Revolution – eine Gebrauchsanleitung

Auf Duckhome wurde ich neulich auf eine Dokumentation des Senders Arte aufmerksam gemacht, die den vielversprechenden Titel „Revolution – eine Gebrauchsanleitung“ trägt und sich mit einigen grundlegenden erfolgversprechenden Stragien beim Umsturz eines verhassten Regimes befasst; dies am Beispiel verschiedener Bewegungen in Osteurope (Serbien, Ukraine…) verdeutlicht. Duckhome bezweifelt in seinem Posting (wohl zu Recht), dass es in Deutschland jemals so weit kommen könnte, zu obrigkeitshörig ist doch die deutsche Mentalität. Und zu gut geht es auch heute noch den meisten Bürgern, zu sehr haben sie sich ans bisherige System gewöhnt, als dass hier umstürzlerisches Potential brodeln würde.

Ich denke allerdings auch, dass so eine Revolution herzlich wenig bringt, vor allem, wenn man gar nicht so genau weiß, gegen wen man sich eigentlich auflehnt und was man anschließend für ein System errichten möchte. Merkel & Westerwelle abzusetzen (was spätestens nach den ausgekungelten Atomplänen im Sinne der demokratischen Kultur zwingend nötig wäre!) und durch andere Politiker zu ersetzen z.B. würde letztlich auch nicht wirklich weiter helfen, solange ein Geflecht aus Medienkonglomeraten, Lobbyisten und Großkonzernen das Ruder in der Hand hält. Und solange die Menschen auf billigen Konsum getrimmt sind und egoistisch dem eigenen Genuss frönend ihr Konsumentenleben leben, werden wohl auch andere Regierungen, wie auch immer sie ins Amt kommen, nicht viel voranbringen. Ein Bewusstseinswandel, ein Umdenken im eigenen persönlichen Rahmen, wäre meines Erachtens auf breiter Basis vonnöten (quasi eine Revolution in den Köpfen), damit ein echter Wandel im Land und im System möglich ist und nicht nur einfach eine neue Riege von Machtmenschen, egal welcher Couleur, das Steuer übernimmt. Alte linke Vorstellungen von einem Aufstand der „arbeitenden Klasse“ sind wenig erfolgversprechend und auch wenig verlockend, zumal wenn die meisten Menschen gar keine wirkliche Veränderung wollen… Ich möchte jedenfalls keine „Diktatur des Proletariats“, sondern eher eine freie Gesellschaft, in der die Arbeit einen geringeren Stellenwert hat als heutzutage und in der nicht alle Lebensbereiche einer Durchökonomisierung zugeführt werden. Ob das durch eine Revolution erreichbar ist, tja… Schaun mer mal. :-)

Die in der Doku geschilderte Vorgehensweise gibt interessante Hinweise, aber die „Finanzierung durch den Westen“ würde bei einer ähnlichen revolutionären Entwicklung in Deutschland wohl ausbleiben. (>> zu den YouTube-Seiten, da das Einbinden irgendwie nicht klappt)


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5 Kommentare

  1. “[…] und nicht nur einfach eine neue Riege von Machtmenschen, egal welcher Couleur, das Steuer übernimmt.”

    Das hat aber auch nichts mit einer Revolution zu tun.

    Die Sozialpsychologen der Frankfurter Schule haben auf einen interessanten Unterschied zwischen Revolutionären und Rebellen, also zwischen Revolution und Rebellion hingewiesen. Demnach würde ein Rebell sich gegen praktisch jedes Oberhaupt zu Wehr setzen – jedoch immer verbunden mit dem (heimlichen) Bedürfnis, dass das gestürzte Oberhaupt durch ein anderes ersetzt wird, damit das eigene Bedürfnis nach Aufbegehren gegen Autorität dauerhaft befriedigt werden kann. Einem Rebell geht es also nicht darum, tatsächlich etwas zu verändern.

    Das wiederum ist beim Revolutionär anders. Der Revolutionär kämpft nicht um des Kämpfens willen, sondern für Veränderung.

    Ich habe zwar die Arte-Doku noch nicht gesehen, aber eine Revolution ist eben ein Umsturz des SYSTEMS. Demnach wird nicht einfach eine (innersystemische) Elite durch eine andere ersetzt, sondern ein anderes System der Organisation von Gesellschaft etabliert.

