Aug
02
2010
20

Ein Jahr ohne Disney

© Guekkiko, stock.xchng

Langjährige Leser meines Blogs erinnern sich vielleicht noch an meinen Beitrag, in dem ich die erschreckende Vielzahl an Firmenbeteiligungen, an Fernseh- & Radiosendern, an Zeitungen und Zeitschriften auflistete, die zum Bertelsmann-Imperium zählen. Tatsächlich ist diese Marktmachtfülle und mediale Ballung noch gar nichts, wenn man sie mit dem Disney-Konzern vergleicht. Denn Disney, das ist mehr als nur Micky Maus und Donald Duck und auch mehr als die rührseligen, kitschigen Zeichentrickkinofilme. Weit über diese Dinge hinaus breitet sich Disney in alle Lebensbereiche hin aus und treibt die koplette Durchkommerzialisierung durch ihre Produkte und Marken massiv voran – bis hin zu eigenen Wohnanlagen wie der künstlichen Stadt Celebration City.

Das Adbusters Magazin berichtet über die Aktion einer Familie, die sich ein ganzes Jahr ohne Disney verordnet hat, was in den USA noch um einiges schwieriger ist als hierzulande, zumal wenn man kleine Kinder hat:

Eine US-Familie hat versprochen, für ein ganzes Jahr von Disney und seinen grinsenden, produkt-anpreisenden Maskottchen Abstand zu nehmen. Mutter Lisa Ray erklärt: „Es ist fast so, als wenn eine amerikansche Familie ein Disney-‚Voreinstellung‘ hätte. Ich hoffe, dass ich bemerke, wenn wir ‚automatisch‘ zu Disney greifen (im Kino oder wenn wir Geschenke kaufen), und hinter die Fassade schauen. Welche anderen Alternatvien haben wir?“

Das klingt einfach, meinen Sie? Nach einem Blick auf die Liste, was alles zu Disney gehört, werden Sie vielleicht umdenken. Verfolgen Sie den Weg der Familie Ray, während sie alternative Medien und Unterhaltungsmöglichkeiten entdecken und ihre Fantasie zurückfordern. (Soll heißen: sich von den vorgefertigten Disney-Fatnasiewelten verabschieden; Anm. PM)

Auf dem Blog der Familie Ray kann man nachlesen, wie sich das Projekt entwickelt. U.a. findet sich dort auch eine Auflistung all jener Medien/Firmen, die mittlerweile zum Disney-Universum gehören – unfassbar, eigentlich…:

* = Unternehmensbeteiligung.

Online
ABC.com
ABCNews.com
Abcsports.com
aetv.com *
biography.com  *
celebrityparents.com
clubpenguin.com
Disney.com
Disneychannel.com
disneyfairies.com
Disneyshopping.com
ESPN.com
ESPNdeportes.com
Family.com
Familyfun.com
Go Network
Go.com
historychannel.com  *
Historytravel.com  *
incrediblebabynames.com
iparenting.com
militaryhistory.com  *
NASCAR.com
NBA.com
NFL.com
Oscar.com
Playdom (2010)
Soccernet.co
thehistoryhcannelclub.com  *
Toysmart.com
Wondertime.com
www.disneysgamecafe.com
hulu.com *

Publishing
ABC Daytime Press
Cal Publishing Inc.
CrossGen
Disney Editions
Disney Global Children’s Books
Disney Libri
Disney Press
Disney Publishing Worldwide
ESPN Books
Global Continuity
Global Retail
Hyperion eBooks
Jump at the Sun
Marvel Comics
Michael di Caupa Books
Miramax Books
Theia
Volo

Magazines

Automotive Industries
Biography (with GE and Hearst)
Discover
Disney Adventures
Disney Magazine
ECN News
ESPN Magazine (distributed by Hearst)
Family Fun
Institutional Investor
JCK
Kodin
Top Famille – French family magazine
US Weekly *
Video Business
Quality
Wondertime Magazine

Music
Buena Vista Records
Disney Music Publishing Worldwide
Hollywood Records
Lyric Street Records
Walt Disney Records

Television
ABC Network
Stations

WLS – Chicago
WJRT – Flint
KFSN – Fresno
KTRK – Houston
KABC – Los Angeles
WABC – New York City
WPVI – Philadelphia
WTVD – Raleigh – Durham
KGO – San Francisco
WTVG – Toledo

Cable Stations
A&E *
A&E International *
ABC Family
Biography Channel *
Crime and Investigation Network *
Disney Channel
ESPN *
ESPN Classic *
ESPN2 *
ESPNEWS *
ESPNU *
History Channel *
Jetix Europe *
Jetix Latin America
Lifetime Movie Network *
Lifetime Network *
Lifetime Real Women *
Lifetime Real Women *
Military HistoryChannel *
SOAPnet    Cable
Toon Disney

