Sep
20
2011
9

Lesetipps: Berlin-Wahl-Nachklapp | #occupywallstreet | Sklaverei

Wir leben in interessanten Zeiten, soviel ist sicher. Wer hätte beispielsweise gedacht, dass es die Piratenpartei ins Berliner Landesparlament schaffen würde? Glückwunsch – und man darf gespannt sein, wie es mit dieser Partei weiter geht, also ob sie auch Kompetenz abseits ihres Kerngebiets Internet entwickelt und es schafft, auch von den Medien ernst genommen und nicht mehr als „Nerdpartei für Technikspinner, die Kinderpornografie und illegale Downloads legalisieren wollen“ verunglimpft zu werden. Ebenfalls erfreulich – Die Partei hat fast 1% der Stimmen auf sich vereinigen können und im Bezirk Kreuzberg mit 2,2% sogar mehr als doppelt so viele Prozentpunkte geholt wie die Spaßpartei FDP. Ihrer eigenen Linie treu bleibend hat Sonneborns Truppe, parallel zur Berliner Sektion der Hedonistischen Internationale sowie auch einer namentlich nicht bekannten Gruppe von AktivistInnen, die Wahl„party“ der FDP geentert und durch unpassend erscheinenden Jubel aufgemischt. Auch das FDP-Aussteigerprogramm, das er den enttäuschten Liberalen anbot, ist eine hübsche Idee. Wunderbare „Polit-Jamming“-Aktion, über die auch Bleib passiv! – „Riesenstimmung bei FDP-Wahlparty“ – und Mainstreammedien berichten (z.B. N24 – „Die Partei jubelt bei den Liberalen“).

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Aug
25
2011
9

#occupywallstreet – auch die Berliner Börse blockieren?

Vor einigen Wochen berichtete ich schon einmal über die geplante Aktion #occupywallstreet des Adbusters Magazins, die dazu aufruft, am 17. September für eine Weile die Wall Street und damit das dortige Finanzzentrum zu blockieren – siehe meinen Artikel „Wall Street besetzen“. Nun schrieb mich Dan, ein deutscher Leser meines Blogs an und schlug vor, dass man doch vielleicht auch versuchen sollte, so etwas in Deutschland auf die Beine zu stellen. Da ich es für eine unterstützenswerte Aktion halte, auch in Deutschland mal Flagge gegen die Finanzindustrie zu zeigen, will ich den Aufruf also gerne an dieser Stelle weiterleiten – wer auch Lust hat, sich daran zu beteiligen oder mitzumischen, der schreibe doch Dan an diese Adresse eine E-Mail: farnby@gmx.de oder besuche das neu eingerichtete Forum unter http://occupyberlin.de.vu. Hier ein paar weitere Infos von Dan zum möglichen Vorgehen:

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Jul
25
2011
3

Wall Street besetzen

Das Adbusters Magazine, selbsternanntes „Culture Jammer’s Headquarter”, macht nicht nur mit seiner Zeitschrift und dem Begründer Kalle Lasn von sich reden, sondern auch regelmäßig mit Aufrufen zu recht spektakulären konsumkritischen (Buy Nothing Day) oder sogar revolutionären (Week of Carnivalesque Rebellion) Aktionen. Immer getragen von einem sehr skeptischen Blick auf unsere Kommerz- und Reklamegesellschaft, auf unsere mediale Spektakelgesellschaft, auf unser oft sehr zerstörerisches und auf Wachstum fixiertes Wirtschaftssystem.

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Jan
01
2009
5

Beyond the Bailout: Agenda für eine neue Wirtschaft

[Dies ist meine Übersetzung des Artikels Beyond the bailout – Agenda for a New Economy” von David Korten, der im November 2008 im US-amerikanischen YES! Magazine als Teil ihres Winter-Specials „Sustainable Happiness“ erschien. Noch mehr Infos über eine nachhaltigere Wirtschaftsordnung findet man u.a im Artikel „Path to a New Economy – The YES! take on an economy that serves people and communities”. Ach ja, und ein frohes neues Jahr allerseits!]

david-korten-dsc_0055e-2Die Finanzkrise hat die Mythen zum Schweigen gebracht, dass unsere Wirtschaftsinstitutionen solide seien und dass Märke am besten funktionieren, wenn sie dereguliert werden. Unsere ökonomischen Einrichtungen haben versagt, nicht nur finanziell, sondern auch in sozialer und ökologischer Hinsicht. In Verbindung mit der Wahl eines neuen Präsidenten mit dem Mandat zum Wandel, gibt uns dies die gute Gelegenheit, innezuhalten, zu überdenken und umzugestalten.

