Widerstand gegen Reklame, vor allem gegen diejenige in öffentlichen Räumen, wächst glücklicherweise, und dies vor allem in den Gegenden der Welt, die besonders durch den Werbeterror heimgesucht werden wie die USA. Dort fand Ende April eine tolle Aktion von ca. 80 Künstlern und Helfern statt, die in New York 120 Plakatwände weiß übertünchten, einige mit Street Art versahen und einen gefälschten Warnhinweis für die kommerziellen Plakatierer hinterließen, dass die Stadt New York Werbung an diesen Stellen nun für illegal erklärt. Vier der Aktivisten wurden verhaftet, d.h. die ganze Aktion war nicht ungefährlich, aber sehr beeindruckend, wie man auch an unten stehendem Video sehen kann. [via] Organisiert wurde dieses sog. The New York Street Advertising Takeover (NSYAT) vom Groundswell Collective, einer Gruppe, die laut eigener Aussage an der Schnittstelle zwischen Kunst und Aktionismus/Widerstand arbeitet.
Kategorie: Culture Jamming Seite 5 von 8
Hier eine kleine Anregung für alle Leser, sich doch mal wieder das Recht herauszunehmen, auf Reklame adäquat zu antworten. Adbusting bzw. Subvertising heißt das Zauberwort!
(Leider habe ich den Clip nur mit diesen etwas nervigen Untertiteln gefunden… Und www.subvertise.org hat inzwischen übrigens das Zeitliche gesegnet, schade.)
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Na sowas – da hat es die dieser Tage im österreichischen Linz stattfindende Subversiv Messe doch tatsächlich bis hinein in die absoluten Mainstreammedien geschafft – die staatstragenden Tagesthemen berichteten vorgestern immerhin volle 3 Minuten in Bild und Ton von dem Projekt. Die Moderatorin wirkt zwar eher amüsiert bzw. verwirrt, so als könne sie mit dem Thema Subversion eher wenig anfangen, aber ich finde es doch schön, dass solche Culture Jamming-Praktiken wenigstens zu nachtschlafender Stunde mal kurz im Fernsehen zu sehen sind. Sogar der Antipreneur-Shop findet lobende Erwähnung! Das wirkliche umstürzlerische Potential mancher Anbieter auf dieser Messe haben die Macher der Tagesthemen aber wohl nicht erkannt bzw. begriffen, denke ich mal, jedenfalls wirkt die Auswahl der vorgestellten Projekte etwas ratlos…
(Übrigens sorry, dass ich aktuell mal wieder eher weniger eigenen Inhalt liefere und auf viele „Fremdquellen“ zurückgreife, aber momentan bin ich zeitlich ziemlich in Bedrängnis, so dass keine rechte Muße für ausufernde Eigentexte bleibt. Das ändert sich aber auch wieder, versprochen!)
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Darf man über etwas so Konkretes, so Handlungsbezogenes wie Subversion wissenschaftlich nachdenken und referieren? Man darf! Und man kann – das zeigt das Magazin Malmoe, eine sowohl als Printausgabe wie auch im Netz veröffentlichte Zeitschrift, die sich mit dem Spannungsfeld von Kultur, Konsum, Internet und Gesellschaft befasst. In ihrer letzten Ausgabe, Heft Nr. 45, geht es nun also um Subversion, und es werden einige spannende Fragen gestellt (und beantwortet?).
Ist Subversion eine Strategie, eine Kunst des Handelns, die hegemoniale Machtpraktiken unterwandert? Oder ist sie eine Projektionsfläche, auf der sich Widerstand konsumieren lässt? Wann transformiert sich Subversion, wann wirkt sie schon als Begriff? Und: Ist Alltag Subversion oder Subversion alltäglich?
Das Inhaltsverzeichnis klingt schon mal durchaus vielversprechend (wenn auch teilweise vielleicht etwas abgehoben); vier der fünf Artikel sind übrigens komplett online nachlesbar. So lob ich’s mir, so publiziert man heute!