Radio

ABC Radio
ESPN Radio (syndicated programming)
WDWD – Atlanta
WMVP – Chicago
WLS – Chicago
KESN – Dallas
KMKI – Dallas-Forth Worth
KRDY – San Antonio
WCOG – Greensboro, NC
WRDZ – Indianapolis
KABC – Los Angeles
KLOS – Los Angeles
KDIS – Los Angeles
KSPN – Los Angeles
KDIZ – Minneapolis – St. Paul
WKSH – Milwaukee, WI
WEVD – New York City
KDZR – Portland, OR
KWDZ – Salt Lake City
KIID – Sacramento
KMKY – Oakland
KQAM – Wichita
KKDZ – Seattle
WSDZ – St. Louis
WWMK – Cleveland
KMIK – Phoenix
KDDZ – Denver
WWMI – Tampa
KMIC – Houston
WMYM – Miami
WBWL – Jacksonville
WBYU – New Orleans
KDIS – Little Rock
WWJZ – Philadelphia
WWJZ – Philadelphia
WMKI – Boston
WDZK – Hartford
WDDZ – Providence
WDZY – Richmond
WGFY – Charlotte
WDYZ – Orlando
WMNE – West Palm Beach
WEAE – Pittsburgh
WDRD – Louisville
WDDY – Albany, NY
KPHN – Kansas City
WQUA – Mobile
WBML – Jacksonville
WFDF – Detroit
WFRO – Fremont, OH
WDMV – Damascus, MD
WHKT – Norfolk Radio Disney

Film
A&E IndieFilms
Buena Vista
Hollywood Pictures
Miramax Films
Pixar
Studio Ghibli (North American distributor)
Touchstone Pictures
Walt Disney Pictures

Parks
Disney Cruise Line
Disney Vacation Club
Disneyland Resort
Disneyland Resort Paris
Hong Kong Disneyland
Tokyo Disney Resort
Walt Disney Imagineering
Walt Disney World Resort

Miscellaneous
AETN Consumer products
Baby Einstein Company
Club Penguin
Disney Apparel, Accessories and Footwear
Disney Consumer Economics
Disney Food, Health and Beauty
Disney Home Furnishings and Decor
Disney Interactive Studios
Disney Live Family Entertainment
Disney on Ice
Disney Stationery
Disney Theatrical Productions
Disney Toys
ESPN Zone
Muppets Holding Company
Tapulous (2010)
The Disney Store
Walt Disney Internet Group

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Werbung schadet (2): Die untrennbare Vermischung von Reklame und Redaktionellem

Nachdem ich mich im ersten Teil meiner kleinen, sachlich-polemischen Aufklärungsserie über die Schädlichkeit von Werbung mit den Auswirkungen auf die Sprache befasst habe, geht es diesmal schon eher ans Eingemachte. Mein heutiges Thema ist nämlich die immer weiter zunehmende Verschmelzung von Werbung mit redaktionellen, „journalistischen“ Inhalten in den Medien, die – so hoffen die Verantwortlichen – vom Leser bzw. Zuschauer gar nicht weiter als unheilige Interessensvermengung erkannt wird.

new_magazinesBetrachten wir zur Veranschaulichung der Problematik doch mal eine x-beliebige deutsche Fernsehzeitschrift – richtig, eines jener bunten Heftchen, von denen gefühlt ca. 20 konkurrierende (?) Magazine ausliegen, jeweils erkennbar an einer mit Photoshop bis zur Unkenntlichkeit retuschierten halbnackten Frau auf dem Titelbild, in der Regel ein sog. „Star“ oder „Promi“. Meiner Erfahrung nach ist mindestens ein Drittel, wenn nicht gar die Hälfte so eines Hefts mit offen als solcher zu erkennenden Werbung zugepflastert. Aber wie sieht es auf den verbleibenden „redaktionellen“ Seiten aus? Im vorderen Teil wird über diverse Stars und ihre neuen Filme, CDs, Bücher etc. berichtet, was in der Regel eigentlich auch nur ein Anpreisen von diesen Projekten darstellt – kritische Töne sind hier meist fehl am Platz. Dazu gibt es dann „Nachrichten“ aus den Bereichen Unterhaltungselektronik, Autos, Reisen – auch alles reine Konsumaufforderungen, und man darf davon ausgehen, dass für so manchen Bericht, der hier erscheint, der eine oder andere Euro aus den Taschen der Unternehmen geflossen ist. Den Vogel ab schießen aber manche Zeitschriften, die auch noch auf mindestens einer Doppelseite die Leser über die beliebtesten Werbespots/Anzeigen abstimmen lassen und Making ofs von neuen TV-Clips mit „Stars“ bringen – auch wieder ganz im Stile von echten Nachrichten oder Ereignissen, über die man neutral zu berichten vorgibt. Somit durchzieht eine bunte, grelle, unreflektierte und dumme Konsum- und Kommerzaura das komplette Heft, die einem nach einer Weile das Hirn verkleistert.