Der zukünftige Präsident Obama hat versprochen, die Wirtschaft von der Basis her wachsen zu lassen. Dies wäre eine grundlegende Verbesserung gegenüber der bisherigen Vorgehensweise, die Spitze auf Kosten des Fundaments zu entwickeln. Das eigentliche Bedürfnis besteht jedoch in einer Transformation unserer wirtschaftlichen Werte und Institutionen von Grund auf, um sie auf die Erfordernisse und Herausforderungen des 21. Jahrhunderts auszurichten. Deshalb stehen fünf Schritte auf der Tagesordnung: die Wall Street aufzuräumen, nach den Regeln des Marktes zu spielen, die Realwirtschaft sich selbst finanzieren zu lassen, zu ermitteln, was wir wirklich wollen und zu schuldfreiem Geld zu wechseln.

Der aktuelle Zusammenbruch des Marktes und die daraus resultierenden Versprechen auf Rettungspakete von über einer Billion Dollar haben die Aufmerksamkeit des Landes auf die verheerenden Folgen der Wall Street-Deregulierung gerichtet. Dies ist aber nur die Spitze des Eisbergs einer gescheiterten Wirtschaftsordnung, die dringend einer grundsätzlichen Umgestaltung bedarf.

Unsere Wirtschaft hat sich drastisch von den menschlichen Bedürfnissen und der Umwelt entfernt. Das Ergebnis ist für beide ein Desaster. Einkommen sinken angesichts steigender Nahrungsmittel- und Energiepreise. Konsumentenverschuldung und Zwangsversteigerungen von Häusern erreichen historische Höchststände. Die Mittelschicht schrumpft. Die gewissenlose und zunehmende weltweite Schere zwischen arm und reich mit der damit einher gehenden sozialen Entfremdung erzeugt soziale Verwerfungen, die wiederum zu Verbrechen, Terrorismus und Völkermord führen.

Gleichzeitig treibt exzessiver Konsum das Ökosystem unserer Erde an den Rand des Kollaps, Wissenschaftler sind sich weltweit praktisch darüber einig, dass die menschlichen Aktivitäten wesentlich für den Klimawandel und der darauf folgenden Zunahme von Dürren, Überschwemmungen und Waldbränden verantwortlich sind.

Wir stehen einer monumentalen ökonomischen Herausforderung gegenüber, die weit über das hinaus geht, was im U.S.-Kongress diskutiert wird. Die Härten, die durch das vorübergehende Einfrieren der Kreditmärkte ausgelöst wurden, verblassen im Vergleich dazu.

Dies wäre ein guter Augenblick, die wirtschaftliche Leistung in Bezug auf das was wir wirklich wollen – gesunde Kinder, Familien, Gemeinschaften und natürliche Systeme – zu beurteilen.

Das Rettungspaket für die Wall Street, das der Kongress in einem Moment der Panik beschlossen hat, geht in keinster Weise auf die strukturellen Probleme ein, die zu der Kreditklemme geführt haben, ganz zu schweigen von den strukturellen Gründen, die für die noch schwereren Misserfolge des Wirtschaftssystems in Bezug auf Umwelt und soziale Entwicklungen verantwortlich sind. Auf der positiven Seite ist zu vermerken, dass die Finanzkrise die Mythen zum Schweigen gebracht hat, dass unsere Wirtschaftsinstitutionen solide seien und dass Märke am besten funktionieren, wenn sie dereguliert würden. Sie bringt uns den geeigneten Augenblick für einen tiefgreifenden Wandel.

Hier sind einige unverzichtbare Schritte in Richtung eines Systemumbaus, der uns auf den Weg zu einer nachhaltigen Wirtschaftsordnung führt, die für alle funktioniert.