EDIT: Na sowas, nun sind es tatsächlich nur noch zwei Artikel, die online stehen. Was soll das…??
- Subversion! Subversiv? Eine kleine Geschichte über Möglichkeiten und Unmöglichkeiten, über Transformationspotenziale und Etikett-Sackgassen von Astrid Peterle
- Gespräch zwischen Ingo Lauggas, Anna Schober, Jens Kastner und Astrid Peterle
- Innenperspektiven. Wie subversiv ist eine Fachmesse? von Erk Schilder (hier von mir als pdf)
- Uneinverstandenes Handeln. Subversion(en) zwischen Kunst und Politik von Ingo Lauggas (hier von mir als pdf)
- Strategischer Kannibalismus, revisited. Ästhetik, Aneignung und postkoloniale Agency: Antropophagie und Kultur von Gudrun Rat
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Die Adbusters- und Culture Jamming-„Gemeinde“ gewinnt in den letzten Jahren wieder vermehrt an Schwung und Schlagkraft, und natürlich freue ich mich immer, wenn in den Medien – seien es nun die Totholzmedien, Fernsehen (dort findet Kommerzkritik sehr selten statt!) oder das Internet – das Thema Werbekritik und Widerstand gegen die Reklamewucht auftaucht. So fand ich auf einer amerikanischen Website namens Ship of Fools („The Magazine for Christian Unrest“, hm, interessant, in welchen Ecken man sich mit dem Thema auch so befasst; ist mal ein neuer Blickwinkel in meinem Blog) neulich diesen – ursprünglich aus dem Jahre 2001 stammenden – prima Artikel „Jamming the ad culture“. Es geht um Kalle Lasn, das Adbusters Magazin und eben den Kampf gegen Werbung – und ich möchte Euch den Text heute übersetzt präsentieren.
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Blockieren der Werbekultur
Werbetreibende haben lange Zeit ihr Publikum als bloße Konsumenten angesehen, als passive Empfänger ihrer Botschaften und Produkte. Aber die Konsumenten beginnen, zurückzuschlagen. Susan Roberts berichtet über Culture Jammer, die Werbebotschaften unterwandern.
Shopping ist die neue Religion. Vergessen Sie Pilgerfahrten nach Canterbury: denken Sie eher an Reebok und Ralph Loren. Wir verbannen das Leid nicht mit Gebeten, sondern mit einer kleinen Einkaufstherapie.
An einem durchschnittlichen Tag sehen wir tausende von Marken und Logos, ob wir es wollen oder nicht. Sie sind die neuen Ikonen unserer Gesellschaft und sie infiltrieren jede Ecke des Lebens, vom Arbeitsplatz und Schulen bis hin zum eigenen Zuhause und dem Urlaub. Sie versammeln Menschen so wie das Kreuz die Kreuzritter hinter sich versammelt hat. Sie zielen darauf ab, Treue und ein Gefolge zu erzeugen.
Nach neuesten Studien sind manche Marken inzwischen glaubwürdiger als Politiker und Kirchenführer. Marketing funktioniert. Menschen fühlen sich stärker und besser, wenn sie ein Label wie ein Amulett gegen das Böse tragen. Sie fühlen, dass sie dazugehören, dass sie hineinpassen. Sie definieren sich selbst mit Hilfe von Logos.
Aber es entsteht eine Rebellion, eine kleine Rebellion, aber eine, die dennoch Zuversicht hat. Einige Konsumenten beginnen, zu protestieren. Sie lehnen die Art und Weise ab, wie Werbung so viel öffentlichen Raum besetzt – in Straßen, an den Häuserwänden, auf Bussen und Taxen. Sie sind wütend darüber, wie Werbung zufällig (ungerichtet) unser Bewusstsein bedrängt. Es ist an der Zeit, diesen Wahnsinn zu stoppen, sagen sie.
