Schlagwort: Globalisierungskritik

Fernsehtipp 2: Let’s make money

Meine Güte, wenn alle in den Ferien sind, haut das Fernsehen ja plötzlich die Perlen raus! In der ARD läuft heute um 22:45 Uhr „Let’s make money“, die preisgekrönte und aufrüttelnde Dokumentation über unsere globalisierte Wirtschaft. Sehenswert!

Let’s Make Money – machen wir Geld (heute, 22:45 Uhr, ARD)

Doku. Erwin Wagenhofer (“We Feed the World”) liefert eine erhellende Analyse unseres kranken, neoliberalen Finanzsystems

“Wie entstehen Finanzmetropolen und Steueroasen? Warum entwickelte sich an Spaniens Küsten eine bedrohliche Immobilienblase? Wieso bleiben Länder wie Ghana oder Burkina Faso arm? Wer profitiert von Indiens Steuereinnahmen? Und was hat das alles mit unserer Altersvorsorge zu tun? Globale Finanzströme sind undurchsichtig, aber Erwin Wagenhofer gelingt das Kunststück, komplexe Zusammenhänge verständlich darzustellen. Seine brillant fotografierte und montierte Doku bezieht eine klare Position, verzichtet aber auf Agita–tion à la Michael Moore. Dafür entlarven sich seine hochkarätigen Interviewpartner selbst, z. B. Fondsmanager Mark Mobius: “Der Investor hat sich um ethische Fragen nicht zu kümmern.”

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Kritik am Konsumwahn

small_tree_on_whiteIm letzten Spiegel fand sich dieses tolle Interview mit der indischen Aktivistin Vandana Shiva – „Die Bestohlenen werden sich erheben“ –, in dem sie sich gegen Konsumwahn und Wachstumswirtschaft ausspricht und dafür plädiert, Bäume zu pflanzen statt zu konsumieren. Sehr lesenswert! Hier ein paar Auszüge:

SPIEGEL ONLINE: Frau Shiva, haben Sie als Umweltaktivistin und Feministin Verständnis dafür, dass viele Menschen in Deutschland gerade die Frage umtreibt, wer die Wahl zu “Germany’s Next Topmodel” gewonnen hat?

Vandana Shiva: Nein, was diesen Teil des Lebens anbelangt, bin ich wirklich ignorant. Top-Models könnten an mir vorbeilaufen, und ich würde sie nicht erkennen. Nach Super-Models zu suchen, während das Klima und die Weltwirtschaft im Chaos versinken, ist so, als würde Nero fiedeln, während Rom brennt.

(…) Shiva: Wir konzentrieren uns sicherlich zu sehr auf die ökonomische Krise – natürlich auch, weil die Regierungen und die Automobilindustrie sie als den Anfang vom Ende darstellen. Als würde die Welt ohne Banken und Autobauer zusammenbrechen. Dabei verkauft die Automobilindustrie zu viele Wagen, die keiner wirklich braucht, und die Banken spekulieren ständig mit neuen Papieren. Statt das zu korrigieren, wird alles getan, um rettend einzugreifen. Das ist so, als hätte ein Luftballon ein Loch, und man pustet trotzdem weiter Luft hinein. Aber ein kaputter Ballon ist kaputt.

SPIEGEL ONLINE: Wir müssen uns also von Limousinen und Investment-Fonds verabschieden?

Shiva: Die Krise zeigt uns, das stetige Anhäufen von materiellen Dingen ist vorbei. Nun kann man entweder in Panik geraten oder man kann sagen, gut, dass das vorbei ist – nun kann ich mich darauf konzentrieren, ein wirklich glückliches Leben zu führen.

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Surftipp: Erklärung von Bern / Kinderarbeit für Schokolade

Nicht nur die aktuelle Ausgabe des Greenpeace Magazins befasst sich mit einem Thema, über das viele Konsumenten in den westlichen Industrieländern vermutlich wenig Gedanken machen, wenn sie ihre 60 Cent-Schokolade im Supermarkt kaufen – nämlich dem bitteren Beigeschmack, den solch niedrige Preise und die industrielle Massenproduktion für die Menschen in den Kakao-Produzentenländern haben.

Fast zehn Kilogramm Schokolade verspeist der Durchschnittsdeutsche jedes Jahr. Für diesen alltäglichen, selbstverständlichen Genuss schuften in der Elfenbeinküste Kindersklaven, oft gerade mal zehn Jahre alt, unter katastrophalen Bedingungen in Kakaoplantagen.

schoggihase_ausverkauft_endNein, auch in der Schweiz hat sich deshalb eine eigene Initiative gegründet, die sich aktiv dafür einsetzt, diese Zustände bei der Schokoladeherstellung bzw. Kakaoernte, vor allem die Kinderarbeit, nicht länger zu dulden – die Erklärung von Bern.

Obwohl die Schweiz als Schokoladenland gilt, ist bei uns kaum bekannt, dass in vielen Schokoladesorten Kinderarbeit steckt.
60 Prozent des weltweit gehandelten Kakaos kommt aus Westafrika. Kinderarbeit und Kindersklaverei ist auf den Kakaoplantagen der Elfenbeinküste gängig und werden von den Schokoladeherstellern seit Jahren bewusst in Kauf genommen.