1104443_moneySchritt 1: Wall Street aufräumen
Die erste Sache, die angepackt werden muss, ist die aktuelle Krise unter Kontrolle zu bringen. Wall Street-Institutionen haben lange Zeit behauptet, dass ihre Handelsaktivitäten Wohlstand erzeugen, also jene Mittel, die die Wirtschaft am Laufen halten, die die wirtschaftliche Effizienz steigern und die Märkte stabilisieren. Der Finanzcrash hat den Schleier gelüftet und offenbart ein korruptes System, das auf Spekulation, dem Plündern von Firmenwerten, räuberischen Krediten und Anlageblasen wie bei Immobilien und „dot com“-Boomphasen beruht.

Wenn die Leute, die hieran beteiligt sind, irgend etwas von Wert produzieren, so ist dies rein zufällig, denn ihr eigentliches Ziel besteht darin, spekulative Gewinne einzufahren, die die gesamte Weltwirtschaft aufs Spiel setzen und zu gigantischen Forderungen für von den Steuerzahlern finanzierte Rettungsschirme führen, wenn ihre Vermögenswerte den Bach runtergehen. Für dieses Wirken/Arbeiten haben die 50 bestbezahlten Manager von privaten Investmentfonds 2007 zusammen stolze 588 Millionen US$ an Lohn erhalten – 19.000 Mal mehr als das durchschnittliche Einkommen.

Wir müssen Wall Street zur Rechenschaft ziehen, einen Teil der Verluste von jenen zurück holen, die dafür verantwortlich sind, und eine Wiederholung des Kreditkollaps verhindern. Die Empfehlungen des Institute for Policy Studies (IPS), eines Think Tanks aus Washington, sind ein guter Ansatzpunkt. In „Ein vernünftiger Plan für eine Erholung“ fordert das IPS den Kongress auf, die Finanzwelt sowohl für den Rettungsschirm als auch für die Ankurbelung der Realwirtschaft zahlen zu lassen. Der Plan sieht eine Transaktionssteuer vor, eine Mindest-Unternehmenssteuer, das Zurückholen der Bonuszahlungen an Manager, die für die Krise verantwortlich sind, das Ende von Steueroasen und ein Abschaffen von Steuerschlupflöchern für Vorstandsmitglieder. Das IPS fordert außerdem massive staatliche Regulierungen, um Spekulationen einzudämmen und eine wirkliche Übersicht über die Finanzmärkte zu erhalten.

Diese Vorschläge umzusetzen wäre ein sehr guter Anfang, um Spekulationen zu begrenzen, ein fortschrittliches Steuersystem wiederherzustellen, so dass eine bessere Verteilung der Wirtschaftsmacht gelingt, und um die besonders rücksichtslosen Wall Street-Firmen auszuschalten.

Zusätzliche Schritte werden notwendig, um – beginnend mit der Wall Street – Marktmachtkonzentrationen aufzubrechen, und die verbleibenden Banken auf das Allgemeinwohl einzuschwören. Die Entscheidung des Finanzministers Henry Paulson, dass die Regierung Beteiligungen an gefährdeten Banken erwirbt, ist ein positiver Schritt, der den Weg zu einer tiefgreifenden Umstrukturierung des Finanzsystems öffnen kann.

Die Regierung sollte sofort die Bestimmungen des Glass-Steagal-Gesetzes wieder in Kraft setzen, die die Fusionen von Geschäfts- und Investmentbanken untersagen, und die Zerschlagung von Finanz-Konglomeraten und anderen Wall Street-Firmen, die „zu groß sind zum Scheitern“ vorantreiben. Wie Senator Bernie Sanders feststellte: „Wenn ein Unternehmen zu groß ist, um zu scheitern, ist es auch zu groß, um zu existieren.“

2. Schritt: Nach den Marktregeln spielen
Sobald wir das unmittelbare Feuer gelöscht haben, können wir unsere Aufmerksamkeit der Umgestaltung von potential nützlichen Einrichtungen der Finanzwelt zuwenden, um sie mit den Anforderungen von Nachhaltigkeit und Fairness in Einklang zu bringen. Ironischer Weise, wenn man die von der Wall Street im Namen des freien Marktes begangenen Exzesse betrachtet, sieht die Wirtschaft, die wir erschaffen müssen, derjenigen von Adam Smith, auf den sich manche als Vater des Kapitalismus berufen, erstaunlich ähnlich.