Ihre Akte von stillem Protest – die in Amerika stark zunehmen – kennt man als Culture Jamming. Culture Jammer parodieren Anzeigen und kidnappen Plakatwände, um deren Botschaften umzukehren. Sie zielen darauf ab, Leute dazu zu animieren, über die tiefere Wahrheit hinter den Marketingkampagnen nachzudenken.
Adbusters, ein alle zwei Monate erscheinendes Magazin, das in Vancouver herausgegeben wird, ist eine der Schaltzentralen der Bewegung. Es wurde 1989 von dem in Estland geborenen Kalle Lasn gegründet, der es als „aalglatt/subversiv“ beschreibt. Von fern scheint es sich um eine glänzende und visuell fesselnde Kunstzeitschrift zu handeln. Doch sobald Sie es aufblättern, entdecken sie etwas ganz anderes.
Adbusters ist ein revolutionäres Werkzeug, die Bibel des Gegenschlags gegen Konsum und weltweites Marketing. Es parodiert große Anzeigenkampagnen, analysiert kulturelle und kommerzielle Trends und berichtet über das Verhalten von Konzernen. Es beabsichtigt, die „Kultur-Gifte“ zurückzudrängen, jene Kräfte des Kommerzialismus, die der Adbusters-Meinung nach die Gesellschaft verformen. Es möchte die Art, wie wir denken, ändern.
„Unser Ziel ist es, die existierenden Machtstrukturen zu kippen und ein grundlegendes Umdenken darüber, wie wir im 21. Jahrhundert leben, anzuregen“, besagt ihr Leitspruch. „Wir glauben, dass Culture Jamming für unsere Zeit das wird, was der Kampf für Bürgerrechte für die 60er, was der Feminismus für die 70er und der Kampf für die Umwelt für die 80er war.“
Die professionell gestalteten Adbusters „Spoof Ads“ sind genauso einprägsam wie die Originale, die sie lächerlich machen. Joe Camel, Zigarettenraucher, wird zu Joe Chemo, der in einem Sarg liegt. Ein Pferd grast auf einem schneebedeckten Friedhof in Marlboro Country. Das bekannte Bild einer Wodkaflasche welkt über dem Slogan „Absolute Impotenz“.
Adbusters initiiert auch Kampagnen. Am „Buy Nothing Day“ (Kauf Nichts-Tag), am Tag nach Thanksgiving, werden die Leute dazu aufgerufen, eine Pause von ihrer Shopping-Ekstase einzulegen und über die Tatsache nachzudenken, dass 20 Prozent der Weltbevölkerung 80 Prozent der natürlichen Ressourcen verbrauchen. Unser überzogenes Konsumniveau tötet den Planeten: „Finde Freude an deiner Macht als Konsument, um das ökonomische Umfeld zu ändern.“
Die letzte Kampagne war ein „Corporate America Flag Jam“. Am 4. Juli, dem amerikanischen Independence Day, lieferte Adbusters einen, wie sie es nannten, symbolischen Ungehorsam, indem es eine alternative Version der Stars-and-Stripes-Fahne erstellte, eine „Brands-and-Bands“, eine Amerika-Flagge, bei der die Sterne durch eine Reihe von Konzernlogos ersetzt wurden. Es war, wie sie sagten, ein Symbol für all das, was falsch läuft in den USA.
