide to American Consumer Culture“ (>> offizielle Website) wirklich verdient, ein weltweiter Bestseller zu werden. Die beiden Herausgeber Carrie McLaren und Jason Torchinsky waren mitverantwortlich für das Stay Free!-Magazine, das man ein wenig mit dem kanadischen Adbusters vergleichen kann und das mittlerweile nur noch als Online-Blog weitergeführt wird. In ihrem Buch versammeln sie eine Vielzahl von Artikeln, die in Stay Free! erschienen, teils überarbeitet und ergänzt, aber auch ganz neue Texte.

Anders als Kalle Lasns wegweisendes Meisterwerk „Culture Jamming“, das ein klares Ziel und eine klare, radikale Aussage verfolgt, beleuchten McLaren und Torchinsky in ihrem Buch die verschiedensten Aspekte, die zu unserer Konsumkultur gehören, wobei sie das besondere Augenmerk auf die Reklame und ihre Auswirkungen legen. Wirklich spannend sind beispielsweise ihre Ausführungen darüber, wie sich Werbung im Laufe der Jahrzehnte entwickelt hat, mit welch aus heutiger Sicht geradezu rührend naiven Anzeigen Firmen  Ende des 19. Jahrhunderts versuchten, Kunden von ihren Produkten zu überzeugen. Tatsächlich stand damals noch das Produkt als solches und genaue Informationen im Mittelpunkt des Reklametreibens, während heutzutage ja nur noch Image verkauft wird. Wer nun aber meint, dass früher alles besser gewesen sei, sollte sich einmal das Kapitel „Everything I know about life I learned from Medical Marketing“ durchlesen, das verdeutlicht, mit welch windigen Methoden Firmen auch damals schon die Menschen hinters Licht zu führen versuchten (indiesoweit hat sich nichts in der Reklamebranche geändert) – Produkte wie Listerine, das zunächst als antiseptisches Mittel bei Operationen oder gegen Schuppen eingesetzt wurde, wurde dann 1939 von Warner-Lambert umpositioniert und in ganzseitigen Anzeigen plötzlich als Medikament gegen schlechten Atem (!) angepriesen.

Neben Artikeln darüber, wie Reklame wirkt – besonders erschreckend ist hier eine Studie, die an amerikanischen Schulen durchgeführt wurde und die zeigt, wie sehr Kinder und Jugendliche sich durch das Marketing der Konzerne beeinflussen lassen – oder welche Bedeutung Marken in unserem Leben haben, befassen sich die Autoren ebenfalls mit der spannenden Frage „How Consumer Culture Shapes People“. Wird unser Denken durch den Konsumismus immer flacher und schlampiger oder zerstört Reklamesprech die Sprache? Sehr faszinierend (diesen Artikel werde ich auch für meinen Blog übersetzen) finde ich beispielsweise „L.A. Law – How Hollywood is shaping our legal system“, das zeigt, dass die ganzen Gerichtsshows und die Darstellung von Prozessen in Filmen tatsächlich auch Auswirkungen auf die reale Rechtssprechung und das Verhalten von Richtern und Verteidigern haben.

Mein Highlight des Buches ist das letzte Kapitel, in dem es um kreative Widerstandsaktionen gegen die große Konsummaschine geht – ein Kapitel hatte ich ja neulich schon mal übersetzt, aber es finden sich noch andere schöne Ideen darin. Jedes der Kapitel wird übrigens mit einer kleinen Fragestunde aus der bunt-schillernden Welt von Reklame und Konsum abgeschlossen, in denen man weitere, manchmal schwer zu glaubende, Details über Firmen und deren Strategien erfährt. Wusstest Ihr zum Beispiel, dass Coca Cola, um während des Dritten Reichs im lukrativen deutschen Markt präsent zu sein, Fanta erfunden hat, weil dies deutscher klang? Und dass CC durch Lobbyarbeit es schaffte, dass Coke-Vertreter alle Softdrink-Fabriken in Deutschland und den besetzten Gebieten überwachen durften? Und sich der Konzern bei den Nazis einschleimte, indem er kostenlose Flaschen mit Mineralwasser für den Notfalleinsatz zur Verfügung stellte. (Naja, Coca Cola ist ja auch aus vielen anderen Gründen nicht tragbar.)

Insgesamt ist „Ad Nauseam“ ein richtig gutes, leicht verständlich und humorvoll geschriebenes Werk (das vom Layout her für ein amerikanisches Buch auch erstaunlich angenehm und frisch gesetzt ist), das ein Schlaglicht auf viele, zum Teil sehr skurrile, Facetten der Konsumgesellschaft, in der wir heute leben, wirft und (hoffentlich) beim Leser auch eigenes Nachdenken über manch Grundmechanismus unserer Gesellschaftsordnung anregt. Ich kann es also absolut jedem als Nachttischlektüre oder potentielles Weihnachtsgeschenk (so man denn diesem Konsumritual folgen will/muss) empfehlen.

Carry McLaren & Jason Trochinsky (Hrsg.): „Ad Nauseam: A Survivor’s Guide to American Consumer Culture“, Faber and Faber, New York, 2009, 340 S., 18 US$

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