Von kostenlosen Werbeblättchen & sog. „Stadtteilzeitungen“ erwartet man sowieso nichts anderes – es ist ja bekannt, dass man für das Buchen einer größeren Anzeige gleichzeitig noch einen von der Redaktion geschriebenen, nicht als Reklame kenntlich gemachten, also den Anschein eines unabhängig recherchierten journalistischen Textes erwecken sollenden Artikels über die eigene Firma erhält. Diese Heftchen versuchen, irgendwie noch wie eine „richtige“ Zeitung auszusehen, sind oft im Format etc. den normalen Tageszeitungen ähnlich, und sollen den Leser so dazu animieren, sich die ganzen gekauften Artikel durchzulesen. Im Lumières dans la nuit-Blog wird solch ein Vorgehen am Beispiel der „Linden-Limmer Zeitung“ schön süffisant aufs Korn genommen:

Der Niedergang der traditionellen Printmedien ist der Aufstieg der offenen und verdeckten Reklame in diesen Medien. Ich kenne in meinem Umfeld keinen einzigen Zeitungsleser mehr. Jeder wache Mensch hat inzwischen mitbekommen, dass der so genannte »redaktionelle« Teil einer typischen Zeitung fast ausschließlich aus wörtlich übernommenen Agenturmeldungen besteht, und dass dieser direkt aus dem NITF-Feed abgeschriebene Content mit so viel Reklame aller Art daher kommt, dass die Werbung über fünfzig Prozent des gesamten Umfanges der Zeitung ausmacht. Was in den Zeitungen als scheinbares journalistisches Produkt verbleibt, entpuppt sich durch bloßes Hinschauen zu einem großen Teil als abgeschriebenes PR-Geschwafel derjenigen Werbekunden, die mit ihren geschalteten Anzeigen viel Geld in diesen sinnlosen Betrieb simulierten Journalis-Muses pumpen.

(…) die, wie der Name schon sagt, in den hannöverschen Stadtteilen Linden und Limmer in die wehrlosen Briefkästen gestopft wird, um Reklame aller Art zu transportieren. Dieses Produkt des Zehn Verlages kommt gar nicht zeitungstypisch auf schwerem, glänzendem Papier daher und verrät schon in dieser Dareichungsform seinen vorwiegend auf dem Blendglanz der Reklame beruhenden Charakter. Leider reicht das bloße Wort »Zeitung« in seinem historisch gewachsenen Ansehen für viele Menschen immer noch hin, so dass sie dieses Elaborat nicht zusammen mit dem anderen Postwurfmüll dem Altpapier überantworten und sogar darin zu lesen beginnen, als enthielte es irgend etwas Substanzielles.

Dummerweise ist dieses Prinzip, also eine den Anzeigenkunden genehme Berichterstattung, mehr oder weniger ausgeprägt bei allen reklamefinanzierten Medien Gang und Gäbe. So wurde neulich in dem Frontal 21-Special über die Pharmalobby auch aufgedeckt, wie die Hochglanzzeitschriften Vanity Fair, Glamour, Vogue oder auch Ausgaben des Bauer-Verlags wie Tina, Neue Post, TV Movie oder Fernsehwoche einer fiktiven (von den Autoren des Beitrags erfundenen) Pharmafirma einen von der jeweiligen Reaktion verfassten und natürlich positiven Beitrag zum neuen Antidepressivum xy in Aussicht stellten (und das, obwohl man in der EU für rezeptpflichtige Medikamente nicht werben darf). Vogue schlägt der Scheinfirma beispielsweise vor:

Durch O-Töne von Experten (Mediziner, Forscher) und zusätzliche Tipps wird die Leserin optimal mit der Thematik vertraut. Die Seiten werden im Vogue-typischen Redaktionsstil getextet und sind damit perfekt auf die Vogue-Leserschaft zugeschnitten.

Ich weiß nicht, wie es Euch geht, aber mir wird bei sowas schon ziemlich schlecht – bedeutet das doch nichts anderes, als dass sich durch die kommerziellen Interessen Informationen, PR und Werbung  soweit vermischen, dass man keinem Bericht, der in solchen Magazinen erscheint, mehr glauben kann/sollte, denn man weiß ja nie, wer sich diese im Heft dargelegte Meinung wie viel hat kosten lassen. In dem Frontal 21-Beitrag wird so ein Vorgehen auch ganz klar als „Verbrauchertäuschung“ bezeichnet, weil suggeriert würde, der Leser bekäme ein recherchiertes Produkt, obwohl es in Wahrheit doch nur Werbung sei.