Smith malte sich eine Welt lokaler Marktwirtschaften aus, bevölkert von kleinen Unternehmern, Handwerkern und familiär geführten Bauernhöfen mit starken Wurzeln in der Kommune, die sich in ihrer Produktion damit beschäftigen, ihre eigenen Bedürfnisse und die ihrer Nachbarn zu befriedigen. Seine Vision hat wenig mit dem zu tun, was die Wall Street-Wirtschaft von freigelassenem Kapital, Credit Default Swaps, hektischer Spekulation und weltweiter Konzernimperien darstellt.

Wie ich schon in meinen Büchern When Corporations rule the world und The Post-Corporate world: Life after Capitalism ausführte, hängen sozial effiziente Marktallokationen von einer ganzen Reihe wichtiger Bedingungen ab, die die Wall Street und jene Ökonomen, die der fundamentalistischen neoliberalen Ideologie verpflichtet sind, geflissentlich ignorieren. Zu diesen Grundbedingungen zählen:

  • Marktpreise müssen die vollen sozialen und ökologischen Kosten internalisieren.
  • Der Handel zwischen Nationen muss im Gleichgewicht sein.
  • Investitionen müssen lokal erfolgen.
  • Kein Marktteilnehmer ist so groß, dass er den Marktpreis direkt beeinflussen kann.
  • Wirtschaftskraft/-macht muss gleich verteilt sein.
  • Jeder Marktteilnehmer muss über vollständige Informationen verfügen und es darf keine Handelsgeheimnisse geben (sprich: keine von der Regierung verhängten Patentrechte).

Um die Verzerrung durch unfaires Wettbewerbsverhalten zu verhindern müssen die Märkte reguliert werden, damit obige Grundbedingungen sichergestellt werden. Sehen Sie sie als grundlegende Bedingungen für gesundes, gerechtes und nachhaltiges Funktionieren der Wirtschaft an.

Schritt 3: Selbstfinanzierung der Realwirtschaft
1086817_dollar_in_a_box_1Weit davon entfernt die finanziellen Bedürfnisse der Realwirtschaft zu bedienen, wird jene von der Finanzwirtschaft wie eine Kolonie behandelt, die zum Wohle des Kolonialherren betrieben werden muss. In Zusammenarbeit mit der Federal Reserve [der amerikanischen Zentralbank] haben Wall Street-Akteure eine Kombination aus Kontrolle über die Geldversorgung, räuberischen Kreditpraktiken und Lobbying und Kampagnen eingesetzt, um Löhne zu drücken, soziale Sicherheitsnetze zu durchlöchern und sich den Wert der Produktivitätsgewinne selbst zu sichern. Das obere 1 Prozent der U.S.-Einkommen hat seinen Anteil am nationalen Geldeinkommen zwischen 1980 und 2005 von 9 auf 19 Prozent gesteigert, wie Charles R. Morris in The Trillion Dollar Meltdown feststellt. Das Einkommen von 90 Prozent der Haushalte fiel relativ zur Inflation, die Sparrate sank auf unter 1 Prozent und die Verschuldung der Haushalte explodierte, während die Bevölkerung darum kämpft, ihr Leben beieinander zu halten.

Ein unentbehrliches Element einer Nach-Krisen-Wirtschaft muss die Herstellung einer ausgeglicheneren Reichtumsverteilung sein, durch progressive Steuersätze, das Anheben der Mindestlöhne und die Regulierung von Hypotheken- und Kreditkarten-Zinssätzen. Dies wird denen, die am Boden sind, dabei helfen, Spareinlagen und Kaufkraft wiederherzustellen und in Kombination mit schuldfreiem Geld, auf das ich unten eingehen werde, die Abhängigkeit der Realwirtschaft von der Finanzwirtschaft auflösen. Die finanziellen Bedürfnisse der Wirtschaft werden am besten durch ein bundesweit reguliertes Netzwerk von unabhängigen, im lokalen Besitz befindliche Gemeinschaftsbanken bedient, die die klassische Lehrbuchfunktion von Banken erfüllen, ein Vermittler zwischen Menschen vor Ort zu sein, die nach einem sicheren Platz für ihre Ersparnisse suchen und Menschen vor Ort, die Kredite für einen Hauskauf oder eine Firmenfinanzierung benötigen. Die Erkenntnis, dass Menschen ihre Ersparnisse vermehrt von den gigantischen Bankkonzernen mit fragwürdigen Bilanzen hin zu kleineren lokalen Banken bewegen, ist ein positiver Schritt.