„Das Amerika der Konzerne schwelgt in einem Goldenen Zeitalter. Eine schrumpfende Zahl der größten Unternehmen der Welt – AOL Time Warner, Shell, Nike, Microsoft, McDonald’s – stellen das Geld hinter den Präsidenten, die Macht, die weltweite Handelsregeln bestimmt, die Stimme der Autorität darüber, wie wir leben und wie wir denken.“
Fünfhundert dieser speziellen Adbusters-Fahnen wurden von Protestierenden in der ganzen USA geschwenkt, über Brücken gehängt und vor großen Handelsketten wie Wal Mart sowie dem Weißen Haus präsentiert. Einige zogen Menschenmengen an, andere waren nur ein Ein-Mann-Protest. Die Aussage wurde klar und kraftvoll rübergebracht, sagt Adbusters-Herausgeber Kalle Lasn.„Der Hauptgrund für den großen Erfolg der Fahne war, dass sich Amerika mehr als jedes andere Land auf der Welt davon entfernt hat, eine radikale Demokratie zu sein, in der die Menschen entscheiden, was passieren wird“, sagt er. „Es hat sich einem Konzernstaat angenähert.“
Kalle Lasn glaubt, dass Amerika die ursprüngliche Vision der Gründerväter leider aus den Augen verloren hat. Er sagt, dass die Zeit gekommen ist, auf die ursprüngliche Bedeutung der Revolution des Landes zurückzublicken, der Wunsch nach einer wirklichen Demokratie, nach Freiheit und Gerechtigkeit für alle. Es ist an der Zeit, die Macht der großen Unternehmen in Frage zu stellen. „Bürger sind zu Konsumenten geworden und Kultur zur Konsumkultur“, sagt er. „Produkte und Kommerz sind die dominierenden Werte geworden.“
Lasn sagt, dass derzeit 40.000 Menschen im Adbusters E-Mail-Netzwerk sind und Neuigkeiten über Aktivitäten und Kampagnen erhalten. Ca. 10.000 Leute besuchen jeden Tag die Website. Die Verkaufszahlen des Magazins steigen stetig. Die Auflage von 100.000 – 2/3 davon in den U.S.A. – steigt mit jeder Ausgabe um 4.000–5.000. (Anm. P.M.: Inzwischen sind, laut Adbusters-Website, knapp 83.000 Leute auf dem E-Mailverteiler.)
Eindeutig gewinnen die Adbusters-Aktivitäten an Schwung, aber einige Kritiker fragen sich, ob ihre Arbeit überhaupt einen echten Einfluss hat. In vielerlei Hinsicht ist es immer noch eine „Insider“-Zeitschrift. Es mangele ihr an Massenappeal. Aber die wachsende Zahl von Abonnenten und Aktivisten sprechen eine andere Sprache – und die Bewegung wächst. In England sammelt das Subvertise-Projekt Werbeparodien und Fotos von Plakatwänden, die mit Anti-Werbe-Graffitti verändert wurden.
Weltweit hat Culture Jamming einen gewissen Einfluss. Nike, als offensichtliche Antwort auf die Vorwürfe, dass es in ihren Fabriken in den Entwicklungsländern auf Kinderarbeit zurückgreife, brachte unlängst ihre eigene „gejammte“ Reklame in Australia heraus: „Die anstößigsten Stiefel, die jemals gemacht wurden. 100 Prozent Sklavenarbeit.“ Nike hat begonnen, sich den öffentlichen Zynismus zunutze zu machen, erklärt Adbusters.
Andere Adbusters-Kritiker – und nicht nur die in den großen Unternehmen – sind einfach der Meinung, dass Shopping Spaß macht. Ihnen macht es nichts aus, manipuliert zu werden. Sie sind der Meinung, dass sie ihre Entscheidungen vollkommen unter Kontrolle haben. „Das grundlegende Problem mit Adbusters ist, dass es festlegen möchte, wie Glück/Zufriedenheit aussehen soll und welche Dinge eine Bedeutung haben und welche nicht“, so ein Leserbrief in einer aktuellen Ausgabe. „Eine der Stützen der Freiheit in den USA ist das Recht des ‚eigenen Wegs zum Glück‘. Bedenken Sie, dass die Definition von ‚Glück‘ nicht von Ihnen gepachtet ist, denn, nun, das bedeutet Freiheit.“
Aber die Zeitschrift hat hohe Ideale und Lasn glaubt, dass sie zu einem wachsenden weltweiten Unwohlsein passt, einem Gefühl, dass die Dinge einfach nicht richtig laufen.
