Nov
27
2012
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Arztpraxen als Profitcenter

Es hat schon was Perverses, wenn man sieht, wie auch das Gesundheitssystem im Laufe der Jahre immer mehr den Gesetzen des sog. „freien Marktes“ unterworfen wurde und somit die gleichen Gesetzmäßigkeiten von Kostensenkungen und Profitoptimierung gelten. Vor einer Weile berichtete Plusminus über eine neue perfide Idee windiger Geschäftemacher – „Arztbesuch: Lukrative Patienten“. Kunden (früher hießen sie „Patienten“) werden also auf daraufhin durchleuchtet, wieviel Geld der Arzt aus ihnen herauspressen kann und dann dementsprechend behandelt (oder abgewiesen).

Wie viel Geld hat der Patient, der auf dem Behandlungsstuhl sitzt? Lohnt es sich, ihm teure IGeL-Leistungen zu verkaufen? plusminus ist auf Software gestoßen, die den Ärzten diese Fragen beantwortet.

Mit spezieller Software können Ärzte die Bonität ihrer Patienten abfragen. Offiziell soll sie helfen, Arztpraxen vor Zahlungsausfällen zu bewahren. Unbezahlte Rechnungen und Mahnverfahren können einen Praxisinhaber langfristig stark belasten.

plusminus konnte einige der Systeme testen. Das Ergebnis bei allen Systemen: Innerhalb von Sekunden kann die Bonität von Patienten abgefragt werden. Der Arzt benötigt dazu lediglich den Name, die Adresse und das Geburtsdatum des Patienten. Die Einstufung wird zum Beispiel durch Ampelsymbole dargestellt: rot heißt, der Patient hat eine schlechte Bonität und ist bei Geldgeschäften auffällig geworden, grün bedeutet, dass alles okay ist.

Für viele Praxen kann das eine gewinnbringende Auskunft sein, denn sie können Patienten mit guter Bonität intensiver und gezielter über sogenannte IGeL-Angebote beraten. Für solche individuellen Gesundheitsleistungen und Zusatzbehandlungen wurden im vergangenen Jahr immerhin rund 1,5 Milliarden Euro ausgegeben.

 

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Mrz
05
2012
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Fernsehtipp: Riskante Rezepte

Heute Abend von 22:00–22:45 Uhr zeigt das WDR-Fernsehen im Rahmen ihrer Reihe „die story“ mal wieder eine interessante Dokumentation – „Riskante Rezepte“ heißt sie und setzt sich kritisch mit den von Ärzten und Pharmaindustrie massiv propagierten Einsatz von Medikamenten (Hauptsache, die Kasse klingelt!) auseinander:

Viele Schmerzmittel, Psychopharmaka oder Rheumapräparate können eine Gefahr sein – besonders für ältere Menschen. Jeder fünfte Patient über 65 nimmt ein solches Präparat ein. Doch vielfach drohen schwere Komplikationen. Nach vorsichtigen Schätzungen sterben in Deutschland mehr als 20.000 Menschen jährlich durch die unkoordinierte Behandlung mit Arzneimitteln.

Mal ist das einzelne Medikament das Problem, häufig der Cocktail verschiedenster Mittel. Es gibt ältere Menschen, die schlucken 20 Tabletten und mehr am Tag. Selbst ein junger, gesunder Mensch würde das kaum verkraften. Doch im Alter baut der Körper Medikamente noch schlechter ab. Die Wirkungen verstärken sich – aber die Nebenwirkungen auch.

Viele Fachärzte interessiert das wenig. Jeder Spezialist behandelt das Organ, für das er zuständig ist. Am Ende werden betagte Patienten mit einer Liste von 12, 15 oder mehr Medikamenten wieder nach Hause geschickt. Wechselwirkungen: unbekannt.

die story spricht mit Menschen, die durch Medikamente in Lebensgefahr gerieten, fragt Hausärzte, wie sie das richtige Maß für ihre alten Patienten finden, besucht ein Heim, das Ruhigstellen nicht mehr nötig hat, konfrontiert die Pharmaindustrie mit ihren Versäumnissen – und fragt Politiker, warum sie die Hersteller nicht in die Pflicht nehmen.

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Okt
02
2011
3

Die Auswüchse der Marktwirtschaft im Gesundheitsbereich

© lu75br, stock.xchng

Ob die sogenannte Soziale Marktwirtschaft nun das beste vorstellbare System ist, um das Zusammensein und das Zusammenwirtschaften von Menschen zu organisieren, darüber streiten sich die Gelehrten wie die Laien. Gerade, wenn es um Produktion und Güteraustausch geht, mag man der Marktwirtschaft durchaus einen gewissen Nutzen und Sinn zusprechen (obwohl selbst in diesem Bereich die Meinungen auseinander gehen und man sicherlich auch viele Punkte finden kann, die gegen diese Organisationsform sprechen). Wo das Ganze aber ad absurdum geführt und pervertiert wird, ist, wenn man den Gedanken der Marktgängigkeit, also dass alles einen Preis hat und eine Art Produkt darstellt, das profitmaximierend angeboten werden muss, auch auf Bereiche überträgt, die normalerweise keinen wirtschaftlichen Zwängen unterliegen sollten, weil es z.B. um soziale Belange geht.