    Dafür bin ich schon… Und Du hast hier auf Deinem umfangreichen Blog inzwischen auch schon eine Menge guter Ideen versammelt (ich denke da nur an die Buchrezensionen bspw.), wie eine gerechtere, bedürfnisorientierte, radikaldemokratische “Gesellschaft der Freien und Gleichen”, wie es so schön heißt, aussehen könnte.

    Lohnt es sich nicht, dafür zu streiten? Zivilen (und wo nötig auch gewaltsamen) Widerstand zu leisten? Gegen Unterdrückung, Ausbeutung und Kontrolle, die einem – mal subtil, mal offen und in aller Härte – permanent begegnen? Mal Grenzen zu überschreiten, die eine soziale Emanzipation verhindern? Brav eingehaltene Konventionen abzuschütteln, weil wir sie nicht Vertrauen bilden, sondern Unterordnung verlangen? Eine zerstörerische Kultur zu jammen?

    Das klingt jetzt vielleicht überzogen und pathetisch pathetisch, aber letztlich sind das die kulturellen und politischen Einwebungen aller (im obigen Sinne “echten”) Revolutionen.

    Man sollte aber auch die Worte Rudi Dutschkes gut im Kopf behalten:

    Bei einer Revolution wird nicht einfach ein paar Tage lang geschossen und danach ist alles anders. Eine Revolution ist ein langer und langwieriger Prozess.

    Eine Revolution muss eben nicht notwendigerweise blutrünstig und opferreich von statten gehen.

    Und auch die Diktatur des Proletariats wird ja von keiner/m emanzipatorischen Linken mehr vertreten. Dieses Schreckgespenst muss also gar nicht mehr geweckt werden.

    Die globalen, aber auch lokalen sozialen Bewegungen (sofern letztere überhaupt ein abstrakteres Interesse verfolgen), zielen doch alle recht eindeutig auf eine freiheitliche Gesellschaft mit gerechter Verteilung und tatsächlicher Gleich-Berechtigung.

    Dies ist die andere Welt, von deren Möglichkeit jede progressive soziale Bewegung spricht.

    Und das wird sich meines Erachtens auch nicht anders als durch eine Revolution (wie gesagt: denkt jetzt nicht an Knall-Bumm-Peng… ) zu erreichen sein. Denn die Tendenz der herrschenden bzw. kontrollierenden Machtinstrumente im Konsumkapitalismus geht nicht gerade in Richtung Bewusstseinswandel der Bevölkerung. Wenn es Profit verspricht, absorbiert der Kapitalismus jedes Bewusstsein. Das ist eine pervertierende Dialektik. Denkt nur an den ganzen Bio-Kram, den es inzwischen gibt. Oder die “Images” von Konzernen. Genau diese sind ja dafür zuständig, unser Bewusstsein zu beschwichtigen, während die Praktiken (meist im Verborgenen) keinen Deut menschenwürdiger sind, als noch vor Jahrzehnten…

    Alternatives Bewusstsein kann im Kapitalismus eben auch entmachtet und zweckdienlich verharmlost werden. Das muss man sich klar machen. Dagegen muss man sich wehren. Deshalb muss man culture jammen, Mem-Kriege führen, sich organisieren und offenen Antagonismus gegen Unterdrückungs- und Ausbeutungsmechanismen praktizieren.
    Eben Revolution leben.

    • “[…] und nicht nur einfach eine neue Riege von Machtmenschen, egal welcher Couleur, das Steuer übernimmt.”

      Das hat aber auch nichts mit einer Revolution zu tun.”

      Leider schon, denn oft genug wurden durch “Revolutionen” ja anschließend neue Regimes installiert, die dann wiederum die Leute unterdrücken, nur halt in neuen Uniformen. Siehe zu dem Thema auch Jean Paul Sartres “Im Räderwerk” ;-)

      Ansonsten hast Du natürlich Recht und ich kann das alles soweit unterschreiben, was Du da sagst. Das Problem, das ich mit der Vorstellung einer Revolution in Dtl. hätte, ist eben, dass es kein so klar auszumachendes Regime gibt, das die meisten Leute hassen und das gestürzt werden muss, woraufhin ein neues besseres System kommt. Zwar regen sich viele Leute über “die da oben” auf, aber eigentlich finden sie ihr Leben doch soweit bequem und kommod. Die Unterdrückung findet ja heutzutage viel subtiler statt, auch über Medien, Reklame und Konsumkapitalismus, die die Menschen lethargisch machen. Von daher ist die Frage, in wessen Namen eine Revolution bei uns wohl erfolgreich verlaufen könnte, also welche Ideen die Mehrheit der Bürger überzeugen würden. Ich bin (leider) nicht so sicher, dass dies unbedingt nachhaltige und sozialverträgliche sind… “BIlliger Konsum für alle” wäre vermutlich die Top-Parole, die einen Großteil der Leute hinter sich scharen könnte.. ;-)

  2. chapultepec

    ich würde in diesem Zusammenhahg das Buch von M. Albert “PARECON (PARticipatory Economics) empfehlen.