Die Interessen der Wall Street haben das ökonomische Spiel so manipuliert, dass Mega-Konzerne einen Wettbewerbsvorteil vor unabhängigen regionalen Unternehmen haben, die das Herzstück der Realwirtschaft sind. Das New Rules-Projekt des Institute for Local Self Reliance (Institut für lokales Selbst-Vertrauen) stellt eine Fülle von Empfehlungen zur Verfügung, wie man ein Gleichgewicht der Kräfte wiederherstellen kann.

Schritt 4: Messen, was wir wirklich wollen
Die einzige legitime Funktion eines Wirtschaftssystems ist, dem Leben zu dienen. Derzeit jedoch messen wir ökonomische Leistung ausschließlich mit Hilfe finanzieller Indikatoren – Bruttosozialprodukt (BSP) und Aktienkursen – während wir die Wirkungen auf soziale Bereiche und die Umwelt ignorieren. Wir zahlen jetzt den Preis dafür, dass wir die Wirtschaft jahrelang auf finanzielle Leistung hin getrimmt haben, die dazu führt, dass diejenigen, die Geld haben, noch mehr Geld machen – kurz: reiche Menschen werden reicher. Das war keine kluge Entscheidung. Wir müssen nun die verheerenden Kosten für diese Dummheit tragen, in Form von massiven sozialen und ökologischen Schäden und finanzieller Instabilität.

Dies könnte ein guter Zeitpunkt sein, damit zu beginnen, die wirtschaftliche Leistung in Bezug auf Dinge zu messen, die wir wirklich wollen – gesunde Kinder, Familien, Gemeinschaften und Ökosysteme. Dies würde Lebenswerte über Geldwerte stellen und die Art und Weise, wie unsere Wirtschaft entscheidet, dramatisch umstellen. Glücklichsein ist übrigens ein wichtiger Indikator für physische und psychische Gesundheit.

Wir können fortfahren, das BSP zu messen, eine Messgröße für wirtschaftlichen Durchsatz, als recht nützlichen Indikator für die wirtschaftlichen Kosten, ein gegebenes Niveau von Gesundheit und Wohlergehen zu halten. Wenn wir erkennen, dass das BSP Kosten und nicht Gewinne darstellt, wird es klar, wieso es ein Fehler ist, es permanent zu steigern. Eine ganze Anzahl von Forschern hat darauf hingewiesen, dass das Glücklichsein, genauso wie andere Messgrößen menschlicher, sozialer und ökologischer Gesundheit, gesunken ist, während das BSP anstieg, aber ihre Ansätze wurden bislang weitgehend ignoriert. Wir fahren damit fort unsere Wirtschaft so auszurichten, die Kosten zu maximieren statt den Nutzen/Vorteil ökonomischer Aktivität. Der Schock des Finanzkollaps gibt uns die Chance, die Aufmerksamkeit auf diese grundlegende Anomalie zu richten. Wir werden erkennen, dass wir einen wichtigen Schritt gegangen sind, wenn Wirtschaftsreporter fröhlich verkünden: „Es war ein erfolgreiches Quartal. Die Zufriedenheit stieg um zwei Punkte während das BSP um einen Punkt sank.“

Schritt 5: Wechsel zu schuldfreiem Geld
Dies bringt uns zur wichtigsten Reform von allen: die Änderung der Art, wie wir Geld erzeugen. Ein Schlüssel zur Macht der Finanzwirtschaft und der dem Finanzsystem innewohnenden Instabilität ist die Praxis privater Banken, Geld mit einem einfachen Buchhaltungseintrag zu erschaffen, jedes Mal, wenn sie einen Kredit vergeben. Da dieser Buchhaltungseintrag nur das Kapital, nicht aber die Verzinsungssumme erzeugt, führt dies zu einer Anhäufung der Schulden und einem Kollaps von Finanz- und Wirtschaftssystem, sofern die Wirtschaft nicht schnell genug wächst, um genügend Nachfrage nach weiteren Krediten zur Erschaffung neuen Geldes zu generieren, das benötigt wird, um die Zinszahlungen der früheren Kredite abzutragen. Das Verlangen nach Refinanzierung durch Schulden von nahezu jedem Dollar, der im Umlauf ist, garantiert das Fehlschlagen der Wirtschaft, es sei denn, das BSP und die Ungleichheit steigen permanent weiter.