Privatisierungen von Schulen, öffentlichem Personennahverkehr, der Wasserversorgung oder der Verwaltung sind einige der Beispiele, in denen die Logik des Marktes eigentlich nichts zu suchen haben sollte, weil sonst die falschen Prioritäten gesetzt werden und Entscheidungen zu Ungunsten der Menschen fallen. Genauso ist auch der Gesundheitsbereich ein Teil des Gemeinwesens, in dem marktwirtschaftliches, profitorientiertes Denken eingezogen ist und mitnichten zu günstiger und besserer Patientenversorgung geführt hat, wie es die Hohepriester des Marktes immer versprechen.  Ein krasses Beispiel dafür lieferte die Markt-Sendung im WDR-Fernsehen – in „Ärzte: Abrechnungsoptimierung“ wird deutlich, wohin das kostenkürzende und gleichzeitig gewinnsteigernde Streben so führen kann; zu Lasten aller Krankenversicherten:

Bei einer Infusion rinnt Tropfen für Tropfen in den Körper des Patienten. Je länger die Behandlung dauert, desto mehr Geld bringt sie dem behandelnden Arzt. Die Verlockung ist groß, daraus ein gutes Geschäft zu machen.

„Manchmal werden ja rein zu Abrechnungszwecken Infusionen länger durchgeführt, zum Beispiel 35 Minuten statt 25 Minuten, als es erforderlich wäre. Das wäre einerseits in der Abrechnung Abrechnungsbetrug. Für den Patienten stellt es aber eine Körperverletzung dar, weil er ja viel länger am Tropf hängt, als es notwendig wäre, und das ist eine bodenlose Frechheit“, erklärt Dina Michels von der Prüfgruppe Abrechnungsmanipulation der Krankenkasse KKH-Allianz. (…)

(…) Das Thema „Abrechnungsoptimierung“ haben inzwischen auch Beratungsunternehmen als lukratives Geschäft entdeckt. Welche Behandlung muss wie zeitversetzt durchgeführt werden? Was bringt ein gutes Honorar bei geringem Arbeitsaufwand? Und wie mache ich aus einer Kassenleistung eine private Behandlung. Geworben wird mit Slogans wie „Lücken im System finden“ und „Gestaltungsmöglichkeiten“, „Honorargewinn“ und „gewusst wie“. In ein- bis zweitägigen Seminaren werden Ärzte und Praxispersonal auch beraten, wie sie das alles „rechtssicher gestalten“ können.

Ein besonders erfolgreicher Anbieter von Kursen ist der Zahnarzt Dr. Peter Esser. Er sagt: „Die Praxen haben ein vitales Interesse daran. Das heißt, wenn Neuerungen da sind, sind die Kurse sogar überbucht. Ich persönlich werde im 4. Quartal, wenn die neue Gebührenordnung wirklich verabschiedet wird, allein ungefähr 50 bis 70 Kurse halten – bundesweit.“ (…)

Auch die ZDF-Sendung Frontal 21 beschäftigt sich regelmäßig mit Fehlentwicklungen in punkto Privatisierung und Gesundheitssystem. So gab es neulich einen empörenden Betrag zur Schweinegrippe-„Pandemie“. Richtig, diese ach so furchtbare Seuche, die mehrere Leute dahingerafft hat und das Ende der Menschheit einläuten sollte. Gedrängt von der Pharmaindustrie wurden vond er Regierung großangelegte Impfprogramme gestartet und gewaltige Mengen an Impfstoff von Glaxo Smithkline geordert – auf denen der Staat dann sitzen blieb, weil sich die Menschen, aller medialen Beschallung zum Trotz, einfach nicht in die richtige Panikstimmung versetzen ließen. Schon ärgerlich, wenn die Bürger einen eigenen Kopf haben  – „Um Antwort wird gebeten“:

Von den gekauften 50 Millionen Dosen des Impfstoffs gegen die Schweinegrippe können nur etwa vier Millionen verimpft, 16 Millionen können Sie bei Glaxo-Smith-Kline gerade noch abbestellt werden. Der Rest – rund 30 Millionen Dosen – kommt auf Lager. Nun wird alles gestapelt irgendwo an einem geheimen Ort.