    Hier die dt. Internetseite von PARECON
    http://www.parecon.de/

    Eine Bewegung die parallel zu der Entstehung des PARECONs Buch entstanden ist, ist die FaSinPat (Fabricas Sin Patron [dt. Fabriken ohne Chefs])Bewegung in Argentinien. N. Klein und ihr Mann Avi Lewis haben vor ein paar Jahren eine wunderbare Doku darüber gemacht, nämlich “The Take”

    http://www.thetake.org/

    s. auch den Film “Grissinopolis”
    http://www.fernsehworkshop.de/2005/Filme/grissinopolis.htm

    hier ein ganz frischer Artikel über eine Fabrikbesetzung aus den USA:

    How to Occupy Your Workplace
    An Interview with Chicago Workers
    By Chris Spannos
    July 2010
    http://www.zcommunications.org/how-to-occupy-your-workplace-by-chris-spannos

    hier ein nicht so frisher Artikel:

    FASINPAT: Eine Fabrik, die den Menschen gehört
    Die Zanon-Arbeiter haben gesiegt
    von Marie Trigona
    05.09.2009
    http://www.zmag.de/artikel/fasinpat-eine-fabrik-die-den-menschen-gehoert

  3. Ich versteh schon was Du meinst.

    Ich glaube aber, dass das Grundproblem gar nicht so sehr die Frage nach einer positiven Utopie (also das “Wofür”, das revolutionäre Telos sozusagen) ist, denn allein ich kann mir da schon eine lange Liste vorstellen, die angefangen bei den Hinweisen von chapultepec (s. oben) auch Grundeinkommen und solche Sachen betrifft.

    Die kulturelle Entwicklung der letzten Jahrzehnte hat aber vermutlich ein Ausmaß an Individualisierung erreicht, dass systemstürzlerische Bewegungen praktisch selbst schon zur Utopie werden lässt. Das war vor nicht einmal einem Jahrhundert noch ganz anders.

    Heute entstehen soziale Bewegungen (es sei mal dahingestellt, ob die auch gleich revolutionäres Potenzial haben könnten) sehr oft punktuell, also mit einem ganz konkreten Ziel. Zum Beispiel die (neue/alte) Anti-AKW-Bewegung, Stuttgart 21 und so weiter.

    Ich halte es für problematisch, dass “die Gesamtscheiße” (wie es sehr treffend in manchen linksradikalen Flugschriften heißt :D) dabei kaum noch richtig in den Blick genommen wird.

    Klar muss man immer und als Erstes versuchen, aufzuklären, Zusammenhänge zu verdeutlichen, Gegenöffentlichkeit zu schaffen und all das, (das ist ja auch das Anliegen unserer jeweiligen Blogs) aber ich glaube die revolutionärste Tat von allen derzeit denkbaren wäre, (wieder?!?) eine Kultur des Gemeinsinns zu etablieren, das heißt weder Homogenität zu erzwingen noch den ganzen Ich-Streß und die Vereinzelungstendenzen zu begünstigen. Die Menschen müssen sich wieder als Individuen in Gemeinschaft begreifen. Das wäre revolutionär, weil es eine kulturelle Umschichtung innerer Haltungen, persönlichkeitsprägender Einstellungen und Paradigmen wäre.

    Vielleicht ist das unmöglich. Vielleicht sind kulturelle Entwicklungen stets unumkehrbar.

    Vielleicht wäre das aber auch gar keine Umkehrung. Vielleicht sind die erwähnten punktuellen Bewegungen unserer Zeit ja schon wieder leise Vorboten einer wünschenswerten Entwicklung…

  4. Vogel

    SCNR – aber feststeht:
    Rebellen und Revolutionäre beide sind notwendige Bestandteile der Blutbäder, die die Menschheit immer wieder und immer mit den besten Vorsätzen heimgesucht haben. Nix gelernt? Frei nach dem Motto: “Willst Du etwas neues lernen, lies in alten Büchern nach!” empfehle ich jedem, ein x-beliebiges Geschichtsbuch an x-beliebiger Stelle aufzuschlagen und zu lesen.

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