Führende Wirtschaftswissenschaftler und Politiker, z.B. Thomas Jefferson und Benjamin Franklin, sprachen sich dafür aus, das System des von den Banken erschaffenen Schuld-Geldes durch ein alternatives System zu ersetzen, bei dem die Regierung schuldfreies Geld generiert, indem es durch Ausgaben in die Welt gesetzt wird, beispielsweise um öffentliche Güter wie Infrastruktur oder Bildung zu finanzieren. Die Vorstellung, dass die Regierung Geld mit einem Federstrich erzeugt, lässt sofort die Alarmglocken schrillen, weil man eine galoppierende Inflation befürchtet. Die grundlegende Änderung zum bisherigen Zustand wäre jedoch, dass das Geld von der Regierung für ein öffentliches Gut erzeugt wird statt von einer privaten Bank als privater Profit. Ellen Hodgson Browns The Web of Debt gibt eine informative Übersicht über aktuelle Diskussionen und Möglichkeiten in diesem Bereich.

Privat ausgegebenes Schuld-Geld trägt zur Verschuldung und hohen Steuern bei und trägt die Hauptschuld an der Umweltzerstörung, da es unendliches Wachstum, extreme Ungleichheit (durch die Sicherstellung permanenter Umverteilung von unten nach oben) und wirtschaftliche Instabilität benötigt, da die Kreditvergabe zum Antreiben rücksichtsloser Spekulation nette kurzfristige Bankgewinne bewirkt. Öffentlich herausgegebenes schuldfreies Geld würde die Schulden, Steuern und die ökologischen Schäden deutlich reduzieren, wäre besser verteilt und würde die finanzielle Stabilität erhöhen. In einer Demokratie sollten wir dies selbst entscheiden können.


Dies ist ein geeigneter Augenblick, eine Agenda nach vorne zu bringen, die die gescheiterten, dem Gelde dienenden Institutionen unseres gegenwärtigen Wirtschaftssystems durch Institutionen ersetzt, die dem Leben dienen. Die Vorstellung, dass wir Menschen das Leben über das Geld stellen, mag unrealistisch und wider unserer menschlichen Natur erscheinen. Sicherlich will uns unsere herrschende kulturelle Geschichte dies glauben machen. Diese Geschichte/Erzählung hat jedoch nicht mehr Wahrheitsgehalt als die Geschichte, dass Wall Street-Spekulationen einem höheren öffentlichen Interesse dienen. Wie ich bereits in meinem Artikel We are hard-wired to care and connect (Wir sind fest mit Fürsorge und Verbindung verdrahtet) im Herbst 2008 schrieb, haben Wissenschaftler herausgefunden, dass das menschliche Gehirn direkt auf Mitgefühl und Verbindung ausgerichtet ist.

Die vielen Jahre, die ich in Afrika, Lateinamerika und Asien gelebt habe, haben mich gelehrt, dass Menschen jeder Rasse, Religion und Nationalität weltweit den Traum einer Welt mit zufriedenen Kindern, Familien und Gemeinschaft, die in lebendiger, gesunder, natürlicher Umgebung leben, teilen. Wenn sie die Möglichkeit sehen, sind Menschen bereit, beachtliche Teile ihrer Lebensenergie in einen Versuch zu investieren, diesen Traum zu verwirklichen, wie es auf den Seiten von YES! regelmäßig dokumentiert wird. Von dem räuberischen Griff der Wall Street befreit, hat diese lange unterdrückte Energie das Potential, unsere Beziehungen untereinander und zur Erde zu verwandeln, und uns den gemeinsamen Traum einer Welt, die für alle funktioniert, klar zu machen.


David Korten ist Autor des internationalen Bestsellers When corporations rule the world und The Great Turning: From Empire to Earth Community. Er ist Mitbegründer und Vorsitzender des YES! Magazine, und Vorstandsmitglied der Business Alliance for Local Living Economies.

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