Die Schweizerischen Schokoladenkonzerne gehören zu den grössten der Welt. Sie haben die Möglichkeit, die ausbeuterische Kinderarbeit zu beenden.

Darum fordert die EvB
* die Ausbeutung von Kindern auf Kakaoplantagen zu verhindern.
* Kakaopreise zu zahlen, die den Bauern erlaubt, faire Löhne an erwachsene Beschäftigte zu zahlen.
* den Kakaobauern durch Abnahmegarantien eine finanzielle Sicherheit zu schaffen.

KonsumentInnen haben Macht. Machen Sie Druck. Fragen Sie mit der Postkarte der EvB die Hersteller ihrer Lieblings-Schoggi, ob in dieser Schokolade garantiert keine Kinderarbeit steckt. Verlangen Sie von den Konzernen, alles zu unternehmen, damit nie wieder Kinder für Schweizer Schoggi leiden müssen.

Die Aktivitäten meiner speziellen „Freunde“ von der Genbude Nestlé kommentiert die EvB folgendermaßen:

Nestlé blockt den Dialog ab. Die firmeneigene Website ist mit CSR- und anderen Berichten sehr grosszügig gestaltet, Informationen zum Kerngeschäft sind jedoch nicht zugänglich. Das soziale Engagement vor Ort wird facettenreich beschrieben, das Hauptproblem, nämlich die konkreten Arbeitsbedingungen, wird hingegen mit keinem Wort erwähnt. Es geht nicht an, dass die Konsumierenden mit solchen Ablenkungsmanövern abgespiesen werden.

Nestlé hat als weltweit zweitgrösster Akteur im Kakao-Buisness direkte Kontrolle über die Lieferkette. Der Konzern besitzt damit reichlich Möglichkeiten, dem Elend auf den Plantagen entgegen zu treten. Der Ursprung der Missstände liegt nicht einfach bei den Kakaobauern, sondern bei den Strukturen des internationalen Kakaohandels, welche von mächtigen Unternehmen wie Nestlé massgeblich beeinflusst werden. Nestlé könnte mit dem Preis, den sie für Kakao bezahlt, die Lebensbedingungen der Bauern nachhaltig verbessern. Daher sollte der Konzern über seine konkrete Preispolitik offen kommunizieren und die Konsumierenden nicht mit Feigenblatt-Projekten abspeisen.

(c) International Labour Rights Forum

(c) International Labour Rights Forum

Wie sehr Aufklärung im Konsumbereich dringend nötig ist, zeigte mir eine Erfahrung, die ich unlängst in einem Supermarkt hatte – dort reagierte die Kassiererin auf den Hinweis eines Freundes, der mit mir Gepa-Schokolade kaufte, dass in der „normalen“ Industrie-Schokolade ja Kinderarbeit stecke, mit der gleichgültigen Aussage, dass die Kinder dort auf diese Wiese wenigstens etwas verdienen. Solange diese bräsige, satte Ignoranz den Grundtenor in unserer Gesellschaft darstellt, wird sich sicherlich nichts ändern, behaupte ich mal so.

Fraglich bleibt für mich bei all diesen eindeutig löblichen Aktionen natürlich immer, ob es überhaupt möglich ist, in diesem System der Profitmaximierung und des „ewigen“ Wirtschaftswachstums für faire Bedingungen weltweit zu sorgen oder ob nicht vielmehr bei der Fortführung der kapitalistischen Produktionsweisen immer eine kleine Gruppe privilegierter Menschen (zu denen wir in Deutschland bzw. Europa fraglos gehören) auf Kosten des Großteils der Welt lebt. Mit dieser Frage setzte sich neulich auch Klaus-Werner Lobo in seiner jetzt!-Kolumne in der Süddeutschen Zeitung auseinander – Zum Beispiel Konsum – LOHAS werden die Welt nicht retten.

(…) Weil es erstens unmöglich ist, weltweit agierende Konzerne mit Tausenden Zulieferbetrieben so umfassend zu kontrollieren, dass man sie „freisprechen“ könnte. Zweitens hat jeder Multi, der seine Profite auf Basis der Unterschiede zwischen armen und reichen Ländern erwirtschaftet, ein systematisches Interesse daran, diese Unterschiede aufrecht zu erhalten: Das liegt nicht an „bösen“ oder unwilligen ManagerInnen, sondern an einem Wirtschaftssystem, das Ausbeutung ökonomisch belohnt und so zur Geschäftsgrundlage macht.