Er spricht von einer dringenden Notwendigkeit, anzuhalten und einen Raum für andere Formen des Denkens und des Daseins zu bewahren. Er plädiert für eine Welt ohne kommerzielles Inferno, eine geschützte Zone. Er fürchtet, dass es eine reale Gefahr darstellt, dass die Macht des Konzermarketings uns diese nehmen kann. Er fühlt auch, dass wir ohne diesen mentalen Freiraum uns selbst nicht wirklich werden finden können.
Seneca sagte vor 2.000 Jahren ziemlich genau das gleiche: „Prüfe alles, das um dich herum liegt, als wäre es Gepäck in einem Gästezimmer; Du musst weiterreisen“, schrieb er. „Die Natur macht dich bei deiner Abreise genauso nackt/bloß wie bei deiner Ankunft.“
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Bei meinen Recherchen zu meinem Adbusting-Vortrag, fiel mir wieder auf, wie vielfältig und abwechslungsreich Culture Jamming und kreativer Protest weltweit doch stattfindet. Bei den Popnutten stieß ich beispielsweise auf diese tolle (wenn auch schon etwas ältere) Aktion – The Bubble Project. Initiiert vom amerikanischen Künstler Ji Lee, der es leid war, immer nur die Einbahnstraßen-Kommunikation der Werbung zu erleben, und statt dessen auf die Idee verfiel, 15.000 leere Sprechblasen auszudrucken und in ganz New York an Plakatwände etc. zu kleben, so dass die Passanten endlich die Möglichkeit hatten, auf die Reklame zu reagieren. Er dokumentierte dies am Ende als eine eigenständige Kunstaktion – aber auf seiner Seite gibt es die Schablonen für die Sprechblasen zum Herunterladen, so dass jeder von uns losgehen und in seiner Stadt mal für ein wenig mehr Mitspracherecht sorgen kann. Es bietet sich sicherlich auch an, vielleicht schon ein paar fertige markige Sprüche auf besonders nervige Logos und Plakate zu platzieren, zum Amüsement der vorbeigehenden Menschen und zur Lächerlichmachung der manipulativen Werbeaussagen und der aufdringlichen Markenpräsentationen.
Our communal spaces are being overrun with ads. Train stations, streets, squares, busses, and subways now scream one message after another at us. Once considered “public”, these spaces are increasingly being seized by corporations to propagate their messages solely in the interest of profit. Armed with heavy budgets, their marketing tactics are becoming more and more aggressive and manipulative. We the public, are both target and victim of this media attack.
The Bubble Project is the counterattack. The Bubbles are the ammunition. Once placed on ads, these stickers transform the corporate monologue into an open dialogue. They encourage anyone to fill them in with any form of self expression, free from censorship. More bubbles mean more freed spaces, more sharing of personal thoughts, more reactions to current events, and most importantly, more imagination and fun.
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In Kiel geht derzeit einiges, was spontane Aktionen, quasi Culture Jamming, anbetrifft. Letztes Wochenende eine spontane Riesenparty, die den Westring (eine der Hauptverkehrsadern der Stadt) stundenlang lahmlegte, am Mittwoch ja mein Adbusting-Vortrag, und am morgigen Samstag, den 25.4., sind gleich zwei Flashmobs anberaumt. Flashmob, was ist denn das? Ich zitiere Wikipedia:
Der Begriff Flashmob (flash – Blitz; mob – von mobilis – beweglich), auch Blitzauflauf, bezeichnet einen kurzen, scheinbar spontanen Menschenauflauf auf öffentlichen oder halböffentlichen Plätzen, bei denen sich die Teilnehmer üblicherweise persönlich nicht kennen. Flashmobs werden über Weblogs, Newsgroups, E-Mail-Kettenbriefe oder per Mobiltelefon organisiert. Obwohl die Ursprungsidee explizit unpolitisch war, gibt es mittlerweile auch Flashmobs mit politischem Hintergrund.