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Feb
22
2011
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Die irreführenden Wege der Reklame

Darüber, dass (TV-)Reklame primär dazu dient, potentielle Käufer hinters Licht zu führen und einzulullen und diese in den Medien oft schönfärberisch titulierten „Verbraucherinformationen“ somit das genaue Gegenteil von wirklicher Information sind, muss ich eigentlich nicht mehr viel schreiben, das habe ich hier im Blog ja schon des öfteren getan. Aber zwei neue Beiträge, die sich mit dem Verschaukeln der Konsumenten durch die Marketingmaschinerie der Konzerne befassen, möchte ich heute doch vorstellen, da sie weitere Schlaglichter auf das Treiben in den Werbeabteilungen werfen. Die NDR-Sendung Markt ging in „Falsche Werbeversprechen“ der Flut von vermeintlichen „Ärzten“ und ähnlichen Experten in Werbespots auf den Grund – mit dem wenig überraschenden Ergebnis, dass hier natürlich getrickst wird, dass sich die Balken biegen:

Wissenschaftler und Ärzte preisen im Fernsehen diverse Produkte an. Dabei ist die TV-Werbung mit den vermeintlichen Experten häufig alles andere als seriös.

Die Woche drauf legte die gleiche Sendung nach – „Regionale Lebensmittel – bloß ein Werbetrick?“. Natürlich ist es ausgesprochen sinnvoll, regionale und saisonale Produkte zu kaufen. Nur leider haben diverse Handelsketten den schönen Trick ersonnen, Marken zu kreieren, die nach regionaler Verwurzelung klingen, allerdings ohne, dass die Sachen wirklich immer auf der Region stammen. Das dürfte bei Cashewkernen und Bananen der Reihe „Unser Norden“ nicht verwundern, aber dass selbst „Büsumer Krabben“ aus dem Atlantik stammen, ist schon eine Sauerei. Wie immer gilt also: vertraue nie den Werbeversprechen der Unternehmen!

65 Prozent der deutschen Verbraucher wünschen sich Lebensmittel aus ihrer Region. Immer mehr Supermärkte werben daher mit regionalen Produkten, auch im Norden. Die Lebensmittel stehen für Frische und Qualität und gerade nach dem Dioxin-Skandal wollen die Menschen Klarheit beim Essen. Doch kommen Fisch, Fleisch und Milchprodukte wirklich immer aus dem Norden? Oder ist das Werben mit der Region nur ein billiger Verkaufstrick?

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Jul
11
2010
2

Wie aus Gesunden lukrative Patienten gemacht werden

Unbestreitbar hat die Medizin im Laufe der Jahrhunderte eine beeindruckende Entwicklung genommen – Menschen werden immer älter und Krankheiten, die früher tödlich waren, lassen sich heute heilen oder zumindest therapieren. Allerdings betreiben auch die Hersteller von Medikamenten das übliche Spiel unseres Wirtschaftssystems: sie müssen expandieren und ihren Gewinn maximieren, um ihre Aktionäre glücklich zu machen. Dies geschieht auf vielerlei Wegen, u.a. auch dadurch, dass man Medizin überteuert verkauft, zu Lasten der Solidargemeinschaft, dass man mit Lobbyarbeit industriefreundliche Gesetzte anstößt, Ärzte zur Verschreibung ganz bestimmter Medikamente „animiert“ und Patente rigoros verteidigt, auch wenn es Menschen das Leben kostet. Und seit jeher werden neue Krankheitsbilder durch die Pharmaindustrie propagiert bzw. gesunde Menschen durch das Absenken von vermeintlich kritischen Grenzwerten mal eben zu kranken deklariert, die nun „natürlich“ mit den (über)teuren Medikamenten behandelt werden müssen (am besten lebenslänglich), um vermeintliche Spätfolgen zu vermeiden. Report München befasste sich in „Wie aus Gesunden lukrative Patienten gemacht werden“ am letzten Montag genau mit dieser Problematik:

Immer niedrigere Grenzwerte und neue Definitionen von Krankheitsbildern machen uns kränker als wir sind. Der Nutzen ist gering, der Schaden groß. Ressourcen und Gelder für wirklich Kranke schwinden, Ängste wachsen – aber die Profiteure im Gesundheitswesen verschaffen sich so fleißig Marktanteile. […]

[…] In den USA, oft Vorreiter in der Medizin, ist man schon weiter, auch beim Bluthochdruck, Hypertonie. Hier hält man bereits die Vorstufe, also Prä-Hypertonie, für eine Gefahr. Und auch Prä-Diabetes, also leicht erhöhter Blutzucker, wird bereits als kritisch eingestuft.

Novartis bemüht sich bereits um Zulassung des Blutdrucksenkers Valsartan auch zur Prä-Diabetes-Behandlung. Der Markt ist riesig: 57 Millionen Amerikaner werden bereits heute als Prädiabetiker – und somit potentielle Patienten – eingestuft. […]

Dieses (amüsante) Interview, das Martin Sonneborn mit einem Pharmalobbyisten geführt hat, sagt auch so einiges über die Methoden der Industrie aus:

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