Genauso unverfroren geht es auch bei der BILD-„Zeitung“ zu, die für ihr Klientel bzw. die ihr nahestehenden Konzerne und Interessengruppen ja gerne mal Stimmung macht, ohne den Leser darüber aufzuklären, worum es wirklich geht. Besonders beliebt ist die völlig unkritisch betriebene Zusammenarbeit mit dem Discount-Ekel Lidl – schon seit jeher arbeiten Lidl und BILD Hand in Hand zusammen und die „Zeitung“ befleißigt sich eines sehr Lidl-freundlichen Redaktionsstils (über die Überwachungsskandale bei Lidl wurde z.B. nur ganz klein in einer Ecke berichtet, während dies in den meisten anderen Medien deutlich intensiver geschildert wurde). Darüber gab es auf N3 mal einen hervorragenden Beitrag, den ich gar nicht oft genug empfehlen kann:

So könnte man den Bogen immer weiter spannen – auch im Fernsehen, gerade bei den privaten Sendern, sind Kommerz und „Inhalt“ so weit zusammengewachsen, dass man kaum noch weiß, ob eine SKL-Show nun reine Werbung ist oder vielleicht doch auch noch eine redaktionelle Bearbeitung erfuhr. Formate wie Deutschland sucht den Superstar dienen nur dazu, Plattenverkäufe zu generieren und für ein paar Monate hochgejubelte Sternchen nach oben zu spülen, damit man die Werbepausen zwischen den Shows möglichst teuer verkaufen kann. Die Cannes-Rolle, die regelmäßig in die Kinos gewuchtet wird und „die besten Werbespots der Welt“ (ein Widerspruch in sich) enthält, wird tatsächlich wie ein normaler Kinofilm gezeigt, obwohl es in den preisgekrönten Reklamefilmchen ausschließlich ums Formen eines Unternehmensimages und das Verkaufen von Produkten geht (immerhin wird hier mit offenem Visier gearbeitet, also nicht behauptet, dass es sich um journalistisch recherchierte Inhalte handele). Und so weiter, und so fort, die Liste ließe sich noch endlos fortsetzen.

Deshalb abschließend nur noch ein Verweis auf einen weiteren Beitrag im Lumières dans la nuit-Blog mit dem bezeichnenden Titel „Gülle“, in dem es um eine von Reklameeinblendungen verhunzte Online-Zeitung geht. Und den Artikel „Darf’s eine Seite mehr sein? Gegen den Werbemarkt ist der Gebrauchtwagenhandel grundsolide” des Wirtschaftsmagazins brand eins will ich Euch ebenfalls noch wärmstens ans Herz legen, taucht er doch tief in den ganzen Anzeigensumpf ein:

Oft bestehe dieser Mehrwert im Vermischen von werblichem und redaktionellem Inhalt – eigentlich unvereinbar mit unabhängigem Journalismus. Sogenannte Advertorials ahmen gestalterisch die Anmutung des journalistischen Angebots nach, sind aber in Wirklichkeit bezahlte Werbung, die sich mittlerweile selbst in seriösen Tageszeitungen findet. Meistens steht etwas verschämt „Sonderthema“ oder „Verlagsbeilage“ darüber, manchmal auch „Extra“. Aber was sagt das dem Leser schon? Es könnte bedeuten, dass sich die Redaktion extra viel Mühe gibt. In Wahrheit hat sich der Verlag extra etwas einfallen lassen, um verkappte Werbung zu drucken. Dabei sieht das Presserecht ausdrücklich vor, dass Werbung und Redaktion nicht verquickt werden dürfen und Anzeigen als solche gekennzeichnet werden müssen.

Wer meint, so etwas gebe es in SERIÖSEN Medien doch wohl nicht, darf sich gerne mal diese offen auf der FAZ-Website nachlesbaren Richtlinien für deren Advertorials anschauen.

Advertorials ermöglichen Werbekunden die Präsentation ihrer Inhalte im Look&Feel von FAZ.NET. So können unseren Nutzern auch umfangreichere Produktfunktionen in der vertrauten Welt von FAZ.NET erläutert werden.

Man beachte die schönfärberische Umschreibung dieser Schleichwerbung… Reklame & Kommerz haben es also geschafft, die gesamten Medien endgültig zu Desinformationsschleudern zu machen.

Weitere Informationen:

>> Teil 1: Die Versaubeutelung der Sprache
>> Teil 2b: Medienmanipulation durch Werbeentzug
>> Teil 3:  Ressourcenverschwendung
>> Teil 4: Die Verschandelung des öffentlichen Raums und die Durchkommerzialisierung des Alltags

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