Die Greenpeace-Gruppe Kiel ruft nun also morgen um 11 Uhr zu Flashmob Nummer 1 auf:
Am 26. April ist es 23 Jahre her, dass es im Kernreaktor Tschernobyl Block 4 zur Kernschmelze und Explosion kam und damit eine der größten Umweltkatastrophen unserer Zeit ausgelöst wurde.
Die Greenpeace Gruppe Kiel plant am Samstag den 25. April eine Flash Mob Aktion, um auf die damalige Katastrophe und möglicher zukünftige Katastrophen aufmerksam zu machen. Das ist so gedacht, dass sich eine möglichst große Gruppe von Menschen am Samstag 11.00 Uhr scheinbar zufällig versammelt und alle auf ein vorher verabredetes Signal wie tot umfallen. Nur einige wenige in Schutzanzügen bleiben stehen und ummalen die „Leichenumrisse“ mit Kreide. Außerdem klärt jemand die Unbeteiligten über den Grund der Aktion auf. Nachdem der Flash Mob sich dann aufgelöst hat, ist außerdem noch ein Infostand oder etwas in der Art geplant, wo noch einmal eingehender über das Thema informiert wird.
Damit das Ganze aber wirklich Aufmerksamkeit erregt und Spaß macht brauchen wir ganz ganz viele Leute!!! Dies ist also eine Einladung zu kommen und so viele Leute mitzubringen wie es geht, damit es richtig lustig wird! Das Ganze soll am Samstag um 11.00 am Dreiecksplatz Uhr starten. Es wäre also gut wenn ihr schon ein paar Minuten früher da sein und euch unauffällig (so weit möglich) verhalten könntet. Umkippen sollen dann schließlich alle möglichst auf dem Bürgersteig bei der Grünfläche zwischen Backeria und Schuhgeschäft. Das Signal wird ein Sirenengeräusch von/durch ein Megaphon sein.
Flashmob Nummer zwei, von den Veranstaltern als „MobMent“ bezeichnet, und offenbar eher unpolitisch, findet dann zwei Stunden später statt:
WAS WIRD GEMACHT: Auf der Straße hinlegen, “schlafen” und nach 5 Minuten wieder aufstehen
WO: Beim Fußgängerüberweg der Holstenstraße, Berliner Platz, Kiel
WANN: 25. April 2009, 13:00 – 13:05 Uhr
Alle, die Lust haben, können einen Wecker oder ein Handy mitnehmen. Wichtig ist dabei nur, dass sie alle um 13:05 Uhr klingeln (siehe Forum).
http://www.uhrzeit.org/atomuhr.htmlWas ist MobMent? “MobMent” ist ein Kurzwort für die Aktion “Mob-Movement” von Niels Fleichhauer und Alexander Main und umfasst alle gängigen Formen von Flash Mob, Freeze Mob und Smart Mob, fügt sie zu einem Neuen zusammen!
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Es gibt ein sehr bissiges und seit Jahren erfolgreiches Satiremagazin in den USA – The Onion. In bemerkenswert professioneller Art und Weise, technisch und optisch perfekt dargeboten, werden hier Nachrichten und Dokumentationen „gefälscht“ bzw. persifliert und viele Themen aus der Tagesaktualität, aber auch grundsätzliche gesellschaftliche Entwicklungen & Probleme, sonderbare technische Erfindungen u.ä. angesprochen. Einige davon sind so bitter, dass einem das Schmunzeln auf den Lippen gefriert, und einige sind so absurd, dass sie einen für einen Moment innehalten lassen und einem bewusst wird, wie absurd auch die „normalen“ Nachrichten sind, die einem das Fernsehen jeden Tag so vorsetzt. So ist dann das Motto von The Onion auch „You seem to be informed“. Immerhin 3 Millionen Menschen verfolgen Woche für Woche diese „Nachrichten“ aus einer Parallelwelt, die der unseren irgendwie erschreckend ähnlich sieht.