(…) Ein Beispiel für die Blauäugigkeit vieler Lohas ist auch das deutsche „Internetportal für strategischen Konsum und nachhaltigen Lebensstil“ Utopia. „Kaufe dir eine bessere Welt“, heißt es da, als ob es nicht im Gegenteil darum ginge, die Welt vor ihren Verkäufern zu retten. Weil man „nicht von Spenden oder anderen gemeinnützigen Zuwendungen abhängig sein“ will, finanziert sich Utopia „durch das private Engagement der Gründer und erste Kooperationen“. Darunter auch Konzerne wie OTTO und Henkel. OTTO stand 2006 im „Schwarzbuch Markenfirmen“ noch für „Ausbeutung, sexuelle Belästigungen und andere Missstände in Zulieferbetrieben“, die Kampagne für Saubere Kleidung vermutet, dass China, die Türkei und Indien die Hauptlieferländer für Textilien sind. Überall dort sind desaströse Arbeitsbedingungen die Regel. Im Dezember 2006 wurde einem OTTO-Lieferanten sogar Kinderarbeit vorgeworfen. Immer mehr Utopia-User beklagen sich übrigens, dass ihr Account wegen kritischer Bemerkungen gelöscht worden sei.

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Nachbetrachtung zur Fake-ZEIT-Aktion

Die Attac-Aktion der Verteilung von 150.000 gefälschten ZEIT-Exemplaren mit „Nachrichten von morgen“ – also Meldungen, die heutzutage kaum in Zeitungen erscheinen können, die aber durchaus realistisch umsetzbar wären, wenn der entsprechende politische Wille vorhanden wäre – hat hohe Wellen geschlagen und für viel Aufmerksamkeit und Verwunderung gesorgt. Nicht nur bei den Glücklichen, die ein reales Exemplar dieser Zeitung in die Hände bekommen haben (heute lagen noch einmal 100.000 Stück der taz bei), sondern auch bei den Medien- und Pressevertretern. DIE ZEIT selbst reagierte zwar überrascht, aber relativ souverän auf den gelungenen Coup des globalisierungskritischen Netzwerks und wird keine rechtlichen Schritte einleiten:

Die beiden Chefredaktionen und Geschäftsführungen von ZEIT ONLINE und DIE ZEIT wussten nichts von dieser Aktion, wir sind aber beeindruckt von der Qualität der Kopien. Mein Kollege Giovanni di Lorenzo, Chefredakteur der Printausgabe, sagte: “Fälschungen der ZEIT können wir natürlich nicht gutheißen, zumal nicht in dieser hohen Qualität. Am meisten staune ich aber über den großen Aufwand, den man sich hier geleistet hat.  Schön, dass es wenigstens Attac in der Krise noch gut geht.”

Die taz war offensichtlich schon etwas früher in die Aktion eingeweiht, denn sie konnte bereits sehr früh am Samstag einen ausführlichen Bericht online präsentieren „Attac kapert Die Zeit – Eine ‚Zeit‘, die ihrer Zeit voraus ist“:

Und auch in Sachen journalistischer Ethik hat sich in der hell strahlenden Zukunft etwas geändert: ein gewisser Matthias Trocken stellt sich als stellvertretender Chefredakteur vor und entschuldigt sich. Die Chefetage der Zeitung sei lange Mitglied in sogenannten Elitezirkeln gewesen, in denen sich die Spitzen aus Politik und Wirtschaft treffen, “um darüber zu diskutieren, welches Schicksal sie der Welt zugedenken wollen.” Über diese undemokratischen Treffen sei nie berichtet worden.

Man habe sich vielmehr als Teil der Macht verstanden denn als ihr kritischer Gegenpart, schreibt Trocken, und damit den journalistischen Ethos verletzt. “Unsere Aufgabe als Journalisten besteht nicht darin, mit am Tisch zu sitzen, sondern zu berichten und kritische Fragen zu stellen”, schreibt Trocken. Der stellvertretende Chefredakteur der echten Zeit heißt Matthias Naß.

Medienlese.com konstatiert „Attac fälscht Die Zeit: Fröhlicher Medienstunt“:

Nicht nur, dass die Wochenzeitung Die Zeit erschreckend dünn geworden ist und neuerdings am Samstag kostenlos auf der Straße verteilt wird. Auch die Nachrichtenlage wird heute sicher den einen oder anderen stutzig machen: Die Nato will sich auflösen, armen Ländern werden Schulden erlassen, die Verantwortlichen des Klimawandels werden angeklagt, und Opel fabriziert fortan nur noch umweltfreundliche Autos.

Der Spiegel berichtet selbstverständlich ebenfalls darüber „Gefälschte ‚Zeit‘: Mit freundlichen Grüßen von Attac“, die Frankfurter Rundschau, Der Freitag und sogar bis in die Tagesschau schaffte Attac es damit: „Attac dreht die ‚Zeit‘ weiter“.

Die aktuellen Berichte über die “globale Wirtschafts-, Finanz- Hunger- und Klimakrise” ließen viele Menschen hilflos zurück, erklärte Attac-Aktivistin Jutta Sundermann. Die Autoren hätten deshalb “die Zeit weitergedreht” und “die Nachrichten verfasst, die wir morgen lesen wollen”. Alles, was in den Artikeln geschrieben sei, könne man “innerhalb von 13 Monaten umsetzen”. Ziel sei es, die Vorstellungskraft der Leser zu erweitern und ihnen Mut machen, sich politisch zu engagieren.

Meine Lieblingsstelle aus der etwas anderen ZEIT ist übrigens die schöne Anti-Anzeige von Nestlé („Lügen, Gentech, Nescafé“) auf Seite 5:

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