Zwei Beiträge möchte ich Euch heute mal ans Herz legen – zum einen „New Gap Collection – for Kids by Kids“, das die Problematik von Kinderarbeit in asiatischen Sweatshops thematisiert. Gerade die bei westlichen Jugendlichen so angesagten Marken und Ladenketten wie Nike oder Gap sind dafür berüchtigt, dass ihre Klamotten unter unwürdigen Bedingungen hergestellt werden, während sich die Konzerne via Reklame ein schillerndes Lifestyle-Image zurechtzimmern. [via]
Harte Kost ist auch „Hollow Point Bullets recalled that fail to explode targets” – mit voller Ernsthaftigkeit wird hier darüber berichtet, dass versehentlich schadhaft ausgelieferte Munition die inneren Organe nicht so gut zerstöre, wie sie es laut Versprechen des Herstellers eigentlich müsste. Schwarzer Humor, der fast schon weh tut. :-) Zugleich beleuchtet dieser Film auch die Abgebrühtheit, mit der Nachrichtensender sonst oft Gewalttaten für ihre Quote ausschlachten, durchaus kritisch.
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Nach der ZEIT und der New York Times wurde letztes Wochenende mit der Financial Times gleich die dritte etablierte Zeitung Opfer einer Parodie/eines Fakes – eine britische Aktivistengruppe brachte 10.000 Exemplare der etwas anderen Financial Times unter die Leute und stellte zudem ihre Version des Finanzblattes unter ft2020.com online. Dort kann man sie sich auch als pdf herunterladen. Der Kopf hinter der Aktion ist der Globalisierungsgegner Raoul Djukanovic, der gegenüber dem Guardian seine Beweggründe erklärte:
Journalisten gestalten die öffentliche Debatte, und die Londoner Finanzwelt die Politik – wenn sie ihr Denken umgestalteten, helfen sie, eine andere Welt zu erschaffen. [via]
Der Unterton der Fake-Financial Times scheint deutlich satirischer und auch eine Ecke schärfer als der der Attac-ZEIT – „We live on Financial Crimes“ lautet das neue Motto der Wirtschaftszeitung und „In a world of cold, harsh truths … we rescue stories from the facts“. Wieder eine sehr gelungene Aktion, wie ich finde – die Verwirrung und Störung der etablierten Medienkreise geht weiter! Meinen besonderen Beifall finden, wie üblich, die schönen Adbusts, die sich auf der Website tummeln.
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Spätestens seit der gelungenen Attac-Aktion mit der gefälschten ZEIT ist das Grundprinzip des Culture Jammings (und Adbustings) auch größeren Bevölkerungsschichten einmal praktisch vor Augen geführt worden: gewohnte Denk- und Wahrnehmungsmuster aufbrechen, verwirren, deautomatisieren, um zum eigenen Nachdenken über Themen anzuregen. Es ist erfreulich, dass diese Bewegung, die ja gar keine offizielle ist, sondern aus vielen verschiedenen Aktivisten und Ideen und Zielen besteht, weltweit Zulauf erhält und vermehrt mediale Beachtung erfährt.
Ein sehr schönes Beispiel lieferte Ende letzten Jahres das kolumbianische Online-Magazin elniuton – in einer ihrer letzten Ausgaben befassten sie sich intensiv mit Culture Jamming, den Techniken, Akteuren, Künstlern und Zielen, aber auch den Grenzen. U.a. ist auch ein Interview mir Mark Dery enthalten, der sich mit dem Phänomen seit den 90ern beschäftigt und den Begriff CJ damals erstmalig populär machte. Das Ganze ist kunstvoll auf Flashbasis gestaltet, unterhaltsam und kann zweisprachig (Englisch und Spanisch) kostenlos online gelesen werden.
Mass media did the Cultural Revolution during the XX Century second half, ad discourse destroyed media’s natural capacity of generating new ideas and turned culture into a Catoblepas, recycling ideas for consume. Culture Jamming is the answer.